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Die Nibelungen

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DAS NIBELUNGENLIED
 
Das Nibelungenlied gilt als das Meisterwerk der deutschen Heldendichtung und wird als das germanische Nationalepos schlechthin verstanden. Seine drei wichtigsten Handschriften sind jeweils in 39 Abschnitte („Aventiuren“, d.h. Abenteuer) gegliedert. Es handelt sich um die Ausführungen A und C aus Hohenems, jetzt München und Donaueschingen, mit 2312 bzw. 2442 Strophen (QS 8 bzw. 12); B in St.-Gallen ist die volkstümlichste und der Ur­schrift am nächsten stehende; sie führt mit 2379 Strop­hen, über die Quer­sum­menb­il­dung, die Meister­zahl 21 des Allgeistes vor.
 
Das Werk ist ersichtlich das Produkt eines deutschen Dichters des 12. Jh., das aus verschie­denen Einzelzügen, heidnischen Mythen, Hel­den­liedern und Sagenkreisen der Völker­wan­derungszeit, umgearbeitet wurde, um ur­sprüng­lich nicht Zu­sammen­gehö­ren­des miteinander zu verschmelzen und dem lite­rarischen Zeitgeschmack an­zupas­sen; so beginnt es: „Uns ist in alten maeren wunders vil geseit“. Zu diesem Zweck schuf der Autor ein span­nungsgeladenes Epos das die altbe­kannten Erzäh­lungen in den Rah­men des Zeit­lichen und konkreter bekannter Örtlich­kei­ten stellte. Im Kern aber handelt es sich um nichts anderes, als den altreligiösen Zentral­mythos. Auch der Geist des neu geschaffenen Dramas blieb der Tradition heidni­schen Weltverständnisses treu, kein christ­licher Gott greift ins Ge­schehen ein, der Mensch gerät in gewaltige Konflikte und aus­weglose Verstrick­un­gen, in die ihn un­bekan­nte, unkontrollierbare Mächte - Seelenmächte - führen. Es gibt keine Gna­de, keine Erlösung, keine Hoffnung; im ewigen unauflösbaren Zyklus von Macht, Demüti­gung und Ra­che ver­läuft die Hand­lung bis zum tragischen Ende. Hier findet jene heroische heidnische Grundhal­tung Ausdruck, die sich keiner Täu­schung darüber hingibt, dass kraft eines geradezu kosmi­schen Gesetzes alles, was besteht, wieder zugrunde gehen muss, das Edle Hochge­borene und Erhabe nicht weniger als das Ge­meine und Niedere. Der uralte Jahr­es­­zei­ten­mythos musste dafür die Hauptvorlage abge­geben haben. Er spricht vom ewig krei­sen­den Ablauf der Natur, von Werden, Wandlung, Vergehen, Wieder­auf­er­steh­en und Wieder­ver­ge­hen. In Siegfrieds Gestalt verkörpert sich, nur allzu er­sicht­lich, der solare Heilbringer, der Son­nensohn als Über­­winder des dämonischen Winterdrachens -, während sich sein diosku­ri­scher Gegen­spieler in der Kon­trast­figur des Hagen offenbart. Der Zankapfel zwischen dem Hellen und dem Dunklen, zwi­schen „Gut“ und „Böse“, ist die Erdenfrau mit der Süßig­keit ihrer Frucht im weitesten Sinne, den irdisch-materiellen Gütern, eben dem „Schatz“.
 
Geradezu exemplarisch beginnt die altn. Völsungensaga mit der bruchstückhaften Erinnerung an diesen ganz urtümlichen Einzelzug, dem der zwei Gegenkräfte des Urjahres-Pendelmythos: Es wird erzählt von einem Mann der Sigi hieß, von dem gesagt worden sei, er wäre Odins Sohn. Ein anderer Mann wird in der Geschichte erwähnt, der Skadi hieß, mächtig stark und tüchtig war. Sigi war aber der Vornehmere, „wie die Menschen in jener Zeit sagten“. Sigi („Sieger“) und Skadi („Schädiger“) werden einander gegenübergestellt. In diesen  Beiden spiegeln sich letztlich alle Gegen­spie­ler der dann abrollenden Saga, und darüber hinaus aller andern Geschichten, wie die Helgi-Lieder oder das Nibelungenepos, die den Ur­mythos in ein neuzeitliches wikin­ger­haftes oder fränkisch-höfisches Gepräge kleiden.
 
Nibelungenhort
 
Um den „Schatz der Nibelungen“ kreist das Epos vom Anfang bis zum Schluss. Mit ihm ist die Möglichkeit der Weltherrschaft verbunden. Im Lied heißt es (19. Av.): „Es war darin nichts andres als Edelgestein und Gold; Und hätte man die Welt ge­kauft mit diesem Sold, Er wäre nicht gemindert um eine Mark an Wert. Wahrlich, nicht oh­ne Grund hatte Ha­gen ihn begehrt. - Und da lag unter allem, von Gold ein Wün­sch­el­­rütlein; Wer dieses hätt’ erkundet, vermochte Meister sein  Auf ganzer weiter Erde, wohl über jeden Mann...“ (vgl. Das Nibelun­gen­lied, Karl Simrock, Herausg. Georg Holz, 1909, S. 160) Gold gilt auch im Älteren Atli-Liede als die Kraft, die alles bewegt, die alles tötet; dort (Strophe 27) wird der Hort „valbaugar“, also „Toten­ringe“, ge­­nannt, Gering übersetzte „Unheilsringe“. Schon der sterbende Fafnir-Drache weis­sag­­te seinem Töter Sigurd den Untergang durch das „klingende Gold und die glut­roten Rin­ge“ (Faf­nir-Lied 9 + 20). Ja, schon im ältesten Eddalied, der Völuspa (21), wird gesagt, dass durch das Gold das Böse in die Welt gekommen sei: „Þat man hon fólkvíg fyrst í heimi, er Gullveig geirom studdi...“ - „Da wurde erstmals Volkskrieg in der Welt, als Goldgier [eigentl. Goldrausch] sich auf Speere stützte...“. (studdi, von stuðill  „Stütze“, kann gleichzeitig „stechen“ bedeuten).
 
