DER RUNEN-SUMPF
Orientierungsangebot für Runen-Freunde
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Hilfreiche Bewertungen
Angesichts einer verwirrenden Vielzahl antiquarischer und neuer Runenbücher ist es für den Anfänger insbesondere deshalb fast unmöglich, die richtige Auswahl zu treffen, weil nur wenige Runenbuch-Autoren bereit waren und sind, sich dem Zwang einer streng quellenorientierten und -achtenden Tugendhaftigkeit zu unterwerfen. Für die meisten die darüber schreiben fungieren die Runen lediglich als Projektionswand auf die sie ihre eigenen privaten Gedanken werfen wollen. Die Überlegungen eines modernen Menschen sind aber absolut unwichtig und uninteressant, so lange sie sich nicht zu erst mit der Ergründung der runischen Urbedeutung beschäftigen ! Ist diese gefunden, dann wären darüber private Erwägungen freilich sinnvoll. Die Runen sind gewissermaßen freigegeben und zum Freiwild geworden für jeglichen Narrenschuss. Bedauerlich sind die jungfräulich-naiven Leser, deren Erstberührung mit den Runen von wirklichen Schelmenstreichen geprägt sind, denn oft werden sie sich ein Leben lang ohne fremde Hilfe von solch einer Schrotsalve des in ihren Gehirnen aufgehenden „Narrensamens“ kaum wieder befreien können. Rüge ist unerlässlich, wenn wir voranschreiten wollen zum besseren Verständnis. Hier geht es aber nicht eigentlich um Rüge, sondern um nüchterne Sortierungen: Unsinn oder Ernsthaftigkeit ? Ich hoffe, dass die besprochenen Autoren sich nicht persönlich angegriffen und verletzt fühlen, vielmehr selbstkritisch und lernwillig nach vorne schauen, um es zukünftig besser zu machen. Völlig unerträglich empfinden wir die Preisgabe altgläubig-volksreligiöser Standorte an die Scharlatanerie und die daraus resultierende Entwertung durch Lächerlichmachung. Wer es wirklich ernst nimmt mit seiner Liebe zum runischen Ahnenerbe, wird die notwendige Berechtigung einer kritischen Bewertung der esoterischen Runenliteratur ohne weiteres verstehen. Die Meinung derer aber, denen es weniger ernst ist um die Runen, darf uns, die wir Sorge tragen um die Wiederbelebung unserer Spiritualität, völlig gleichgültig bleiben.
Hoffnungsvolle Selbstfindung
Als der Gebrüder Grimm schöpferischer Genius zum Beginn des 19. Jh. sein Segenswerk aufnahm, da schien ein Bann gelöst, der über schier unerträglich langen, dunklen Zeitläufen - gleich einem bleischweren Todesalp - auf deutsch-germanischer Seele gelegen hatte. Getreu dem Bibelwort zur Kenntlichmachung der bibelgöttlichen Absichten „Alle [nichtjüdischen] Völker sind vor Ihm wie ein Nichts, sie sind Ihm wertlos und nichtig !“ (Jesaja 40, 17), galten bis zu den Tagen des meisterlichen Brüderpaares sämtliche Erinnerungen und die Pflege eigengesetzlicher Äußerungen der deutschen Völker als unnützer Tand, als mehr oder minder wertloser Ballast, der überwunden und abgetan werden müsse. Dafür wirkten die christenkirchlichen Agenten, vom niedersten Mönch bis zum höchsten Kleriker, zäh und verbissen. Auch die Volkssprache selbst galt unter dieser Geistigkeit als wertlos und wurde nurmehr von den vermeintlich primitiven Bauern und Arbeitern gesprochen, ihr war das Erlöschen zugedacht, bis einige Humanisten überraschend wieder begannen, in der Volkssprache zu schreiben. Einzelne „Rufer in der Wüste“ gab es schon vor ihnen, doch erst mit der Lebensarbeit der Grimm-Brüder begann das planmäßige Errettungswerk von Sprache und Volksdichtung, von Brauchtums-, Märchen- und Mythenbeachtung. Innerhalb weniger Jahrzehnte wurde eine germanische Philologie begründet. Wegweisende Werke entstanden in wunderbarer Folge: „Über den altdeutschen Meistergesang“, 1811; „Kinder- und Hausmärchen“, 1812; „Deutsche Sagen“, 1816; „Deutsche Grammatik“, 1819; „Über deutsche Runen“, 1821; „Deutsche Mythologie“, 1835; „Deutsches Wörterbuch“, ab 1852 ausgeliefert.
Irrlichter und Schlammblasen
Von dieser neu errichteten Grundlage ließen sich damals etliche einsichtsvolle Männer und Frauen zur volkstreuen Heimatliebe begeistern, um das einmal Erschaffene weiter auszubauen und zu vervollkommnen. Und die Besten stehen bis heute in dieser Pflicht der Veredelung oder zumindest der Erhaltung des Erbbesitzes ihres geistigen Elternhauses. Damals sind gründlich und redlich die auf uns gekommenen Quellenbelege des deutsch-völkischen Ahnenerbes zusammengetragen worden. Das berechtigte zu den schönsten Hoffnungen für die Generationen des folgenden Jahrhunderts. Die Wege der Selbstfindung waren gebahnt und geebnet; es hätte scheinen mögen, dass in nicht ferner Zukunft der euro-gallo-germanische Mensch seine Wesensmitte zurückgewinnen würde, indem er die fremdgeistigen biblisch-orientalischen Vermummungen, die man ihm Lappen für Lappen übergezogen hatte, abwerfen könnte, um wieder ganz rein und ehrlich aus sich selbst heraus zu leben und seinen Lebensraum zu gestalten. Dass das älteste uns bekannte Schriftsystem unserer Ahnen, die Runenzeichen - als ganz und gar eigenartiges, tiefsinniges Kind der gallo-germanischen Seele - dabei einen wesentlichen Beitrag leisten würde, ist seit Wilhelm Grimms Veröffentlichung „Über deutsche Runen“ vielfach erahnt worden. Doch etwas Widersinniges, Unerwartetes geschah. Das setzte falsche Wegmarken, lockte ganze Heerscharen gutwillig Suchender von den bewährten, sicheren Pfaden weg, um schließlich in morastige, schlammige Sümpfe hinzuführen. Aus denen wieder heraus, auf trittfesten Grund zu gelangen, ist für manch' einen unmöglich. Der Runensumpf hält ihn rettungslos fest und gibt ihn nicht mehr frei. -- Wer uns ein Runenbuch zur Beurteilung (als Spende oder mit Rückgabe-Order) zuschicken möchte, kann es tun; die Buchbesprechung erscheint anschließend ebenso hier im „Runensumpf“.
Fälscher am Externstein ! - Eine Steingravur im Felsen 11 der Externsteine zeigt ein verziertes Wendelhorn über sieben menhirartig gezeichneten Gebilden -, sechs größeren und ein kleines. Auf den sechs sind jeweils drei Runen eingefügt, also insgesamt achtzehn. Es handelt sich um das von dem Wiener Wotanist Guido List in seinem Buch „Das Geheimnis der Runen“, 1907 / 12, erstmalig vorgestellte, von ihm erfundene 18er Futhark. Echtquellenmäßig belegt sind allein das 24er Ur- und 16er Jüngere-Futhark -, daneben einige Sekundärformen von verkürzten Chiffren und der verlängerten altenglischen Reihe. Da die „Externstein-Runen“ weder von dem völkischen Laienforscher Wilhelm Teudt („Germanische Heiligtümer. Beiträge zur Aufdeckung der Vorgeschichte, ausgehend von den Externsteinen, den Lippequellen und der Teutoburg“, 1929/1936), noch vom Geologen und Grabungsleiter von 1934/35, Julius Andree, erwähnt worden sind, ist zu folgern, dass die Ritzungen danach von einem List-Enthusiasten bzw. einem „ariosophischen“ Fanatiker angebracht worden sein müssen. Es handelt sich also um eine Variante von Schandalismus am Ahnenerbe des Externsteines.
Prof. Friedrich Fischbach
war ein von einem dazumal weit verbreiteten romantischen Deutschtum getragener Forscher, der auch lange Jahre in Wiesbaden tätig war. Mit seiner schmalen Schrift „Ursprung der Buchstaben Gutenbergs“, 1900, legte er den Grundstein zur Fehlentwicklung der esoterischen Runen-Literatur in Deutschland. Sein eigentliches Arbeitsthema waren weltweit untersuchte Webmuster und die Herstellung von Maschinen die für deren Produktion geeignet waren. Er verglich antike Schriftzeichen mit den Runenformen, um deren hieroglyphische Ursprünge herauszufinden. Hierbei ging er bewusst einseitig vor, indem er bemüht war, jedes der von ihm gedeuteten Runenzeichen aus dem von ihm überbetonten Feuerkult zu verstehen, was zwangsläufig zu Abseitigkeiten führen musste. Seine erste Abbildung ist ein großes linksläufiges Hakenkreuz, welches er - wie jedes andere Zeichen und Webmuster seiner Collektionen - als ein Symbol des Feuerkultes ansah. Er machte jene Fehler (S. 11 ff), die der mit ihm bekannt gewordene junge Guido List aufgriff und popularisierte. Trotz völlig anderslautenden Quellen, die Fischbach bekannt waren, erklärte er die fehu-/Rindvieh-Rune () als Feuersymbol und die thurisaz- / Titanen-Rune () als Hammerzeichen des Gottes Thor, und bei der isaz-/Eis-Rune () brachte er den Ich-Begriff ins Gedankenspiel. Auch verband er die Runen schon mit der eddischen Hávamál (S. 18) und mit den Spielkartensymbolen (S. 21). Wer Fischbachs Ausführungen aufmerksam liest, und erkennen muss, dass ihm die wesentlichsten Quellen nicht fremd waren, er aber trotzdem skurrile Schlüsse zog und Widersinniges zusammenreimte, den beschleicht ein ungutes Gefühl mit der Fragestellung, ob dieser Mann ein bewusster Eulenspiegel und Schelm gewesen sein könnte ? Nein, er war es offenbar nicht, aber er konnte keinen Trennungsstrich ziehen zwischen Realität und Vision. Wie fantasiebefeuert Friedrich Fischbach war, ersieht man auch anhand seines Buches „Asgart und Mittgart (zwischen der Sieg und Wupper) und die schönsten Lieder der Edda“, 1902, worin er die These ausbreitet, das eigentliche Land der Edda habe an der Sieg und im Bergischen gelegen, dort also, wo er seine Jugend verbracht und sein Vater Amtsrichter gewesen sei. Er schreibt (S.109): „Ist der Beweis erbracht, dass der Garten der Mitte, das Eden der Germanen zwischen der Eifel und dem Berger Land auf der rechten Rheinufer lag, und ist ferner dort das Land der griechischen Hyperboreer, so ist die Frage naheliegend, ob dort nicht ebenfalls das Eden, das verlorene Paradies der Semiten anzunehmen ist.“ Auf Seite 5 erwähnt Fischbach wieder seine Feuerkultmanie: „Die ältesten Runen sind abgekürzte Feuersymbole. Als solche waren sie Abwehr- und Heilszeichen und wurden durch die Phönizier und Griechen schließlich Buchstaben.“
Unter dem Begriff Runen verstand er wahllos alle alten Schriftzeichen. Obwohl seit 1874 der ernsthafte Runenforscher Wimmer darauf hingewiesen hatte, das 16er Futhark sei das jüngere System, beharrte Fischbach auf dem überholten Standpunkt (S. 8f), es handele sich dabei um das Ur-Futhark. Ein Ideentransfer Fischbach'scher Unsinnigkeiten zu Guido List ist unabweisbar festzustellen und als tragisch zu bezeichnen. Was Fischbach aus einer Laune möglicherweise spielerisch versuchsweise hinwarf, daraus machte List ein Gedankengebäude. Auch im Hinblick auf die deutsch-heidnische Irminsul-Palmbaum-Narretei war Fischbach federführend. Er stellte bereits in Wort und Bild den Lebensbaum der Assyrer (das war die Dattelpalme) vor, bezeichnete ihn leichtfertig als Feuerkultsymbol und rückte ihn in die Nähe der germanisch-eddischen Weltesche Yggdrasil.
Guido List, alias v. List
darf als energischer, bienenfleißiger, kerndeutsch-romantischer Wotanist gelten. In seiner Geburtsstadt Wien begegnete er dem Bekannten seines Vaters, dem Designer Friedrich Fischbach, der im Wiener Museum eine Ausstellung für internationale Teppichmuster-Motive eingerichtet hatte. Fischbach hatte sich als Gestalter von Teppichmustern intensiv mit Sinnzeichenkunde beschäftigt, auch mit Runen, über die er gern dozierte. Von ihm ließ sich der junge List befeuern und auf einen völlig falschen Weg freiester Fantasie führen. Als Sekretär des Österreichischen Alpenvereines und außerordentlich fruchtbarer völkischer Schriftsteller machte sich List einen Namen. Mit seinem Buch „Das Geheimnis der Runen“, 1908, postulierte er bereits auf S. 1 die Hauptfehleinschätzungen, welche die deutsche esoterische Runenliteratur des ganzen Jahrhunderts nachhaltig in die Irre führte: zum ersten, dass das ältere Buchstabensystem der Germanen 16 Zeichen besessen hätte und zweitens, dass die 18 Lieder im eddischen Hávamál (145 - 163) als Beweis zu werten seien für ein noch älteres, 18er Runensystem, welches der Autor, eigener Aussage gemäß, 1902 im Geist erschaute, als er nach Star-Operation mit verbundenen Augen verweilen musste. Es passen die Texte der 18 Edda-Lieder in keinem Falle zu den tradierten Begriffen jener Runen, die Guido List dazustellte. Die zwei Zeichen, die ihm zu fehlen schienen, E () und G () musste er aus angelsächsischen Runenreihen entlehnen. Trotzdem verbreitete sich das Konstrukt wegen a) der Geschlossenheit seiner Gesamtkomposition, b) dem Nichtvorhandensein alternativer Runen-Esoterik und c) einer damals breiten Schicht interessierter Laien, die nach gehaltvoll erscheinenden Runen-Deutungen verlangten.
Aufsatz „Buchstabenschrift, Lautwandel, Göttersage und Zeitrechnung“ erschien 1911 in „Mannus - Zeitschrift für Vorgeschichte“, Bd. 111. Viele richtige Teilerkenntnisse versuchte der Autor in das irrige Konzept des vermeintlich uralten 16er Runensystems einzubauen, welches in Wirklichkeit erst im Mittelalter (ca. 9. Jh. n.0), also in heidnischer Schwund- und Verfallszeit entstand. In größter Ungezwungenheit konstruierte der Autor einen runischen Götterstaat unter Einbeziehung astrologischer Gedanken, wobei er von einer Tierkreis-Konstruktion des 5. Jt. v.0 ausging. Der Versuch, offensichtlich unvereinbare Systeme zusammenzuzwingen, um sie aus einem einzigen Urgedanken ableiten zu können, erbrachte zwangsläufig kuriose Ergebnisse: z.B. wird die Eis-Rune () der eddischen Fruchtbarkeitsgöttin Idun, die K-Rune (), das Kienspan-Zeichen, dem Wodan, die Asen-Wodan-Rune () dem Sonnen- und Wachstumsgeist Ingvi-Freyr zugeordnet. Schirmeisens Versuch erbrachte somit keine weiterführenden Ergebnisse und darf als verfehlt gelten.
veröffentlichte das Büchlein „Runenhäuser“, 1921. Legitim und verdienstvoll war das Bemühen, runische Heilszeichen im Balkengefüge mitteldeutscher Fachwerkbauten aufspüren zu wollen. Es handelt sich immerhin um eine unterhaltsame Gedankenspielerei. Völlig unwahrscheinlich ist es aber, dass sich das satte, christlich angepasste Bürgertum bzw. die Handwerksmeister, welche ihre Häuser erbauten, mehr in mystisch-mythologischen Denkkategorien bewegten als in statisch-ästhetischen. Das Fachwerk-Ständerhaus als hochmittelalterliche Erfindung fiel in die Zeit rücksichtslosesten christlichen Gedankenterrors, der eine öffentliche Zurschaustellung heidnischer Symbolik ohne Beifügung eigener Interpretationen nicht geduldet hätte. Stauff kam aus der Schule Guido Lists und übernahm unkritisch dessen 18er Runenerfindung.
griff in seinem Buch „Der Runenschlüssel zum Verständnis der Edda“, 1925, die Idee von Karl Schirmeisen auf, indem er einen runischen Göttersaal konstruierte, worin eine Runenreihenfolge des jüngeren 16er FuÞarks korrekt wiedergegeben (), als wesentlichstes Bauelement verstanden wurde. Die Runen seien demnach Stützbalkensymbole eines geistigen Göttertempels. Da der Autor einerseits viele jüdisch-christliche Motive in seine Betrachtungen einbezieht und andererseits von einem Runenverband ausgeht, welcher erst ca. 500 Jahre nach Beginn christlicher Machtergreifung geschaffen wurde, könnte er mittels seiner Argumentation bestenfalls beweisen, dass christliches Denken die Runenschöpfung beeinflusst hätte. Das ist für den Leser, der eine Entschlüsselung des altgläubigen Runenmysteriums erhoffte, äußerst unerquicklich und rundweg abzulehnen.
in „Die Runen als Heilszeichen und Schicksalslose“, 1924 / 1973, ging von dem 18er List'schen Futhark-Runenkanon und den dabei üblichen Fehldeutungen aus. E. T. Kurtzahn schreibt im Vorwort so schön: „Der Hauptgrund dieser kleinen, durchaus anspruchslos gedachten Schrift soll die Erweckung der Kraft und Freude an urdeutschem Wesen und urdeutscher Erkenntnis sein.“ Dann aber bekennt er: „Abgesehen von den Fingerzeigen des Eddatextes sind wir uns bewusst, unsere eigenen Wege bei der Auslegung des nicht überall leicht verständlichen Runenliedes gegangen zu sein.“ Da wird er wieder deutlich, der Irrglaube, man könnte aus dem Runenliederankündigungstext des eddischen Hávamál für die von Guido List erfundene 18er Runenfolge Erklärungen herauslesen. Die thurisaz- / Unhold-Rune () galt ihm als Thors-, also Gottesrune; die Eis-Rune () als Phallus und männliches Ich-Symbol; die List'sche G-Rune () als unvollständiges Hakenkreuz, also Sonnenzeichen, usw. Völlig ungebundene, intuitive Zuordnungen von Runenbegriffen, um einen angeblichen Runencharakter zu verdeutlichen (S. 76f), lassen nüchterner Wissenschaftlichkeit nicht einmal im Ansatz Raum, so dass trotz pädagogisch wohlmeinendem völkischem Charakter der Darlegungen, doch die tiefgreifende Irreführung im Vordergrund steht und letztlich die positive Tendenz entwertet. Auf Seite 61 heißt es: „Präge dir die paarweise Anordnung der 18 Heilrunen ein !“ Welche Blödsinnigkeiten dabei zu Tage treten können, ist - wie schon erwähnt - auf Seite 34ff zu ersehe, wo die „Is (Eis)“-Rune korrekt als solche benannt wird, dann aber fehlgedeutet wird in der Weise: „Die Pfahlrune versinnbildlicht auch den Phallus als allgemeines männliches Prinzip im Weltgeschehen im Gegensatz zu der gespaltenen ka-Rune, die, wie wir sahen, das weibliche Prinzip vertritt.“ Welche Sinnverbindung sollte „Eis“ mit dem Penis haben ?!
lehrte einen lobenswerten Wotanismus und Runenkult -, allerdings ohne religionsgeschichtliche Verankerung. Er hielt sich in manchen seiner Schriften fest an die erfundene List'sche 18er Runenreihe, in anderen griff er korrekt auf das alte E-Runenzeichen () zurück. Als G-Rune verwendete er die List'sche E-Rune (). Zu dem irrealen 18er Runenkanon dichtete er mit enthusiastischen Worten erklärende Verse. Jedoch so schön der Reim auch trifft, der Runensinn, wie er durch Begriff und Zahl überliefert ist, wird nur selten getroffen. Die Fundierung des ernsthaften Religionsforschers fehlt völlig -; haltloses, bodenloses Schwärmertum bestimmt das Bülow‘sche Runenverständnis. Auch in „Der Ursprung der deutschen Sprache und das Runengeheimnis“ bespricht er die Runen nach der falschen Manier Guido Lists, indem er die junge manipulierte Runereihe zu Grunde legt und nicht vom 24er Ur-System ausgeht. Die th-Rune bezeichnet er als Thors Hammer, auch bei der i-Rune die er richtig als „Eis“ erklärt, kommt er doch nicht vom List’schen Unsinn fort und nennt sie obendrein „Ich-Rune“. Die g-Rune ist auch für ihn unsinnigerweise das Hakenkreuz. Im Schlusswort sagt er: „Die deutsche Sprache bringt noch heute den Grundwert jedes Lautes als Abbild einer bestimmten Seite der göttlichen Schöpfungskraft deutlich zum Ausdruck und vermag uns daher zum uroffenbarten Weltenrhythmus zurückführen: ,Durch das Urwort zum Urlicht ! …Wir können aus dieser Erkenntnis die Zuversicht schöpfen, dass der arische Geist, wenn er eine neue Adlerbrutstätte, sein geistiges Arkona errichtet, sich, wie der Phönix aus der Asche aufs neue erheben wird und der Führer derer werden wird, die berufen sind zu einem neuen Aufstieg.“ Der formulierte hohe Anspruch steht aber leider in keiner Entsprechung zum geistigen Gewicht der Bülow’schen Verkündungen. Auch dieser seelisch tief bemühte Autor fiel der List’schen Fehlweisung zum Opfer, die er als solche nicht erkannte.
hervorgegangen aus den Schulen Guido Lists sowie Lanz von Liebenfels', schrieb das Werk „Hochzeit der Menschheit“, 1930, als großangelegten Versuch eines germanischen Mysteriums. Seine Beweggründe und Zielgedanken mögen aller Ehren wert sein. Seine Grundlagen und Möglichkeiten aber waren unzureichend. Die Kenntnisse des Autors über sein Arbeitsthema, insbesondere was indogermanische Religionsphänomenologie anbelangt, sind als ungenügend zu beurteilen. So entstand ein Werk aus heißem Herzen, das die phantastischsten geistigen Dschungelblüten hervorbrachte. Unmögliche etymologische Ableitungen, geradezu kindhafte Gleichungen und Nebeneinanderstellungen („Krist und Kristall“) lassen ernsthaft-vorsichtige Forschung vermissen. Die besprochene Runenlehre ist überwiegend irrig und durch neugewonnene Erkenntnisse definitiv überholt. Auf der Fiktion, die List in die Welt setzte, wurde weitergebaut - gewissermaßen an einem Wahnprodukt neue Schnörkel und Zierden angebracht. Kuriose Albernheiten erwuchsen insbesondere durch die sprach- und kulturkreisüberschreitende sinnlose Suche nach Wurzelstämmen von Runen-Anlautsilben. So wurden Begriffe wie Eva, Ehe usw. zur ehwaz- / Ross-Rune gestellt, die mit der biblisch-orientalischen Urmutter Eva aber nicht das Geringste gemein hat (S. 486). John-Gorsleben führte eine Traditionslinie fort, welche das Verständnis um ein arisiertes Christentum, einen indogermanischen Jesus, zu entwickeln versuchte. Das Buch strotzt förmlich von Widersinnigkeiten, welche bei folgerichtigem Nachdenken keinen Eingang hätten finden dürfen. Trotzdem ist es als Liebhaberstück einer überschäumenden irrealen Ariosophie für jene Leser geeignet, die es als reine Unterhaltungslektüre einstufen, dazu auch fähig sind, auf kritischer Distanz zu bleiben, die Spreu vom Weizen zu trennen und sich über das runenesoterische Niveau des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts informieren möchten.
verbreitete mit seinen Schriften „Ariosophische Bibliothek - Bücherei für ariosophische Selbsterkenntnis“, 1928, z.B. Heft 18, S. 13ff die 18er List'sche Runenerfindung. Wert legte er auf den zahlenmythologischen Aspekt, welcher aber bei einer teilweise neuzeitlich ausgedachten Buchstabenreihe zwangsläufig fast ohne tiefere Aussage bleiben muss.
verfasste die Bücher „Heilige Runenmacht“, 1932, und „Das große Geheimnis der Runen Mysterien“, worin er sich ebenso wie List und John-Gorsleben auf die in Wahrheit unrealistische 18er Runenreihe stützt, mit allen daraus resultierenden Fehldeutungen. Auch er meinte dafür einen Beweis in der „germanischen Bibel der Edda“ zu finden und bezeichnete Hávamál 145ff als „Das älteste Runenlied“ (S. 8). Andererseits erkannte er richtig in der mannus-Rune () die Hieroglyphe für das männlich-weibliche Menschenpaar (S. 94). Eine Vielzahl interessanter Gedanken lassen das Buch zur anregenden Lektüre werden, trotz völlig falscher Grundkonzeption.
der deutsch-nationale Holländer, trat mit umfänglichen Werken „Aufgang der Menschheit“, 1928, und „Heilige Urschrift der Menschheit“, 1931, hervor. In erstgenannter Darlegung zeigte er eine kalendarische Runenanordnung (Tafel X), deren Unmöglichkeit für jeden Kenner sofort erkennbar ist; stehen hier doch klare Herbstzeichen () im Frühling und unmissverständliche Frühlingszeichen () im Herbst. Angeblich mit dem Jahreskreis kommunizierende fünf Vokale postierte Wirth nicht dort, wo sie im Runenzirkel tatsächlich stehen.
Den 6. Vokal () ließ er unberücksichtigt; dass das altgermanische FuÞark nicht 5, sondern 6 Vokale besitzt, passte nicht in die Wirth'schen Überlegungen hinein.
