Die von neudeutschen Heiden als Irminsul verkannte Palmbaumdarstellung vom Externstein-Kreuzabnahmerelief ist auf vielen christenkirchlichen Abbildungen in diversen Ausformungen zu finden. Um den Unwissenden über diesen Sachverhalt Kenntnis zu verschaffen, folgen einige Beispiele.
 
Um die komplizierte und zuerst widersprüchlich anmutende Problemstellung zu durchschauen, muss man begreifen, dass die Lebensbaum-Dattelpalme im jungen, zunächst rein orientalischen Christentum als unverfänglich galt, später - bei sich verfestigender Kirchenmacht - als altheidnisches Symbol verstanden wurde und zum Sinnzeichen weltlicher Kaisermacht avancierte. Die germanische Irminsul war aber ein Symbol der kosmischen Welterhaltung, eine Himmels- bzw. Sonnenstütze, entsprach also einem völlig anderen Verständnisgedanken ! Berührungen beider Symbole gab es im Orient und dessen Randkulturen, wo die hohe Palme nicht allein als Lebens- bzw. Ernährungsbaum (wegen ihrer Dattelfrüchte) angeschaut wurde, sondern auch als Himmelsstütze abgebildet werden konnte (in einem babylonischen Relief). Diese doppelte Betrachtungsweise kann jedoch für Germanien keine Bedeutung gehabt haben, denn der Palmbaum war im ursprünglichen Norden zu fremd.
 
Der tiefergehender Erklärungsansatz ist folgender: Einem geistgesunden Außenstehenden ist es kaum möglich, die verquaste christliche Gedankenwelt zu durchschauen, hilfreich ist dabei eine Spekulation des „Kirchenvaters“ Augustin: „Der Tod ist durch den Baum, das Leben durch das Kreuz gekommen.“ Christliches Denken stellt die Weltwahrheiten des Lebens auf den Kopf. Dass jedes Leben, also der „Lebensbaum“, einmal zu Ende gehen muss, bevor es in seiner Verjüngungsform wieder erwacht, nimmt Augustin zum Anlass, das Leben schlechthin als etwas zu definieren, was zum Tode führen würde, während der „Opfertod am Kreuze“ und der Glaube an diesen steinzeitlichen Opferzauber, zum „Ewigen Leben“ in himmlisch-göttlichen Jenseitsgefilden führe. Thomas v. Aquin ganz genau so: „Was Adam verloren, hat Christus am Kreuz wiedergefunden.“ Folgerichtig ist der Baum etwas was überwunden werden müsse, zugunsten einer jenseitsgewendeten Lebensverneinung in Gestalt des Mönch- und Nonnentums, des zölibatären Glücksverzichts usw.. Daraus erklärt sich der christliche Hass gegen die realen hl. Bäume der vorchristlichen Kulturen und ebenso sein Kampf gegen die Lebensbaumsymbolik. Wo der Baum als überwundener Übergang zum Kreuz gesehen werden konnte, ließ christliche Logik ihn gelten. So gibt es kirchliche Darstellungen, wo das Todeskreuz - der römische Galgenbaum, welcher das gepredigte ewige Leben bringt - aus dem Lebensbaum herauswächst. Überall dort aber, wo der Lebensbaum als Kultobjekt verehrt wurde - sei es in seiner orientalisch-helladischen Palmbaum-Idolform oder als Dreispross - hat ihn die Kirchenkunst verächtlich zu machen gewusst. Das macht es dem Beobachter der romanischen Kunst so schwer, eine durchgehende Linie festzustellen. Hinzu kommt, dass seit Jahrhunderten vor unserem abendländisch-christlichen Zeitrechnungsbeginn die ikonographische Palme, und insbesondere die fruchttragende Dattelpalme, zum einen in den religiösen Kulten ihren Platz der Verehrung fand (Apollo- u. Dionysoskult), zum anderen ein Herrschaftssymbol in Gestalt des sog. Lilienzepters wurde und schließlich als Palmettenzierungen als nur gefälliges Schmuckmusterthema genutzt worden ist. 
 
  
Abb. a - Mosaik des Papst Felix III. (um 527–530) - Abb. b - Palmbaum als Lebensbaum-Mosaik im byzantinischen Kloster Tall Bica am oberen Euphrat - 6. Jh.
 