Die Erinnerung an jene Zeit des Umbruchs als erstmals Geld unter die Menschen kam, mag für die Germanen dauerhaft lebendig geblieben sein -, als Anfang allen Übels, wodurch Habgier, Neid und blutige Zwietracht erwuchsen. In Tacitus Ger­mania, Kap. 5 heißt es von unseren Vorfahren, dass ihnen das röm. Geldwesen bekannt war und sie auch im Grenzverkehr davon Gebrauch machten, doch „Silber und Gold haben ihnen die Götter - ich weiß nicht, ob aus Huld oder Zorn - versagt. [...] Besitz und Verwendung dieser Metalle reizt sie nicht sonderlich. Man kann be­obachten, dass bei ihnen Gefäße aus Silber, Geschenke, die ihre Gesandten und Fürsten erhalten haben, ebenso gering geachtet werden wie Tonkrüge...“ Das wird sich mit Zunahme des röm. Geldumlaufs geändert haben. Im Golde waltet der böse Geist, ein verhäng­nis­voller Fluch, der nicht en­dende un­heilige, mörderische Besitz- und Machtgier auslöst. Für den Weisen, den Schauenden ist das Gold-Geld im Grunde nur der Ausdruck für den ungeläuterten Menschen -, seines Ehrgeizes, Macht­gelüstes, seiner Genussucht und Missgunst, all seines inneren Elends. Und dieses fluch­be­ladene Gold ist elbischen Herkommens, ist Produkt der unterirdischen, son­nen- und himmels­fer­nen dämonischen Mächte. Nur die­ser Umstand vermochte seine verder­ben­brin­gende Wir­kung zu erklären. Sieg­fried, der strahlende, sonnen-heldi­sche Dra­ch­en­töter, hatte ihn im Berg hausenden Unter­weltmächten, dämonischen Zwergen­brü­dern, den Söh­nen des alten Nibelung, ab­ge­nommen. Er machte sich Land und Volk der Nibelun­gen untertan; zu dem sowohl zauberische Zwerge wie Riesen zählten, auch der zwergenhafte Alberich, von dem er die Tarnkappe oder Tarn­haut empfing. Im 11. Av. heißt es: „Den allergrößten Gold­hort, den je ein Held gewann außer den früheren Eignern, besaß der kühne Mann, den vor einem Berge seine Hand gewann im Streit...“ Nach nordischer Tra­di­tion stammt der Schatz ur­sprünglich aus dem Reiche des Wasserdämons And­vari. Nach Siegfrieds Tod erbt ihn zu­nächst seine Witwe Kriem­hild, doch Siegfrieds Mör­der Hagen raubt ihn und versenkt ihn schließ­lich im Rhein, womit er der Unter­welt zu­rück­gegeben wäre; doch Hagen hofft, sich seiner später wieder bedie­nen zu kön­nen. Mit der sinnbildlichen Wiederversenkung im Strom hätte sich der Kreis­­lauf ge­schlos­­­sen. Aufs neue wer­den die Un­terirdischen die Schätze der Erde zu­sam­men­­­tragen, den Hort bilden, aufs neue kann im kommenden Frühling ein frischer Sonnen-Sieg­fried auf­er­stehen, den dunk­len Dämon besiegen und den Hort und die Braut gewinnen. Die Epos-Hand­schrift C gibt den Umfang des Schatzes an, von 432 Last­wagen Gol­des wird gespro­chen. Diese Zahl - Resultat aus 12x36 - bestätigt, dass mit dem „Schatz“ für die Wis­senden ursprünglich die gesamte stoffliche Welt gemeint war; es han­delt sich um eine Metapher für „irdischen Besitz“ schlecht­hin -, ist doch 12 die Allzahl, die runi­sche Weltbaumziffer, und 36 die Kreiszahl, auch des Erden­runds.
 
Die Quellen
 
Der Stoff des Liedes wanderte vom weiten Germanien über den Niederrhein nach Skan­dinavien, verband sich auch dort mit den ihm urverwandten heidni­sch­en Götter­mythen und wurde in verän­derten, weiter­ent­wickelten Werken des 13. Jh. nach­er­zählt: der poetischen Edda, der Völ­sungen­saga, einer Kurz­fassung in Snorri Sturlu­sons Skalden­buch (Prosaedda); auch in die Thid­rekssaga und nordische Balla­den­dichtungen fand er Eingang. In altnor­di­schen Quel­len werden die Namensform Si­gurd / Sivard anstatt Sifrid / Sigfrid / Seyfried Siegfried gebraucht, während aus dem Hagen / Ha­gin ein Hogne / Högni wurde. Die nordischen Lie­dersam­mler und Ver­fas­ser bekun­den deutlich, dass es sich ur­sprünglich um „Erzäh­lungen deutscher Män­ner“ handel­te; so wird Sigurd im Kurzen Sigurd-Lied als „des Südens Held“ be­zeichnet. Im Verzeichnis der Reise­stati­onen des islän­dische Abt Nikulas von Thvera aus dem Jahre 1154 wird auf einen Ort zwi­schen Pa­derborn und Mainz hingewiesen: „und da liegt die Gnita­heide, auf der Si­gurd den Fafnir tötete“. Man nimmt an, dass die Knetterheide bei Schötmar in West­falen ge­meint sein könnte.
 
Das Urlied erzählte offensichtlich, wie auch die Thidreksaga, dass Siegfried als Fin­delkind von einer Hindin gesäugt wurde, dann bei einem Schmiede im Walde auf­wuchs, große Stärke gewann und deshalb von seinem Pflegevater in trügerischer Absicht zu einem Drachen gesandt wurde; diesen aber brachte der junge Held zur Strecke und erlangte durch das Dra­chenblut übernatürliche Fähig­kei­ten sowie Unver­wundbarkeit. Ein Lied vom „Hürnen Sey­frid“ blieb in der Nürnberger Ausgabe vom Jahre 1530 unvoll­kommen erhalten. Der junge Held tötet den Lindwurm, rottet sogar eine ganze Drachenbrut aus, findet später des „Nyb­lings schatze“ und befreit nach neuerlichem Drachenkampf die Jungfrau aus der Gewalt des Ungeheuers.
 