Der Autor entwickelte ein epigraphisches Deutungsprinzip, welches von der Runenreihenfolge selbst widerlegt wird. Würde die Wirth'sche Theorie stimmen, so müssten im Runenkreis die Zeichen mit gesenkten Ärmchen (z.B.:,) jenen mit aufgerichteten Ärmchen (z.B.:,) gegenüberstehen. Das ist aber nicht der Fall.
Wirth ließ das altgermanische Jahr sinnvoller Weise mit der Wintersonnenwende beginnen, um die 24 Runenzeichen dann rechtsläufig über den Jahreskreis zu verteilen. Im Zuge seiner Argumentation bringt er eine ungeheuer große Quellendarlegung, die sein Werk zu einer ergiebigen Fundgrube macht. Bei genauem Hinsehen wird dem Studierenden aber sehr bald klar, dass der Autor zum Teil erschreckend leichtsinnig oder weitherzig verfuhr, zum anderen Teil selbst vor konkreten Quellenfälschungen nicht zurückschreckte. So täuschte er seine Leser in vielen Schriften über Jahrzehnte hinweg hinsichtlich des wahren Aussehens der sog. „Kalenderscheibe von Fossum“, einer skandinavischen Felsritzung, die angeblich prärunische Zeichen aufweisen würde. Nicht eines dieser Originalgebilde entspricht den diversen Wirth'schen Nachzeichnungen. Was bleibt, ist der Eindruck eines gigantisch aufgerichteten Kartenhauses. Schon ein prüfender Fingerspitzendruck lässt es zusammenstürzen. So stellt Herman Wirth eine der verwirrendsten und rätselhaftesten Erscheinungen der Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts dar.
war ein Mystagoge von beeindruckender Konsequenz und starkem Durchsetzungswillen. Er veröffentlichte eine umfangreiche esoterische Schriftenflut. Insbesondere griff er auf die 100 Jahre zuvor von Dr. Gustav Thormod Legis veröffentlichte Idee in „Fundgruben des alten Nordens“, 1829, zurück, in der dargestellt wurde, dass Runen auch menschlichen Körperhaltungen ähneln können. Die Abbildungen (Tafel 2) inspirierten ihn zur Verkündung von „Runenstellungen“ bzw. einer Runen-Gymnastik. Viel ist bei ihm die Rede von feinstofflichen Energieflüssen, für welche die Runenhaltungen gewissermaßen Antennenfunktion im Sinne von Senden und Empfangen besäßen. Grundsätzlich wäre die Erarbeitung runischer Meditationsstellungen oder auch Gebetshaltungen zu begrüßen, gewissermaßen als Gegenstück zum fernöstlichen, tantrischen Yoga. Unverzichtbare Voraussetzung für die Entwicklung eines Runen-Yoga, der mehr sein will als nur biedere Gymnastik, müsste ein tiefgehendes Verständnis der Zeichen für ihre Ursprungsidee sein. Es handelt sich ja um archetypische Bildkürzel. Ein nur annäherndes Begreifen der altreligiösen Runen-Symbolismen ist durch Marby nicht erfolgt. Dafür fehlte bei ihm jede altphilologische Voraussetzung durch religionshistorische und sprachgeschichtliche Studien. Deshalb hätte er für seine Runen-Bewegungsübungen ebensogut sinnvolle, frei erdachte, lineare Ideogramme verwenden können.
Im 3. Reich wurden seine Runenschriften unter die Rubrik „Schund“ eingestuft und ab 1936 verboten. Das Verbot soll durch Anstoß seitens des Runen-Okkultisten Karl Maria Wiligut („Seyfrieds Runen“, 1903) gegenüber Heinrich Himmler erfolgt sein. Marby erschien daraufhin den verantwortlichen Behörden - in Krisenzeiten - als nicht ungefährlicher, verwirrender Spintisierer, so dass er schon kurz vor Kriegsbeginn in Sicherheitsverwahrung kam. Auch hatte Marby Darlehen in großer Höhe bei seinen Anhängern aufgenommen, die er nicht zurückzahlen konnte. Zusätzlich wurde er Anfang 1938 wegen Betrugs und Bankrotts zu einer Gefängnisstrafe von 10 Monaten und 14 Tagen verurteilt. Anschließend wurde er ins KL Dachau überführt, aus dem er 1945 befreit wurde. Als Vorzugshäftling war er in der Küche beschäftigt und konnte weiterhin seine Gedanken zu Papier bringen. Marby wurde sein konsequentes Rassebewusstsein von Seiten der Behörden des 3. Reiches nicht zugute gehalten. Abzulehnen sind seine christophilen Anklänge bzw. die unsinnigen Versuche, den hebräischen Zimmermann Jeshua-Jesus in einen Arier ummodeln zu wollen, worin er einer bekannten ariosophischen Schule folgte.
Die Marby'schen „Erkenntnisse“ werden bis in unsere Zeit von Rudolf Arnold Spieth, einem einseitig fixierten, exzentrischen Mystagogen, engagiert weiterverkündet. Dieser bezeichnete sich selbst als Vorsitzender des „Bundes der Runenforscher Deutschlands“ bzw. des „Internationalen Zentralverbandes germanischer Runenforscher“. Noch in den 1957/85/87 erschienen Büchern „Der Weg zu den Müttern“ (S. 8f) und „Die drei Schwäne“ (S. 152f) erwähnte Marby die 24er Ur-Runenreihe mit keinem Wort. Für ihn, den eifrigen Nachbeter aller List’schen Skurrilitäten, galt die jüngere 16er Runenreihe irrigerweise als die ursprüngliche. Ich beurteile F.B.Marby ausdrücklich NUR hinsichtlich seiner falschen Auslassungen über Runen, seine übrigen Postulate - ausgenommen seine verquaste Christophilie - werden hier an dieser Stelle nicht beachtet, sie können mthin durchaus zutreffend sein.
schrieb „Weltwissen im Hakenkreuz - Von Labyrinthen, Runen und Religionen“, 1934. Zwar trug er viele sinnvolle, nachdenklich machende Gedankengänge vor, doch folgte auch dieser Autor dem von Guido List gewiesenen falschen Runenweg der neuzeitlich erfundenen 18er Reihe (S. 145). Wie üblich, blieben die hieroglyphischen Runen-Urformen unerkannt, so dass die Zeichen als abstrakte Lineargebilde simplifiziert ins Hexagramm hineingezwängt werden konnten. Eine Torheit, welche bei mehreren Generationen runischer Mystagogen Begeisterungsstürme hervorgerufen zu haben scheint. Unerkannt blieb diesen Autoren, dass es eine Anzahl runischer Urformen gibt von ausgesprochen kursivem Charakter. Rundbögen und Kreise können jedoch bei faserigem Schreibgrund der einstmals verwendeten Holzplättchen und Ästchen nur in kantiger Form wiedergegeben werden. Deshalb sind die Rundformen mancher Runenzeichen archaisch und die kantigen Formen sekundäre Entwicklungen.
veröffentlichte im ehrenwerten Nordland-Verlag seine „Runenkunde“, 1941, die zwar vom damaligen Geiste der glückseligen Rückbesinnungszeit des III.Reiches getragen, doch trotzdem so sachlich und hochqualifiziert einhergeht, dass es eine wahre Freude ist. Das Büchlein verhilft zum Grundlagenwissen wie kaum ein anderes in solcher verdichteten Art und Weise. Viele gute Abbildungen fördern das leichtere Verständnis. Auf Seiten 59f findet sich eine Liste der Runenbedeutungen der älteren Reihe, die jeder urteilsfähige Kenner als untadelig vernünftig und treffsicher bezeichnen wird. Diese Arbeit von Weber beweist, dass dem verballhornenden Runenschwachsinn, welcher vor und dann wieder nach jener Epoche weiteste Verbreitung fand, sehr wohl wahre Wissende und Könner entgegenstanden. Leider blieb aber denen - wie so oft, auch in anderen Bereichen menschlicher Geistesgeschichte - die große Anhängerschaft versagt. Der zeitgeistgläubige Verfasser erwähnt im Vorwort „die SS und die HJ.“, welche sich damals die „jüngere Sonnenrune als Sinnbild siegender Kraft zum Abzeichen erkoren haben“. Der runenbezogene Inhalt des Buches bleibt davon unberührt und ist uneingeschränkt empfehlenswert. Wen die NS-Anklänge stören, mag sie schwärzen oder überlesen.
schuf mit seiner Arbeit „Erschließung des Sinnzusammenhanges der Runenreihe auf Spuren einer urzeitlichen Glaubenswelt“, 1955, eine standfeste Insel im „Runensumpf“. Er erkannte die „indogermanische Herkunft“ sowie den „mythischen Sinnzusammenhang der Runenreihe“. Seine Arbeitsweise der vergleichenden Einbeziehung griechischer, persischer, arioindischer Parallelen führte zu richtigen und dauerhaften Verständniserweiterungen. Im Prinzip vermochte er mittels des zur Verfügung stehenden Instrumentariums den Charakter der Zeichen gut zu ergründen. Treffsicher erklärte er die -Rune als Wassersymbol mit Mondbezogenheit (S.47f), die -Rune als Berg-, Birkenbaum-Mutter-Rune (S. 55f), die -ingvi-Rune als Ignis-Freyr-Agni-Himmelsfeuer-Rune (78f), die -Rune als Chiffre der Dioskuren/ Hirschbrüder, die -thursen-Rune als Todeslos und die danebenstehende -Asenrune als asa-/ Lebenshauch-Zeichen. In wohltuend realistischer Weise bewegt sich der Autor auf dem Felde der religionswissenschaftlichen Argumentations- und Kombinationstechnik. Wäre Gruber das Quäntchen Glück vergönnt gewesen, dass ihm zu seiner handwerklichen Solidität die zündende Entschlüsselungsidee geschenkt worden wäre, hätte er tatsächlich den „mythischen Sinnzusammenhang“ des Runenkanons erfasst. Dass die Runenreihe ein linksläufiges Symbolsystem darstellt, so wie sämtliche archaischen Buchstabenfolgen, wurde von ihm nicht erahnt. Diese Gegebenheit hätte ihn zusätzlich in der Auffassung bestärken können, dass es sich hier um eine uralte indogermanische Lautzeichenkombination handelt, wofür er eine Reihe interessanter Argumente aufführte. (S. 12ff)
Von einigen nebensächlichen Trugschlüssen ist auch die richtungweisende Erarbeitung nicht ganz frei. So sieht der Autor in der -Rindvieh-Rune, ein Sturmvogelzeichen (S. 86f), das -Asensymbol glaubt er ebenso als Vogel-Hieroglyphe deuten zu können. Die Julfeierzeit der -Rune vermutet er irrtümlich in der Wintersonnenwende, obwohl die Quellen von einem Mittwinterfest (Mitte Januar) sprechen (S.77). Das Doppelaxt-/Hammer-Zeichen () glaubt er aus dem Radkreuz hervorgegangen; die schon megalithischen kultischen Doppeläxte des Nordens scheinen ihm unbekannt (S.74f). Im -odal-Schlingenzeichen sieht er die mimische Gleichung zum Grundriss eines Gehöftes (er dachte wohl an Darstellungen im Kivik-Grab/Schweden). Die Runenfolge ,,= „Hagel-Not-Eis“ dachte er sich zu spontan in den Winter, ohne zu hinterfragen, dass Hagel ein Sommerphänomen darstellt (S. 102). Trotz derartiger Verständnismängel aufgrund eines streckenweise nicht ganz ausreichenden Literatur- und Fund-Überblickes, schenkte uns Ludwig Gruber ein respektables, heute noch anzuempfehlendes Werk. Insbesondere seine Argumente für das hohe Alter der Runenschrift, gegen die Ableitungstheorie, scheinen ihre Gültigkeit zwischenzeitlich in keiner Weise eingebüßt zu haben.
schuf das arbeitsreiche, anspruchsvoll scheinende Werk „Die germanischen Runennamen - Versuch einer Gesamtdeutung“, 1956, welches eigentlich nur Fachgelehrte beurteilen dürfen, weshalb ich der Kritik von Wolfgang Lange (in GGA 211, 1957) folge, die dem Autor eine Fülle sprachkundlicher Fehleinschätzungen nachwies. Der Hauptteil des Buches (S. 53 - 435) behandelt die Deutung der Runennamen, die als „einzig verlässliche Quellen“ hingestellt werden. Da sie das aber keineswegs sind, weil etliche Schwankungen (auch durch die späten christl. Einflüsse und Zwänge) festgestellt wurden, steht die Gesamtdarstellung gewissermaßen auf tönernen Füßen.
Schneider leistet sich aber auch unglaubliche Fehlübersetzungen, beispielsweise jene folgenschwere, wo er aus dem eddischen „For Skirnis“ (Skirnismál) 36, das Wort „burs“, das eindeutig „Riese“ bedeutet, als „Thors membrum virile“, im Zusammenhang mit seiner Gesamtauslegung der Rune fehldeutet (S. 395). Später (S. 505) bezieht er sich bei der Behandlung einer anderen Inschrift wieder auf diese falsche Interpretation der Edda-Stelle.
W. Lange mahnt (S. 75): „Wer so tief in Texte eingreift wie Schneider ..., der muss die Sprache der Quellen und die alte Dichtung profund beherrschen“, aber „mit der Kenntnis des Altnordischen steht es nicht zum Besten.“ Was auffällt, ist die Tendenz einer Pansexualisierung der Überlieferung - er erblickt überall Geschlechtssymbolismen, was W. Lange als „monomanisches Starren auf die mythischen Geschlechtsorgane“ bezeichnet. Eine Fülle von Willkürlichkeiten verunsichern den quellenorientierten Leser. So ist für Schneider der Gott Heimdall ein „Gott der Toten“; Odins Einäugigkeit erklärt er als Missverständnis; Mannus, den Urmenschen, sieht er als „zeugungsmächtigen Vater Himmel“. W. Lange bemerkt treffsicher: „So wird hier ja überhaupt verfahren: eine vage Behauptung wird zum Baustein, und weithin geht's in luftig-windige Höhen.“ Die arbeitsmethodische Basis, auf der Schneider aufbaut, ist also absolut ungenügend, weshalb er auch in seinen weiterführenden Schlüssen nur in den allerwenigsten Punkten überzeugen kann. Die Arbeit brachte die Deutung des runischen Strukturprinzips nicht voran.
„Runenmagie - Handbuch der Runenkunde“, 1955, bringt ebenso wie „Runenexerzitien“, 1958, eine Menge zum genannten Thema. Aber durch untrennbare Verquickung von Richtigem und frei Ausgedachtem wird die Lektüre für Laien zum gefährlichen Fallstrick. Auch dieser Autor bespricht im Kapitel „Runenzahl und Kabbala“ die erstmalig von Guido List als 18. Symbol dazugesetzte -Rune, deutet ihren Zahlwert und zieht daraus phantastische Schlüsse. In ihrer wirklichen Tradition stand diese Rune niemals auf 18. Position. Marby'sche Runenübungen und weitere Runenspielereien werden ausgiebig behandelt.
trat 1971 hervor mit der Behauptung, eine Methode der Runenentschlüsselung der 24er Reihe gefunden zu haben. Sie las eine Schöpfungsgeschichte aus der Runenordnung heraus, definierte die Zeichen also als Ideogramme eines kosmogonischen Berichtes. Sie stützte sich bei ihrer Arbeit auf Walter Dürr, der die schöpferische Freiheit in Anspruch nahm, einen 16er Runenkreis aus dem Fundus des 24er Systems zusammenzufügen, also jegliche Rücksichtnahme auf die festgefügten Runenreihentraditionen über Bord zu werfen. So bezeichnete er die algiz-Rune () als iwaz-Rune, die den Lebensanfang bedeute. Die sowilo-Rune () heißt bei ihm algiz und sei „die Lebensspitze“; mannus-Rune () deutete er nicht als doppelgeschlechtliches Urmensch-Zeichen, sondern als Mann, und lagus Rune () als Frau (S. 19 in „Zeichen, Zahlen, Zirkel“ von Leni Dörr). Das ist so wirr, dass den wissenden Leser das ungute Gefühl beschleicht, man wolle ihn bewusst verulken. Denn der durch derart drastisches Umdenken notwendig werdende Argumentationsapparat ist nicht vorhanden. Behauptungen ohne Belege müssen bedeutungslos bleiben.
stellte mit „Runenschrift - Schriftdenken Runeninschriften“, 1973, eine grandiose intellektuelle Leistung vor. Wenn im Folgenden trotzdem kritische Randbemerkungen angebracht werden, so nur deshalb, weil bei aller Euphorie, welche dieses Kronenbuch der Runenkunde mit Recht auslöste, die prüfende Skepsis nicht ganz niedergejubelt werden darf.
Zuerst einmal: Klingenbergs überzeugende gematrische Mathematizität, die er aus dem Runensatz des Goldhornes von Gallehus (vom Anfang 5. Jh.) herausliest, steht und fällt mit der Richtigkeit der Nachzeichnung, denn das Original wurde bekanntlich gestohlen und eingeschmolzen. Der Autor geht von der Richtigkeit eines Kupferstiches von J.R. Paulli (1734) aus, welcher hinter dem Wort „horna“ vier Pünktchen aufweist. Ich selbst aber überzeugte mich im Nationalmuseum von Kopenhagen, dass der ausliegende Stich von G. Krysing (1734) dort fünf Punkte wiedergibt, ebenso wie jener von R. Frost (1736). Eine Unsicherheit bleibt also.
Darüber hinaus meint Gunter Müller (in „Frühmittelalterl. Stud., Jb. d. Inst. f. frühmittelalt. Forsch. d. Univ. Münster“, Bd.22, 1988, S.154): „Klingenbergs Interpretationen für eine Reihe von Denkmälern können nicht richtig sein, weil sie von unhaltbaren Lesungen ausgehen ...“. Zum gleichen Schluss kam auch Klaus Düwel (in: GGA 231, Heft 3114, 1979), der Wolfgang Krause zitierte, welcher feststellte (in: GGA 220, 1968, S. 110), dass unter den 220 in Frage kommenden, oft beschädigten oder fragmentarischen Inschriften nur ganz wenige sicher lesbar und deutbar sind.
Was in Klingenbergs Buch völlig fehlt, ist die Besprechung der antiken pythagoreischen bis frühchristlichen zahlenmythologischen Festwerte. Mit den Zahlen verbanden sich ja recht einheitliche Assoziationen. Die von ihm infolge einer rechtsläufigen Durchnumerierung angenommenen Runenzahlen stimmen mit den Runencharakteren in keinem Falle überein. Darüber hat sich der Autor - fasziniert von seinen mathematischen Lösungsangeboten - keinerlei Rechenschaft abgelegt. So stieß er bei seinen gematrischen Untersuchungen auf die sehr oft auftretende Zahl 13 und deutet sie, seinem rechtsläufigen Runenverständnis entsprechend, als Weltenbaumsymbol, da rechtsläufig auf 13. Position die Eiben-Rune steht und der Eibenbaum als germanischer Weltenbaum interpretiert wird. Das macht keinen Sinn! Die 13 galt jedoch als Zeit- bzw. Jahreschiffre, was sich bei linksläufiger Runenlesung bestätigt, steht doch die Jahr-Rune () an 13. Position.
Sollte also Heinz Klingenberg mit seinen umstrittenen gematrischen Berechnungen der Runeninschriften selbst recht behalten, so hätte er lediglich den Beweis erbracht, dass der Runenritzer des goldenen Runenhornes von Gallehus zu Beginn des 5. Jh., so wie andere völkerwanderungszeitliche Runenschreiber, den ursprünglich in die Runenreihe hineingelegten Sinn nicht mehr gekannt haben und mit einem von ihnen rechtsläufig verstandenen Buchstabensystem arbeiteten, welches der Schöpfer desselben ursprünglich linksläufig erdacht hatte.
Der Autor Harald Knauss schrieb ein Buch des Titels „Die Urkraft der Bäume mit Runen entschlüsselt“ (Preis 25,- Euro). Dazu wird geliefert ein Testset zu den germanischen Baum-Essenzen in dem alle 24 Tinkturen von Harald Knauss von Ahorn bis Weide und die Notfeuertropfen in handlichen 10 ml- Fläschchen zum Austesten vorhanden sind (Preis 170 Euro). Der Preis der dann nötigen einzelnen 30 ml-Therapie-Fläschchen beträgt jeweils 11.80 Euro.
Der Ehlers-Verlag schreibt in seiner Produktinformation Frühjahr 2004 auf Seite 13: „Tauchen Sie ein in die faszinierende Welt der Germanischen Natur- und Energielehre. Harald Knauss hat mit Hilfe der Runen die Energetik von 24 einheimischen Bäumen entschlüsselt. Dabei konnte er die spezifischen Wirkkräfte der Baumenergien dem germanischen Jahreszyklus zuordnen. Die germanische Kultur, die bis in die heutige Generation hineinwirkt. Kannte etliche Feste und Rituale, die eng mit dem Jahreszeitlauf und der Veränderung der Vegetation zusammenhängen. Harald Knauss ist es gelungen, die verschütteten Quellen der Weisheit unserer Vorfahren zu finden und das Natur- und Energieverständnis der germanischen Kultur unserem heutigen Verständnis zugänglich zu machen. Ausführlich erläutert er die 24 Bäume des germanischen Baumkreises........“
Das klingt alles sehr ansprechend, insbesondere für die Ohren von uns heidnischen Runenfreunden. Doch oh weh, oh weh, was hat sich Herr Knauss da Krauses ausgedacht: Bei der Eiben-, Birken und Kienspan-Rune ist die Zuordnung ja einfach, doch dann fängt Knauss’ens Phantasie so schäumend an zu wagen und zu wogen, dass der wahre Runen- und Baumkenner weder seine historischen Runen noch die heimatlichen Bäume vor lauter projizierten vermeintlich germanischen Urgewächsen nicht mehr zu erkennen vermag. Knauss’ens verworrener Wald wird zum verwunschenen Irrwald der uns auf die schmalen und abschüssigen Stege des Imaginären führt.
Die zittrige Espe stellt er wohl allein wegen der Namensähnlichkeit dem starken Seelengott Wodan, dem Asen () bei. Der Wonne-Rune () fügt er die Rose zu, obwohl die in germanischer Zeit in Germanien nicht heimisch war. Die damalige Heckenrose aber muss viel eher, entsprechend der Brauchtumstraditionen, als Todessymbol gedeutet werden. Der Vieh-Rune () gibt Knauss die Eberesche, der Urstier-Todesrune () schenkt er die Brombeere, der Gaben-Runen () fügt er willkürlich die Buche bei, die Eis-Rune () sieht sich mit der Tanne zusammengepresst, die Jahres-Rune () erhält den Ahorn als Geschenk, die Sonnen-Siegrune () wird der Linde beigeordnet, obwohl wir wissen, dass die Weide als Sonnenbaum galt. Warum die Weide der Pferde-Runen () gegeben wurde und der Menschheits-Rune () die Erle, ist so wenig nachvollziehbar wie die Zusammenstellung der Lauch- und Lein-Rune () mit dem Haselstrauch, oder die Doppelaxtrune des Himmelsgottes () mit der Fichte, oder die Vaterlands-Rune () mit dem Apelbaum, oder die Sonnengott-Rune des Ingwi Fro () mit dem Holunderstrauch.
Sich mit dieser schönen Materie zu beschäftigen ist lobenswert, auch diese Thematik in die Palette heilpraktischer Therapieangebote einzubeziehen, doch Wollen und Wissen müssen unabdingbar zusammenklingen, wenn keine Disharmonien entspringen sollen. Ist dieser legitime Grundanspruch nicht gewährleistet, kann keiner aus frohem Herzen danke sagen !
Der Ehlers-Verlag schreibt in seiner Produktinformation Frühjahr 2004 auf Seite 13: „Tauchen Sie ein in die faszinierende Welt der Germanischen Natur- und Energielehre. Harald Knauss hat mit Hilfe der Runen die Energetik von 24 einheimischen Bäumen entschlüsselt. Dabei konnte er die spezifischen Wirkkräfte der Baumenergien dem germanischen Jahreszyklus zuordnen. Die germanische Kultur, die bis in die heutige Generation hineinwirkt. Kannte etliche Feste und Rituale, die eng mit dem Jahreszeitlauf und der Veränderung der Vegetation zusammenhängen. Harald Knauss ist es gelungen, die verschütteten Quellen der Weisheit unserer Vorfahren zu finden und das Natur- und Energieverständnis der germanischen Kultur unserem heutigen Verständnis zugänglich zu machen. Ausführlich erläutert er die 24 Bäume des germanischen Baumkreises........“
Das klingt alles sehr ansprechend, insbesondere für die Ohren von uns heidnischen Runenfreunden. Doch oh weh, oh weh, was hat sich Herr Knauss da Krauses ausgedacht: Bei der Eiben-, Birken und Kienspan-Rune ist die Zuordnung ja einfach, doch dann fängt Knauss’ens Phantasie so schäumend an zu wagen und zu wogen, dass der wahre Runen- und Baumkenner weder seine historischen Runen noch die heimatlichen Bäume vor lauter projizierten vermeintlich germanischen Urgewächsen nicht mehr zu erkennen vermag. Knauss’ens verworrener Wald wird zum verwunschenen Irrwald der uns auf die schmalen und abschüssigen Stege des Imaginären führt.
Die zittrige Espe stellt er wohl allein wegen der Namensähnlichkeit dem starken Seelengott Wodan, dem Asen () bei. Der Wonne-Rune () fügt er die Rose zu, obwohl die in germanischer Zeit in Germanien nicht heimisch war. Die damalige Heckenrose aber muss viel eher, entsprechend der Brauchtumstraditionen, als Todessymbol gedeutet werden. Der Vieh-Rune () gibt Knauss die Eberesche, der Urstier-Todesrune () schenkt er die Brombeere, der Gaben-Runen () fügt er willkürlich die Buche bei, die Eis-Rune () sieht sich mit der Tanne zusammengepresst, die Jahres-Rune () erhält den Ahorn als Geschenk, die Sonnen-Siegrune () wird der Linde beigeordnet, obwohl wir wissen, dass die Weide als Sonnenbaum galt. Warum die Weide der Pferde-Runen () gegeben wurde und der Menschheits-Rune () die Erle, ist so wenig nachvollziehbar wie die Zusammenstellung der Lauch- und Lein-Rune () mit dem Haselstrauch, oder die Doppelaxtrune des Himmelsgottes () mit der Fichte, oder die Vaterlands-Rune () mit dem Apelbaum, oder die Sonnengott-Rune des Ingwi Fro () mit dem Holunderstrauch.
