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Einige Darstellungen der nordeuropäisch-germanischen mythologischen Allsäule, der Irminsul
(unter der man eine Allegorie der Himmels- und Sonnenstütze verstand, also eine Art Garant für die Erhaltung der kosmischen Ordnung), sind uns bis heute erhalten geblieben.
 
Ich stelle eine kleine Auswahl aus meiner Sammlung vor:
 
Abb. a b c
 
     d e f g
 
Megalithkulturelle Entwicklungen, Einflüsse, Verbindungen und Kunstzeugnisse gab es an der gesamten Atlantikküste entlang, von Schottland bis nach Malta und Nordafrika. Auch das Spiralmotiv ist in diesem Verbreitungsgebiet anzutreffen. Die Doppelspiralmuster und die Doppelspirale über Rundbögen der maltesischen Tempelkultur sind, wie z.B. die Salina-Gräber bei Naxxos zeigen (Abb. a + b), in gleicher Weise als kosmisches Symbol gedacht worden, wie wir sie von nordeuropäischen Darstellungen her kennen. Die frühe maltesische Kultur, Mitte des 4. oder 3. Jts. v.0 scheint zu Anfang 2. Jt. durch Abwanderungen nach Sizilien ihren Höhepunkt überschritten zu haben. Dort tauchen die Spiralmotive z.B. auf den Verschlussplatten der „Castelluccio“-Gräber und der „Tomba della Scacchiera“ (Abb. c) auf, die - ebenso wie die Sardinischen Spiralornamente (z.B. „Domus dell Ariete“) - unverkennbar mit jenen der maltesischen Megalithkultur verwandt sind. Auch der Weltsäulenkult bzw. die Verbindung von Sonnenlauf-Spirale mit Himmelsstütze fehlt hier nicht. Abb. d: Sardinische „Domus dell Ariete“, Mormantul, Perfugas - Abb. e: Castelluccio-Höhle -Abb. f: Domus de Jenas“- Abb. g: Höhle von Mormantul din Moronzanos“.
 
 
Abb. 1, 2 + 3 Hammerkopf aus dem irischen Ganggrab von Knowth (5.210 / 4.970 v.0) Sobald der Hammerkopf gestielt ist, wird er zur Himmels-/Sonnensäule, denn die große Doppelspirale verläuft vom unteren Schäftungsloch an den Seiten bis zum oberen Schäftungsloch und seitlich wieder zurück.
 
 
  
 
Himmelssäulen-Symbolik auf den sog. Folkton-Trommeln / Yorkshire / England - 2.200 v.0
 
 
1.) Brillenspiral-Frauenschmuck aus bei Straubig / Niederbayern (1.700 v.0). Die Dame trug den Sonnenspiralweg-Schmuck als heilbringendes Amulett. 2.) Das Mykenische Löwentor demonstriert den nordischen Weltsäulenkult und 3.) mykenische Grabplatten zeigen die Brillenspirale bzw. Sonnenweg-Doppelspirale auf. (1650-1075 v.0) Die frühesten Griechen kamen mit frühen Schüben und dann mit der sog. Urnenfelderbewegung, später der Dorischen Wanderung aus dem Norden in die Balkanhalbinsel und den Peloponnes. Die Brillenspiral-Chronologie beweist, dass Gruppen aus Bayern beteiligt waren.
 
 
Mein Kupferabdruck und Papierhandabrieb des bronzezeitlichen Felsbildes von Kasen / Boshuslän mit Irminsul-Darstellung und Stieropfer. Der Stier - mit der Schnauze nach unten - ist deutlich erkennbar an den zur Spitze ausschwingenden Hörnern des Auerochsen. Das Tier liegt mit dem Hinterteil auf einem Opferpodest, oder am Opferkessel.
 
 
Bronzeitliche Gewandspangen aus Schweden (3. = Vegstrop), auf denen nicht nur der jährliche Sonnenweg dargestellt wird, sondern auch Sonnen- bzw. Sonnenweg-Spiral-Stützen bzw. Formen der Irminsulen -, nicht anders, wie sie noch in der langobardischen Kunst auftauchen.
 
 
Sonnenspiralbahn- und Irminsul-Abbildungen auf bronzezeitlichen Gewandspangen Skandinaviens
 
 
Abb. 1 - Die kosmische Kraft des Sonnenrosses „trägt“ die Erde mit Himmelsstütze; bronzezeitl. schwed. Felsbild - Abb. 2 - das Weltenschiff, auf bronzezeitl. dän. Rasiermesser von Honum, Skanderborg mit Himmelsstütze dargestellt - Abb. 3 - bronzezeitl. Rasierm. von Nustrubfeld, Amt Hadersleben - Abb. 4. - bonzeitl. dän. Rasierm, genauer Fundort unbekannt. Im spätheidnisch-synkretistischen „Sonnenlied“ klingt die alte Vorstellung vom Erdenschiff an: „Frigg, Odins Frau, fährt auf der Erde Schiff zu der Wollust Wonne…“
 