In der Liederedda findet sich nach den Lie­dern mit vorwiegend mytholo­gischem In­halt eine Reihe von Heldengedichten, die mit den Helgi-Liedern beginnt und die Si­gurd-Lieder folgen lässt. Die Themengruppen sind genealo­gisch verknüpft, indem Helgi und Si­gurd zu Halb­brü­dern erklärt werden. Die Sigurd-Lieder beginnen mit dem „Lied von Re­gin“. Sigurds Erzieher ist der kunstreiche, zwergenhafte Schmied Regin. Das Götter­dreige­stirn Odin, Hönir  und Loki - welches nach der Völuspa auch das erste Menschenpaar erschuf - wandelten wieder auf Erden und gelangten zu einem Wasserfall, wo am Uferrand einer von Regins Brüdern, der in Fisch­otter­gestalt lebte, einen Lachs ver­zehrte. Loki warf ihn zu Tode und als seine Tat dem Vater des Getö­teten, dem alten Zauberer Hreidmar, offenkundig wurde, musste er zur Buße den Otterbalg mit Gold ausfüllen und bedecken. Der nie verlegene Truggott schaffte es her­bei, in­dem er den in Gestalt eines Lachses im Wasserfall hausenden Zwerg Andvari fing und zu zwingen vermochte, als Lösegeld all seine Schätze, dazu einen besonders kostbaren Ring, herauszu­geben. Dieser Goldschatz wird im Regins-Lied (1) „Feuer der Flut“ gehei­ßen. Schatz, mitsamt Ring, wurden aber vom zornigen unfrei­willigen Spender mit einem schweren Fluch belegt, dessen Macht sofort zu wirken begann: Die maßlose Gier, den gesamten Hort für sich allein behalten zu wollen, ver­anlasste Fafnir, Regins Bruder, den Vater zu töten. Um aber vor Regin und jeglicher Rache sicher zu sein, bewachte er von da ab in Gestalt eines Drachens seinen Schatz auf besag­ter Gnita­heide. Regin er­hoffte in seinem kraftvollen Zögling Sigurd den Rächer und schmiedete zu diesem Zweck ein wunderbares Schwert für ihn. Im folgenden Fafnir-Lied wird dann die Tat der Dra­chentötung geschildert. Fafnir heißt „Umspanner“, da­ran ist schon erkennbar, dass es sich bei dem Dra­chen in der urmythischen Vorlage um ein kosmisches Unge­heuer, ähnlich der Mitgard­schlan­ge, handelte.
 
Drachenkampf und Jungfrauenerlösung
 
Schon in den ältesten Siegfriedsagen, dem „Hürnen Syfrid“, wie auch in der Thid­reks­saga sind die beiden Schwerpunkte, Kampf mit dem Wurm und Erlösung der Jung­frau, eng verknüpft. Der Drach­enbesiegung reiht sich folgerichtig die Befreiung der „Erdenfrau“ an. In der nor­dischen Erzählung wird sie als Walküre Sigrdrifa (Sieg­trei­berin) eingeführt, die - ähnlich wie im Dornrös­chenmärchen - mit dem Schlafdorn gesto­chen, auf dem Hindarfjall (Hirschkuh­felsen) liegt. Das gleiche Grundmotiv findet sich im eddischen Skirnir-Lied, wo der Sonnengott Freyr die schöne Erdenriesin Ger­da erblickt, in unstillbare Liebe verfällt und sie in Gestalt seines Boten Skirnir („Strah­len­der“) umwirbt. Der Gottes Sehnsucht, wie auch die zu überwindenden Hindernisse bekundet der 7./8. Vers: „Inniger hat niemals seit Urzeit Tagen ein Mann ein Mäd­chen geliebt, doch von Asen und Alfen kein einziger will es, dass wir beide beisam­men sei’n“. Sie liegt von einem Gehege und „zauberischer Lohe“ umschlossen; nur das sonnengöttliche Ross vermag das „rasende Feuer“ zu durchdringen und nur des Lichtgottes Schwert - „wenn ein furchtloser Held er führt“ - die feindlichen „kraftstrotz­enden Thursen“ über­winden.
 
Im eddischen Sigrdrifa-Lied reitet nun Held Sigurd von der Gnitaheide nach Süden dem Frankenlande zu, als er auf dem Berge einen Feuerschein wahrnimmt, dort findet er die schlafende Frau inner­halb eines Schutzringes. Einige Quellen sprechen, wie im Skirnir-Lied, von einer Waberlohe, die rings um die Schla­fende lodert; erst dem Mann, dem es gelänge, durch das brennende Feuer zu reiten, wolle und solle sie angehören. Diese kultische Örtlichkeit ist lokalisierbar: Im Nibe­lungenlied wie in der Völsungensaga heißt die auf dem Hirschkuhfelsen er­weckte Wal­küre Brünhild bzw. Brynhild. Auf dem höchsten Taunusgipfel befindet sich ein bettähnlicher Felsen, der in einer Schrift des Jahres 1043 als „qui vulgo dicitur lectu­lus Brunihildae“ („der vom Volk Bett der Brunhild genannt wird“) bezeichnet wur­de; aber auch schon 812 urkundlich nachweisbar ist und 1221 als Grenzmarke „Brün­­­­­hil­denstein“ bezeichnet wurde. Nachdem die Schlafende er­wacht ist, dankt sie ihrem Erwecker durch Be­lehrungen in Form von runologischen und my­thi­schen Weis­­­heiten. Auch dieser My­thenzug folgt alten Anschauungsbildern: Die Frau ist es, die die Mut­tersprache ver­mittelt und den Mann in die Geheimnisse menschlichen Seins ein­weiht. Im eddischen Gripir-Lied 16/17 heißt es: „das wonnige Weib, erwacht vom Schlafe [...] Sie wird dich Recken Runen lehren, die sämtliche Menschen besitz­en möchten [...] und die Gabe der Heilkunst - sei glücklich, Herrscher!“ Im Völsung­enlied sagt Sigurd nach der Be­lehrung durch Brynhild: „Nimmer findet sich eine wei­sere Frau in der Welt, als du bist, lehre mich noch mehr klugen Rat! [...] Und das schwö­­­re ich, dass ich dich zur Frau haben will, du bist nach meinem Herzen !“ Im ge­gen­sei­tigen Einverständnis schwuren sich beide heilige Eide, sie geloben sich Liebe und Treue.
 