Sich mit dieser schönen Materie zu beschäftigen ist lobenswert, auch diese Thematik in die Palette heilpraktischer Therapieangebote einzubeziehen, doch Wollen und Wissen müssen unabdingbar zusammenklingen, wenn keine Disharmonien entspringen sollen. Ist dieser legitime Grundanspruch nicht gewährleistet, kann keiner aus frohem Herzen danke sagen !
der Heimat- und Brauchtumsforscher, gestaltete „Der Runen ewiger Sinn“, ein liebenswertes Büchlein, in dem eine vom Autor neu zusammengesetzte 16er Runenreihe gezeigt wird (S. 27). Farben und Klänge wurden dazufantasiert. Die Sonnenrune () soll hellgrün und die Rune des Fruchtbarkeits- und Sonnengottes Ingvi-Freyr () hellblau sein. In seinem Buch „Das festliche Jahr“, 1979, versuchte der Autor, eine Runenbeiordnung der Jahresfeste vorzunehmen. Das gelang nur durch die Auseinanderreißung der traditionellen Reihenfolge durch völlige Neugruppierung und Mischung von Zeichen des älteren und des jüngeren FuÞark. Abgesehen von den unzulässigen Runen-Experimenten, handelt es sich um ein empfehlenswertes kleines Werk.
„Magie der Runen”, übers. v. P. Maybach; Originaltitel: “The Magic of the Runes” Aquarian Press, 1980. Der Autor stellt ein System mit 17 (!) Runen vor (S. 23), benutzt aber im folgenden (S. 23-32 und S. 92-95) eine Reihe mit 21 (!) Zeichen - und das, „um den Leser nicht allzu sehr zu verwirren“ (S. 22) ! Ähnlich unsinnig ist in vielfacher Weise der Inhalt: so wird Odin von einem (!) Raben und einem (!) Wolf begleitet (S. 8), Mimir ist ein Gott (S. 10), Freyas Wagen wird von in heidnischer Zeit hier noch gar nicht heimischen Katzen gezogen (S. 47) usw. Das Buch will ein Einsteigerwerk für Runen und europäisches Heidentum sein. Die Frage nach Rechts- oder Linksläufigkeit der Runenreihe wird natürlich nicht berührt.
Interessant wird das Büchlein allein durch die vertretene These, es könne sich bei Odin um einen Schamanen gehandelt haben, der posthum in die Mythologie Eingang fand und sich zu dem späteren Gotte wandelte (S. 10 ff). Diese Theorie wird scheinbar durch die typisch schamanische Initiation Odins gestützt: das Klettern auf oder Hängen an einen Baum. In solchen Situationen zwischen Leben und Tod haben Schamanen auch heute noch oft Visionen, ähnlich jener, die Allvater die Runen offenbarte (S. 14 und 36 f). Auch gibt Howard undistanziert die unsägliche Behauptung Snorri Sturlossons (13. Jh., im Prolog des Gylfaginning) wieder, der geschichtliche Odin sei ein asiatischer (trojanischer) König/Häuptling gewesen, der nach Skandinavien eingewandert sei (S. 16 und 20). Das bedarf wohl keiner Kommentierung. -- Davon abgesehen bietet Howards Buch weder dem Anfänger noch dem Kenner Brauchbares und darf nach Fug und Recht als überflüssige Unsinnssammlung bezeichnet werden. Wenn Howard schreibt: „Hier und da mag man auch heute noch auf ... fingierte Runenalphabete ... stoßen [sic], die dem ernsthaften Forscher, der sich bemüht, historische Geheimnisse zu lüften, so manche Kopfschmerzen bereiten“ (S. 22), ist dem im Hinblick auf sein eigenes Buch voll zuzustimmen.
schrieb eine Vielzahl von Aufsätzen und Büchern, in denen er eine eigenartige Mischung von jüdisch-christlichem, kabbalistischem und biblischem Gedankensammelsurium mit ariogermanischen Sinnbildern zu verschmelzen trachtete. Astrologie und Horoskopie spielten bei ihm eine ganz wesentliche Rolle. Sein Entwurf der „Jakobsleiter“ ist dafür typisch; siehe dazu „Runen, Symbole und das Schöpfungsziel“, 1985. Da der jüdische siebenarmige Leuchter als Gipfelzierde auftritt, erlebte der Autor den Beifall von Freimaurerlogen (Rotarier). Am 12.08.1982 schrieb Baron von der Ropp (Salzgitter-Lebensstedt) an Fügner einen Brief, in dem er des Lobes voll war: „Dieses Buch gehörte in jede Schule. Ich finde es so gut, dass es eigentlich ein Buch für den gesamten rotarischen Club werden müsste.“ Unkritisch übernahm Fügner den List'schen Runenunsinn (S. 34ff) und definierte z.B. die Rindvieh-Rune () als Urfeuerzeichen. Dazu stellte er in Sinnzusammenhang: Fa-ckel, Fa-tor = Vater, fa-rones (Farunen = geistige Führer, von denen es 1984 weltweit noch 100.000 gäbe), Pha-raonen = ägyptische Könige, Fa-runa = Varuna (ind. Gottheit) und Phallus = Zeugungsgerät. Diese Fügner'sche Zusammenstellung spricht für sich und dürfte für jeden einsichtsvollen Leser ebenso unkommentiert bleiben, wie seine Behauptung: „Jesus war 100% keltogermanischer Abstammung.“ (Brief vom 28.10.88 an Dr. Kurt Kibbert)
Fügner betonte, dass ein Großteil seines „Wissens“ von einem Kurt Paehlke, alias H.A. Weishaar, herstamme. Dieser habe 1918 die Organisation „Bund der Guoten“ und den „Kristlichen guotischen Glaubenskreis“ gegründet; die 18 List-Runen erweiterte er nach eigenem Gusto auf eine sonderbare 24er Reihe. Er habe gepredigt, dass das Christentum eine Wiederentdeckung des verlorenen Gothentums sei; schließlich sei er in den Endkriegswirren im KZ Bergen-Belsen umgekommen. -- Von welcher Art die Runenweistümer bei Fügner und dessen Lehrmeister Kurt Paehlke sind, ein Beispiel aus „Über Runen - Aufgrund schriftlicher u. mündlicher geretteter Unterlagen v. H.A. Weishaar - Motto Runen raunen Geheimnisse“: „Für die Berechtigung der Heranziehung des Ebräischen bei unseren Deutungen sprechen folgende zwei Funde. Ein bei Köslin in Pommern gefundener Goldring (Fingerring) aus frühgermanischer Zeit mit ungewöhnlich schöner kantiger Linienführung weist folgende Runeninschrift auf , die entweder ,ula’ oder ,alu’ gelesen werden muß. Und ein Brakteat, der in einem Grabhügel bei Heide in Dithmarschen gefunden wurde, trägt die Runeninschrift = ,alu’. Da haben wir ja wieder den alten Gottesnamen ,El’, der auch in dem französischen Wort für Weihnachten ,noël’ wiederkehrt. Dieses Wort noël bereitet unseren ,zünftigen’ Sprachforschern Schwierigkeiten, und dabei ist die Sache so einfach, sobald man den Weishaar’schen ,Schlüssel’ zu gebrauchen versteht. no = né = geboren; el = Gott. Gibt es eine treffendere Bezeichnung für das Weihnachtsfest ? – Wir haben die Silbe no = né = geboren gedeutet. Bedeutsam ist in der Silbe auch der Venusvokal o, der von uns verlangt, dass wir diese Silbe mit dem ,Venusauge’ anzublicken haben. Nach H.A. Weishaar gibt die ,Venusebene’ Auskunft über die Geheimnisse der körperlichen Erscheinung des vollkommenen Menschen, über die Merkmale. Dem Worte no liegt, wie auch dem Worte né, die nod- Rune zugrunde, die die achte Rune des Futhork ist….“ In diesem wirren-irren Tenor wird über volle 20 Seiten hemmungslos schwadroniert.
Fügner zitiert in seiner Kleinschrift „Weltwende, Gothentum und Urchristentum“, S. 2, H.A. Weishaar „Rote Erde“, S. 139: „In Wirklichkeit bedeutet das Christentum eine Wiedererweckung des verlorenen Gothentums in den Völkern am Mittelmeer Im Norden hatte sich das Gothentum noch erhalten, wenn es um die Zeit Christi Geburt auch bereits das klare Wissen von der Aufgabe der Menschheit verloren hatte…Das ursprüngliche Gothentum war eine Zusammenfassung aller geistigen und geistig strebender Menschen mit (erbbiologisch; d.Verf.) geeigneter Körperform in allen Völkern. Die Wiederbelebung des in den Mittelmeerländern bereits verlorenen Gothentums auf jüdisch-hebräischer Grundlage wurde später die Ursache zum völligen Verfall… Jesu Gebot an die, die ihm folgten, gipfelte in der Aufforderung, Menschenfischer zu sein. Sie sollten Menschenfischer zu sein. … Zum besseren Verständnis ist deshalb darauf hinzuweisen, dass Jesus kein Hebräer war. Es ist geschichtswissenschaftlich erwiesen, dass Jesus in aramäischer Sprache lehrte. Aramäisch ist eine Tochtersprache des Urgotischen. … somit auch die sprachliche Beziehung zwischen ,Juden’ und ,Goten. Letzter bildeten einstmals eine weltweite Führerorganisation….“
alias Lothar Gottlieb, gab den „Futhork-Brief - Philosophie, Grenzwissenschaften, Mythologie“ heraus, worin er den List'schen 18er Runenunsinn postulierte. In den Schriften wird von den irrealen „18 Heilrunen“ geschwärmt. Didaktisch qualifizierte, leichtverständliche, übersichtliche Aufmachung verschafften den Schriften ein ansprechendes Äußeres, jedoch mit den altehrwürdigen Runenzeichen wird darin gleich Jonglierbällen umgegangen. Sein Buch „Das Runen-Orakel“, 1982, ist ein typisches Werk der hemmungslosesten Trivial-Mystifizierung nordischer Heilszeichen. Losgelöst von aller Quellenbeschwernis, wird drauflosgedeutet, behauptet, kombiniert und frei erfunden. Der Runenirrtum Guido Lists bildet wieder das Grundgerüst. Das will nicht sagen, dass nicht versteckt unter sinnlosestem Wust auch da und dort ein Körnlein Wahrheit stecken könnte. -- Auch die anscheinend darauf basierende, im Netz präsente, offensichtlich deutschnationale „Asgard-Gemeinschaft“ hat versucht, einen Runenkalender zu erschließen, doch sie beging den Fehler, vom jungen rechtsläufigen FuÞark auszugehen, was keine Ergebnisse erbringen kann („Futhork-Brief Nr. 1, S.17). Die falschen Guido-List-Runen (Futhork-Brief Nr. 3., S.59) sind die esoterische Grundlage der „TG [Ting]Glaubensgemeinschaft“, die allerdings als konsequent antijudöochristlich bezeichnet werden darf.
Frfr. v. Schlichting, geb. Hammerbacher, verbreitete in den Vereins-Schriften des von ihr geleiteten Armanen-Ordens unter den Titeln „Hugin und Munin“ und vorher „Irminsul - Stimme der Armanenschaft“ z.B. Folge 2, 12. Jg., 1980, einen Runenkalender mit starker Betonung der astrologischen Aspekte. Sie benutzt dazu 24 Zeichen, die sie bedenkenlos aus vier verschiedenen Runenreihen zusammenwürfelte; jeweils zwei Runen legte sie auf ein Sternzeichenhaus. Ebenso willkürlich verfuhr sie mit der Zuordnung von Götterpaaren, die sie ebenfalls in die Ekliptikfelder dazusetzte. Auf diese Weise kombinierte sie Runen mit Götterpärchen, ohne echte Verankerung in eddischen - geschweige denn in altgermanischen - Traditionen. Dieses Konstrukt nannte die phantasiebegabte Erfinderin „Norning“, da nicht Wodan / Odin, sondern die Nornen als eigentliche Runenschöpferinnen zu gelten hätten. Jedes weitere Wort der Kritik über solcherart entstandenes Kuriosum wäre eine unzulässige Aufwertung. Mittels Handhabung ihrer merk(un)würdigen Runenschnurre bot diese begnadete Unterhaltungskünstlerin über viele Jahren hinweg Problemberatungen an („für alle Lebensgebiete - jede Frage DM 15,-“). Sie nahm sich die Freiheit, ihre Dienstangebote „altüberlieferte Kunst des Runen-Lesens“ zu nennen. Ob diese Betitelung als unzulässige Anmaßung oder entschuldbare Albernheit zu bewerten ist, sei der Strenge oder Nachsichtigkeit eines jeden Beurteilers anheimgestellt. Aber ein versöhnliches Gegenargument wäre denkbar: Orakelt wird ja bekanntlich selbst aus Kaffeesatz und Pflaumenkernen, warum also nicht auch aus den frei zusammengereimten „Norning“-Runen ?! Aber nicht unerwähnt darf die aller Ehren werte, hingebungsvolle Lebensarbeit dieser gläubigen Frau für das nordische Heidentum bleiben.
ein sehr sympathischer Ungar, brachte eine Orakel-Anweisung des Titels „Buch der Runen“, 1985, heraus, welches man bei allem Respekt gegenüber dem Autor - welcher anderenorts gute Leistungen erbrachte - nur als einen Belustigungsbeitrag zum Thema Runen auffassen kann. Er benutzte ein neu ausgedachtes 18er Runensystem mit dem -Zeichen an letzter Stelle. Er beabsichtigte also keinesfalls, eine authentische Runenmantik zu erarbeiten. Nun verwirrte er aber sogar seine Leser auch dort, wo er vorgab, Fakten aufzuzeigen (S. 18). Er stellte die 24er Runenreihe vor in total verschobener Weise. Die 9., 10., 11., 12. Runen sind bei ihm 7., 8., 9., 10.; die 16., 17., 18. sind bei ihm die 11., 12, 13.; und die 21., 20., 15., 19., 24. sind bei ihm die Runen von 14 bis 18 usw. Welch ein Verwirrspiel ! Warum ?, fragt sich der Leser, der es besser weiß. Die wohl dreisteste Lobhudelei zu diesem Machwerk liest man bei „amazon“: „Zoltán Szabó ist einer der wenigen heutigen Runenforscher, die das Wissen um Ursprung und Sinn der Runen wirklich vorangebracht haben. BUCH DER RUNEN ist ein maßgebliches Buch, das die Runen in einen Sinnzusammenhang stellt und so verborgene Bedeutungen ans Licht bringt. Ein Muß für alle an dem Thema Interessierten.“ Fast sprachlos macht der Umstand, dass der Autor auch in seinen späteren Werken den gleichen Unsinn (von einer frei erfundenen 18er Runenreihe) weiter vertritt, so dass man anzunehmen geneigt ist, der Mann will bewusst und absichtlich Verwirrung stiften. In wessen Auftrag tut er das ? Er kennt mein Buch und lobte es, er wüsste es also besser, aber er lügt lieber.
Z. Szabós bewusst gepflegte launige Verschrobenheit offenbart sich schon auf der ersten Seite, wo er ausgerechnet einem „alten jüdischen Freund“ den Ausspruch in den Mund legt: „Ex oriente lux, ... ich sage dir: ex oriente nix. Gor nix.“ Auf Seite 151f findet sich das folgende krausliche Ideengewürge: „AR, SIG und TYR – besteht aus arischer Sicht aus Krieger-Runen, die zuletzt durch Adolf Hitler als Schlacht-Runen missbraucht worden sind. Der verfälschte Arier wurde im Dritten Reich zum Nicht-Juden, und der kleine dunkle Diktator träumte von großen blonden und blauäugigen Menschen. Im Stechschritt (Körperstellung der AR-Rune) marschierten die neuen „Arier“ vor der Tribüne des Führers vorbei, während dieser fieberhaft darüber nachsann, wie er in den Besitz des Gral-Speers (TYR-Rune) kommen könnte....Dann sorgte er dafür, dass aus dem Sieg Niederlage und aus dem Heil Unheil werden konnte.“ So wenig wie A.Hitler „klein und dunkel“ (durchtrainiert, drahtig, mittelgroß mit 1,76 m und ergreifend blauäugig) war, so wenig gibt es einen runischen Stechschrittt und hat die Tyr-Rune etwas mit dem Grals-Speer zu tun. Das alles hat nichts mit ernsthafter Runenforschung zu tun, sondern entspricht dem Niveau von Science Fiction- und Fantasy-Romanen. Es tut mir etwas weh, dass ich Zoltán Szabó (Praxis für Astrologie u. Psychologie) derart rügen muss, ich hätte viel lieber Positives über sein Runenbuch gesagt, aber ich bin unbestechlich in meinem Urteil, obgleich der gute Mann mir am 08.10.1993 einen Brief schrieb, worin es heißt: „Ihr Werk ODING ist für mich ein Meisterwerk der Runenkunde. Daran besteht kein Gran an Zweifel.“
ein US-Amerikaner, verfasste nach Studien, die ihn auch an die Universität Göttingen führten, „A Handbook of Rune Magic“, 1984, verlegt bei seinem Schwiegervater Samuel Weiser in Maine. Die deutsche Übersetzung erschien 1987. Ein „Handbuch der esoterischen Runenlehre“ 1991 folgte. Obwohl er korrekt vom 24er Ur-Futhark ausgeht und auch die jüngeren Runenformen vorstellt, zeigt seine Bezugnahme auf List, Gorsleben und Spiesberger die mangelnde Distanz zu eindeutig unseriösen Runologien. Er ist Gründer des „Ring of Truth“, einer nicht unbedeutenden US-Asatru-Organisation. 1997 erregte er einen Skandal, als seine satanisch-magische Weltanschauung offenbar wurde. Neue, bahnbrechende Schlüsselerkenntnisse vermag der Autor nicht anzubieten. Und auch er begreift letztlich die Runen nur als abstrakte Lineargebilde, welche alle in das hagalaz-Zeichen (Sechsstrahl) des jüngeren Futhark hineinpassen bzw. aus dieser Rune, die er „Mutterrune“ (!) nennt, abgeleitet sein sollen (S. 52 in „Handbuch der Runen-Magie“).
Da ein Mann von der Intelligenz Flowers solch eine weitreichende und gewagte Behauptung sicherlich nicht ohne hintersinniges Kalkül vertreten würde, regt er damit die Spekulation über seine Beweggründe an. Er weiß so gut wie jeder andere studierte Runenfachmann, dass es frühe runische Rundformen gibt, welche in keinen Sechsstern hineinpassen können. Erst im jüngeren Futhark ab 9. Jh. n.0 taucht der Sechsstern als Hagelzeichen auf, vielleicht wegen der natürlichen hexagonalen Formen von Schnee- und Eiskristallen. Aber schon seit Ende 6. bis Mitte 5. Jahrtausend v.0 finden sich die Lineargebilde der „Hagal-Rune“ auf mesopotamischer Halaf-Keramik - bis hin zu den neubabylonischen und assyrischen Rollsiegelbildern des 8. und 7. Jh. v.0. Flowers „Mutterrune“ hätte somit - gemäß heutigem Erkenntnisstand - ihren Ursprung in Vorderasien. Ist das Flowers Botschaft ?
Stephen Flowers „linker Weg“
Bei dem Runenbuch-Autor Edred Thorsson handelt es sich um den 1953 geb. US-Amerikaner Stephen Flowers. Er gilt in seiner Heimat als Experte für Okkultismus und deutsche Geschichte. In seinem Buch „Lords of the Left-Hand Path“, 1997, skizziert er bezeichnenderweise ein interkulturelles Modell des LHP („Pfad der linken Hand“). Mit der „linken Hand“ will er ein international verständliches Symbol einführen, das als Universalbegriff für westliche Strömungen des Satanismus, Setianismus oder Saturngnosis (allesamt Bezeichnungen des Teufels) gelten soll.
Ursprünglich stammt die konkrete Idee des „linken Weges“ aus dem indischen Hindu-Tantra, wo die linke Hand „das Unreine“, auch „die Frau“ bezeichnen kann. In Indien, und überhaupt in primitiven Kulturen, besteht nicht immer die Möglichkeit, sich die Hände zu waschen, deshalb werden dort brauchtumsmäßig alle schmutzigen bzw. unhygienischen Tätigkeiten mit der linken Hand ausgeführt. Die rechte Hand bleibt sauber bzw. „rein", weshalb sie zur Nahrungsaufnahme usw. verwendet werden kann. Die „unreine“ Seite wird nach tantrischen Lehren in Indien der Frau zugeordnet, somit aber auch der „Energie des Weiblichen“, und ebenso der „Überschreitung gesellschaftlicher Tabus“. Eigentlich nicht anders, wenn auch weniger deutlich und bewusst, verhält es sich im Westen, wo traditionell das „Rechte“, die „rechte Seite“ als das Sittsame und Richtige gilt, während das „Linke“ mit den „Linken / Linkischen“ für das Unrichtige, das Falsche gehalten wird -, letztere bekanntlich oftmals als „Neuerer um jeden Preis“ und als „Tabubrecher“ gelten, wie sie sich selbst gerne verstehen, oft genug mit Hang zu allem Niederen, Proletenhaften, auch mitunter Verbrecherischen. Gewisse Individuen agierten in der Historie in auffallender Anzahl auf dem politisch „linken Weg“.
Es lassen sich ebenso in anderen Kulturen genug Parallelen finden. So bedeutet etwa das lateinische Wort „sinister" sowohl „links" als auch „dunkel, finster". Die linke Seite galt stets als die nachgeordnete, hinter dem Primat der rechten, des Rechtes und guter redlicher Ordnung. So ist einem Hindu, der den „Weg zur rechten Hand“ beschreitet, rituell verboten Fleisch und berauschende Mittel, wie Alkohol, zu sich zu nehmen. Doch einem, der den „linken Weg“ beschreitet, sind sie in seiner „religiösen Praxis“ sogar geboten.
Den „linken Weg“, der Unterwelt und dem Teufel zuzuschreiben, entspricht schon antiken Einschätzungen. Sektiererische Strömungen des Pfades zur Linken Hand identifizieren die „Isolierte Intelligenz" als Archetyp mit einem bestimmten „göttlich-dämonischen“ Dasein. Personifiziert sehen sie diese „Isolierte Intelligenz" auch als „Fürst der Finsternis". Mythologische Ausformungen des „Linken Fürsten" sind z.B. Seth, Satan, Saturn oder der runisch-eddische Thurse; für etliche gnostische Schulen der Antike war es der jüdische Stammesgötze Jahwe. So sahen es die Theosophen Menander, Kerdon, Basilides, Saturnius, auch die großen gnostischen Schulen der Simonianer, Valentinianer, Markioniten, Manichäer, Mandäer usw..
Sein diesbezügliches Engagement bewies Flowers mit der Schrift „Feuer und Eis - Die magischen Lehren des deutschen Geheimordens Fraternitas Saturni“, 1993. Sein Übersetzer ins Deutsche ist Michael DeWitt, ein Mann mit düsteren, morbiden Phantasien, welcher den Esoterikverlag „EDITION ANANAEL“ betreibt. Diese Art Okkultisten bewegen sich nach Ausweis ihrer Texte, in „ägyptischen Bildnissen“, „assyrischen Schriften“, babylonischen und jüdisch-kabbalistischen Ideenmustern. Darüber, warum Stephen Flowers, der bewusst und willentlich einen unverkennbar orientalischen Stallgeruch verbreitet, sich so energisch des Themas der germanischen Runen annahm, ist nur zu mutmaßen. Ein anderer Mann, mit Namen Ralph Blum, hat sich zweifellos auf weniger intelligente Art und Weise des gleichen Sachgebietes verschrieben, und vermochte trotzdem seine erfolgreich gestreuten Verwirrungen unter das naive, düpierte Leservolk zu bringen. Der studierte Flowers geht einen anderen, schwerer zu durchschauenden Weg, wohl eben den „linken“, nach eigener Aussage „diabolischen“. Er gründete eine „Gilde“, das klingt deutsch-germanisch, eine „Runengilde“ -, und schrieb dafür ein Runenlehrbuch. In einem Interview („Gnostika“, Heft 27, Juli 2004, S. 31ff) sagte er: „Unsere Runengilde wurde 1980 begründet. Sie ist eine Einweihungsorganisation [...] das Buch mit unserem Lehrplan, ,Die neun Tore von Midgard’, erscheint dazu in deutscher Sprache." (engl. 2001, dt. 2004)
Er stellt auf Seite 73 die „Struktur von Yggdrasil“ vor, wie er sie sich als neunweltigen Kosmosraum ausdenkt. Obgleich das dargestellte schematische Gebilde visuell auf fatale Weise dem siebenstufigen kabbalistischen Sefiroth-Baum gleicht, könnte man in der Tat den eddischen Weltenraum-Baum dergestalt – bei wohlwollend-toleranter Nachsicht gegenüber dichterischer Freizügigkeit - nachzeichnen. Es ist das alte Schema des kosmischen Baumes der Schamanen, mit den drei Hauptebenen: Unterwelt, Menschenwelt, Himmelswelt. Eine plausible Antwort, warum die Welt der Vanen (die „Glänzenden“) ausgerechnet im Sonnenuntergangs-Westen, dem Totenland liegen soll, muss uns Herr Flowers allerdings ebenso schuldig bleiben, wie seine ausschließliche Ansiedelung der Riesen im Osten, wo doch in den literarischen Quellen auch der Norden als „Jötunheimr“ genannt wird, und der Feuertitan Surtr mit Sicherheit aus dem südlichen „Muspellsheimr“ herstammt. Es führt also schon ein beträchtlicher Akt von Gewaltsamkeit zu diesem Flower’schen Yggdrasil-Schema.