 
Das „Antennenschwert“-Heft stellt ein Sinnbild der bronzezeitlichen Irminsul dar. - Abb. 1 Schwertfund von Kehmstedt / Kr. Nordhausen / Thüringen, mit Sonnenemblem, darin 6 Kreise (Mus. Halle / Saale) - Abb. 2 bronzenes Vollgriffschwert von Grandson-Corcelettes / Neuburger See, schweizer Kanton Waadt. (beide Funde spätbronzezeitlich / urnenfelderzeitlich, 1300 bis 1100 / 800 v.0).
 
 
Nordeingang der Kirche zu Grebhena / Zwochau von 1985 (Foto wurde mir dankenswerterweise von Herrn Pfarrer Schewe zugeschickt)
 
 
Die von mir als Irminsul erkannte tragende Säule in der Krypta der Michaelskapelle zu Fulda wird als „Jesus-Christus der das All“ trägt bezeichnet; bei ihr handelt es sich nach meiner Überzeugung, um eine echte Irminsul als mönchisches Raubgut vom Externstein od. Obermarsberg. (Erstveröffentlichung meiner Findung „Eine alteurop. Kultstätte unter der Michaelskapelle zu Fulda“ in „Irminsul“, Folge 6, 13. Jg. 1981)
 
 
Schmuckanhänger (5. Jh. n.0) aus Västergötland / Schweden
 
 
Wikingerzeitliche Spange von Haithabu mit Irminsul (auf drei Standbeinen) unter der Himmelskuppel
 
 
Säulenköpfe in der Dom-Krypta St. Peter und Paul in Zeitz (10. Jh.)
 
 
Das langobardische Relief in der Kirche St. Assunta in Gussago / Lombardei
zeigt eine Kombination von Lebensbaum (Blätter im Stamm) Palme mit aufgesetzter Doppelspirale (im Kapitell) als Weltsäule
 
 
Westgotisches Kapitel von Santa Maria de Quintanilla de las Viñas / Burgos, 7./8. Jh. -
Die Sonnenstütze rechts, von der durch Genien gehaltenen Sonne, ist von gleicher Art wie langobardische und bereits bonzezeitliche schwedische Formgebungen.
 
 
In Sackrau bei Breslau / Schlesien wurden mehrere ähnliche Kettenanhänger (aus um 300 n.0) und Fibeln gefunden, welche Weltstützen/Irminsulen mit Doppelspiralen zeigen
 
 
So genannter Siegfriedsarg aus Buntsandstein, ca. 12. Jh. (?), Lorsch, Museumszentrum -
Heidnisch-christliche Mischsymbolik -, das Kreuz wird flankiert von Irminsulen, die von Doppelspiral-Säulen zum einfachen Sinnzeichen einer Doppelbogen-Stütze reduziert wurden.
 
 
Münzprägung des Dagobert I. (608-639) Merowingerkönig des Frankenreiches. Christlich-heidnischer Synkretismus im Münzbild, Kreuz und Weltstütze sind verbunden. Dagobert galt im Allgemeinen als christenfromm, doch trennte er sich 629 von seiner Ehefrau Gomatrud, da die Ehe kinderlos geblieben war, und heiratete die Sächsin Nantechild, die ihn überlebte und nach seinem Tod die Regentschaft für ihren unmündigen Sohn übernahm. Sein Berater Bischof Arnulf v. Metz zog sich im gleichen Jahr von ihm zurück. Womöglich deshalb, weil der König mit der Heirat einer wahrscheinlich nichtchristlichen Frau ein kirchliches Tabu gebrochen hatte. Für die Zeit danach werden dem König in der „Fredegarchronik“ schwere Vorwürfe gemacht, er habe sich ganz der Fleischeslust (luxuria) hingegeben und sich an der Kirche bereichert. Die übliche christliche Hetze gegen Abtrünnige setzte also ein. Möglicherweise machte sich in seinem Vorgehen gegen den Klerus der heidnische Einfluss seiner sächsischen Frau bemerkbar. Eine Tochter Dagoberts soll die Hl. Notburga v. Hochhausen gewesen sein, der er angeblich den linken Arm ausriss, als sie sich weigerte, ihr Versteck zu verlassen. Die sterbende Einarmige wurde zur Märtyrerin und ihr Versteck zum Wallfahrtsort. In den Volkssagen wird Dagobert I. als „der gute König Dagobert“ beschrieben, wohl deshalb, weil er keiner der fanatischen christlichen Gewaltbekehrer seiner Landeskinder war und die heidnische Volksreligion der einfachen Leute duldete.
 