Siegfrieds Tod
 
Doch Siegfried / Sigurd gelangt auf seiner weiteren Südfahrt zu den Burgun­dern / Gju­kungen und heiratet dort Kriemhild / Gudrun, nach Einnahme eines Vergessen­heits­trankes. Aus seinem Wortbruch und der damit verbundenen Kränkung Brünhilds, er­wächst alle folgende Not. Es bahn sich ein Eifersuchtsdrama an. Das beginnt mit der durch die rache­dürs­tende Brünhild gewünschten Ermordung Sieg­frieds, und endet mit dem Untergang derer die seine Tötung guthießen und ausführten. „Süd­lich vom Rheine war Sigurd gefallen“, heißt es im Bruchstück eines eddischen Sigurd-Liedes. Im Ni­belungenlied ist Hagen der unholde Siegfriedmörder, in der Thidrekssaga wird ein anderer zum Täter, aber Hög­ni sagt: „Wir haben ihn erschlagen“. Im Nibelungen­lied wurde der arglose Siegfried waffenlos beim Trinken am Quell überrascht und von hinten zu Tode gespeert; den Sigurd meuchelten die Täter ebenso ahnungslos schla­fend im Bette -, und von der nächsten nordischen Heldengestalt heißt es: „Helgi wurde nicht alt“, ihn ermordete Högnis Sohn mit Odins Ger vor dem Fessel­hain, was wie die Erinnerung an ein rituelles Kultopfer klingt. Es heißt: „Er durchstach Helgi mit dem Ger“, und: „Es fiel heute morgen beim Fesselhain der Fürst, der war der Beste der Welt...“. (3. Helgi-Lied). Diese Todes­arten erinnern an jene der eddischen Sonn­engötter: Gott Ingwi-Freyr fällt im Kampf gegen den Feuerdämon Surtr (Vsp 53; Gylf 50) weil er oh­ne sein Schwert ist, und Balder wird das Opfer eines vermeintlich harm­losen Schieß­spieles (Vsp 31-33). Er setzt sich den Wurfgeschossen aus, weil er sich unverwund­bar glauben darf, aber er wird waffenlos und vertrauensselig nieder­ge­streckt vom Mis­tel­pfeil des Hödur-Loki. Dass dieser Anschlag zur Sommer­sonnen­wen­de gedacht war, also in kosmischer Lichtabstiegsphase, ist vielfach belegt. Selbst das späte Nibelungenlied hält diese heidnische Vorstellung in Erinner­ung. Der Zeitpunkt jener Einladung, in deren Verlauf Siegfrieds Tötung geschieht, wird in 12. Av. genannt: „Sobald erst der Winter ein Ende hat genommen um diese Sonnen­wen­de wollen sie Euch sehn“. Als er dann von Hagen gemeuchelt, sich in Schmerzen windet, legt ihm der Dichter Worte in den Mund, aus denen die ganz unzeitgemäß-unchristliche altheidnische Überzeugung hervorbricht (Av. 12): „Nimmer ward auf Erden ein schlimmerer Mord erdacht“, und weiter: „Der mörderische Tod mag euch wohl gereuen noch nach diesen Tagen. Glaubt mir das in Treuen, dass ihr euch sel­ber habt erschlagen !“ Das Rad der kosmischen Kausalitäten wird sich weiterdrehen, der Tat folgt unweigerlich die Rache, und so fort. Nach dem alten Glauben wird das erbitterte Ringen zwischen den beiden grundgesetzten Mächten, zwischen Ober- und Unterwelt, zwischen Hell und Dunkel, Sommer und Winter niemals enden.
 
Das Eber-Motiv
 
Während der großen sommersonnwendlichen Jagd im Odenwald, unmittelbar vor Siegfrieds Ermordung, hebt das Epos hervor (Av. 16): „Einen großen Eber fand der Spürhund [...] Von dem zorn’gen Schweine ward der Held da angerannt [...] Da schlug es mit dem Schwerte Krimhildes Mann; es hätt’ ein anderer Jäger so leicht es nicht getan...“ Jener, den Sonnenhelden anrennende starke Eber ist ein bekanntes Motiv aus dem heidnischen Jahreskreislaufgötter- bzw. Adonis-Mythos. Griech.-röm. Sagen erzählten (Ovids Metamorphosen 10, 502-559; 708-739) von zwei Göttinnen die sich um die Gunst des schönen Jünglings Adonis (Ursprünglich Tammuz / Adonis oriental. Vegetations­gott, Sinnbild des Werdens und Vergehens in der Natur), dessen solare Züge unverkennbar sind, stritten. Da war einmal Aphro­dite, die göttliche Patro­nin der Liebe, Schönheit und des Früh­lings, ihre Gegen­spielerin war Perse­phone, die Herrin der Schatten, Unterwelt und des Winters. Nach dem Schieds­spruch des Zeus sollte jede der beiden ein halbes Jahr das Recht auf Adonis bekom­men. Dieser liebte die Freuden der Jagd, und wäh­rend er durch den Wald streifte, wurde er durch den Angriff eines Ebers tödlich ver­wundet. Unter dieser Ge­stalt soll sich aber ein eifersüchtiger Gott verborgen haben, ob es Ares / Mars war? Auch im irischen Mythos wird der Held Diarmuid von seinem in einen Eber ver­wandelten Wi­dersacher Finn mac Cool getötet. Das Klosterstift Krems­münster in Ober­öster­reich, eine Gründung des letzten Agilolfingers Tassilo III. mit Weihedatum 777, soll der Legende nach an der Stelle stehen, an der ein wilder Kei­ler den Her­zogssohn Gun­ther tötete. Es wird sich um eine bajuwarische bzw. allge­mein kelt.-ger­m. Er­zäh­lung gehandelt haben, die in die Klostergründungslegende ein­­­be­zogen wurde.
 