Und so gewaltsam geht es weiter in diesem amerikanischen „Runen-Gilde-Lehrbuch“. Auf Seite 83 scheut sich der „studierte Runologe“ nicht, den Runen-Unsinn des Guido List, vom Beginn des 20. Jahrhunderts neu aufzuwärmen, den ebenso Heinrich Himmlers Guru, der „Weisheitsbringer“ Karl Maria Wiligut, auf die SS-Ehrenringe gravieren hieß. Es geht um die „Hagal-Rune“. Flowers hält sich an den Runenscharlatan G. List, an jenen Mann, der unter dem schädigenden Einfluss einer zeitweiligen Erblindung, ein aus seiner lebhaften Phantasie hervorzüngelndes Runen-Alphabet erdichtet hatte. Was List damals schrieb und was Flowers heute schreibt, ist völliger Blödsinn. Diese angeblich „auf HAGAL basierende ,Mutter-Rune’“, die, laut Flowers, zu „einem kristallinen Würfel und zu einer auf Mineralien basierenden Realität gehört“, wird als „ursprüngliche Rune“ hochgelobt, „von der alle anderen Runen etwas haben“. Das ist Unsinn in Reinkultur, denn etliche Runen sind in ihren ursprünglichen Formen rund, wie die Runensteine Skandinaviens unter Beweis stellen.
Flowers ist so sehr in die Puzzle-Albernheit des List’schen Modells verliebt, alle Runen in eine Art „Stammrune“ hineinbugsieren zu können, dass er alle gebotene Vorsicht fahren lässt und hierin dem Inspirator der „Nazi“-Runen“ willige Folge leistet. Aber warum, in drei Teufels Namen, lobt Herr Flowers diese „Hagal-Rune“ so sehr ? Guido List war ein inbrünstiger Fantast, doch unser Autor ist es mit Sicherheit nicht, wie seine übrigen Werke belegen. Denkt er bei der von ihm gepredigten „Mutterrune“, einem Zeichen - das zwar nicht im ursprünglichen Runensystem, aber lange vor dem christlichen Zeitbeginn auf babylonischen Tonsiegeln zu finden ist - vielleicht an „Hagalil“ bzw. „haGalil“ ? Es bliebe unverständlich. Es handelt sich dabei um die größte antiantisemitische InterNet-Site in deutscher Sprache. Das sinnreiche, engagierte Projekt wurde im Jahr 1995 gegründet und unterhält Büros in München und Tel Aviv, Herausgeber waren David Gall und Eva Ehrlich.
Bei den abgedruckten spätmittelalterlichen Runenerklärungs-Gedichten, beginnend mit der Seite 88, handelt es sich um schwache, ungenügende Übersetzungen. Auch sollte man diese Verse durch begleitende Aufklärungen für Laien besser verständlich machen. Was zudem misslich auffällt, ist, dass die für die jeweiligen Kapitel „empfohlene Lektüre“ fast durchweg englischsprachige Bücher aufführt. Ein deutsch-germanischer Einweihungsweg – die Grundidee des Autors übernehmend – müsste völlig andere Lesehinweise geben. Wir haben in der Welt deutschsprachiger Literatur eine derart reiche Auswahl, dass es ein Leichtes wäre, einen wahrhaft gehaltvollen, hinaufführenden Studienweg anzubieten.
Dem antiken hermetischen Lehrsatz folgend, dass das „Oben wie das Unten“ bzw. der große Kosmos wie der kleine Einzelmensch beschaffen sei, überträgt Flowers, ab Seite 102, seinen neunweltigen Yggdrasil-Baum auf die „persönliche Sphäre“ des Individuums. Kaum nachvollziehbar wird jedoch das Schema, in dem der rechte Fuß dem Vanen-Heim und der linke Fuß dem Jöten-Heim zugerechnet werden; die Hel liegt zwischen den Innenknöcheln und Asgard beim Schädeldach (Seite 129), obschon im Hirn bei so manchen Menschen viel eher der thursische Dämon zu Hause ist . Wir sehen schon, so geht es nicht, derlei Zwangsorganisationen sind nur fixe Ideen, geboren aus einem unreifen Bedürfnis nach Simplifizierung der sehr komplexen Gefüge unserer Erlebniswelt; zumeist wirken sie lächerlich, weil sie erkennbar aus überholten, primitiven, irrationalen Denkweisen herrühren.
Unter „Runenbedeutungen“ zeigt der Autor (ab Seite 113), dass er sich von den traditionell vagen, frei erfundenen, und auch schwer irreführenden Erklärungen nicht frei machen kann; woher sollte er auch Wissen nehmen, wo ihm jegliche Deutungssystematik fehlt ?! Was, beispielsweise soll die Sonnenheros-Ing-Rune mit „Impotenz“ zu tun haben ? Oder die Weltbaum-Eiben-Eiwatz-Rune mit „Schwäche“ und „Unzufriedenheit“ ? Warum erwähnt Herr Flowers der Odal-Rune einstige Hauptbedeutung „Vaterland / heimatliche Seelenwerte“ nicht, und spricht nur von „Sklaverei“, „Armut“, „Totalitarismus“ usw. ? Auf den Seiten 205 bis 211 ist noch einmal eine „Tabelle der elementaren Runenkunde“ vorhanden. Auffällig ist, dass die Sowilo-Sonnen-Rune, die als einfacher Himmelsfeuer-Blitzstrahl bekannt ist, durch ein um 90° aufgestelltes „w“ wiedergeben wurde. Flowers will ersichtlich die normale „s“-Rune vermeiden, erinnert sie doch zu sehr an Adolf Hitlers Schutz-Staffel mit dem „SS“-Symbol. Die Runenreihenfolge ist richtig wiedergegeben. Auch innerhalb dieser Tabelle: Konfusion, Schäume und Träume, ungebremste Intuition. Warum soll die Kienspan-Rune etwas mit „Kunst“ und „Kreativität“ zu tun haben ? Und wie fand Herr Flowers den Sinn der Wasser-und-Kraut-Lagu-Lauka-Rune, den er als „Matrix der Handlung“ deutet ? Nein, so geht das nicht, das ist Irreführung in Vollendung, das ist zum Teil breit gefächerter, faszinierend bunter Unsinn.
Zweifellos finden wir in diesem Buch auch ansprechende Textstellen, interessante Hinweise und richtige Darlegungen, doch wie zumeist, wenn wir Runenbücher aufschlagen, finden wir die Spreu mit dem Weizen so gut verquickt, dass es eines anstrengenden Lesens und Selektierens bedarf, das Gute vom Schrott zu trennen. Doch als Lesefrucht darf das Werk wie folgt ganzheitlich beurteilt werden: Stephen Flowers (Stephan Blume) will Einfluss nehmen, auf jene, die sich mit nordischer Mythologie beschäftigen, es sind jene, die ihrer völkischen Eigenkultur näher stehen (sie eventuell mittragen möchten) als die Masse der denkfaulen, konsumorientierten Nullen. Es könnte sich sehr naheliegend um solche Menschen handeln, die aufgrund des kernigen Themas, zum geistigen Kernbezirk Ihrer Nation vorzustoßen vermöchten. Solange diese Suchenden verschrobene Einzelgänger bleiben, nicht den Gemeinschaftsbegriff entdecken, nicht den runischen Gemeinschaftswert erkennen, sind sie für die Strategen und Agenten der „Oneworld“ völlig gefahrlos. Flowers Runen-Gilde, so ermahnt er, soll ein „Netzwerk von Außenseitern“, von „einsamen Wölfen“ sein -, und „nur der Gildemeister kann festlegen, was von universalem Wert für die Tradition ist“ (S. 16). Derartige Strukturen sind uns aus der „Freimaurerei“, mit ihren „Meistern vom Stuhl“, sehr wohl bekannt. Was Flowers anbietet, sind spirituelle und okkulte individuelle „Wege der linken Hand“, deshalb predigt er eine allerdeutlichst entdeutschte Runenlehre. Er vermeidet jedes Eingehen auf historisch-heidnische Traditionen, Gemeinschaftsfeste, Brauchtümer; er will keine Neubelebung echten Heidentums, er will individualistische, obskure Okkultisten, die sich auch mit den geheimnisvoll-schillernden Runen zu beschäftigen wissen, als einem Medium unter vielen anderen.
vermochte mit seiner Arbeit „Die Runen, Ursprung, Bedeutung, Wirkung, Weissagung“, 1987 trotz des postulierten Anspruchs höchster Wissenschaftlichkeit die alte List'sche Fehlsteuerung in Gestalt des unrealistischen 18er Systems nicht zu überwinden. Auch für ihn ist die isaz- / Eis-Rune () das Ich-Symbol (S. 379), obwohl in altgermanischer Zeit das Personalpronomen „Ek“ lautete und sich erst später in „Ik“ bzw. „Ich“ umformte.
schrieb „Das Runenbuch für Frauen“, 1989. Prinzipiell ist es eine gute Sache, ein Runenbuch zu schreiben, in welchem schon auf S. 20 die herausfordernde Frage an eine selbstbewusst gewordene Frauengeneration gestellt wird, ob sie, die Leserinnen, denn wirklich über Jesus zum christlichen Vatergott, zum „Herr-Gott“, gelangen wollen oder nicht viel eher einen eigenen weibgemäßeren, „thealogischen“, vorzögen !? „Immer mehr Frauen erkennen, dass sie nicht in dieses Leben getreten sind, um Magd des Herrn“ zu sein. (S. 17) Es ist „herrlich“ bzw. großartig weiblich, dieses starke Frauentum sehen zu dürfen, welches sich intuitiv nach den Höhen seiner germanischen Urmütter zurückzutasten bemüht !
Natürlich ist das Büchlein völlig unwissenschaftlich, und das gibt die Autorin auch unumwunden zu; natürlich erzählt sie von Runenfunden in China und Kreta, „deren Alter bis zu 10.000“ Jahren geschätzt würde - was reiner Unsinn ist; natürlich ist sie von Runenquacksalbern wie Spiesberger beeinflusst, obwohl sie deren Männlichkeitswahn rügt; natürlich werden blödsinnige Marby‘sche Runenkörperverrenkungen vorgestellt - aber die Autorin, mit dem Pseudonym Inanna, geht immerhin korrekt von den realen 24 Urrunenzeichen aus. Auch empfindet man soviel herzliche, ungezwungene Hinwendung zu diesem schönen Thema, dass man jede strenge Zurechtweisung vermeiden möchte - so wie man einem fröhlichen Kind sein Spielzeug nicht abnehmen mag, selbst wenn es gerade dabei ist, dasselbe im närrischen Eifer kaputt zu machen. Mit der gewiss nicht typisch fraulichen Bedenkenlosigkeit folgt sie ihren phantasievollen Eingebungen bei der Ausdeutung der Runen und trifft dabei selten ins Schwarze. (S.215) Für die echte Runenerkenntnis ist dieses Buch ohne jede Bedeutung - und doch ist es für eine Frau in seiner Grundtendenz ein lesenswerter Fingerzeig in die richtige Richtung.
Bücher „Runen, Alphabet der Erkenntnis“, 1988, und „Zauber der Runen“ 1991 versuchten das heute verfügbare Runenwissen objektiv darzulegen. Der Autor erklärte die Urrunenreihe in korrekter rechtsläufiger Reihenfolge auf lobenswert realistische Art und Weise. Er demonstrierte den optimalen Wissensstand über sein begrenztes Runenthema. Ohne Hineinnahme zahlenmythologischer Entschlüsselungsmöglichkeiten, Vergleiche mit dem keltischen Ogom und religionshistorischen Studien der indogerm. Vergleichskulturen sind tiefergehende Runenerkenntnisse tatsächlich nicht zu gewinnen. Weiterreichende Verständnisse werden allein durch zeitaufwendige Studien von nur indirekt mit Runen verbundenen Wissenschaftsbereichen ermöglicht. Ein sehr empfehlenswertes Buch also!
Auffällig ist, dass sich der Autor von der typisch neudeutschen Überschätzung alles Amerikanischen einbinden ließ, den amerikanischen Runentheoretiker Edred Thorsson und die US-amerikanische „The Rune-Gild“ propagiert und ebenso tendenziös im Stil angepasster political correctness es nicht lassen kann, bei sich bietenden Gelegenheiten Seitenhiebe auszuteilen auf „Deutschtümelei“ und „Runenmissbrauch der Nazis“. „Das Hakenkreuz wurde zu einem Inbegriff menschenverachtender Greueltaten“ (S. 37). Von den Massenmorden unter dem Pentagramm der angloamerikanischer und sowjetrussischer Internazis pflegen diese Autoren hingegen geflissentlich zu schweigen oder die Hinweise darauf als unzulässige „Aufrechnungen“ abzuqualifizieren. Es passen in die Simplifizierungsstrategien dieser Propagandisten einer gewissermaßen amerikanisierten bzw. entgermanisierten Runenwelt Tegtmeiers Anschuldigungen, die runenesoterischen völkischen Kreise hätten zur Machtergreifung des Nationalsozialismus beigetragen, seien dann aber, als man ihrer nicht mehr bedurfte, schnöde abserviert worden (S. 36ff). Die Wahrheit erweist sich als weitaus differenzierter, was die Biographien der völkischen Runenesoteriker, aber auch unmissverständliche Bekenntnisse aus „Mein Kampf“ (z.B. S. 396f) erweisen.
legt seinem „Das Runen-Handbuch“, 1990, das irreale List‘sche 18er Runenkonstrukt zugrunde. Runenübungen, Runenpendeln, Runenmagie werden thematisiert. Man hört von Platos Atlantis und einem Volk Mu, das vom Planeten Venus stammen soll, und ähnliches mehr. Trotz dieser Verstiegenheiten möchte man das Büchlein keinesfalls unter der Einstufung „Runen-Klamauk“ völlig abtun.
ein englischer Autor, berichtet in seinem Buch „Das Runen-Orakel“, 1990, viel Wissenswertes zum Thema. Doch auch er folgt der Fischbach-List-Tradition, die -Rune als Thorshammer-Zeichen anzusehen, wofür es nicht den geringsten Nachweis gibt (S. 78). Sämtliche Runen-Bildsteine Skandinaviens stellen den Thorshammer als Doppelhammer-Gebilde dar, ebenso wie die spätheidnischen Thorshammer-Amulette. In der Runenreihe wäre der Gotteshammer eher im -Zeichen auffindbar. Zwar geht der Autor korrekt von der älteren 24er Reihe aus, baut dann aber inkonsequenterweise auch Zeichen anderer Runenreihen in sein Produkt ein: h = Sechsstern und mit Senkrechtstab für j. Die algiz-Rune, das Dioskuren-Zeichen, nennt er völlig willkürlich eiwaz-, also Eiben-Rune. Das gestürzte -Zeichen des jüngeren FuÞark hängt er unzulässigerweise an die 24er Reihe als ein 25. Symbol und zeigt sodann, wie mittels seiner runischen Neukonstruktion orakelt werden könnte. Trotz dieser Mängel bewegt sich der Autor in weiten Strecken absolut auf dem Felde der nachweisbar richtigen Verständnistraditionen. Um einen Runenkalender zu konzipieren, beginnt er aus unbegreiflichen Gründen, die rechtsläufig erste Rune () vom 29. Juni, 3 Uhr, bis 24. Juli, 8 Uhr, gelten zu lassen und alle weiteren auf entsprechende Jahrespositionen abzurollen. Unsinnigerweise stehen dann die Todes- bzw. Gottesstier-Opferrune () und der unheilvolle Thursen-Stab () in schönster Sommerzeit von Mitte Juli bis Mitte August, was kein alter Nordländer verstanden haben würde.
eine Holländerin, welche unter diesem Pseudonym „Die Blätter von Yggdrasil“, 1991, schrieb. Auch sie ist von der List'schen Schule beeinflusst, versucht sich aber trotzdem möglichst in realistischer Esoterik zu bewegen und stützt sich dabei auf die 24er Urrunenreihe. Auch für sie ist die Unhold-Rune () das Gottessymbol (S. 35); die Urstier-Rune () repräsentiert für sie das Eis (S. 32); die Hagel-Rune () versteht sie wegen des gleich klingenden Anlautes als Hel/Hella-Rune (S. 159), wofür es keine direkten Quellenbeweise gibt.
Ab S. 163 bemüht sie sich, „Das heidnische Jahr“ aus den Runen zu erklären, indem sie folgendermaßen vorgeht: Sie teilt die 24 Zeichen in 8 Gruppen à 3 Stäbe ein und verteilt diese in vorgegebener Reihenfolge über 8 Jahrespositionen, mit der Sommersonnenwende beginnend. So stehen richtig, aber rein zufällig, drei herbstliche Runen (,,) in der Herbstgleiche (23.9.) und drei Frühlingsrunen (,,) in der Frühlingsgleiche (21.3.). Unrichtig hingegen finden sich auf der Sommersonnenwende (21.6.) jene Runen-Drillinge (,,), welche bestenfalls in die Wintersonnwendzeit (21.12.) passen, und dort jene (,,), die zur Jahreshöhe gehören. Die für keltisch-germanische und allgemein antike Kultgruppen so überaus wichtigen jährlichen Mondstände lässt die Autorin wohlweislich unberücksichtigt, denn sonst geriete sie für die Mehrzahl ihrer Runen-Zeitanbindungen in arge Erklärungsnöte. Dadurch, dass sie für nur 8 Jahresfestzeiten ein Paket von jeweils 3 Runen schnürt, ergibt sich eine breitere Argumentations- und Ausdeutungsmöglichkeit.
Ihr fehlendes Verständnis für das altgeschichtliche luni-solare Jahresschema sowie der daraus mitverursachte Irrtum eines Jahresbeginnes zur Sommersonnwendzeit versperrte der Autorin den Zugang zum tatsächlichen runischen Kalendergefüge. Die Naturbetrachtung lässt für naturreligiös verhaftete Kultgruppen nur das Mond-Sonnenjahr zu, mit Beginn in tiefster Lichtarmut des Sonnenstillstandes, der Giuli-/Jul-Zeit. Leider hat die Autorin die Hinweise des angelsächsischen Gelehrten Beda Venerabilis aus dem 8. Jh. nicht berücksichtigt, der das Jahr seiner norddeutsch-germanischen Vorfahren so beschrieb, dass o.a. Folgerungen auf der Hand liegen. Die wintersonnwendliche „Mütternacht“ muss am Beginn des Natur- und Runenjahres liegen - und nicht in seiner Mitte! Aus diesem Grundschema-Irrtum sowie der Fixation, die Runenreihe starr rechtsläufig definieren zu müssen, leiten sich sämtliche Folgefehler der Autorin ab. Die Stimmigkeiten hingegen resultieren aus dem zufälligen Verbleiben der Jahresrunen an ihren nachweisbar richtigen Plätzen, bei irrtümlich rechtsläufiger Runenbetrachtung und irrtümlichem Jahresbeginn zur Sommersonnenwende.
in „Die Kraft der Runen - Mit Runen arbeiten und leben“, 1992, arbeitet mit einem in Wahrheit nie vorhanden gewesenen 18er „Runenmandala“ aus eigener Einbildungsfreiheit. Zwar machte sich die Autorin kundig durch Studium wissenschaftlicher Literatur, zog leider aber auch all die bekannten Runen-Phantasten zu Rate und gelangte schließlich zu unzulässigen Synthesen. Ihre Schrift möchte keinen Weg zur deutsch-germanischen Urreligion aufzeigen, sondern mehr eine unbeschwerte, spielerische Beschäftigung mit dem Medium Runen anregen. Der objektive Leser wird es allerdings verwunderlich empfinden und der christfreie wohl gar als anstößig, dass die Autorin recht geschmacklos Runen, Christus und „Himmelsmutter Maria (Miriam)“ in Verbindung bringt (S. 93). Die isaz- / Eis-Rune bedeutet für sie das Männliche, die jera- / Jahr-Rune hat für sie mit der männlichen Ejakulation zu tun und die odil-Rune mit weiblichem Orgasmus (S. 96). Man könnte diese Art der Runeninterpretationen als würdelosen, zeitgeistimmanenten Populismus bezeichnen.
Engländerinnen, erstellten das Buch „Rune Games - Macht und Geheimnis der Runen“, 1982, in deutsch erschienen 1992. Wirklich schöne, sauber ausgeführte Grafiken laden zum Studium dieser Runenschau ein, welche sich auf die Grundlage angelsächsischer Runenlieder mit 29 Stäben stellt.
Das Ur-Futhark mit seinen 24 Symbolen wurde bei den Anglofriesen (zwischen ca. 700 – 900) auf 28 (Themseschwert und Cod. Salisburgensis) und später auf 33 Lautzeichen vermehrt. Das „Angelsächsische Runenlied“ (es handelt sich um die Abschrift eines Klosterdokumentes, welches 1731 durch Brand vernichtet wurde) erklärt aber nur 29 Zeichen. Die Autorinnen huldigen mithin einer späten britischen Runentradition, welche den Anspruch auf Ur-Originalität nicht erheben darf. Ob aus Runenreihen, die in Zeiten weitgehender christlicher Durchdringung des Landes entstanden sind, überhaupt echt heidnisches Denken herauszulesen ist, bleibt äußerst fraglich. Die beiden Autorinnen geben sich diesbezüglich keiner Illusion hin, schreiben sie doch auf Seite 25, dass das angelsächsische Runenlied von Klostermönchen genutzt wurde, also ein altes Weisheitssystem „in einem neuen Gewande Zuflucht gefunden hätte, so zurechtgestutzt, dass die Moral der neuen (christlichen) Ordnung nicht verletzt würde“. Obwohl es von solchem Ausgangspunkt und seinen eingeschränkten Möglichkeiten nicht gelingen kann, in das Zentrum der altheiligen Runenmetaphysik vorzustoßen, entstand ein liebevoller und informativer Versuch, sich in die Welt der Runen hineinzufühlen.
Letztlich ergebnislos müssen all jene Runenerklärungen verlaufen, die sich nicht streng an die urtümliche Reihenfolge und Anzahl der Zeichen halten - die nicht von den ursprünglichen Zeichenformen, vielmehr von späten Umbildungen ausgehen und auch Runenbegriffe überbewerten, welche mit dem hieroglyphischen und gematrischen Charakter der Rune nicht in Einklang zu bringen sind, weil sie aus christlichen Interpretationen herrühren. Die zeitlich späten, christlich verseuchten englischen Quellen sind kaum fähig, weiterzuhelfen.
So wird auf den Seiten 100 - 118 die späte Schreibweise der Ing-Rune () akribisch durchleuchtet, obwohl die Urform ein einfacher Kreis war. Das ist geradeso, wie wenn sich ein Schriftforscher in ferner Zukunft die kompliziertesten Erklärungen für die gebräuchliche Abkürzung „usw.“ ausdenken würde, weil er darüber nicht informiert ist, dass es sich in aller Schlichtheit um unsere vereinfachte Schreibweise der Worte „und so weiter“ handelt. Mangelndes Wissen im Grundsätzlichen offenbaren die Autorinnen vielerorts, z.B. auf Seite 221, wo sie irrtümlich behaupten: „Der Kreis und der Kreisbogen kommen in den Runenformen nicht vor.“ Die frühe Ing-Rune wurde als Kreis, die Jahr-Rune als zwei versetzte Halbkreise geschrieben, und einige weitere Runen-Buchstaben wiesen Rundbögen auf.
Sämtliche geistsprühenden Einfälle der beiden Frauen, wie Runen-Orakel, -Spiele, -Gittermuster, -Bäume, -Räder oder die Angleichungsversuche der Runen auf den kabbalistischen Sefiroth-Lebensbaum (S. 199) bleiben doch nur Nachweise für den spielerischen Gedankenreichtum der Autorinnen.
Aus der Menge üblicher Runenbücher hebt sich „Rune Games“ insofern nicht hervor, als auch hier unbeweisbare Interpretationen in Fülle vorgestellt werden, ohne dass eine durchlaufende Struktursystematik des runischen Zeichensystems gefunden werden konnte. Nur sie jedoch wäre Maßstab und Beweis für jede weitere Einzelausdeutung. Ein solcher altheiliger Systemsinn kann aber nicht vorhanden sein, da der angelsächsische Runenverband aus hochmittelalterlich-christlicher Ära herstammt. Ein kurzweiliges Büchlein liegt also vor, durchaus lesenswert für all jene, die sich von Runengedanken berieseln lassen möchten, ohne die echte starke Offenbarung aus alter Zeit zu erwarten.
hinterließ fragmentarische Manuskripte, von denen Otto Reinhold Dehnke einiges unter dem Titel „Auf den Spuren der Geheimnisse altgermanischer Runen“, 1993, veröffentlichte. Dem Autor unterliefen etliche Fehleinschätzungen und unverzeihliche Leichtfertigkeiten. So behauptete er, das ältere Futhark besäße 7 Vokale (S. 16 u. 36a). Es sind aber nur 6 (,,,,,). Die ng-Rune (), ein hoher nasaler Rachenlaut, nahm der Autor irrtümlich als ing-Vokal und kam dadurch zu drei verschiedenen I-Lauten im System. Seine komplizierten gematrischen Rechenspiele - wobei er z.B. die Gesamtsumme aller Wortwerte der 24 Runen aufsummiert - können deshalb zu keinem Ergebnis führen, weil wir die Schreibweisen sämtlicher Runenbegriffe aus altgermanischer Zeit nicht exakt, eben nur annähernd, rekonstruieren können. Ob das Begriffswort für die mannus-Rune () mit nur einem oder zwei „n“ richtig galt, ob die othilan-Rune () vielleicht doch „othalan“ geschrieben wurde, wir wissen es nicht. Trotz dieser Unsicherheiten eine derart diffizile mathematische Exaktheit aus den runengematrischen Werten herauszudestillieren, müsste man als Runen-Alchimie bzw. Runen-Quacksalbaderei bezeichnen.
sind die Autoren des Runenbuches „Vatan - der Pfad des Nordens“, 1993, mit dem es nur gelingen könnte, sehr naive Runen-Neulinge und zeitgeistbetörte „Kids“ auf jenen Pfad zu locken, welcher keineswegs nach Norden, eher aber zum Sinai (Berg des jüdischen Heiles) führt, was auch nicht zu verachten, aber eben nicht runischer Urnatur entspricht. Aus dem jüdisch-kabbalistischen Sefiroth-Schema, der 10 Kräfte Jahwes, exzerpierte das scheinbar nachkriegsgeschädigte Autorenpaar die hebräischen Buchstaben ebenso wie germanische Runen, woraus sie eine Urverwandtschaft ableiten wollen. Dass aber die seltsame Neigung älter sein dürfte als zunächst anzunehmen war, gibt der Autor selbst an, indem er darlegt aus welchem „Stall“ er kommt. Wir hören (S. 297f), dass sein Vater noch im März 1933 für „Die Weltbühne“, dem eindeutig positionierten Forum der radikalen „bürgerlichen Linken“, schrieb.