 Obermarsberg_Irminsul.JPG
Frankenkaiser Karl und Abt Sturmius unter der Externstein-Palme,
die bewusst ohne Mittelsprossen als Todesbaum bzw. abgestorbener Lebensbaum verbildlicht wurde.
(Modellvorlage des Künstlers Alfons Sprick / Erwitte des Reliefs in Stiftskirche Obermarsberg)
 
Unsinnige moderne dt. Lebensbaum-Idole ohne Mittelspross, also Todesbäume.
- Keinerlei Ähnlichkeiten mit der altsächsisch-nordischen Irminsul !
 
a) Angedeutete Palmblatt-Rippungen an den beiden Unterseiten der Externstein-Blattranken
b) Palmbaum-„Lilien“-Zepter (mit gleicher Palmblattrippung) des Rudolf v. Schwaben (1025-1080) im Dom zu Merseburg
 
Schon 1600 v.0 zeigt die minoische Goldtasse die Palmenwipfel in der uns bekannten Lilienform
 
Lebensbaum-Palmbaum-Motiv auf einem Bruchstück einer Goldplatte (7.Jh. v.0), Ziwije / Iran
 
Assyrischer Rollsiegel, 13.-11. Jh. v.0 - Adlergenius befruchtet das Idolbild der Hl. Dattelpalme, jenes
Gebilde, das einige närrische dt. Neuheiden als Irminsul bezeichnen.
 
Zwei Hl. Palmbaumidole auf mittelassyrischer Rollsiegelabrollung, 14.-13. Jh. v.0
 
Aramäischer König mit Palmbäumchen-Zepter, aber auch die indogerm. Hurriter trugen derartiger Zepter -, aus denen - über byzantinisch-römische Vermittlungen - das Lilienzepter europäischer Machthaber wurde.
 
Abb. a b c
Verspielt-kreative Sonderformen von Lebensbäumen auf Abb. a mykenisch-späthelladischen Trinkschale (1.300-1.200 v.0) - Abb. b mykenischem Krater (1.400 v.0) mit zwei Stieren die den Blumenbaum / Lebensbaum flankieren. Zwar meinte der Disigner beide Male ein Palmen-Idol, was bei Abb. a an der Blattrankenform, dem Stammornament und den angedeuteten signifikanten Fruchtständen ablesbar ist, doch die Mittelsprossenblätter fehlen diesmal. Der gepunktete Kreis darüber könnte die Sonne verbildlichen wollen. Da es sich hierbei um keinen orientalischen, vielmehr einen frühgriechischen Fund handelt, wäre es denkbar, dass der Künstler den (nordischen ?) Welt- bzw. Himmelsstützengedanken mit dem hohen, säulenartigen Palmbaum verband, denn der übliche Lebensbaum-Charakter blieb hier unbetont. Abb. c - Mykenischer Krater, Periode III. , ca. 12.Jh. v.0
 
Kaiserzeitlicher römischer Gladiatorenhelm mit Palm- bzw. Lebensbaumdarstellung (Eckart Köhne u. Cornelia Ewigleben, „Gladiatoren und Caesaren“, 2000) Die Dattel-Fruchtstände wurden zuweilen als herabhängende Zapfen dargestellt oder - wie aufgezeigt - als Schneckenwirbel.
 
Holzplastik von Hl. Bernhard von Clairveaux, 17. Jh., Altenberger Dom
 
Schwert von Frankenkaiser Karl mit Palmbaum-Ikonograpie (Luvre, Paris)
 
Kirche S. Pietro, Pavia / Italien - Lebensbaum bzw. Palmbaummotiv
 
Lebensbaum-Palme im Rautenfenster im südlichen Querschiffgiebel des Naumburger Doms.
 
Dreispross-Lebensbaum, über dem Kegeldach der Nebenapsis am Naumburger Dom.
 
Naumburger Dom, Kapitel im äußeren Säulenwandelgang
 
Lebensbaum-Palmbaum-Rosette an der Vorhalle der Benediktinerabtei-Kirche zu Pomposa / Italien, 8./10. Jh.
 

Lebensbaum-Lebensbaum, Fußbodenmosaik von  Teurinia / Spittal 6. Jh.
 
Lebensbaum-Palme an Außenwand vom Dom zu Speyer
 
Kapitellbild mit Lebensbaum-Palm-Idol von Kirche in Vézelay/ Burgund (1125 und 1140).
 
 
Justinuskreuz, Aufbewahrung/Standort: Museo Storico Artistico - Tesoro di San Pietro (Vatikan) Vatikan. Über Jahrhunderte wurde die Auftragsarbeit Kaiser Justins II. (520-578) bei feierlichen Gottesdiensten zu Ostern und zu Weihnachten benutzt.
 
Lebensbaum-Palmette Notre-Dame de Senlis (Kapitelle ca. 1170) Oise / Frankreich
 
Reitersiegel des Philipp von Elsaß, des Grafen von Flandern, 1170. Die mittelmeerisch-orientalische Palme war den nordeuropäischen Herren wohlvertraut, insbesondere nach den Kreuzzügen.