In der kel­tischen Welt war die Eberjagd nicht nur ein Hauptvergnügen der Krieger­gesel­lschaft, die Tötung des Keilers galt „als heroisches Bravourstück, das zur Herr­schaft legiti­mierte", sogar der röm. Kaiser Diokletian soll sich von einer Druidin weis­sagen haben lassen, dass er nur durch Tötung eines Ebers (nämlich, wie sich her­ausstellen sollte, des Prätorianerpräfekten Aper) die Herrschaft erringen werde. Für diese Haltung be­sitzen wir im gesamten keltischen Raum, auch boischen Sied­lungs­gebiet im Wie­ner Becken, das einstmals unter norisch-keltischem Einfluss stand, numis­mati­sche und archäologische Beweisstücke. Da wäre der kelto-iberi­sch­e Bron­zewagen von Merida in hallstattzeitlicher Tradition, der einen Reiter bei der Eberjagd zeigt. (nach H. Birkhan, Kelten. Bilder ihrer Kultur [1999] 330 Abb. 586) Um 45 v. 0 prägte der Boierfürst Biatec eine Didrachme mit gespeerten Keiler auf der Rückseite (Num­is­matisches Institut der Uni­versität Wien); etwa ein Jahrhundert später ließ sich der boische Ritter Apto­mar(us), Sohn des Ilo, an der südöstliche Stadtgrenze Wiens einen Grabstein setzen, dessen Relief  ihn als großen Reiter auf der Eberjagd zeigt. Es scheint erschließbar, dass der zu überwindende Eber für die Kelten das Synonym für einen gegnerischen - also „bösen“ - Fürsten dar­stellte, des­sen Überwindung zur Herrschaft le­gi­timierte. (Helmut Birkhan, Kelten, 1997, S.739-744) Noch Cesare Ripa empfahl in seinem 1593 erschienenen Emblembuch „Iconologia" als Sinnbild des Winters die trauernde Liebesgöttin Venus (griech. Aphrodite / germ. Freija), die im Winter ihren in der Unterwelt bei Proserpina (griech. Persephone / germ. Hel) weilenden Geliebten Adonis vermisst: „Winter - Inverno [...] Man male eine Frau, mit langem (schwarzem) Mantel bekleidet, das Haupt bedeckt, traurig anzusehen; [...] in den Augen habe sie Tränen. [...] Man füge ihr zu Füssen ein Wildschwein hinzu." (Ausgabe von 1630, Teil II, 350/51), denn Adonis wurde durch den unholden Eber getötet. Im besagten Sin­ne trä­fen die kel­tische und griech.-röm. Kernvor­stellung der Eberjagd zu­sam­men und es könnte somit ein noch älterer, sozusagen gemein-indo­germa­nisch­er My­th­en­kern sichtbar werden; auch die bronze­zeit­lichen Fels­bil­der Schwedens zeigen die Eber­jagd, so die Felder Håltane/Kville/Bohuslän/Schweden (bogentragender Jäger mit Hunden) und Svin­hällen/Himmelstalund/Norrköping (Speerträger hinter Saurudel).
 
Niblung Hagen
 
Hagen ist in der Urfassung die Kon­tras­tfigur zu Siegfried. Im Nibelungenlied wird er „Al­drians Sohn“ genannt. Im 28. Abenteuer beschreibt ihn der Dichter: „der Held war wohlge­wachsen [...] und schrecklich von Antlitz“, übersetzte Simrock, doch im Ori­ginal liest man: „eislich sin geshine“, was wörtlich bedeutet: „eiskalt sein Blick“. Mit gutem Grund lässt Friedrich Hebbel im Schlussakt seiner Trilogie „Die Nibelungen“ Kriemhild von den Bur­gunden sagen: „Das ist’s was mich empört: Heut sind sie un­treu, morgen wieder treu; das Blut der Edelsten vergießen sie wie schmutz­iges Was­ser, und den Höllengischt, der in den Adern dieses Teufels [Hagen] kocht, be­wachen sie bis auf den letzten Tropfen.“ Die Thidreks­saga erzählt, Hagens Vater sei Alberich gewesen, der sich nächtens der schlafenden Mutter zuge­sellte; ihr ge­mein­sames Kind war demnach nur halb Mensch, war ein Schwarzalbenabkömmling. Die Saga berich­tet über Hagens Aus­sehen: Er hatte ein langes aschfahles Gesicht und nur ein einziges Auge, das scharf blitzte. Sein Ant­litz war furchtbar und grauen­er­re­gend, da­zu trug er langes schwarzes Haar, überhaupt war er dun­kelfarben, er trug „raben­schwarzes Kleid“. Der norweg. Skalde Bragi der Alte sagte in einem Gedicht von den Niflungen: „Sie waren alle schwarz wie Raben an Haar“. Dass der Name der Nibe­lun­gen (Nebel-inge / Nebelsöhne) im Epos auf die Burgunder übertragen wurde, kön­nen wir außer acht lassen, fest steht, sie ent­stammen ur­sprünglich einer nicht­ge­schicht­lichen Sphäre in deren albisch-dunkles und toten­blut­schlür­fen­des Reich einst auch das Urbild jenes Hagen gehörte, den eine Epos-Hand­schrift (B 1726) „Trost der Ni­belunge“ nennt. Niflheim, Niflhel sind altnordische Bezeichnungen für die Tiefe der Unterwelt, für die finstere Hölle (aengl. Nifol „dunkel“; ahd. nibul, lat. nebula „Nebel“). Hagen ist der eigentliche Führer der Nebelsöhne, er ist die düstere zentrale Macht des ganzen Nibelun­gen-Epos, in ihm findet der Herrschaftsanspruch über die Welt und den Hort seinen personifizierten Aus­druck. Er selbst ist der dämonische Geist des Goldes und alle die auf seinen Rat hören, sich ihm hinge­ben, sich an ihn verlie­ren, führt er unentrinnbar auf seine Bahn zum Tode. Das Gold be­deutet geheime Macht, er­weck­te Gier, Habsucht, Weltherr­schaft; daraus resul­tie­ren neben dem Se­e­lentod die mei­sten Ver­brechen und Tra­gödien der Mensch­heits­ge­schichte. (vgl.: O.S. Reuter, Ge­stalten und Gedan­ken im Nibelungenliede, Man­nus-Bibliothek, N.F., Bd. 12, 1978/79) So hat auch Richard Wagner mit seinem - wie es genannt wurde - „an­ti­­kapitalistischen“ Bühnen­festspiel „Der Ring des Nibelungen“ den ursprüng­lichsten Geist des Mythos treffsicher erfasst und erneut ins zeitgemäße Bild gesetzt.       
 