Folgerichtig heißt es auf Seite 503: „Man kann sich den Schreck vorstellen, als sie (die Nazis) herausfanden, daß die heiligen Runen der Germanen etwas mit der Kabbala, der Geheimlehre des den Nazis so verhassten Volkes, zu tun haben sollen... Es hätte ja noch jemand auf die Idee kommen können, dass man evtl. ein Brudervolk verfolgt.“ Derartige ideologische Hirnrissigkeiten, bei denen sich eigentlich jeder Kommentar erübrigt, durchziehen das ganze Buch. Weder ein „Nazi“, noch irgendein anderer vernünftiger Zeitgenosse wäre je auf die spleenige Idee gekommen, die 24 Runen mit den 22 Konsonantenzeichen der Hebräer in entwicklungsgeschichtliche Verbindung zu bringen. Doch Autoren wie Samuel Backhaus, mit seiner „Die Germanen, ein semitischer Volksstamm“, 1878, (Driesner Verlag, Berlin) hatten in dieser Richtung vorgearbeitet. Die Hollanders produzierten eine flüssig geschriebene, typisch neuzeitliche Trivialliteratur mit durchschaubaren zeitgeistorientierten Hintergedanken. Seine Neigung zum Judentum mag man gerne ausdrücken, dagegen ist nichts einzuwenden, aber doch nicht mit gänzlich ungeeigneten Mitteln !
ein Österreicher, der in seiner Zeitschrift für Heimatforschung „Rätsel der Heimat“, 62. Folge, Sommer 1995, einen Jahreskreis aus dem 24er FuÞark konstruierte. Er begann mit rechtsläufig erster Rune () auf dem 6. November (hl. Leonhard), wo er den Termin des Samuinfestes vermutet und damit versuchte, einer angeblich keltischen Tradition des Jahresanfanges zu folgen. Nach seinem Schema liegt die -Ase/Wotan-Rune auf dem hl. Thomas und der Wintersonnenwende und die -Sonnen-Rune auf Lichtabstiegsbeginn der Sommerwende. Jede der 24 Runen machte er auf dem Tag eines zum Teil drittklassigen katholischen Heiligen fest, weil er befangen ist in der Vorstellung, es handele sich dabei durchgehend um Ersatzfiguren altgermanischer Götter. Diese starre Gesetzmäßigkeit erweist sich bei genauer Prüfung als unbelegbar und unzulässig. Nicht ein einziger Heiliger stimmt glaubhaft mit dem Runencharakter überein. Der hl. Bonifazius wurde der -algiz-Elchbrüder-Dioskuren-Rune aufgezwungen, der hl. Willibald der -Gottvater-Tyr-Rune, der hl. Bernhard der -mannus-Urmensch-Rune. Wenn es denn so gewesen wäre, wie Spilka meint, so müssten wir uns über manchen widersinnigen Fehlgriff der christlichen Runenkalender-Umgestalter sehr verwundern. Trotzdem musste die These ernsthaft überprüft werden, obschon es zuweilen schwer fiel, Ernsthaftigkeit auch dann zu bewahren, wenn es um besonders skurrile Zusammenstellungen ging. In dieser Hinsicht ist die Verbindung der starken Sonnenkraft-Rune () mit dem eher unterbelichteten hl. Aloysius ein besonderer „Leckerbissen“. Es ist müßig, alle weiteren Ungereimtheiten und argen Widersprüchlichkeiten einzeln aufzuzählen. Der leichtfertige Versuch, eine Spontanidee zu rationalisieren ohne vorausgegangenes sorgfältiges Studium religionsgeschichtlicher Prozesse, darf ohne Einschränkung als misslungen bezeichnet werden. Unbestreitbar ist die Richtigkeit der Vermutung, dass einzelne Runen in einem zu rekonstruierenden Runenkalender Götterfeste symbolisieren, für welche in christlicher Zeit christliche Austauschfiguren eingesetzt wurden. Jedoch sämtliche 24 Runen als Symbole von 24 heidnischen Göttern mit ihren neugläubigen Surrogaten erklären zu wollen, kommt einer fixen Idee gleich.
erstellte „Das Arbeitsbuch zu den Runen“ 1995, ein in Satz und Gestaltung aufwendig fabriziertes, leicht lesbares, ansprechendes Werk. Obgleich sich der Autor bemühte, den Eindruck zu erwecken, als wolle er eine quellenbezogene Themenerfassung vorlegen - indem er z.B. die Runenlieder in ihren Originalsprachen aufführt - startet er schon auf S. 15 mit frei phantasierten Grundlegungen für seine private runische Gesamtschau. Er teilt die Zeichen korrekt in drei „Aetts“, also Gruppen à 8 Stäbe, bezeichnet jedoch Hagal-Aett als Odhins-Aett. Dafür gibt es nicht nur keinen Beleg, vielmehr ist dies konkret falsch; denn keinerlei Argument für solch neue Überschriftung der Runengruppe ist vorhanden. Die Bezeichnung „Odhin“ hat es in der Zeit des 24er Runensystems ebenso wenig gegeben wie einen „Tyr“ oder „Freyr“. Hier schafft der Autor unbefriedigten Erklärungsbedarf. Er überträgt in unzulässiger Weise altnordische Namen auf gemeingermanisches Runendenken; dazwischen liegen ca. 1.000 Jahre !
Nicht nur derartige Leichtfertigkeiten mit all den daraus erwachsenden Fehlgängen erweisen sich als ein Manko des Buches. Schwerer wiegt, dass der Autor nicht mit wissenschaftlicher Vorurteilslosigkeit an die Runenbetrachtung herangeht, vielmehr zwängt er als Kind einer anthroposophischen Erziehung - belastet mit den undisziplinierten Inspirationen eines Rudolf Steiner - die Runen in unpassende Formen, wie sie seinem vorgefassten Schema entsprechen. Unziemlich unbeschwert vom Wissen indogermanischer Religionstraditionen klebt der Autor an den Götterschwänken und -märchen der spätheidnischen Edda. Ein vergleichender Blick zu den indogermanischen Nachbarkulturen der Germanen gelingt nur ungenügend. In seiner Lust am freien Fabulieren findet Würthner keinerlei Selbstbegrenzung. In der Thurisaz-Rune, dem Symbol des dämonischen Riesen (), sieht er gar einen „erigierten Penis“. Vielleicht hätte er sein Lustorgan einer sorgfältigeren Betrachtung unterziehen sollen. Als dazugehörende Entsprechungen erscheinen ihm: das Märchen vom König Drosselbart, das Klavierkonzert Nr. 5 von Ludwig van Beethoven, der Bär, die Eiche, die Sonne im Steinbock usw. (S. 21). Bedauerlich, dass soviel kompakter Unsinn in einem derart aufwendig gestalteten Buch zusammengeflunkert werden durfte. Auf S. 35 wird in der Fußnote auf eine angeblich am Externstein angebrachte Runeninschrift hingewiesen, welche „jüngst von Archäologen nachgewiesen“ sein soll. Auch dieser Hinweis entbehrt, wie ein Großteil dieses Runenbuches, der Verankerung im Realen. Es gibt keine alte Runeninschrift am Externstein ! Die dort in den 60er Jahren eingeritzten Zeichen stellen das 1912 von Guido List erfundene 18er Zeichensystem dar. Kurzum, der Psychotherapeut Klaus Würthner schuf mit diesem runischen Glasperlenspiel ein liebevoll gezeichnetes, aber eigenartiges Psychogramm seiner anthroposophischen und Freud'schen paraassoziativen Prägungen.
ein US-amerikanischer Autor, schrieb „Runen - Anleitungen für den Gebrauch und die Interpretation der germanischen Runenreihe“, 1982; aus dem Amerikanischen übersetzt von Karl Friedrich Hörner, 1995 in 7. Auflage. Es ist schon sehr verwunderlich, dass sich eine Vielzahl von Autoren und Verlagen mit den Runen auffällig intensiv befassen, obwohl sie ihrem Herkommen und sonstigem Verlagsschaffen nach fernstehend sein müssten. Ob gezielter Wille zur Desinformation federführend ist oder nur spielerischer Antrieb, auch dieses Thema zu besetzen, lässt sich schwer beurteilen. Auch Ralph Blum versucht keineswegs, die Runen zu ergründen und im Sinne der authentischen altgermanischen Denkweise zu erklären. Die Wiederfindung oder gar Renaissance volkseigener exklusiver Denkmodelle sind unerwünscht. So beginnt auch R. Blum (S. 12) mit der Feststellung: „Die Deutungen der Runen ... sind uns verloren.“ Und er gesteht: „Sowohl die alphabetische Anordnung als auch die Buchstaben-Interpretationen im vorliegenden Buch stammen von mir.“
Er mischt die Stäbe nach eigener Eingebung neu und gelangt dadurch zu kontroversen Vorgaben. So unordnet er die linksläufig 22. als 21. Rune und die 2. als 22. Damit wird der zahlenmythische tiefe Ursinn exakt vertauscht, erhält doch die 22. Rune des Dämons damit die besondere Heilszahl 21 und das starke Heilszeichen der Tag-Rune die böse Zahl 22. Auf diese Weise wird der wahre Runensinn perfekt versteckt und schillernder Unsinn mit zufälligen Treffern verquickt. Geradezu traurig machend empfindet der Kenner den Widerspruch zwischen sorgfältigem Design einer ansprechenden Bindung, nett gefertigten Runensteinchen mit hübschem Säckchen dazu und einem Buchinhalt willkürlicher, mithin wertloser Erklärungen. Noch einmal sei hier die rhetorische Gretchenfrage gestellt: Welchen Sinn und Zweck soll eine Runendefinition besitzen, die von neuzeitlich erfundenen Zahlenzuordnungen ausgeht ? Es käme doch auch niemandem die Idee, beispielsweise das Tarot derart zu manipulieren ! Ebenso wenig würde es wohl Herrn Blum einfallen, die traditionelle Reihenfolge des hebräischen Alphabetes neu zu gestalten !
„Neue Runenkunde: Einführung in den Gebrauch der Runen als Schrift und ihre mythologische Zuordnung im Altglauben der germanischen Völker”, hg. v. F.K.O. Jungklaaß; 2. Aufl. 1987. Thorolf Wardle listet mehrere wichtige FuÞark-Inschriften auf, und dokumentiert damit, wie man zu der sicheren 24-stäbigen Runenreihe kommt (S. 10). Kurz und prägnant geht der Autor auf einiges ein, das für andere Einsteiger-Autoren scheinbar zu lapidar ist, angesprochen zu werden, obgleich es unumgängliches Basiswissen darstellt (S. 11 f). Wardle griff in lobenswerter Weise die diesbezüglichen wissenschaftlichen Vorarbeiten auf, wenn er darlegt, mit Yggdrasil könne ursprünglich keine Esche gemeint sein, wie es in der Lieder-Edda heißt, sondern eine Eibe (S. 27). Positiv bemerkenswert ist die richtige Auslegung der -Rune (meist mit der Bedeutung ‚Glück‘ belegt) als Rune der Geburt (S. 28).
Im Vorwort schreibt der Autor, das kleine Werk biete „sicheres und knapp gefasstes Grundwissen“ und wolle sich „nicht mit Standardwerken messen“ (S. 5). Es handelt sich, wie ja schon aus dem Untertitel hervorgeht, um eine Einführung. Der Umfang des 56 Seiten umfassenden Heftes gestattet auch nichts anderes. Das gesetzte Ziel erreicht das nett bebilderte Büchlein problemlos. Obwohl nicht perfekt, ist dies doch das wohl beste neuzeitliche Einführungswerk für eine erste Kontaktaufnahme mit den Runen des Älteren gemeingermanischen Futhark.
„Die Runen”, übers. v. R. Tegtmeier. Braunschweig, 1994. Originaltitel: „The Elements of the Runes”. Element Books, 1993. Bernard J.H. King arbeitet mit dem rechtsläufig verstandenen 24-stäbigen Futhark. Von gelegentlichen überflüssigen Seitenhieben auf ‚Deutschtümelei‘ (z.B. S. 10 f. und 17) abgesehen, schreibt der Autor besonnen und verständlich. Obwohl eigentliche Runen- oder sonstige Informationen durch Verweise auf die Edden oder Runengedichte meist gut belegt sind, tun sich manchmal erstaunliche allgemeine Wissenslücken auf: z.B. wenn er die in Ostdeutschland gelegene Provinz Posen (die er mit dem falsch geschriebenen polnischen Namen „Poznan“ benennt) in Polen (!) verortet (S. 25 und 163) oder aber wenn er schreibt, der Runenmeister habe Techniken für „grammatikalisch korrekte Inschriften“ besitzen müssen (S.28) - da orthographisch richtige Schreibung eine Errungenschaft der Neuzeit ist, braucht man für „korrektes“ Runenschreiben nur das Wissen, welcher Laut durch welches Zeichen repräsentiert wird, jedoch keine „Technik“. Es gibt mehrere kleine Missgriffe dieser Art, was die wissenschaftliche Glaubwürdigkeit etwas beeinträchtigt.
Im allgemeinen sind Kings Ansatz und die Prämissen, von denen er ausgeht, richtig. Dem Satze „Die Runen sind der Kern der nordischen Mysterien“ (S. 45) ist voll zuzustimmen. Kings Untersuchung des „Runatál“ ist lesenswert und erhellend (S. 47 -60), ebenso die Vorstellung der nordischen Magietechniken (S. 61 - 63). Die Nähe zu der runenkundigen Autorin Freya Aswynn wird z.B. daran deutlich, dass auch King die 23. und 24. Rune nach rechtsläufiger Lesart (und) vertauschen zu können glaubt, da er abseitige Quellenfunde als die Primärquellen überschätzt (S. 95 f.), worüber er jedoch an keiner Stelle deutlich wird. Der Versuch einer germanischen Numerologie anhand der Auswertung etlicher Zahleninformationen aus entsprechenden alten nordischen Texten ist gut gelungen, da auf breiter Basis durchgeführt und dabei sauber belegt (S. 109 – 119). Allein aus dieser scheinbar richtigen mythologischen Numerologie eine innerrunische Gematrie ableiten zu wollen, ist dahingegen unmöglich, da wir es bei Futhark und nordischen Texten mit Zeugnissen aus weit auseinanderliegenden Zeiten zu tun haben. Das Kapitel über Runendivination (S. 125 - 138) ist fundiert und flüssig geschrieben. Kings rudimentärer Kalendervorschlag vermag nicht zu überzeugen: er legt auf Ende Erntemond (Ernting) / Anfang Herbstmond (Scheiding). Nach FuÞark-Lesweise fiele der Jahresbeginn damit auf Mitte Lenzmond (Lenzing), was oberflächlich gesehen stimmig wirkt, da es sehr wohl derartige Jahresanfänge gegeben hat. Das kosmische Naturjahr (mithin das Auguren-/Goden-Jahr) kann aber immer nur mit der Wintersonnenwende beginnen.
Das vorgestellte Verfahren lässt einen Wust von runischen Ungereimtheiten entstehen, weil die Zeichencharaktere mit den kalendarischen Zuordnungen an keiner Stelle übereinstimmen. Zu den Versuchen, die germanischen Monate mit den Sternzeichen des Zodiak gleichzusetzen, schreibt King nicht ganz unrichtig, dass unsere Vorfahren im Norden gar nicht alle zwölf Zeichen sehen konnten, weshalb eine solche Zuordnung folgerichtig auch nicht ‚rekonstruiert‘ werden kann (S. 144). Aus ähnlichen Gründen lehnt King die Vermischung von nordischen Runen und jüdischer Kabbala ab (S. 164). Die Geistesgeschichte der Völker belehrt uns jedoch, dass andernorts entwickelte Systeme mitunter ungeprüft von Völkern übernommen werden können, allein deshalb, weil sie in hohem Ansehen stehen. Die mediterran-orientalische Astrologie könnte als Priesterwissen zweifellos auch in den germanischen Norden eingewandert sein, wie z.B. ägyptischer Isiskult, persischen Mithraskult usw. Das Buch enthält manche Fehler und Ungenauigkeiten, weshalb es für einen wirklichen Neueinsteiger ungeeignet erscheint. Es vermag einem fundierten Runenkenner kaum etwas Neues sagen. Sinnvoll ist dieses Buch aber für einen kritischen Leser, der schon einen Einstieg in die Welt der Runen gefunden hat und seine Kenntnisse weiter ausbauen will. Generell wollen wir Kings Werk in den Kreis der besseren Runenbücher stellen.
der durch seine malerischen Schaukämpfe in wikingerzeitlichen Kostümen bekanntgewordene, sympathische Romantiker, verfasste eine Schrift „Runen im Leben der Völker“, 1995. Leider vermochte der Verfasser der Versuchung nicht zu widerstehen, die traumtänzerisch schönen, aber haltlosen Ideenkonglomerate einer zügellosen sog. Ariosophie - aromalos ausgelutschten Teebeuteln gleich - noch einmal unverdrossen-liebevoll aufzukochen. Er verschwendete Geist, Zeit und Papier zur Verewigung all der Runentollheiten des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts. Wem soll das dienlich sein ? - Der engagierte Schaukämpfer ist also einmal mehr in den Ring getreten, um die armen, diskreditierten Unsinnigkeiten tapfer zu verteidigen, über die er schutzbietend seinen Gladiatorenmantel breiten möchte. Der hervorstechendste Charakterzug dieses Buches ist eine Art bewusst gewählte Trotzhaltung gegenüber zeitgemäßer Runenwissenschaft nach dem Motto: Ich lass’ mir meinen Glauben nicht nehmen, dafür brauch’ ich keine Beweise !
Seiner romantisch-nebulösen Neigung gemäß, verzichtet Radegeis darauf, eine deutlich scharfe Trennungslinie zwischen Fakten und Phantasien zu ziehen, was der Leser nach Buchtitel und dem Wortlaut der Vorankündigungen hätte erwarten dürfen. Wer Neuigkeiten zur Entstehungsgeschichte erhoffte, wird enttäuscht. „Die Runen waren offenbar ganz einfach da“, meint der Autor (S. 21). Kein Wort zu den runischen Frühformen auf den Bohlenplanken im Moor von Oldensfehn, im bronzezeitlichen Felsbildmaterial und schon megalithischer Ikonographie, z.B. der Bretagne. Als ganz schlimmer, schier unglaublicher, aber signifikanter Fehlgriff ist der Einstieg (S. 23f) unter der Rubrik „Ursymbol - Urschrift - Ursprache“ zu bewerten, wo der List'sche 18er Runen-Hokuspokus ohne aufklärende und relativierende Anmerkungen breitgewalzt wird. Erst auf S. 30 - auch wieder ohne jede Erklärung - wird, gleichsam nebensächlich, das wirkliche Ur-Futhark gezeigt, welches auf folgender Seite den unsinnigen verunglückten Vergewaltigungsversuch über sich ergehen lassen muss, in ein Hexagon hineingeklemmt zu werden. Dass dieser unseriöse Beginn keineswegs ein Versehen, vielmehr symptomatisch für das gesamte Runenverständnis eines Mannes ist, der über das List-Gorsleben-Niveau nicht hinausdenken will, erweist seine schwärmerisch gehegte, fast libidinöse Hörigkeit gegenüber diesen beiden Runenschund-Autoren, die bei ihm allerdeutlichst ein Überväter-Imago erwachsen ließen, so dass skeptische Distanz und nüchterne Unvoreingenommenheit als Voraussetzung jeder Wissenschaftlichkeit schon in Ansätzen verhindert wird.
Das Buch ist prall voll von unbelegten und unbelegbaren Behauptungen. Um die Falschdarstellungen zu bezeichnen und zu erklären, müsste eine mindestens ebenso starke Schrift erstellt werden. Obwohl es dafür nicht den allergeringsten Quellenbeweis gibt, erwähnt Radegeis ein „Altes Nordisches 18er-Futhork“ und versucht, dessen Entstehung suggestiv bei „erste Funde Glozel 800 v.u.Z.“ (S. 33 u. 96) festzumachen. Dass sich die Glozel-Inschriften längst als Fälschungen erwiesen haben, ficht den Autor so wenig an wie der Umstand, dass in den südfranzösischen Raum um Glozel erst mit der späten keltischen Landnahme Indogermanen eindrangen. Wenn es aber „Runen“ vor den Indogermanen gab, sind dies dann überhaupt Runen ?! - Sollten sich die Glozel-Funde trotz aufgefundener Fälscherwerkstatt und dem Geständnis des Fälschers als echt erweisen, käme das einer geistesgeschichtlichen Katastrophe für alle Indogermanenfreunde gleich, denn dann wären die Runen von einer nichtindogermanischen Volkskultur erfunden worden. Diese und andere Konsequenzen scheint Radegeis nicht zu überblicken. Und hier sind wir bei der zweiten Hypothese dieses Buches, welches eine Anzahl von Schriftarten unterschiedlichster Völker mit der alleinigen Absicht vorstellt, in ihnen runische Grundformen nachzuweisen. Das Unterfangen, echte
Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Schriften aufgrund einiger weniger Ähnlichkeiten in der linearen Form herauslesen zu wollen, zeugt von unfachlichem Simplifizierungsbedürfnis und unzeitgemäßer Oberflächlichkeit. Der Ignorant Schmidt bezeichnet selbst die kleinen Tontäfelchen Kretas, versehen mit Linea-A und -B-Schriften, als „Runensteine“; von Art und Größe dieser Funde hat er folglich überhaupt keine Vorstellung. Man fragt sich, wie es kommt, dass ein Verlag so etwas zulässt ?!
Der Autor versuchte, seine Imaginationen zu rationalisieren und fand aber doch nur leicht widerlegbare Scheinargumente. Er brachte absolut kein neues Therapeutikum auf den Ideenmarkt, das zur Wiederbelebung runentheoretischer Totgeburten beitragen könnte. Das Buch ist zu erachten als ein desinformierendes, unreifes, unvernünftiges, anachronistisches Werk, eine Beleidigung von Vernunft und Geschmack, kurz: eine Donquichotterie.
schrieb zusammen mit Garden Stone und Vicky Gabriel das Buch „Runen-Welten“, 1997. Für den schönen Einbandschmuck verwendete man u.a. ein Runenposter des Urania-Verlages und (ungefragt) neun der von mir selbst angefertigten und in meinem ODING-Wizzod-Buch erstmalig 1993 im runischen Zusammenhang vorgestellten skandinavischen Felsbilder. Derartiges „Abkupfern“ prangere ich deshalb an, weil es typisch für die Gesamttendenz des Buches - mit seinem zusammengestoppelten Inhalt - ist.
Zwar mokiert sich der Autor schon auf Seite 10 über den „um 1920 lebenden“ Guido List (05.10.1848 bis 17.05.1919), welcher „unbedingt das Runenlied Odins mit seinen 18 Strophen erklären wollte“ und ein entfremdetes 18er Runensystem erfand, doch bereichert der Autor den deutschen Runenulk um eine nur wenig neue Variante, indem er die 18 „Runenlieder“ aus der hochmittelalterlichen Edda, die Herr List auf das 16er Runensystem aufpresste, nun auf das 24er Runensystem aufpresst. Er folgt also dem von ihm kritisierten Guido List in dessen Hauptstück, bis hin zu den unsinnigen Zusammenstellungen: = Feuersymbol, = Thor-Rune, = Ich-Symbol, usw. All dies sind epigonale Übernahmen aus der falschen Fischbach-List‘schen Denkfabrik. Herr Warneck nahm mithin einen total geschmacklos ausgekochten Teebeutelinhalt und füllte diesen fein säuberlich in ein frisches Leerbeutelchen. Das Ganze preist er seinen Lesern als eigenes „Aufgussangebot“ an.
Neben dem Einband besticht das Buch durch viele schöne Schwarz-Weiß-Bilder vom Robbenbaby über die Pusteblume, Baumdarstellungen und Schäfchen auf der Weide. Eigentlich wollte der Leser etwas Neues über Runen erfahren ! Natürlich erfreuen die 15 großen Abbildungen eines hübschen jungen Mannes in adretter Kurzhose, mit Wallehaar, vor dem Hintergrund einer Sommerwiese. Leider sind die so knackig dargestellten Runenübungen bei B. Marby abgeschaut - und wo Marby endet, weil er nur 18 Übungen brauchte, da endet auch Igor Warneck, der doch eigentlich 24 Gymnastikeinlagen benötigt hätte. Er weiß nicht weiter, neue Runenübungen sind ihm halt nicht in den Sinn gekommen. Schäbig ist dieses „Stehlen“ deshalb, weil sich der Autor auf Seite 21 von den alten Runen-Esoterikern des ersten Jahrhundertdrittels lauthals distanziert und davor warnt, deren Theorien unbedacht wiederzukäuen. Wer diese frei erfundenen Runenblödsinnigkeiten liebt, der sollte die alten Originale zur Hand nehmen, der bedarf des Igor Warneck nicht, der sie nach 80 bis 100 Jahren noch einmal aufwärmt. Nur weil es lautlich so schön übereinstimmt - tiefere Gründe vermag er nicht aufzuzeigen -, stellt er die Hagel-Rune () zu den Hexen (S. 50), die Naudiz-Rune () zu den Nornen (S. 51), die I-Rune () zum Ich-Begriff. Leichtfertig und unbelegt bringt er seine Einfälle zu Papier, wie z.B. dass die Linde zur Freyja gehöre, die Eiche zur Nerthus, die Eibe zur Hel, bis hin zu Albernheiten (S. 34): Feuer sei leichter unter Zuhilfenahme der Lautung „Feehuuuuh“ anzuzünden, weil ja der alte Herr Fischbach vor einem vollen Jahrhundert einmal die Schnapsidee in die Welt setzte, dass die „Fehu-“(Rindvieh-) Rune etwas mit Feuer zu tun hätte. Der Runensumpf hat wieder einmal „blubb“ gemacht - ein bisschen warme Luft, ein paar kleine Schlammspritzer - das war’s.