 
Irminsul-Motive in germ. Fibeln -, Doppelspirale des Sonnenweges unterm Himmelsdach-Bogen -Abb. 2 Fund in Mus. f. Ur- u. Frühgeschichte Thüringens, Weimar  
 
 
Langbardisches Kapitell mit Irminsul - Mailand, Museo archeologico
 
 
Türstürze aus Würzburg mit Spiralsäulchen zwischen dominanten Kreuzen, ca. 12. Jh. - unterer aus Franziskanergasse
 
--Irminsulen_Trier.JPG
 
Heidnische frühfränkischer Grabsteine mit archaischen Irminsulen aus Trier, Rheinisches Landesmuseum
 
 
 
Zwei heidnische Bestien beten die Himmelsstütze / Irminsul an; über der Himmelskuppel die Sonnenlauf-Spiralbahn - Nordtympanon einer Kirche (Standort dem Verfasser bekannt)
 
 
 
Taufstein (Standort dem Verfasser bekannt) aus früherem Kapitell geschlagen. Drache und Wolf verfolgen die Sonnenbahn, um sie zu schädigen. Es handelt sich hier um ein Schlüsselbild zum sicheren Verständnis des nordischen Doppelspiral-Sinnbildes !
 
 
 
1. - Kloster Eberbach, Kapitell im Kreuzgang; Lebensbaummotiv verbunden mit Doppelspiral-Sonnenweg-Sinnbild - 2. - Grablege von Albrecht I. dem Bär in Schlosskapelle von Ballenstedt; es handelt sich um ein Kapitell der alten Kirche.
 
 
Synkretistischer heidnisch-christlicher Sargstein mit Spiralsäulenmotiv aus Kim in Nordjütland / Dänemark
 
 
Spiralsäulenmotiv aus Taufsteinsockel von Rieseby / Dänemark
(Auf den Taufen waren oft heidnische Motive abgebildet, denen der Täufling abzuschwören hatte)
 
 
Heidnisch-christliche Mischform - St. Bridgets Crossin nahe Cliffony / Sligo / Irland - hier wurde das Kreuz zur Weltstütze und die Sonnenweg-Doppelspirale darüber eingetieft (5 Malkreuze bzw. Gabe-Runen, das dreikreisige Sonnenzeichen und das Hakenkreuz verstärken den solaren Charakter
 
 
Stein bei der Kirche Portnahaven / Islay / Schottland - Kombination von Weltengott-Kreuzsäule mit Sonnenspiral-Armen der jährlichen Auf- und Abspiralung des Sonnenweges
 
   
 
Beispiel für die oft anzutreffenden Sonnenspiralsäulen-Irminsul-Motive auf hessischen Fachwerkhaus-Eckständern, die für das Haus das sind, was die Weltsäule(n) für das All bedeuten. Seit Jahrhunderten völlig unbewusst fortdauernde Sinnbildtraditionen. (Abb. 1 - Haus Nr. 53 von 1794 in Münchhausen am „Christenberg“ - Abb. 2 - Fritzlar, Markt 7 - Abb. 3 - Usingen, Brauhofgasse 2
 
Text und Bilder
 
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Weiterführende Literatur:
Robert Eisler, „Weltenmantel und Himmelszelt“, 1910
Felix v. Luschan, „Entstehung und Herkunft der Ionischen Säule“, 1912
Reinhold Wurz, „Spirale und Volute – Von der vorgeschichten Zeit bis zum Ausgang des Altertums“, 1914
Heinrich Schäfer,  „Ägyptische und heutige Kunst und Weltgebäude des alten Ägypten“, 1928
Walter Andrae, „Die Ionische Säule - Bauform oder Symbol“, 1933
Walter Brewitz, „Das Löwentor von Mykenä, ein nordisches Kultsymbol“ in „Germanien“, 1937, Heft 2, S. 41ff
Romulad Bauerreiss, „Arbor Vitae – Der ,Lebensbaum’ und seine Verwendung in Liturgie, Kunst, und Brauchtum des Abendlandes“, 1938
Gottfried Engelhardt, „Das Lebensbaummotiv in der Kunst“, 1974
Herta Kollenz, „Bemerkungen zu einigen Sinnzeichen in spätheidnischer und frühchristlicher Zeit“ in „ Festschrift für Bolko Frhr. von Richthofen zum 13 Sept.“, 1974 Mannus-Verlag
Rudolf Edwin Kuhn, „Die Bauornamentik des St. Kiliansdomes in Würzburg um die Zeit des heiligen Bruno“, in „Würzburger Diözesan-Geschichtsblätter“, Bd. 46, 1984
Sibylle Selbmann, „Der Baum - Symbol und Schicksal des Menschen“, 1984
Uno Holmberg, „Der Baum des Lebens“, 1996
Willy Wirth, „Die Volute“, in „Antaios – Zeitschrift für eine frei Welt“, Bd. 7, Nr. 5, 1966