Sonnen-Siegfried
 
Durch das Christentum wurden Wesenszüge Siegfrieds auf den Hl.-Georg über­tra­gen, ja dieser, der von der heutigen Kirche nicht mehr als Heiliger anerkannt wird, geradezu identi­fiziert. Da Georg nach der Legende einen Drachen oder Lindwurm getötet haben soll, der ein Mädchen zu verschlingen drohte, lag die Verbindung mit dem Drachentöter Siegfried nahe. So musste der siegfriedgleiche Georg zum Lieb­lingsheiligen der Deutschen werden; in ihm lebte die altheidnische Lichtrittergestalt in verchristlichtem Gewande fort. Sein Feiertag ist der 24. April; in diesem Kalender­zeitraum ist auch der altheidnisch-mythische, und womöglich rituelle Drachenkampf, zu vermuten. Doch auch sein Vorläufer Siegfried ist ja lediglich die mittelalterliche Schichtung ei­ner älteren Sagengestalt, die ihren Ursprung im heidnischen Sonnen­helden und Sohn des Himmelsgottes hat. Für die mittelalterlichen Dichter waren die­se Ursprünge ersicht­lich nicht unbekannt, sie mussten aber in Zeiten christlicher Do­minanz verschwiegen oder getarnt werden. Der Norden hat sich dieser Tabui­sierung - bedingt durch die spätere Christianisierung - weniger gefügt, so wird vom Enkel Si­gurds des Drachentöters in der Saga von Ragnar Lodbrok gesagt: „Sigurd heiße der Knabe! [...] gleicht auch seinem glänzenden Vater. Der von Odin abstammt ...“ Im Re­gins-Lied (14) gilt Sigurd als der „unerschrockenen Enkel Ingwis, der [...] unterm Himmel der herrlichste Fürst“ sein wird; „seines Schicksals Fäden um­schlin­gen den Erdkreis.“ Im kürzeren Sigurd-Lied (24) wird er „Freys Liebling“ genannt. Allein einer aus reli­giöser Sphäre entstammenden, mythisch-kos­mischen Gestalt, ist es gegeben, mit ihrem Schicksal auf den Erdkreis einzuwirken. Ähnliches wie von Sigurd wird von Helgi im Ersten Helgi-Lied (56) gesagt: „Heil dir Fürst, [...] Nachfahr Ingwis ! Den flucht­trägen [kampfstarken] Fürsten erschlugst du, [...] Du erwarbst dir ein Recht, gewal­tiger Recke, auf die fun­kelnden Ringe und die fürstliche Maid [...] Das Reich ist errun­gen, es ruht der Streit !“ An jenem urmythischen Lichtritter, der nach dem Win­ter­drachen­kampf den som­mer­lichen Sieg­frieden schafft, haftete zäh auch das uralte Motiv des Son­nen­­hirsch­en: Siegfried wird von einer Hirschkuh gesäugt; im Fafnir-Lied (2) sagt Sigurd: „Der stolze Hirsch heiße ich“; und die ihm zugedachte eben­bürtige Jungfrau erwartet ihn auf dem Hirsch­kuh­felsen. Es lüftet sich das Rätsel: Ob jener Siegfried aus deutscher Dichtung und Ritter Georg der christ­­lichen Legenden, ob Sigurd oder Helgi in den altn. Lie­der­sagas -, sie haben ihr direktes Vorbild im alt­heidn. Ingwi-Freyr, dem göttlichen Son­nen­heros, der mit einem Hirschgeweih (Gylf. 36) den dämonischen Riesen Beli niederhieb -; des­sen Sowilo-/Sonnen-Rune, das 9. ODING-Kalen­der­zei­chen ist.
 
Helgi, der Siegfrieden schafft
 
Wenn wir in den Frühlingstage die Natur bewusst beschauen, erleben wir die gran­diose Zunahme von Licht, Wärme, Farbe und das Wohlbefinden auch in unseren Herzen wächst zusehends. Der Lenzo zieht durch das Land und wandert mit Rie­senschritten nach Norden und auf alle Höhen, um auch dort die letzten Schneereste zu tilgen. Er ist ein Kämpfer, allerorten ficht er seinen mythischen Kampf gegen die Dunkelheitsmächte, er ringt die Drachen des Winters und die albischen Unholde der Düsternis nieder. Auf allen Höhen küsst er die Erdenjungfrau wach und verspricht ihr ewige Liebe und Treue, doch er muss weiter, er muss sein herrliches neues Sonn­enland aus den Händen der Niflungen, der letzten Nebelmächte befreien; - erst zum Sommerbeginn wird er Hochzeit feiern mit seiner ihm versprochenen Braut. So etwa lautetet der Frühlingsmythos unserer Ahnen. Er hat in vielen unterschied­lichen Sa­gen und Mären seinen Niederschlag gefunden. Dieser Lenzo, der die längeren Licht­phasen erzwingt, spiegelt sich in den bekannten Heldengestalten der alten Lieder, dem Siegfried, dem Helgi, natürlich letztlich auch den Göttergestalten der Ed­da, wie dem Ingwi-Freyr oder dem Baldur. 
    
Berichte von der mythischen Gestalt des altheidnischen Heilbringers haben sich in einigen bruchstückhaften literarischen Quellen erhalten. Man merkt es ihnen an, dass sie altheidnisch-mythische Sinn- und sogar Strophenteile in hochmittelalterliche zeit­gemäß angepas­ste Werke eingliederten. So verhält es sich beim deutschen Hyrnen-Seyfrid, dem Ni­bel­ungenlied, den altnordischen Sigurdsagen, besonders deutlich aber beim Helgi-Lie­derzyklus, wo aus dem altreligiösen Stoff des wiedergeborenen Helgi-Hun­dings­bana (dem Heiligen-Hundesohn-/Schurkentöter), eine profane aben­teuerliche Wi­king­er­sa­ga umgedichtet wurde. Insbesondere der Beginn der 1. Liedes atmet aber noch ganz die mythisch-verklärte Stimmung des einstigen heidnischen Preis­liedes auf den hehren heldischen Sonnen­sohn: 
 
„Anfang der Zeiten war’s, da Adler gellend schrieen, heilige Wasser rannen von Himmels­bergen. Da hatte den Helgi, den Hochgemuten, Borghild geboren im Strah­lenhain. Nacht ward im Hause, Nornen kamen, sie, die dem Edling des Daseins Kreise schufen. Ihn hießen sie als Führer den Ruhmvollsten werden und als der Fürsten Besten gelten. Sie schnürten aus Kraft des Schicksals Bande, damit er Bur­gen bräche im Strahlenhain. Sie ordneten darüber die goldenen Fäden und unter Mondsaales Mitte knüpften sie’ fest. Nach Ost und West festigten sie die Enden; des Fürsten Eigentum lag inmitten. Es warf Neris Schwester auf die Nord­wege das eine Seil, diesem einen verhieß sie ewige Dauer. [...] Er steht in Rüstung, der Sohn des Sigmund, einen Tageslauf erst alt, - nun ist der Tag gekommen ! Scharfblitzende Augen wie Kämpfer sie haben! [...] Ein Volksherr schien dieser Fürst zu sein. Man sagte bei den Menschen, Götterjahre seine gekommen. [Sein Vater brachte ihm zur Geburt Edellauch] Er gab ihm den Namen Helgi und [schenkte ihm die Bezirke] Ringsstadt, Sonnenberge, Schneeberge und Sigarfelden, Ring­­stätte, Hochflur und Himmelsaue, [dazu die] Blutschlange [das Schwert]. [...] Dann, als der Fürst fünfzehn Winter alt war, ließ er den harten Hundesohn im Feld [tötete ihn].In Strophe 55 wird er als Nachkomme des Ingwi-Freyr bezeichnet: „Heil sollst du, Fürst, der Würden walten, [du] Sippenpfeiler [Erb­träger des Gottes] Ingwis. Das Lied endet: „Und dir Fürst geziemt beides recht, rotes Ring-Gold und die mächtige Maid. Heil sei dir Fürst, beides zur Freude, Högnis Toch­ter und Ringstätten, Sieg und die Lande! Dann ist dem Streit ein Ende !“
 