„Helrunar: Ein Handbuch der Runenmagie”. übers. v. I. Mullins und M. DeWitt, 1997; Originaltitel: HELRUNAR: A Manual of Rune Magick. Mand, 1980. Das Buch Helrunar dürfte in seiner Gesamtheit wohl unter die Rubrik ‚Kuriosum‘ fallen. Der Autor hält wenig von Wissenschaftlichkeit und viel von Intuition. Das ist eigentlich legitim, doch wenn man dem normalen Suchenden - womöglich noch einem Anfänger - dieses ohne Warnung als objektive Wirklichkeit anbietet, so müssen daraus nachhaltige Irritationen erwachsen.
Das Buch ist grob in drei Teile gegliedert: 1.) Urd, 2.) Verdandi, 3.) Skuld.- Der erste Teil enthält die Vorbereitung auf das Folgende, darunter auch diverse ‚historische‘ Abschnitte. In ihnen wird z.B. Guido von List (5. Oktober 1848 bis 17. Mai 1919) „zu einem der Begründer des Nationalsozialismus“, der gar schon „die Lösung der jüdischen Frage“ (sog. „Endlösung“) im Jahre 1904 vorgedacht haben soll ! Auch sei v. List „zu einem der Führer der berüchtigten Thule-Gesellschaft“ geworden (S. 50). Und die Quellenbeschaffer Karl Spiesbergers seien gar meist „führende Naziokkultisten“ gewesen, weshalb er nach dem Kriege auch daran gescheitert wäre, v. Listens System von „Nazieinflüssen“ zu befreien (S. 50). Noch absurder wird es in dem „historischen“ Kapitel „Runen und Faschismus“. Hier gibt Fries unter Berufung auf das längst als Phantastenautorenpaar entlarvte Gespann Pauwels und Bergier, sowie den katholischen Pfaffen Haack folgende abstruse ,Geschichtsversion‘ des Nationalsozialismus wieder: Die Thule-Gesellschaft „war ein nationalistischer Orden, der den Aufstieg der nationalsozialistischen Partei finanzierte und ihre Führer mit Geld, Dogma und einem gewissen Maß an magischer Ausbildung versah. Sie bildeten Hitler aus, der zuvor ein Niemand gewesen [sei], stellten eine geheime Doktrin zur Verfügung und halfen die Wahlen zu Gunsten [sic] der Nazis zu fälschen. ... Zwei berühmte Okkultisten, Guido von List und Jörg Lanz von Liebenfels waren ihre [der Thule-Gesellschaft] geheimen Meister“ (S. 95). In diesem Stile ungehemmter Blödelei fährt der Autor fort. Bezeichnenderweise für das verwirrte Denken des Autors kommt der Faschismus selber in diesem Kapitel nicht ein einziges Mal vor. Zitierte Stellen sind exemplarisch für den ersten Teil des Buches, der in seiner Unsinnigkeit nicht selten beim wissenden Leser Heiterkeitsstürme und Lachsalven auslösen dürfte. Bei aller berechtigten Ablehung der NS-Strukturen, sollte die freie Hass-Fantasie nicht ins Abstruse übergehen dürfen, sonst erreicht man das Gegenteil des Beabsichtigten.
Im Verdandi-Teil sind magische Techniken zu finden (Atmung, Meditation, Imagination usw.). Außer in dem gelungenen Kapitel über odinische Siedetrance (S. 239 - 244) findet sich hier kaum etwas, das nicht schon in anderen Büchern zum Thema ausführlich genug behandelt worden wäre. -- Im dritten Teil schließlich gibt Fries Informationen zu den Bedeutungen der Runen. Die Absurdität des Buches gestaltet die Lektüre kurzweilig. Auch die Abwesenheit einer auch noch so rudimentären Wissenschaftlichkeit (signifikant: keine Fußnote auf 394 Seiten !) bei ständiger Präsenz der wahnwitzigsten Theorien und widersinnigsten Gedankengänge weisen das Werk als Produkt eines Geistes aus, der in einer Welt lebt, die nur wenige Gemeinsamkeiten mit der des Restes der Menschheit hat. Das Buch ist trotz Verwendung des 24er-Futharks für Einsteiger, für Fortgeschrittene wie für Kenner weitgehend nutzlos, ja, als Sammelsurium von Runen-Nonsens höchster Güte gar kontraproduktiv. Die einzigen Lichtblicke sind die teilweise recht inspirierten Zeichnungen des Autors, die Helrunar wenigstens einen Minimalwert verleihen.
erstellte das Buch „Runenesoterik - Der Weg zum Runenmeister“, in dem er seine Leser mit einem schönen farbigen Bild der alten, unsinnigen Runengymnastik der Herren Marby und Spießberger beeindrucken möchte. Kurioserweise beginnt er mit dem richtigen Satz am falschen Ort: „Der ,Bücher-Markt’ wird laufend mit zweifelhaften Runenbüchern beglückt. Bei den meisten kann man schon bei einer oberflächlichen Betrachtung die Minderwertigkeit dieser Machwerke erkennen. […] Ein Tipp mit Erklärung: Wenn du z.B. in einer Buchhandlung, ein Buch in die Hand nimmst, das Runenmagie anpreist, prüfe ob es die magische FUTHORK-Reihe als Grundlage hat. Sollte dies nicht der Fall sein, lege das Buch wieder auf seinen Platz zurück. Spare dein Geld. Denn dies sind Abkupferungen von schulwissenschaftlichen „Weisheiten“(„frühzeitliche Runenreihe…“, „spätgeschichtliche Runenreihe...“ u.a.m.) ohne realen Hintergrund.“ Unter der von ihm empfohlenen „magischen FUTHORK-Reihe“ versteht der Martin Window die nie real vorhanden gewesene, nämlich der frei erfundene von Guido List.
Dann empfiehlt der Autor all die fantastischen Runenbuch-Autoren, wie Stauff, Sinning, Gorsleben, Kurtzahn und dazwischen nennt er noch ein paar Namen von den seriösen wissenschaftlichen Runologen. Diesem Mann geht die Fähigkeit völlig ab, die Spreu vom Weizen zu trennen. – Mit einer großen Geste schweift der Autor im Folgenden von der Menschheitsgeschichte bis zum „Individuum und Gruppenseele“, streut noch das „kollektive Unbewußte“ von dem „grossen Psychologen C.G. Jung“ mit hinein: „Seine Inhalte besitzen mehr oder minder grosse Menschengruppen“, ist zu erfahren. Einige Rundumschläge auf die uneinsichtige Schulwissenschaft folgen. Aber Reichenbachs umstrittene Od-Lehre hat es ihm angetan, wir erfahren: „Beim Menschen leuchten Kopf, Hände und Füße besonders stark...“ Seine Seitenhiebe auf die „beste US-Demokratie“, hinter der sich die „brutale Fratze der Plutokratie verbirgt !“ haben jedenfalls mehr Realitätsbezug als seine Darlegungen vom „dritten Auge“ und der„Ura-Linda-Chronik“, „es gab Atlantis !“, „das im Atlantis versunken ist“, „wo man in der Lage war die Schwerkraft aufzuheben“, „die Kelten haben auf ihren Wanderzügen die atlantische Kultur über die ganze Welt verbreitet“. In dieser Hemmungslosigkeit der Schwadronage, bei der unaufhörlich Gesichertes mit reiner Fantasie zusammengeworfen wird, geht es fort. Mit seiner „Runen-Einweihung“ blödelt er über die „die 18 kosmischen Urzeichen“, der unselige Erfindung des Guido List von 1907, und stampft dann ergötzlich durch all den abgestandenen Runen-Schlamm den die enthemmten ariosophischen Okkultisten der 20iger und 30iger Jahre des 20. Jahrhunderts produziert haben. Was geht in den Gehirnen von Menschen vor, die sich derart am Irrealen begeistern und es ihren Mitmenschen aufs Auge drücken möchten ?
ein okkulter Schwede, welcher sich nach eigener Aussage mit der „draconischen Tradition und der Nachtseite der Magie“ beschäftigt, hat ein Runenbuch verfasst: „Uthark – Im Schattenreich der Runen – Ein magisches Praxisbuch“, 2003.
In seiner Einführung erwähnt er korrekt, dass die Runenmagier immer danach strebten, die inneren verborgenen Geheimnisse der Runen mit einem „odinsgleichen, eisernen Willen“ zu lüften. Karlsson geht nun davon aus, die dunkle Seite der Runen erhellen zu können, indem er der Schule des längst widerlegten Schweden Sigurd Agrell folgt und dessen „Uthark-Theorie“ aus den 20-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wieder aufwärmt. Agrell veröffentlichte einige Arbeiten zur Runenfrage, u.a. 1928 das Buch „Zur Frage nach dem Ursprung der Runennamen“. In Karlssons 1. Kapitel, „Die geheime Weisheit des Nordens“, werden die diversen seriösen und unlauteren bekannten Quellen erwähnt; oberflächlich und ohne jede tiefgängige Hinterfragung streift er die frei erfundene 18-er Runenreihe des Guido List, auch die sich entwickelnde politisch orientierte Runologie in Deutschland und endet diesen Ausflug mit der tendenziösen Erwähnung des Runen-Spökenkiekers Friedrich Marby, welcher „von den Nazis in Deutschland inhaftiert und während des Krieges in ein Konzentrationslager gesperrt“ worden sei -; von den wahren Veranlassungen der dt. Behörden, den streit- und prozesssüchtigen Querulanten zu inhaftieren, kein einziges erhellendes Wort ! In welchem Dunstkreis sich der Autor weiterbewegt, entnimmt der aufmerksame Leser der Behauptung, die letzte „Generation der Wiedererwecker“ runischer Weistümer sei im englisch-amerikanischen Raum zu Hause !
In seiner Einführung erwähnt er korrekt, dass die Runenmagier immer danach strebten, die inneren verborgenen Geheimnisse der Runen mit einem „odinsgleichen, eisernen Willen“ zu lüften. Karlsson geht nun davon aus, die dunkle Seite der Runen erhellen zu können, indem er der Schule des längst widerlegten Schweden Sigurd Agrell folgt und dessen „Uthark-Theorie“ aus den 20-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wieder aufwärmt. Agrell veröffentlichte einige Arbeiten zur Runenfrage, u.a. 1928 das Buch „Zur Frage nach dem Ursprung der Runennamen“. In Karlssons 1. Kapitel, „Die geheime Weisheit des Nordens“, werden die diversen seriösen und unlauteren bekannten Quellen erwähnt; oberflächlich und ohne jede tiefgängige Hinterfragung streift er die frei erfundene 18-er Runenreihe des Guido List, auch die sich entwickelnde politisch orientierte Runologie in Deutschland und endet diesen Ausflug mit der tendenziösen Erwähnung des Runen-Spökenkiekers Friedrich Marby, welcher „von den Nazis in Deutschland inhaftiert und während des Krieges in ein Konzentrationslager gesperrt“ worden sei -; von den wahren Veranlassungen der dt. Behörden, den streit- und prozesssüchtigen Querulanten zu inhaftieren, kein einziges erhellendes Wort ! In welchem Dunstkreis sich der Autor weiterbewegt, entnimmt der aufmerksame Leser der Behauptung, die letzte „Generation der Wiedererwecker“ runischer Weistümer sei im englisch-amerikanischen Raum zu Hause !
Unter dem Absatz „Das Nordische Weltbild“, sowie auf den Seiten 51 bis 54, breitet Karlsson das Weltbild der Edda aus, was für Grundschüler der Thematik angebracht sein mag. Es folgt ein zweiseitiges oberflächlich-knappes Eingehen auf eine „Nordische Numerologie“. Im 2. Kapitel wird irrtümlich behauptet, die Runen seien erst mit dem „kulturellen Niedergang, der sich im Wikingerzeitalter vollzog“, zur Schreibschrift degradiert worden, vorher allein von „magischer Bedeutung“ gewesen. Dass dies falsch ist, erweist nicht allein überzeugend der runische Aussagesatz auf dem goldenen Horn von Gallehus (Nordschleswig), der in der Diskussion um die Ausgliederung der germanischen Einzelsprachen (Nord- und Westgermanisch) eine Rolle spielt; das Horn stammt aus dem 5. Jahrhundert. Auch die Grabungen im Handelszentrum Haitabu (bei Schleswig) haben einige Runeninschriften auf Holzstäbchen erbracht, die für die Schriftgeschichte besonders bedeutsam sind. Sie werden in das frühe 9. Jahrhundert datiert und stehen am Beginn des Schrifttyps „jüngere Runenreihe“ Aus der Schleswiger Stadtgrabung, auch jener von Starigard/Oldenburg in Holstein, sind einige mittelalterliche Runeninschriften bekannt geworden, doch liegen weitere unbearbeitet im Archäologischen Landesmuseum. Sie werden unter dem Aspekt diskutiert, ob sie eine für den Handelsverkehr typische Alltagsschrift repräsentieren. Ein umfangreiches neu erschlossenes runisches Quellenmaterial, samt seiner archäologischen Einbettung, befördert unsere zunehmende Einsicht von den Runen als mittelalterliche Schreibschrift Germaniens.
Karlsson erläutert Agrells „Uthark“-Theorie auf Seite 28, wonach die erste Rune „f“ an die letzte Stelle zu setzen sei, und sich aus dieser Verfahrensweise dann eine Runenreihe ergäbe, die mit numerologischen Theorien übereinstimmten, also die Runenbegriffe mit den Runenzahlen harmonieren würden. Die dafür notwendig werdenden argumentativen Eiertänze Agrells trafen damals und heute bei nüchternen und kompetenten Forschern auf einhellige Ablehnung. Auch die krampfhafteste anachronistische Beschwörung Karlssons kann nichts nutzen: „Das Uthark ist eine magisch potente Version der Runereihe“ (S. 29). Auf den folgenden Seiten (von 30 bis 46) werden die älteren Runen in korrekter Reihe – abgesehen von der Hintanstellung der Rune „f“ und dem umstrittenen Austausch von „d“ und „o“ – in unspektakulärer, recht angängiger Weise besprochen. Dann, die Seiten 56 bis 58 und 147 bis 151, dokumentieren die inkonsequenten Versuche, jene numerologische „Uthark“-Theorie, ein wenig untermauern zu wollen. Dass dies nicht gelingen will, müsste Karlsson selbst aufgefallen sein, doch er scheint so verliebt in dieses vage, nebulöse, im negativsten Sinne okkulte Konstrukt, dass er alle, sich aus den Ungereimtheiten ergebenden Warnungen, beiseite schiebt und unverfroren dem Leser ein X für ein U vormachen möchte. Zu mehr Selbstkritik und Vorsicht, sollte man solche Autoren ermahnen dürfen. Kaum einmal passt die zufällige Runenzahl mit dem Runensinn zusammen ! Warum sollte die Mannaz-Mensch-Rune zur Zahl 19 gehören, warum die Berkana-Mutter-Rune zur 17, warum die Jera-Jahr-Rune zur 11 ?! Wer sich in der antiken Zahlenmystik auskennt, von den Pythagoräern bis zu den christlichen Kirchenvätern, kann nur verächtlich den Kopf schütteln über diese numerologisch plumpe „Uthark“-Stümperei.
„Das multidimensionale Uthark“ (S. 58ff), titelt der Autor ein Kapitel, in dem er aus der schematischen Vorgabe seines „Uthark“-Runenreihen-Konstrukts, Runenpolaritäten zu entwickeln bemüht ist. Auch hierbei geht es ohne grobe Gewalttätigkeiten hinsichtlich der Runenausdeutungen nicht ab. Perthro (Liebesmutter) und Eiwaz (Weltenbaum) werden als „Mutterleib“ und „Phallus“ gegenübergestellt; oder Wunjo (Glück) und Ehwaz (Pferd) als vermeintliche Polaritäten, „Harmonie“ und „Empfänger“, gefasst. Unsinn - auf schlichtestem Niveau !
Da die Karlssons Werk zugrunde liegende Basisidee eindeutig unsinnig ist, keine überzeugenden Argumente und keinerlei Beweise dafür beizubringen sind, würde es sich eigentlich erübrigen, auf die weiteren Ausführungen des Autors einzugehen. Doch im 4. Kapitel, „Der Mensch und seine Seele“, werden für den interessierten Laien wichtige Informationen bezüglich der altnordischen Seelentermini und deren Sinninhalte mitgeteilt. Eine gleichgute Beurteilung gilt für 5. Kapitel: „Nordische Zauberkunst und angewandte Runenmagie“, „Ritualarbeit“, „Das Runenritual“, „Naturmagie“, „Kultplätze“ usw..
Einige der quasi standartisierten Blödsinnigkeiten der Runenliteratur dürfen auch bei Karlsson offenbar nicht fehlen: Er zeigt das Abbild der nachweislich orientalischen Dattelbaum-Ikone als germanische Irminsul (S. 99) -, das bekannte Schema des hebräischen Seffirot-Baumes als Kosmosmodell (S. 61 u. 138) -, die aus der jüngeren Runenreihe stammende Hagel-Rune, ein Sechsstern, bezeichnet er als „Mutterrune, der die Möglichkeit aller anderen Runen innewohnen“ (S. 34, 60, 135, 137); über sie schreibt er: „Hagalaz, die Hagelrune stellt die gesamte Runenreihe dar und bedeutet Schutz.“ Diese Sichtweise ist nun alles andere als originell da das bereits Karl Maria Wiligut auf seinem für die SS konzipierten Ring postulierte.
Karlsson erläutert Agrells „Uthark“-Theorie auf Seite 28, wonach die erste Rune „f“ an die letzte Stelle zu setzen sei, und sich aus dieser Verfahrensweise dann eine Runenreihe ergäbe, die mit numerologischen Theorien übereinstimmten, also die Runenbegriffe mit den Runenzahlen harmonieren würden. Die dafür notwendig werdenden argumentativen Eiertänze Agrells trafen damals und heute bei nüchternen und kompetenten Forschern auf einhellige Ablehnung. Auch die krampfhafteste anachronistische Beschwörung Karlssons kann nichts nutzen: „Das Uthark ist eine magisch potente Version der Runereihe“ (S. 29). Auf den folgenden Seiten (von 30 bis 46) werden die älteren Runen in korrekter Reihe – abgesehen von der Hintanstellung der Rune „f“ und dem umstrittenen Austausch von „d“ und „o“ – in unspektakulärer, recht angängiger Weise besprochen. Dann, die Seiten 56 bis 58 und 147 bis 151, dokumentieren die inkonsequenten Versuche, jene numerologische „Uthark“-Theorie, ein wenig untermauern zu wollen. Dass dies nicht gelingen will, müsste Karlsson selbst aufgefallen sein, doch er scheint so verliebt in dieses vage, nebulöse, im negativsten Sinne okkulte Konstrukt, dass er alle, sich aus den Ungereimtheiten ergebenden Warnungen, beiseite schiebt und unverfroren dem Leser ein X für ein U vormachen möchte. Zu mehr Selbstkritik und Vorsicht, sollte man solche Autoren ermahnen dürfen. Kaum einmal passt die zufällige Runenzahl mit dem Runensinn zusammen ! Warum sollte die Mannaz-Mensch-Rune zur Zahl 19 gehören, warum die Berkana-Mutter-Rune zur 17, warum die Jera-Jahr-Rune zur 11 ?! Wer sich in der antiken Zahlenmystik auskennt, von den Pythagoräern bis zu den christlichen Kirchenvätern, kann nur verächtlich den Kopf schütteln über diese numerologisch plumpe „Uthark“-Stümperei.
„Das multidimensionale Uthark“ (S. 58ff), titelt der Autor ein Kapitel, in dem er aus der schematischen Vorgabe seines „Uthark“-Runenreihen-Konstrukts, Runenpolaritäten zu entwickeln bemüht ist. Auch hierbei geht es ohne grobe Gewalttätigkeiten hinsichtlich der Runenausdeutungen nicht ab. Perthro (Liebesmutter) und Eiwaz (Weltenbaum) werden als „Mutterleib“ und „Phallus“ gegenübergestellt; oder Wunjo (Glück) und Ehwaz (Pferd) als vermeintliche Polaritäten, „Harmonie“ und „Empfänger“, gefasst. Unsinn - auf schlichtestem Niveau !
Da die Karlssons Werk zugrunde liegende Basisidee eindeutig unsinnig ist, keine überzeugenden Argumente und keinerlei Beweise dafür beizubringen sind, würde es sich eigentlich erübrigen, auf die weiteren Ausführungen des Autors einzugehen. Doch im 4. Kapitel, „Der Mensch und seine Seele“, werden für den interessierten Laien wichtige Informationen bezüglich der altnordischen Seelentermini und deren Sinninhalte mitgeteilt. Eine gleichgute Beurteilung gilt für 5. Kapitel: „Nordische Zauberkunst und angewandte Runenmagie“, „Ritualarbeit“, „Das Runenritual“, „Naturmagie“, „Kultplätze“ usw..
Einige der quasi standartisierten Blödsinnigkeiten der Runenliteratur dürfen auch bei Karlsson offenbar nicht fehlen: Er zeigt das Abbild der nachweislich orientalischen Dattelbaum-Ikone als germanische Irminsul (S. 99) -, das bekannte Schema des hebräischen Seffirot-Baumes als Kosmosmodell (S. 61 u. 138) -, die aus der jüngeren Runenreihe stammende Hagel-Rune, ein Sechsstern, bezeichnet er als „Mutterrune, der die Möglichkeit aller anderen Runen innewohnen“ (S. 34, 60, 135, 137); über sie schreibt er: „Hagalaz, die Hagelrune stellt die gesamte Runenreihe dar und bedeutet Schutz.“ Diese Sichtweise ist nun alles andere als originell da das bereits Karl Maria Wiligut auf seinem für die SS konzipierten Ring postulierte.
Das ist bare Phantasterei, denn einige Urrunen, wie Ing-, Ewaz-, Pertho-, Algiz- und Odal-Zeichen, passen keineswegs in dieses Sechssterngebilde der jüngeren Reihe (in der alten Reihe war es unbekannt !), zudem waren Runen ursprünglich zum Teil mit Rundungen ausgestattet.
Warum Karlsson zu Beginn den abseitigen deutsch-schwedischen Runenmystagogen Friedrich Marby überhaupt erwähnenswert fand, erfährt der Leser dann auf den Seiten 113ff unter der Überschrift „24 Runenstellungen“. Hier geht er auf Marbys „Runengymnastik“ ein; Runenstellungen soll der Runenmystiker nachvollziehen und womöglich sogar tanzen: „Eine Trommel kann den Tanzrhythmus vorgeben. Versuche, im Runentanz deinen Namen aufzuführen.“ In meinen Augen ist es einfach nur höchst albern und pseudomystisch unsere germanischen Buchstaben nachzuhampeln; wofür sollte das gut sein ?! Um über einige Runen zu meditieren, ihren ganzen Bedeutungsinhalt zu ergründen und ausschöpfen zu wollen, dazu bedarf es mitnichten ihre linearen Formen mit den eigenen Gliedmaßen nachzubauen, zumeist noch in geradezu lächerlichen Positionierungen. Wie lautet beispielsweise die Begründung dafür, dass der Runentänzer, der die „e“-Rune (Pferde-Symbol) nachahmt, sich mit breiten Beinen wie auf einem Ross sitzend, mit angewinkelten Unterarmen gleichsam die Zügel haltend, aufstellt ? Sollte er nicht besser im Vierfüßergang, gleich dem imitierten Reittier, einher hopsen? Unter derlei Marby’scher bzw. Karlsson’scher Gymnastik-Anleitungen würden neugermanische Runenfreunde im propagierten Taumeltanz leicht auf das exzessive Niveau arabischer Derwische hinabtrudeln ! Mit der ernsthaften Suche nach den Urquellen und -kräften unseres gallogermanischen Heimatglaubens und der eigenen Spiritualität, hat das alles nichts zu tun ! Zusammengefasst, darf das Buch von Karlsson als informative Begleitlektüre über den altnordischen Kulthorizont, aber auf keinen Fall als Runen-Lehrbuch, empfohlen werden.
