24.04.2025
Rekonstruktion der Geröll-Mauer, wie sie vor etwa 11.000 Jahren ausgesehen haben wird.
Treibjagd: Zwischen See und Steinwall war kein Entkommen der Tiere möglich.
Die jungsteinzeitlichen Felsritzbilder von Alta, in der norwegischen Provinz Finnmark, zeigen eingehegte Rentiere.
Die archäologischen Funde unserer Zeit erstaunen uns immer aufs Neue, über die Leistungen unserer Ahnen, schon zur Steinzeitära. Bereits in der Stufe der Ahrensburger-Kultur der ausgehenden Altsteinzeit, die geologisch der letzten „Tundrenzeit“ (Jüngere Dryas) zwischen ca. 10.760 bis ca. 9.650 v.0 zugeordnet wird, schufen sie im Ostseeraum gewaltige, erstaunliche Bauwerke. Ihr Lebensraum war das Flachland des nördlichen Deutschlands, das damals von einer mit Baumgruppen durchsetzten endeiszeitlichen Tundra bedeckt war. Es liegen einige Funde von Stielspitzen mit Ahrensburger Merkmalen vor. Spezialisiert waren die damaligen Jägergruppen auf die zahlenstarken Rentierherden, deren Frühsommer- und Herbstwanderungen sie folgten. Um diese Herden gewissermaßen abzufangen und mit den Jagdwaffen leichter erreichen zu können, wurden Dämme gebaut, an denen sich die Tiere stauen mussten.
In der Mecklenburger Bucht sind Geologen auf eine rätselhafte Struktur gestoßen: Eine Reihe von Steinen, die dort offensichtlich nicht zufällig liegen. Etwas Vergleichbares gäbe es in ganz Europa nicht, sagen die beteiligten Forscher. Damals war das Gelände noch nicht überflutet, wie die Gruppe um Jacob Geersen vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) und Marcel Bradtmöller von der Universität Rostock schreibt. Im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) wurde darüber berichtet.
Die Wissenschaftler glauben jetzt erklären zu können, wozu dieser Wall vor mehr als 10.000 Jahren gedient haben müsste. Auf dem Boden der Ostsee liegt der steinzeitliche Wall, der „Blinkerwall“ genannt wird. Es fragt sich, warum der Blinkerwall diesen Namen trägt. Einer der Forscher sagt dazu: „Ein naher manganreicher Unterwasserhügel heißt eben Blinkerhügel, darum hat die Geologen-Szene den Wall so benannt.“ Dieser Wall besteht aus fast 1.700 Steinen und ist etwa 971 Meter lang. Er liegt in einer Tiefe von etwa 21 Metern, rund 10 Kilometer nordwestlich vom Ostseebad Rerik. Die Forschung geht davon aus, dass der Wall von Steinzeitjägern und -sammlern errichtet wurde, vermutlich um Rentiere zu jagen. Der Wall wurde bei Kartierungsarbeiten im September 2021 entdeckt. Die Steine sind unterschiedlich groß, viele so groß wie Fußball- oder Tennisbälle, und werden mit einem Volumen von fast 53 Kubikmetern und einem Gewicht von über 142 Tonnen geschätzt. Die Steine müssen an den Küsten der Mecklenburger Bucht gesammelt und dann auf dem Grund der Ostsee, wo damals noch Festland war, aufgeschichtet worden sein. Die Rentiere wurden in eine sich verjüngende Gasse zwischen dem damaligen Meerrufer und dem Wall getrieben, um leichter erreicht und erlegt werden zu können. Diese Form der Jagd wurde etwa 1000 Jahre später durch die zunehmende Bewaldung der Gegend unmöglich. Durch Veränderungen des Meeresspiegels bei Entstehung der Ostsee vor 8500 Jahren wurde das Bauwerk - eine fast unglaubliche Fleißarbeit - unter Wasser vor Zerstörung bewahrt.
Der Blinkerwall ist ein faszinierendes Beispiel für die menschliche Geschichte und die Aktivitäten der Steinzeit in der Region. Die Forschung hofft, dass der Wall weitere Einblicke in das Leben der Steinzeitjäger und Sammler der Ahrensburgen-, auch Hamburger-Kultur geheißen, in der Ostseeregion geben kann.