Im 2. Helgi-Lied (20) erschlägt Helgi - von dem es am Ende heißt, er sei ein Wieder­geborener - den Riesen / Thursen Hati („Hasser / Gehässiger / Feind“) der auf einem Berge saß. Es ist der gleiche Name wie ihn einer der wölfischen Söhne des Fenris­wolfes trägt, der im Welt­­untergang der Sonne zum Verhängnis wird. Gleich dem 1. bewegt sich auch das 3. Helgi-Lied im thematischen Rahmen des Hel­gi-Hundings­töters. Altheidnische Mythenstücke und Namen versuchte der Dichter in eine Neu­dichtung einzuweben -, vielleicht um sie ver­welt­licht und entstellt in christli­ch­er Zeit überdauern zu lassen. Schon in 1. Str. wird erklärt, dass einer namens Hagall, dessen Sohn Hamall ist, den Helgi als Ziehsohn angenommen hätte. Dann wird Hel­gis Kampf gegen Hun­ding besprochen. Hundings Män­ner suchen Hel­gi bei Hagall, er entkommt und tötet Hunding: „Vor Helgi musste Kö­nig Hunding sich neigen ins Feld!“, meldet Str. 9. Im 2. Helgi-Lied (20) wird Helgi als Isung-Töter (Isungs bana) bezeichnet; er hat einen Schrecker namens Isung (altn. isarn „eisern“) getötet. Dieser Isung ist der in 36. Str. genannte Höðbrodd („Kampfspeer“), dessen Name an Höðr, den mythischen Gegner Baldurs erinnert. Hödr heißt „Kämpfer“ und die altn. Zweit­silbe -brodd meint „Wurfspeer / Pfeil / Eisenspitze / Spitze / vorderster Teil einer Schar“.Helgi entschleiert sich somit immer deutlicher als eine säkularisierte Hypo­stase des heidnischen Sonnenheros. Stilistisch wird er nicht anders ge­priesen als Siegfried im Nibelungenlied: „So überragte Helgi die Helden, wie die edel ge­schaf­fene Esche den Dornbusch oder das Hirschkalb, frühnebelumwallt, das höher schrei­tet als alle Rehe, und das Gehörn glüht gegen den Himmel selbst.“
 
Solche Lieder erscheinen wegen der Nennung von heidn. Göttern altertümlich und urheidnisch, bei genauerer Betrachtung erweisen sie sich jedoch als stückweise wirre Zu­sam­menfügungen aus der wirklichen, damals schon lange zurückliegenden Hei­den­zeit. So war der angebliche Ziehvater namens Hagall - ähnlich wie Siegfrieds Zieh­vater Regin (den Siegfried ja auch erschlägt) - ursprüngliche der dioskurische Ge­gen­­spie­ler, also mythische Feind des Helgi. So wie dem Baldur der Hödur und dem Siegfried der Hagen entgegenstand, so war Helgis Gegenpart der Hunding-Hati-Hödbrodd-Hagall. Die eddi­schen Lie­der vermögen uns wirklich in mache altheidn. Zusam­men­hänge ein­führen, doch ohne eine gute Wegweisung wird dies in Wahrheit nicht ge­lingen. Die­ser Weg­weiser aus ältester Heidenzeit ist allein das ODING. Auch die skan­­di­na­vi­sche Helgi-Gestalt wäre ohne dieses Schlüsseldokument letztlich nicht in das ur­heidnische My­thenschema einzuordnen.
 
Haddinge-Alken
 
Im eddischen Hyndlolióð, Hündla-Lied (20-23), bittet der edle Jüngling Ottar die Göttin Freyja um Beistand, sie möge ihm helfen nachzuweisen, dass er aus altem hohen Geschlecht entstamme. Seine Vorfahren werden genannt; sagenhafte his­torische Namen, die den mittel­alterlichen isländischen Zuhörern noch geläufig waren, werden in Aufzählung gebracht: „mehr Ahnen noch kenn’ ich der alten Sippe“; „auch Nanna nenn’ ich, Nokkwis Tochter“; Nanna war bekanntlich die Gemahlin Balders. Die zwölf Söhne von Arngrim und Eyfura finden Benennung, u.a.: „oc tveir Had­diningiar“ („und die beiden Haddinge“). Aus einigen Fornaldarsögur finden sich eben­falls die Nahmen der zwölf Berserkersöhne o.a. Paares er­wähnt. In der Er­zählung „Hervarar saga ok Heiðreks konungs“ heißt der älteste der Brüder Angantýr, am Rei­henende werden die Zwillinge, die beiden Haddingr, erwähnt. Auch in der Fornal­darsaga „Örvar-Odds saga“ wird vom Kampf Odds gegen die zwölf, von An­gantýr geführten Berserker berichtet und ihre Namen aufgeführt, u.a.: „tveir Had­dingjar“; in sämt­lichen derartigen Quellen sind nur diese drei Namens­über­ein­stim­mungen fest­zustellen, die anderen Namen schwanken. Als Vater der zwölf  gilt Arngrim, was „Adlermaske“ bedeutet; Arnhöfði („Adlerköpfige“) ist ein Odinsname in den Thulur. Der Muttername Eyfura („In­selfichte / -före“ von altn. ey ahd,. ouwa „Eiland / Aue / Werder / von Wasser umflossenes Land“) könnte nicht weniger gut eine Umschrei­bung der Odinsgattin Frigg/Frea sein, deren Wohnort Fensalir (Gylf. 34) ist, was „Sumpfraum / -halle“ heißt. Dies noch treffender, wenn die zweite Silbe von Ey-fura aus ags. furh, ahd. furuh „Fuche / Graben“, altn. for „Schlamm / Morast / Wass­er­gra­ben / Acker­furche“ gedeutet wird.
 