Warum Karlsson zu Beginn den abseitigen deutsch-schwedischen Runenmystagogen Friedrich Marby überhaupt erwähnenswert fand, erfährt der Leser dann auf den Seiten 113ff unter der Überschrift „24 Runenstellungen“. Hier geht er auf Marbys „Runengymnastik“ ein; Runenstellungen soll der Runenmystiker nachvollziehen und womöglich sogar tanzen: „Eine Trommel kann den Tanzrhythmus vorgeben. Versuche, im Runentanz deinen Namen aufzuführen.“ In meinen Augen ist es einfach nur höchst albern und pseudomystisch unsere germanischen Buchstaben nachzuhampeln; wofür sollte das gut sein ?! Um über einige Runen zu meditieren, ihren ganzen Bedeutungsinhalt zu ergründen und ausschöpfen zu wollen, dazu bedarf es mitnichten ihre linearen Formen mit den eigenen Gliedmaßen nachzubauen, zumeist noch in geradezu lächerlichen Positionierungen. Wie lautet beispielsweise die Begründung dafür, dass der Runentänzer, der die „e“-Rune (Pferde-Symbol) nachahmt, sich mit breiten Beinen wie auf einem Ross sitzend, mit angewinkelten Unterarmen gleichsam die Zügel haltend, aufstellt ? Sollte er nicht besser im Vierfüßergang, gleich dem imitierten Reittier, einher hopsen? Unter derlei Marby’scher bzw. Karlsson’scher Gymnastik-Anleitungen würden neugermanische Runenfreunde im propagierten Taumeltanz leicht auf das exzessive Niveau arabischer Derwische hinabtrudeln ! Mit der ernsthaften Suche nach den Urquellen und -kräften unseres gallogermanischen Heimatglaubens und der eigenen Spiritualität, hat das alles nichts zu tun ! Zusammengefasst, darf das Buch von Karlsson als informative Begleitlektüre über den altnordischen Kulthorizont, aber auf keinen Fall als Runen-Lehrbuch, empfohlen werden.
der geübte Romanschreiber, der mit Geschichten von Liebe, Lust, Tod, Schamanenreisen und Ritualmusik eine Leserschaft zu erreichen versuchte, hat auch ein Runenbuch verfasst: „Runen Leben – Wissen, Weisheit und Wahrsagekunst der Ahnen“, 2006.
Schon in seinem knappen Vorwort offenbart Herr Brück seine eklatante Unwissenheit über das selbst gewählte Arbeitsgebiet. Er beginnt: „Der in diesem Buch verwendete Runensatz ähnelt den sogenannten ,Armanenrunen’, die – wie eigentlich alle Runen – eine unrühmliche, nationalsozialistische Vergangenheit haben.“ Dann beteuert er in üblicher devoter Zeitgeistimmanenz, dass er sich „von den Inhalten unserer nationalsozialistischen Vergangenheit und anderem ,braunen’ Gedankengut ausdrücklich distanziere“.
Auf diese Weise meint der Autor genug Kredit bzw. Akzeptanz für sein Machwerk beim ebenso gleichgeschalteten Leser, einheimsen zu können. Dass es sich um ein plattes Konstrukt handelt, ersieht der Runenkenner bereits auf der ersten Seite, mit der Herr Brück seine 18 Runen vorstellt. Er hat aus einer eingebildeten Machtvollkommenheit heraus, als „begnadeter“ Runenerfinder, eine eigene neue Zeichenreihe hervorgebracht, die er aus Zeichen des alten und des jüngeren Futhark zusammenpuzzelte. Das wäre an sich dann nicht grundsätzlich zu kritisieren, wollte einer einfach einmal kreative Runen-Glasperlenspiele betreiben -, doch, im Widerspruch zu seiner neuzeitlichen Runenreihenerfindung, hatte der Autor im Untertitel seines Buches von „Wissen, Weisheit und Wahrsagekunst der Ahnen“ gesprochen. Faktisch stellt aber Herr Brück kein Ahnenwissen vor, sondern lediglich seine allerpersönlichste Runenidee, inspiriert aus unserem Einundzwanzigsten Jahrhundert.
Mit dieser Erkenntnis bewehrt, wäre es uns ein Leichtes, über die so interessant erscheinenden, säuberlich und adrett gestalteten, schematischen Graphiken des Werkes als belanglose Schnörkel hinwegzublättern, doch wir wollen es uns nicht zu leicht machen, mit unserem Ergründungsversuch, warum ein Mensch es unternimmt, „richtigere Runen“ erfinden zu wollen, als sie unseren Ahnen in heidischen Urzeiten bekannt waren. Der zitierte Vorwortsatz legt eine Vermutung nahe: Herr Brück - als ein der Nachkriegsumerziehung vollauf gelungenes Zeitgeistkind, möchte, aufgrund seiner geoffenbarten Animosität, die auch vom „braunen“ SS-Orden verwendeten „Armanenrunen“, nicht besprechen. Bei denen handelt es sich um die 18-er Runereihe, welche Guido List erstmals 1912 seinem Publikum vorstellte. In der Realität der runischen Entwicklungsgeschichte gab es freilich überhaupt keine 18-er Reihe. Dieser Umstand lässt nun auch Herrn Brücks großes, ihn so sehr bedrückendes Bedenken gegenstandslos werden, dass ja ohnehin „alle Runen eine unrühmliche nationalsozialistische Vergangenheit“ hätten. Mit der Esoterik der 24 Zeichen umfassenden Urrunenreihe haben sich die runeninteressierten Parteikader kaum beschäftigt, und die erst von mir erkundete linksläufige Oding-Runen-Systematik vermochten sie nicht zu studieren, weil sie damals noch unbekannt war. Warum aber bespricht Herr Brück nicht die realen 24-er, 16-er oder 33-er Runenreihen, welche in dieser Reihenfolge in diversen germanischen Siedlungsräumen im Gebrauch waren ?
Um sich für seine Arbeit mit einer nichtauthentischen Runereihe zu legitimieren, bringt der Autor auf Seite 15 den Hinweis, „dass keine dieser Reihen ,richtig’ ist“. Den eingegebenen Sinn bzw. die Struktursystematik der echten Zeichenreihen zu ergründen, hält der Autor für überflüssig, da, wie er meint, für den „magischen Gebrauch“, die Runen keinen festen Regeln unterliegen würden (Seite 15). Das gesamte folgende Gerede, man sollte Geschwätz sagen dürfen, wird argumentativ zur Untermauerung o.a. These vorgetragen. Auf Seite 16 konkretisiert Brück: „Die von mir für meine Arbeit ausgewählte Runereihe lässt sich, wie so manche andere auch, zwar nicht sicher historisch nachweisen und einordnen, weist jedoch gegenüber den anderen Vorzüge auf, die für die Runenarbeit von Ausschlag gebender Bedeutung sind“, dann folgt wieder die gewöhnliche Schamanenlitanei, wie sie uns aus vielen gleichgelagerten „esoterischen“ Machwerken hinlänglich bekannt ist.
Der Autor hält es sicherlich für einen raffinierten psychologischen Schachzug, selbst vor derartigen Konstrukten zu warnen, wenn er schreibt (S. 17): „Wir neigen viel zu sehr dazu, blind an Dinge zu glauben, die uns mit geheimnisvollem Brimborium vorgegaukelt werden – und je mystischer und unüberprüfbarer die Legitimation, desto leichter fallen wir darauf herein.“ Und er fährt fort: „Also möge der geneigte Leser so tun, als hätte ich das in diesem Buch beschriebene Runensystem aus dem Nichts heraus Kraft meiner Wassersuppe erfunden !Selbst wenn es so wäre: Wenn das System in der praktischen Arbeit funktioniert, ist es ein gutes System, gleich, wo es herkommt.“
Was soll denn dabei „funktionieren“, wie könnte der Leser eine Betriebstauglichkeit ablesen können? Ein Runensystem ist eben kein Motor und eine Tauglichkeitsprüfung ist mithin nicht durch das Funktionieren eines Motors oder glatt laufender Kugellager problemlos und für jeden Laien klar ersichtlich. Aber selbst wenn ein Funktionieren im höheren Sinne ersichtlich würde, würden wir lediglich konstatieren können, dass sich ein Zeitgenosse namens Axel Brück eine in sich stimmige Symbolzeichenordnung ausgedacht hat, was uns jedoch nicht im mindesten erregen oder freudig überraschen könnte. Wir ernsthaften Runenfreunde suchen in den runischen Zeugnissen der Vorfahren den Atemhauch der Ahnen, wir wollen echtes altes Wissen erspüren, wir suchen uns selbst, unsere Identität, unsere Eigenart, unsere Gottesschau unser möglichst unverfälschtes, durch Fremdmächte nichtüberlagertes Weltverständnis !
Weil wir das alles in einem Runen-Roman, von der Art des Herrn Brück, nicht finden können, sind derartige literarische Arbeiten für uns absolut unergiebig, sogar kontraproduktiv, denn wir werden mit Albernheiten, mit Irrtümern, mit frei Erfundenem irritiert und sinnlos überfrachtet. Dass es in derartigen Büchern obendrein – zusätzlich zur falschen Gesamtschau - nur so wimmelt von Fehlinformationen, sei zudem erwähnt: Brück meint, unsere Vorfahren kannten in ihrem Weltbild „keine Dualitäten und Polaritäten“, doch die Edda berichtet über die Urpolarität von Nifelheim und Muspelheim (nördl. Nebel- u. südl. Feuerheim), und auch das eddische Weltenbaum-Gleichnis weist auf die Polarität von Wipfel- und Wurzelbezirk, also den Gegensatz zwischen Oben und Unten hin. Auch Brück lässt sich von der mittlerweile greisenhaften Unsinnsnummer der Herren List, Gorsleben, Wiligut, Flowers-Thorsson, Radegeis u.a.m. einfangen, die eine sogenannte runische „Mutterfigur“ oder „Matrix“ postulierten, welche ebenso die Runenfantasten innerhalb der SS derart faszinierte, dass die jüngere Hagal-Rune – als Grundgerüst des Hexagons - sogar auf dem Ehrenring der Schutzstaffel seine Placierung erfuhr (S. 83ff). Da Runenzeichen nicht allesamt von kantig-linearen Formen waren - manche Rundungen sind dazwischen - wie wir aus den Runensteingravuren Skandinaviens ersehen, können sie auch nicht aus einem haxagonales Gebilde als Ur- oder Mutterrune herausgelesen bzw. hineingepresst werden.
So, wie sich aus einem einzelnen Buchstaben allein kein bedeutender Sinn herauslesen lässt, sondern erst durch die planvolle Aneinanderreihung mehrerer Buchstaben zu einem Wort oder Satz, so vermögen auch Runenzeichen an sich, kaum eine weiterreichende Sinnvermittlung hervorzurufen. Brück doziert an einer Stelle: „...dann erfahren wir mehr über die Welt, weil die Runen gleichermaßen die Alltagswelt, die Anderswelt und die Götterwelt spiegeln.“ (S. 96). Die Einzelrune, als Segment eines Verbandes, spiegelt eben nur das Bruchstückchen eines Weltbildes von einer heidnischen „Alltags-Anders-Götterwelt“, die wir nur zu erfahren fähig werden, falls es uns gelingt, den Gesamtzusammenhang des Runenverbundes, also einer ursprünglichen Runenreihung, gewissermaßen eines aussagefähigen Runensatzes, zu deuten. -- Da Herr Brück aber aus ursprünglich nicht zusammengehörenden Einzelrunen einen von ihm selbst erfundenen Satz zusammenstellte, wären aus diesem seinem Kunstgebilde bestenfalls die Gedanken des Konstrukteurs - Axel Brück - herauszuhören -, darauf aber können wir gut verzichten.
Schon in seinem knappen Vorwort offenbart Herr Brück seine eklatante Unwissenheit über das selbst gewählte Arbeitsgebiet. Er beginnt: „Der in diesem Buch verwendete Runensatz ähnelt den sogenannten ,Armanenrunen’, die – wie eigentlich alle Runen – eine unrühmliche, nationalsozialistische Vergangenheit haben.“ Dann beteuert er in üblicher devoter Zeitgeistimmanenz, dass er sich „von den Inhalten unserer nationalsozialistischen Vergangenheit und anderem ,braunen’ Gedankengut ausdrücklich distanziere“.
Auf diese Weise meint der Autor genug Kredit bzw. Akzeptanz für sein Machwerk beim ebenso gleichgeschalteten Leser, einheimsen zu können. Dass es sich um ein plattes Konstrukt handelt, ersieht der Runenkenner bereits auf der ersten Seite, mit der Herr Brück seine 18 Runen vorstellt. Er hat aus einer eingebildeten Machtvollkommenheit heraus, als „begnadeter“ Runenerfinder, eine eigene neue Zeichenreihe hervorgebracht, die er aus Zeichen des alten und des jüngeren Futhark zusammenpuzzelte. Das wäre an sich dann nicht grundsätzlich zu kritisieren, wollte einer einfach einmal kreative Runen-Glasperlenspiele betreiben -, doch, im Widerspruch zu seiner neuzeitlichen Runenreihenerfindung, hatte der Autor im Untertitel seines Buches von „Wissen, Weisheit und Wahrsagekunst der Ahnen“ gesprochen. Faktisch stellt aber Herr Brück kein Ahnenwissen vor, sondern lediglich seine allerpersönlichste Runenidee, inspiriert aus unserem Einundzwanzigsten Jahrhundert.
Mit dieser Erkenntnis bewehrt, wäre es uns ein Leichtes, über die so interessant erscheinenden, säuberlich und adrett gestalteten, schematischen Graphiken des Werkes als belanglose Schnörkel hinwegzublättern, doch wir wollen es uns nicht zu leicht machen, mit unserem Ergründungsversuch, warum ein Mensch es unternimmt, „richtigere Runen“ erfinden zu wollen, als sie unseren Ahnen in heidischen Urzeiten bekannt waren. Der zitierte Vorwortsatz legt eine Vermutung nahe: Herr Brück - als ein der Nachkriegsumerziehung vollauf gelungenes Zeitgeistkind, möchte, aufgrund seiner geoffenbarten Animosität, die auch vom „braunen“ SS-Orden verwendeten „Armanenrunen“, nicht besprechen. Bei denen handelt es sich um die 18-er Runereihe, welche Guido List erstmals 1912 seinem Publikum vorstellte. In der Realität der runischen Entwicklungsgeschichte gab es freilich überhaupt keine 18-er Reihe. Dieser Umstand lässt nun auch Herrn Brücks großes, ihn so sehr bedrückendes Bedenken gegenstandslos werden, dass ja ohnehin „alle Runen eine unrühmliche nationalsozialistische Vergangenheit“ hätten. Mit der Esoterik der 24 Zeichen umfassenden Urrunenreihe haben sich die runeninteressierten Parteikader kaum beschäftigt, und die erst von mir erkundete linksläufige Oding-Runen-Systematik vermochten sie nicht zu studieren, weil sie damals noch unbekannt war. Warum aber bespricht Herr Brück nicht die realen 24-er, 16-er oder 33-er Runenreihen, welche in dieser Reihenfolge in diversen germanischen Siedlungsräumen im Gebrauch waren ?
Um sich für seine Arbeit mit einer nichtauthentischen Runereihe zu legitimieren, bringt der Autor auf Seite 15 den Hinweis, „dass keine dieser Reihen ,richtig’ ist“. Den eingegebenen Sinn bzw. die Struktursystematik der echten Zeichenreihen zu ergründen, hält der Autor für überflüssig, da, wie er meint, für den „magischen Gebrauch“, die Runen keinen festen Regeln unterliegen würden (Seite 15). Das gesamte folgende Gerede, man sollte Geschwätz sagen dürfen, wird argumentativ zur Untermauerung o.a. These vorgetragen. Auf Seite 16 konkretisiert Brück: „Die von mir für meine Arbeit ausgewählte Runereihe lässt sich, wie so manche andere auch, zwar nicht sicher historisch nachweisen und einordnen, weist jedoch gegenüber den anderen Vorzüge auf, die für die Runenarbeit von Ausschlag gebender Bedeutung sind“, dann folgt wieder die gewöhnliche Schamanenlitanei, wie sie uns aus vielen gleichgelagerten „esoterischen“ Machwerken hinlänglich bekannt ist.
Der Autor hält es sicherlich für einen raffinierten psychologischen Schachzug, selbst vor derartigen Konstrukten zu warnen, wenn er schreibt (S. 17): „Wir neigen viel zu sehr dazu, blind an Dinge zu glauben, die uns mit geheimnisvollem Brimborium vorgegaukelt werden – und je mystischer und unüberprüfbarer die Legitimation, desto leichter fallen wir darauf herein.“ Und er fährt fort: „Also möge der geneigte Leser so tun, als hätte ich das in diesem Buch beschriebene Runensystem aus dem Nichts heraus Kraft meiner Wassersuppe erfunden !Selbst wenn es so wäre: Wenn das System in der praktischen Arbeit funktioniert, ist es ein gutes System, gleich, wo es herkommt.“
Was soll denn dabei „funktionieren“, wie könnte der Leser eine Betriebstauglichkeit ablesen können? Ein Runensystem ist eben kein Motor und eine Tauglichkeitsprüfung ist mithin nicht durch das Funktionieren eines Motors oder glatt laufender Kugellager problemlos und für jeden Laien klar ersichtlich. Aber selbst wenn ein Funktionieren im höheren Sinne ersichtlich würde, würden wir lediglich konstatieren können, dass sich ein Zeitgenosse namens Axel Brück eine in sich stimmige Symbolzeichenordnung ausgedacht hat, was uns jedoch nicht im mindesten erregen oder freudig überraschen könnte. Wir ernsthaften Runenfreunde suchen in den runischen Zeugnissen der Vorfahren den Atemhauch der Ahnen, wir wollen echtes altes Wissen erspüren, wir suchen uns selbst, unsere Identität, unsere Eigenart, unsere Gottesschau unser möglichst unverfälschtes, durch Fremdmächte nichtüberlagertes Weltverständnis !
Weil wir das alles in einem Runen-Roman, von der Art des Herrn Brück, nicht finden können, sind derartige literarische Arbeiten für uns absolut unergiebig, sogar kontraproduktiv, denn wir werden mit Albernheiten, mit Irrtümern, mit frei Erfundenem irritiert und sinnlos überfrachtet. Dass es in derartigen Büchern obendrein – zusätzlich zur falschen Gesamtschau - nur so wimmelt von Fehlinformationen, sei zudem erwähnt: Brück meint, unsere Vorfahren kannten in ihrem Weltbild „keine Dualitäten und Polaritäten“, doch die Edda berichtet über die Urpolarität von Nifelheim und Muspelheim (nördl. Nebel- u. südl. Feuerheim), und auch das eddische Weltenbaum-Gleichnis weist auf die Polarität von Wipfel- und Wurzelbezirk, also den Gegensatz zwischen Oben und Unten hin. Auch Brück lässt sich von der mittlerweile greisenhaften Unsinnsnummer der Herren List, Gorsleben, Wiligut, Flowers-Thorsson, Radegeis u.a.m. einfangen, die eine sogenannte runische „Mutterfigur“ oder „Matrix“ postulierten, welche ebenso die Runenfantasten innerhalb der SS derart faszinierte, dass die jüngere Hagal-Rune – als Grundgerüst des Hexagons - sogar auf dem Ehrenring der Schutzstaffel seine Placierung erfuhr (S. 83ff). Da Runenzeichen nicht allesamt von kantig-linearen Formen waren - manche Rundungen sind dazwischen - wie wir aus den Runensteingravuren Skandinaviens ersehen, können sie auch nicht aus einem haxagonales Gebilde als Ur- oder Mutterrune herausgelesen bzw. hineingepresst werden.
So, wie sich aus einem einzelnen Buchstaben allein kein bedeutender Sinn herauslesen lässt, sondern erst durch die planvolle Aneinanderreihung mehrerer Buchstaben zu einem Wort oder Satz, so vermögen auch Runenzeichen an sich, kaum eine weiterreichende Sinnvermittlung hervorzurufen. Brück doziert an einer Stelle: „...dann erfahren wir mehr über die Welt, weil die Runen gleichermaßen die Alltagswelt, die Anderswelt und die Götterwelt spiegeln.“ (S. 96). Die Einzelrune, als Segment eines Verbandes, spiegelt eben nur das Bruchstückchen eines Weltbildes von einer heidnischen „Alltags-Anders-Götterwelt“, die wir nur zu erfahren fähig werden, falls es uns gelingt, den Gesamtzusammenhang des Runenverbundes, also einer ursprünglichen Runenreihung, gewissermaßen eines aussagefähigen Runensatzes, zu deuten. -- Da Herr Brück aber aus ursprünglich nicht zusammengehörenden Einzelrunen einen von ihm selbst erfundenen Satz zusammenstellte, wären aus diesem seinem Kunstgebilde bestenfalls die Gedanken des Konstrukteurs - Axel Brück - herauszuhören -, darauf aber können wir gut verzichten.
Einen verdienten Verlag versetzte ich in die Lage, indem ich das Manuskript lieferte, ein Runenbuch der Spitzenklasse aus der Feder eines der sachkundigsten Indogermanisten, der Vergessenheit zu entreißen. J. Wilhelm Hauer schrieb den Text aus seinem fundierten Wissen nach langjährigen Forschungen in den Kriegsjahren unter dem Titel „Die Herkunft der Runen und der westeurasischen Alphabete aus den indogermanischen Heilszeichen und Sinnbildern“. Mir lag ein Stapel Kopien von zweitklassiger Qualität vor, welche in einer mühseligen Rekonstruktionsarbeit als Buch wiedererstanden sind -, unter dem Titel: „Schrift der Götter – Vom Ursprung der Runen“.
Das Werk bietet, wie von einem solchen Autor nicht anders zu erwarten, recht gehaltvolle Informationen zum gewählten Thema. Es beginnt mit der Besprechung der „bisherigen Hypothesen über die Herkunft der Runen“. Hauer vermittelt Verständnis für die zum Teil kontroversen Thesen über verschiedene Ableitungen, so auch die Entlehnung aus norditalischen Alphabeten und die Möglichkeit eines einheimischen Ursprunges. Schmerzhaft macht sich aber bereits in diesem ersten Kapitel der Umstand bemerkbar, dass uns ein wissenschaftsgeschichtlich überholter Stand vorgetragen wird. Immerhin liegen die Aufzeichnungen ca. 60 Jahre zurück. Es wird argumentativ die von Herman Wirth behauptete „Sonnenscheibe von Fossum“ mit einer ähnlichen in Genicai erwähnt (S. 9), welche „ganz auffällige Übereinstimmungen zwischen den norditalischen und den skandinavischen Felsbildern der Bronzezeit“ erweisen würden. Hier vertraute Hauer leider Wirth’scher Überzeugungskunst. In Wahrheit entspricht, aufgrund meiner eigenen Inaugenscheinnahme, kein einziges Zeichen der Fossum-Scheibe den Darstellungen Herman Wirths.
Kapitel 2 behandelt „Das Verhältnis der griechischen Schrift zur phönizischen und die Herkunft des phönizischen Alphabetes“, mittels einer Menge Vergleichsmaterial und lesenswerter Überlegungen, doch auch hier fehlen wichtige neue Entdeckungen, und ein Leser, der sich über den heutige Stand der Forschung erkundigen will, sollte eher zu Harald Haarmanns „Universalgeschichte der Schrift“ (1990) greifen. Trotzdem sind einige aus runenwissenschaftlicher Sicht (Ing-Rune) relevante Einzelzüge von bleibender Bedeutung, wie beispielsweise die Besprechung des griechischen Omikron, dem Augenzeichen. Hauers Überlegungen zielen darauf, Anstöße zur „phönizisch-semitischen“ Schriftentwicklung aus den indogermanischen Anstößen der „Seevölkerwanderung“ „illyrischen Phönizier“ zum Ende des 13. Jh. vor Ztr. herauszukristallisieren. Eine gewiss lohnenswerte Aufgabenstellung, die Hauser zwar nicht zur Zufriedenheit zu lösen vermochte, die aber heute ebenso wenig ad acta gelegt werden kann und darf. Der landläufige Irrtum, dass die „schrifterfindenden“ Phönizier insgesamt Semiten gewesen seien, kann gar nicht oft genug widerlegt werden ! Besonderes Gewicht legt Hauer auf die urillyrische Inschrift der Bügelkanne von Orchomenós, um herauszuarbeiten, dass es eine westindogermanische Sinnbildtradition gegeben habe, aus der auch Anteile der germanischen Runen ihre Anstöße empfangen haben könnten. Von der erst vor wenigen Jahren entdeckten vorindogermanischen balkanischen Vinca-Kultur konnte Hauer noch nichts wissen. Diese alteuropäische Kultur lässt sich nach den gefundenen Artefakten auf das 6. bis ins 3. Jahrtausend v. Ztr. datieren und gilt heute als die älteste Zivilisation der Menschheit. Was Hauer intuitiv anvisierte und sich mühselig erarbeitete, nämlich ein vorphönizisches alteuropäisches Sinnzeichensystem, ist heute längst Gewissheit. Und dass der Runenbestand auch daraus seine Anteile entnahm, ist unschwer beweisbar geworden (ich legte das bereits in meinem Buch dar !).
In Kapitel 3, „Die Überlieferung von der Erfindung der Schrift bei Griechen, Italikern und Germanen“, findet sich eine lesenswerte, allgemeinbildungsförderliche Zusammenstellung der diversen Legenden zur Entstehung der Schrift; aus runenwissenschaftlicher Sicht ist dies aber kaum weiterführend. Ganz anders das 4. Kapitel: „Die germanische Überlieferung von den Runen“. Hier versucht Hauer anhand einiger eddischer Textstellen klarzumachen, dass als der eigentliche Runenerfinder nicht Odin, vielmehr der riesische Wassergeist Mimir gegolten habe. Derart weitreichende Konsequenzen daraus zu ziehen, wie es Hauer tut, erscheint mir indes unzulässig. In Hávamál 138ff ist es einwandfrei Odin, der die Runenschrift (er)fand; im Sigrdrífumál Str. 14 „murmelt Míms Haupt erstmals Weisheitswort und wahrhaftige Stäbe“. Hauer überspitzt nun die Separierung von Odin und seinem Orakelmedium Mimir, indem er im letzteren die vorgermanische „westindogermanische mythische Urgestalt des Künders verborgener Weisheit, des Erfinders heiliger Zeichen“ erkennen will, „auf die alle griechischen und italischen Überlieferungen vom Schrifterfinder hinweisen“. Die naheliegende Erklärung, in Mimir lediglich eine Erscheinungsform Odins selbst zu sehen, muss sich Hauer verwehren, weil er sich auf die vermeintliche Spur eines vorgermanisch-westindogermanischen Schrifterfinders geheftet hat. Dergleichen gewagte Hypothesen sind heute überflüssig geworden, da - wie erwähnt - eine alteuropäische vorphönizische alphabetähnliche Linearschrift gefunden ist -; allerdings ist diese vorindogermanisch. Auch im 5. Kapitel des Buches, „Das Losorakel“, bemüht sich Hauer „das Vorhandensein von heiligen Zeichen im westindogermanischen Bereich“ nachzuweisen. Heute würde er damit offene Türen einrennen. Heute steht uns ein bedeutend gemehrtes Fundmaterial zur Verfügung, so dass wir konkret der Arbeitsfrage nachgehen könnten, welche Runenzeichen wurzeln definitiv in rein alteuropäischen Sinnzeichentraditionen und welche müssten als Ableitungsformen des phönizisch-griechisch-etruskische-lateinischen Buchstabenfundus angesehen werden ? Wissenschaftsgeschichtlich stehen wir bereits einige Stufen über Hauer und ein Mann seiner Qualität wäre vonnöten, mit seinem Eifer die erweitere Ausgangslage positiv für die finale Beantwortung der Runenfrage zu nutzen.