Auch in der „Gesta Danorum“ des Saxo Grammaticus (um 1150-1220) werden die Arngrim-Zwillingssöhne erwähnt: „duo Haddingi“. Doch ebenso wird im 1. Buch von einem sagen­haften dänischen Heldenkönig Haddingus berichtet, der sein ange­stam­mtes Dänenreich zu­rück­er­obert. Sein Beschützer ist Odin selbst, der ja häufig ein­zelne, hervorgehobene Helden unter­stützt (Sigurd, Starkadr, Helgi). Im Nach­satz zum 3. Helgi-Lied der Edda wird der Heroe als Wiedergeborener Haddingiaskaði („Haddingen-Schädiger“) geheißen; doch die meisten Übersetzer gehen von einem Schreibfehler bzw. der Urform Haddingiaskati (Had­dingen-Krieger/-Held) aus; dann wäre auch der berühmte Helgi eine Hypostase des Had­ding. Auch schon die „Goten­geschichte“ (22) des Jordanis (Mitte 6. Jh.) nennt ein wan­dali­sches Ge­schlecht na­mens Asdinge(r), welches höchst kriegerisch sei und eine glänzende Stellung ein­nehmen würde.Diesen Zusammenhang berücksichtigt Bernhard Kum­mer in „Die Dichtung von Helgi und der Wal­küre“, 1959, S. 144) mit einer kurzen Notiz vom „Zwil­lings­paar der gotischen Hazdiggjos (bei Jordanes Asdinge = „die mit langem Haar versehenen“) [...] deren göttliche Ahnherren lt. Tacitus von den Na­hanarvali als Alces versehrt wurden“. Diese Worterklärung ist gewiss zutreffend, denn: aengl. had, hæd „Haar“; altn. haddr „Frau­en­haar“. Die Haddingis wären damit sprachlich zu erkennen als „jene mit dem langen Frauen­haar“. Tatsächlich beschreibt ja Tacitus (Germania 43) einen germanischen Kult, in dem solche Gottheiten Er­wähnung zu finden schei­nen: „Im Lande der Nahanavalen liegt ein Hain mit uraltem Got­tes­dienst, dem eine Priester in weiblicher Tracht vorsteht. Die Gott­heiten aber, nach römischer Auslegung Castor und Polux, denen sie auch im Wesen gleich, tr­a­gen den ein­heimischen Na­men Alken. Es ist zwar kein Bildnis vorhanden, auch keine Spur frem­den Einflusses, doch werden sie als Brüder, als Jünglinge verehrt.“ Die Worterklärung für Alken wäre bekanntlich „Elchbrü­der“, vgl.: ags. eoh, alts. ehu „Pferd“ (ags. éoh, éow „Eibe“); éola, eolh; neuengl. elk „Elch“.
 
Der Schuss liegt nahe, dass in den späten hochmittelalterlichen Liedern des Nordens Helden­namen Eingang fanden, die aus echt alter heidnischer Mythologie in Erin­ne­rung blieben. Die wikingerzeitlichen Haddinge-Zwillinge werden aus den uralten my­thi­schen Erzählungen von den gött­lich­en frauenmäßig-lang­haarigen Alces-Zwillingen herrühren. Dann wäre „Haddinge“ als ein weiterer Kult- oder Zu­satz­­namen der Alces zu verstehen. Umso besser, weil dann auch die „H“-Rune, als Sinn­zei­chen für die göt­tlichen Zwillinge noch verständ­licher würde. Zum anderen, weil dann auch plau­sibel wäre warum nur einer der Had­dinge-Alces als strahlender heldischer Sieger (Bal­der, Helgi, Siegfried) von den my­thos­gespeisten Preisliedern gefeiert wird, wäh­rend der andere, der dunkle Bruder (Hödur, Hunding, Hagen) im Schatten steht.       
 
 Sommersonnwend-Drama
 
Zur Sommersonnenwende, zwischen Aufstieg und Abstieg, im Zwielicht der Zeit vollzieht sich das Mythendrama der Verletzung oder des Mordes am Lichtgott.Siegfrieds Tötung (12. Av.) geschieht im Nibelungenlied: „Sobald erst der Winter ein Ende hat genommen um diese Sonnen­wen­de...“. Der Winter nahm, nach Vorstellungen der Alten, sein Ende mit Sommerbeginn Anfang Mai. Im folgenden Monat Brachet (Juni), in dem des Jahres Lichtphase umgebrochen, also umgekehrt wurde, musste der strahlende Siegfried sterben -, musste auch sein Weg abwärts führen. Ebenso der keltische Sonnenheld Llew - der wohl dem irischen Lichtgott Lugh ent­spricht - kann nicht im Haus, noch außerhalb – also nicht im geschützten noch ungeschützten Bezirk - , sondern nur auf der Schwelle umge­bracht werden. Und an dem Speer, der ihn allein töten kann, muss ein Jahr lang ge­schnitzt worden sein, jeweils nur zu der Zeit, während der die Leute am Sonntag die Opfer bringen. Die Frau, die ihm diese Bedingungen entlockt, ihn verrät und so durch List zu Tode bringt, ist ein aus Pflanzen gemachtes Zauberwesen. Llew selbst beschreibt ihr die Lösung des unmöglich zu ratenden Rätsels: „Wenn einer ein Bad errichtet neben einem Fluss und fügt ein Dach über einen Kessel, und ich setze einen Fuß auf des Ziegenbocks Rücken und den anderen auf den Rand des Kessels, und es trifft mich jemand in diesem Augenblick und stößt zu ... dann werde ich sterben müssen." (F. Hetmann - Zaubermärchen aus Wales, Frankf. 1977, S. 84) Beschrieben ist der Augenblick einer Schwellensituation wie es die Sommersonnenwende ist. Von ihr heißt es in der Frithjofs-Saga im 13. Kapitel E. Tegners Nacherzählung: „Mitternacht­sonn’ auf den Bergen lag, blutrot anzusehen, es war nicht Nacht, es war nicht Tag, zwischen beiden schien es zu stehen. Balders Holzstoß, der Sonne Bild, brennt auf geweihtem Herde, bald ist doch die Lohe verspillt, dann beherrscht Hödr die Erde.“ Und im vorausgegangenen Kapitel wird „Balders Mittsommerfest“ erwähnt (Die Frithjofs-Sage von Esaias Tegner - Aus dem Schwedischen von G. Berger, Stuttgart, 1843, S. 87f) Aus dem Gesagten geht hervor, dass man auch Balders Sterbefest zur Sommersonnenwende beging.
 
Wir sehen recht eindeutig - wenn wir die diversen Quellen zusammenschauen - dass im Nibelungenlied und den verwandten Texten, auf uns gekommene Erinnerungsreste des Mythoskerns vom altnordisch-kelto-germanischen Jahreszeitendrama erkennbar werden.
 
Bild: aus „Die Nibelungen“ (Thea von Harbou / Fritz Lang, 1924), Tod Siegfrieds (Paul Richter)
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