Sehr wertvolles Sinnbildmaterial stellt uns Hauer in seinem 6. Kapitel („Die Entwicklung der illyrisch-griechischen Sonderzeichen aus indogermanischen Sinnbildern“) vor, wobei anzumerken ist, dass er kein eigenständiger Feldforscher war, sondern lediglich ein profunder Kenner der seinerzeit verfügbaren Literatur, mit all den damals üblichen Fehlern und Mängeln, die leider in seine Arbeit eingehen mussten. Um nur ein Beispiel zu benennen: auf S. 110 bringt er eine Tabelle der Baumzeichen, in der die bronzezeitliche Abb. 18 vom Original völlig abweicht. Wichtige Baumdarstellungen der skandinavischen Bronzezeit fehlen, auch hat er die reichhaltige, aussagestarke Fülle der Lappentrommelzeichen sich nicht erschlossen. Insgesamt jedoch sind wir Hauer zu Dank verpflichtet für seine geleistete Fleißarbeit. Beispielsweise seine hervorragenden Erklärungen zur Odal-Rune (S. 126ff) sind grundlegend und mancher jüngere - in der Irre herumtappende - Runeninterpret sollte sie zu seiner Erkenntnisbereicherung sorgsam studieren. Auch sämtliche weitere Deutungsversuche der Runenzeichen sind lesens- und prüfenswert. Sie stellen jedenfalls wertvolle Gedankenanstöße und tiefgehende Erörterungen zur Thematik dar, dass vereinzelt Korrekturen oder Ergänzungen anzubringen wären, insbesondere was den mittlerweile bekannten mittel- und nordeuropäischen Sinnzeichenfundus anbelangt, versteht sich von selbst, beeinträchtigt aber keinesfalls ihren bleibenden Gesamtwert. Wäre es nur dieses Kapitel allein, es böte genug Argumente für den Erwerb des Hauer’schen Runenbuches!
„Die Ordnung der Runenreihe: ihr weltanschaulicher Gehalt“, so titelt Hauer sein 7. Kapitel. Es beginnt: „Aus den Untersuchungen des letzten Kapitels ist klargeworden, dass die westindogermanischen Schriftzeichen aus einem magisch-mystischen Mutterboden erwachsen sind. Es waren ursprünglich Sinnbilder mit weltanschaulichem Sinngehalt, der nur im Gesamtzusammenhang mit der indogermanischen Weltanschauung zu erfassen und zu verstehen ist.“ Das ist bedingungslos richtig, wie es die von mir vorgestellte Runenschau des Oding-Wizzod erweist. Das Strukturprinzip der Runenreihe zu finden war dem großen Indogermanisten Hauer nicht vergönnt, doch er dachte und deutete in die richtige Richtung. Arbeitsmethodisch ist an seinem Werk nichts zu bemängeln, ihm fehlte lediglich das Quäntchen Glück zur Entdeckung des linksläufigen Runengefüges, sämtliche Voraussetzungen dazu waren damals bereits gegeben. Trotzdem ist dieses Buch so wertvoll, dass es ein jeder Runenfreund erwerben und seinen Geist atmen sollte. Es lohnt sich !
Im angefügten Anmerkungsteil finden sich zusätzlich manche wichtigen Ergänzungen, Zitate und Quellenangaben. Ein umfängliches aufschlussreiches Literaturverzeichnis ist ebenso vorhanden wie Personen- und Sachregister sowie ein Glossar der Fremdworte und der weniger bekannten Begriffe; im letzteren findet sich zwar unter dem Begriff „Oding“ der Vermerk „siehe „Futhark“, doch unter „Futhark“ keine Erklärung des Begriffes „Oding“ -, was als der geringste Mangel des Buches zu werten wäre. Im „Nachwort des Herausgebers“, welches Dietmar A.R. Sokoll verfasste, wird kurz aber umfassend auf die Persönlichkeit J. Wilhelm Hauer eingegangen. Er war einer der großen ganzheitlichen Denker, ein Religionsgeschichtler der uns mit seinem epochalen Buch „Glaubensgeschichte der Indogermanen“ (1937) ein Werk von dauerhaftem Wert geschenkt hat und dem wir auch dankbar sind, zur Runenfrage einiges Arbeitsmaterial beigesteuert zu haben.
Das Werk bietet, wie von einem solchen Autor nicht anders zu erwarten, recht gehaltvolle Informationen zum gewählten Thema. Es beginnt mit der Besprechung der „bisherigen Hypothesen über die Herkunft der Runen“. Hauer vermittelt Verständnis für die zum Teil kontroversen Thesen über verschiedene Ableitungen, so auch die Entlehnung aus norditalischen Alphabeten und die Möglichkeit eines einheimischen Ursprunges. Schmerzhaft macht sich aber bereits in diesem ersten Kapitel der Umstand bemerkbar, dass uns ein wissenschaftsgeschichtlich überholter Stand vorgetragen wird. Immerhin liegen die Aufzeichnungen ca. 60 Jahre zurück. Es wird argumentativ die von Herman Wirth behauptete „Sonnenscheibe von Fossum“ mit einer ähnlichen in Genicai erwähnt (S. 9), welche „ganz auffällige Übereinstimmungen zwischen den norditalischen und den skandinavischen Felsbildern der Bronzezeit“ erweisen würden. Hier vertraute Hauer leider Wirth’scher Überzeugungskunst. In Wahrheit entspricht, aufgrund meiner eigenen Inaugenscheinnahme, kein einziges Zeichen der Fossum-Scheibe den Darstellungen Herman Wirths.
Kapitel 2 behandelt „Das Verhältnis der griechischen Schrift zur phönizischen und die Herkunft des phönizischen Alphabetes“, mittels einer Menge Vergleichsmaterial und lesenswerter Überlegungen, doch auch hier fehlen wichtige neue Entdeckungen, und ein Leser, der sich über den heutige Stand der Forschung erkundigen will, sollte eher zu Harald Haarmanns „Universalgeschichte der Schrift“ (1990) greifen. Trotzdem sind einige aus runenwissenschaftlicher Sicht (Ing-Rune) relevante Einzelzüge von bleibender Bedeutung, wie beispielsweise die Besprechung des griechischen Omikron, dem Augenzeichen. Hauers Überlegungen zielen darauf, Anstöße zur „phönizisch-semitischen“ Schriftentwicklung aus den indogermanischen Anstößen der „Seevölkerwanderung“ „illyrischen Phönizier“ zum Ende des 13. Jh. vor Ztr. herauszukristallisieren. Eine gewiss lohnenswerte Aufgabenstellung, die Hauser zwar nicht zur Zufriedenheit zu lösen vermochte, die aber heute ebenso wenig ad acta gelegt werden kann und darf. Der landläufige Irrtum, dass die „schrifterfindenden“ Phönizier insgesamt Semiten gewesen seien, kann gar nicht oft genug widerlegt werden ! Besonderes Gewicht legt Hauer auf die urillyrische Inschrift der Bügelkanne von Orchomenós, um herauszuarbeiten, dass es eine westindogermanische Sinnbildtradition gegeben habe, aus der auch Anteile der germanischen Runen ihre Anstöße empfangen haben könnten. Von der erst vor wenigen Jahren entdeckten vorindogermanischen balkanischen Vinca-Kultur konnte Hauer noch nichts wissen. Diese alteuropäische Kultur lässt sich nach den gefundenen Artefakten auf das 6. bis ins 3. Jahrtausend v. Ztr. datieren und gilt heute als die älteste Zivilisation der Menschheit. Was Hauer intuitiv anvisierte und sich mühselig erarbeitete, nämlich ein vorphönizisches alteuropäisches Sinnzeichensystem, ist heute längst Gewissheit. Und dass der Runenbestand auch daraus seine Anteile entnahm, ist unschwer beweisbar geworden (ich legte das bereits in meinem Buch dar !).
In Kapitel 3, „Die Überlieferung von der Erfindung der Schrift bei Griechen, Italikern und Germanen“, findet sich eine lesenswerte, allgemeinbildungsförderliche Zusammenstellung der diversen Legenden zur Entstehung der Schrift; aus runenwissenschaftlicher Sicht ist dies aber kaum weiterführend. Ganz anders das 4. Kapitel: „Die germanische Überlieferung von den Runen“. Hier versucht Hauer anhand einiger eddischer Textstellen klarzumachen, dass als der eigentliche Runenerfinder nicht Odin, vielmehr der riesische Wassergeist Mimir gegolten habe. Derart weitreichende Konsequenzen daraus zu ziehen, wie es Hauer tut, erscheint mir indes unzulässig. In Hávamál 138ff ist es einwandfrei Odin, der die Runenschrift (er)fand; im Sigrdrífumál Str. 14 „murmelt Míms Haupt erstmals Weisheitswort und wahrhaftige Stäbe“. Hauer überspitzt nun die Separierung von Odin und seinem Orakelmedium Mimir, indem er im letzteren die vorgermanische „westindogermanische mythische Urgestalt des Künders verborgener Weisheit, des Erfinders heiliger Zeichen“ erkennen will, „auf die alle griechischen und italischen Überlieferungen vom Schrifterfinder hinweisen“. Die naheliegende Erklärung, in Mimir lediglich eine Erscheinungsform Odins selbst zu sehen, muss sich Hauer verwehren, weil er sich auf die vermeintliche Spur eines vorgermanisch-westindogermanischen Schrifterfinders geheftet hat. Dergleichen gewagte Hypothesen sind heute überflüssig geworden, da - wie erwähnt - eine alteuropäische vorphönizische alphabetähnliche Linearschrift gefunden ist -; allerdings ist diese vorindogermanisch. Auch im 5. Kapitel des Buches, „Das Losorakel“, bemüht sich Hauer „das Vorhandensein von heiligen Zeichen im westindogermanischen Bereich“ nachzuweisen. Heute würde er damit offene Türen einrennen. Heute steht uns ein bedeutend gemehrtes Fundmaterial zur Verfügung, so dass wir konkret der Arbeitsfrage nachgehen könnten, welche Runenzeichen wurzeln definitiv in rein alteuropäischen Sinnzeichentraditionen und welche müssten als Ableitungsformen des phönizisch-griechisch-etruskische-lateinischen Buchstabenfundus angesehen werden ? Wissenschaftsgeschichtlich stehen wir bereits einige Stufen über Hauer und ein Mann seiner Qualität wäre vonnöten, mit seinem Eifer die erweitere Ausgangslage positiv für die finale Beantwortung der Runenfrage zu nutzen.
Sehr wertvolles Sinnbildmaterial stellt uns Hauer in seinem 6. Kapitel („Die Entwicklung der illyrisch-griechischen Sonderzeichen aus indogermanischen Sinnbildern“) vor, wobei anzumerken ist, dass er kein eigenständiger Feldforscher war, sondern lediglich ein profunder Kenner der seinerzeit verfügbaren Literatur, mit all den damals üblichen Fehlern und Mängeln, die leider in seine Arbeit eingehen mussten. Um nur ein Beispiel zu benennen: auf S. 110 bringt er eine Tabelle der Baumzeichen, in der die bronzezeitliche Abb. 18 vom Original völlig abweicht. Wichtige Baumdarstellungen der skandinavischen Bronzezeit fehlen, auch hat er die reichhaltige, aussagestarke Fülle der Lappentrommelzeichen sich nicht erschlossen. Insgesamt jedoch sind wir Hauer zu Dank verpflichtet für seine geleistete Fleißarbeit. Beispielsweise seine hervorragenden Erklärungen zur Odal-Rune (S. 126ff) sind grundlegend und mancher jüngere - in der Irre herumtappende - Runeninterpret sollte sie zu seiner Erkenntnisbereicherung sorgsam studieren. Auch sämtliche weitere Deutungsversuche der Runenzeichen sind lesens- und prüfenswert. Sie stellen jedenfalls wertvolle Gedankenanstöße und tiefgehende Erörterungen zur Thematik dar, dass vereinzelt Korrekturen oder Ergänzungen anzubringen wären, insbesondere was den mittlerweile bekannten mittel- und nordeuropäischen Sinnzeichenfundus anbelangt, versteht sich von selbst, beeinträchtigt aber keinesfalls ihren bleibenden Gesamtwert. Wäre es nur dieses Kapitel allein, es böte genug Argumente für den Erwerb des Hauer’schen Runenbuches!
„Die Ordnung der Runenreihe: ihr weltanschaulicher Gehalt“, so titelt Hauer sein 7. Kapitel. Es beginnt: „Aus den Untersuchungen des letzten Kapitels ist klargeworden, dass die westindogermanischen Schriftzeichen aus einem magisch-mystischen Mutterboden erwachsen sind. Es waren ursprünglich Sinnbilder mit weltanschaulichem Sinngehalt, der nur im Gesamtzusammenhang mit der indogermanischen Weltanschauung zu erfassen und zu verstehen ist.“ Das ist bedingungslos richtig, wie es die von mir vorgestellte Runenschau des Oding-Wizzod erweist. Das Strukturprinzip der Runenreihe zu finden war dem großen Indogermanisten Hauer nicht vergönnt, doch er dachte und deutete in die richtige Richtung. Arbeitsmethodisch ist an seinem Werk nichts zu bemängeln, ihm fehlte lediglich das Quäntchen Glück zur Entdeckung des linksläufigen Runengefüges, sämtliche Voraussetzungen dazu waren damals bereits gegeben. Trotzdem ist dieses Buch so wertvoll, dass es ein jeder Runenfreund erwerben und seinen Geist atmen sollte. Es lohnt sich !
Im angefügten Anmerkungsteil finden sich zusätzlich manche wichtigen Ergänzungen, Zitate und Quellenangaben. Ein umfängliches aufschlussreiches Literaturverzeichnis ist ebenso vorhanden wie Personen- und Sachregister sowie ein Glossar der Fremdworte und der weniger bekannten Begriffe; im letzteren findet sich zwar unter dem Begriff „Oding“ der Vermerk „siehe „Futhark“, doch unter „Futhark“ keine Erklärung des Begriffes „Oding“ -, was als der geringste Mangel des Buches zu werten wäre. Im „Nachwort des Herausgebers“, welches Dietmar A.R. Sokoll verfasste, wird kurz aber umfassend auf die Persönlichkeit J. Wilhelm Hauer eingegangen. Er war einer der großen ganzheitlichen Denker, ein Religionsgeschichtler der uns mit seinem epochalen Buch „Glaubensgeschichte der Indogermanen“ (1937) ein Werk von dauerhaftem Wert geschenkt hat und dem wir auch dankbar sind, zur Runenfrage einiges Arbeitsmaterial beigesteuert zu haben.
Da ich das Buch von Géza nicht gelesen habe, bringe ich in freundschaftlicher Geste im Folgenden zunächst seinen eigenen Erklärungstext: „Liebe Heiden, nachdem die Esoterik-Reihe des Heyne-Verlages von Ullstein übernommen wurde, erscheint nun mein Buch „Heilige Runen – Zauberzeichen des Nordens“ (Neufassung) im Ullsteinverlag. Dieser Verlagswechsel brachte die einmalige Gelegenheit, den Text des Buches noch einmal zu überarbeiten. Ich habe insgesamt 104 Seiten des Buches geändert, und bin dabei auch den Anmerkungen der Kritiker bei Amazon, im ER-Forum, aber auch auf anderen Foren und Netzseiten gefolgt. Das Manuskript war ja bereits vor über 12 Jahren fertiggestellt. Nun habe ich bei 34 Runeninschriften die Datierung auf den neuesten wissenschaftlichen Stand gebracht, habe zahlreiche Lesungen den neueren Forschungsergebnissen angepaßt und natürlich Fehler (z. B. „Westgotland“ statt richtiger „Västergötland“ oder „Bruder“ statt „Vater“ in einer Inschrift) korrigiert.
Den Diskussionen in den Foren folgend, habe ich Dinge umformuliert, die mißvrsändlich waren, z. B. die Gleichsetzung von Jesus mit Esus/Odinn, die Übersetzung von Garmr mit Karma oder die Frage, ob der Thul Unferd im Beowulfepos ein Schwert führte und kämpfte, oder nicht. Die ursprünglich von mir vermutete Wortverwandtschaft von Tius mit dem Begriff Diot (Volk) habe ich herausgenommen, den Namen „Tyrkreis“ habe ich - um Mißversändnisse zu vermeiden - als moderne Form für den Tierkreis bei den Germanen erklärt. Auch habe ich eine Quelle zur Deutung der Grimnismál-Verse als nordischen Tierkreis erwähnt. In Textzitaten von Caesar oder Tacitus habe ich die dort verwendeten Originalbegriffe für Runen (sortes, notae) mit eingefügt. Die von mir ursprünglich vermutete Verwandtschaft der Alu-Formel mit dem ägyptischen Anch habe ich zurückgenommen. Um der Überlieferung der alten Aettir-Benennungen mehr Raum zu geben, habe ich im Text unter den drei Runengruppen immer noch zusätzlich die überlieferten Aettir-Benennungen mit angeführt. Daß das Ogom von Zweigrunen abgeleitet ist, habe ich diesmal nach H. Arntz zitiert, so daß es nicht als meine eigene Aussage dasteht. Besonders möchte ich auf die Ergänzungen hinweisen: Über die drei Stände habe ich noch ausführlicher brichtet, dann das schwedische Runenlied erwähnt und Originalgebete zum Loswerfen mit angeführt. Was meine Kritiker besonders freuen dürfte: Mehrfach (z. B. auf S. 14) habe ich darauf hingewiesen, daß die auf die Quellen gestützten Deutungen eben meine eigenen Deutungen sind. Damit dürfte dieses Buch nunmehr für auch kritische Heiden/Ásatruar verwendbar sein, da ich ihren Einwänden zum großen Teil gefolgt bin. - Lichtgruß, Allsherjargode Géza von Neményi“
Géza ist ein interessanter Sonderfall, er lehnt als über das Herkömmliche recht gut informierter Runen-Purist - ebenso wie ich - die Fischbach-List’sche Runenverwirrung entschieden ab. Trotzdem, weil er sonst kein System in den diversen Runen-Korpora zu erkennen vermochte, kann er es nicht lassen, nicht anders als Altmeistergaukler Guido List, an die 18 Zauberliedankündigungen in der eddischen Hávamál als Stützgerüst einer Runenerklärungsfolge, zu glauben. Mir widersprach brieflich v. Neményi in Fragen der Zuordnungen zu „Odins Runengedicht“, deshalb überlasse ich zu dem Komplex die Erklärung Rudolf Simek („Lexikon der germ. Mythologie“, S.162): Daran, den Hávamál-Belehrungen an einen jungen Mann, „schließt sich 138-141 der für die Mythologie bedeutsamste Teil der Háv, das sogenannte ,Runengedicht Odins’ (Rúnatals Þáttr Óðins), welches Odins Selbstopfer enthält. Nach einer Überleitung (142-145) folgen im letzten Teil der Háv die sogenannten Zauberlieder (auch ljóðatal, 146-164), die Ankündigungen von 18 Zaubersprüchen enthalten, sie selbst werden aber nicht mitgeteilt.“ Géza hat sich, im Verein mit den längt überholten ariosophischen Runenschulen, an diesem absolut unergiebigen Teil festgebissen und versucht unter allen Umständen Sinnzusammenhänge mit den verschiedenen „Runenliedern“ zu konstruieren. Die ersten 16 Hávamál-Sprüche (von 146-162) müssten nach dieser irrigen Theorie mit der Stabfolge der 16 Runen des Jüngeren Fuðark deckungsgleich sein. Es handelt sich aber um 18 möglicherweise „runenbezügliche“ Strophen und in einleitender Strophe 141 heißt es: „Hauptlieder neun lernt ich von dem weisen Sohn Bölthorns, des Vaters Bestlas“, womit der Runen-Informant Odins gemeint ist. Von den 16 Runen kann hier mithin kaum die Rede sein. Bei Strophe 146 beginnen - nach Auffassung dieser Sichtweise - die Runenstab-Charakter-Erklärungen. Dort heißt der Vers der sich auf die 1. Rune („Vieh / Zahlungsmittel / Geld“) beziehen soll, nach Simrock: „Besser nicht gebeten, als zu viel geboten: Die Gabe will stets Vergeltung. Besser nichts gesendet, als zu viel getilgt; so ritzt es Thudr zur Richtschnur den Völkern. Dahin entwich er, von wannen er ausging.“ Mit Thudr ist Gott Odin als Verkünder gemeint. Ich verstehe den Vers als allgemeine erzieherische Verhaltensermahnung, ohne speziellen Bezug auf den Umgang mit Bezahlungsverpflichtungen bzw. zum Geld. Der Satzteil: „Besser nichts gesendet, als zuviel getilgt“, wird ja nicht ernsthaft der Ratschlag eines gerechten Gottes im Umgang mit Kaufabsichten und Zahlungsverpflichtungen (die Spanne des Zahlungsverkehrs) sein können ! Bei nächster Hávamál-Strophe 147 geht es um ein völlig anderes Thema, sie lautet: „Lieder kenn ich, die kann die Königin nicht Und keines Menschen Kind. Hilfe verheißt mir eins, denn helfen mag es in Streiten und Zwisten und in allen Sorgen.“ Was nun „Hilfe [„in Streiten und Zwisten“] verheißt“ wird nicht mitgeteilt. Der folgende Vers (148) soll sich auf die 2. Rune „Ur“ - dem alten Auerochsen-Zeichen – beziehen, denn der nächste Vers gibt an, er sei der dritte. Nicht die entfernteste Bezogenheit auf „Ur“, den Auerochsen bzw. das Urstieropfer, ist erkennbar. Strophe 148 lautet: „Ein anderes weiß ich, des alle bedürfen, die heilkundig heißen.“ Hier könnte nur eine echte Heilrune gemeint sein, aber, dass der Ur-Stab ein spezifisches Heilszeichen wäre, ist nie erkennbar geworden. Für die 3. Rune, jener des unholden Thurs / Thursen, soll dann der Vers 149 Gültigkeit haben: „Ein drittes weiß ich, des ich bedarf Meine Feinde zu fesseln. Die Spitze stumpf ich dem Widersacher; Mich verwunden nicht Waffen noch Listen.“ Zur Thurs-Rune passt der Spruch nur unter Gewaltanwendung. Es ist eine Rune die bekanntlich zur Verletzung, zum Angriff, also um Böses zu bewirken, genutzt wurde, dass es eine Schutzrune sei - die Feinde fesseln und Waffenspitzen stumpf machen kann - wäre eine völlig unbelegte, freie Interpretation. Trotzdem schreibt Géza mit Brief (wie immer undatiert): „Also zusammengefasst: Gold/Viehbesitz ist eine Hilfe, denn wenn man es verteilt, wird man Ehre erlangen (ang. R.L.), aber es verursacht eben auch Streit der Verwandten (um das Gold). Im Hav. Vers 146 ist es eine Hilfe bei Sorgen und im Streit. Warum ? Hierzu muß man wissen, daß Streite auf dem Þing oft durch Zahlung einer Buße beigelegt wurden - somit schlichtete „Gold“ den Streit. -- Ich finde die Runenlieder, einschließlich Hávamál, sind hier völlig einer Meinung.“ Was Géza vorträgt klingt ja ganz plausibel, doch hat er die zweite Strophe zur ersten unerlaubterweise dazugeschlagen, nichts steht beim angeblichen Vers für das Geld (146) von Streit ! Gézas Argumentation ist also eine glatte Luftnummer bzw. so eine Art Schattenboxen. Géza fährt fort mit einem weiteren argumentativen Beispiel: „Aber nehmen wir eine andere Rune: haglaz. [...] Also überall wird das Hagelkorn, der Schnee und das Wasser erwähnt. Und im Hávamál ? > Ein siebentes weiß ich, wenn hoch der Saal steht Über den Leuten in Lohe: Wie breit sie schon brenne, ich berge ihn noch, Den Galdr weiß ich zu singen.< (152) Hier wird die Rune benutzt, um eine brennende Halle zu löschen - mit Schnee oder Wasser bzw. Hagel kein Problem. Somit hätten wir schon zwei Übereinstimmungen....“ Diese Proben der „Runenweisheit“ dürften genügen, das ist keine redlich forschende Wissenschaft, das ist Rabulistik ! Wer vom Hausbrand über krause Winkelzüge auf Hagel schließt, weil sich der Vers nun unbedingt auf Hagel beziehen soll, der verfährt wie das Dichterlein, welches grollt: „Vers reim’ Dich, oder ich erschlag’ Dich !“ Anhand dieser ersten Beispiele sehen wir, dass es ohne Zwang und Druck nicht geht, die Hávamál-Verse von 146 bis 162 den 16 Runen des Jüngeren Fuðark anzukleben. Wenn Géza in dieser von ihm vorgetragen Art und Weise sein gesamtes Runenbuch verfasst hat, würde es die Runologie keinen Schritt voran gebracht haben. Auch im Bereich alberner Gleichsinnvermutungen aufgrund lautlicher Gleichklänge, mit denen List und Gorsleben zu recht als unseriös in Verruf gekommen sind, scheint sich Géza nicht durch die nötige Zurückhaltung hervorgetan zu haben. Seine etymologisch unhaltbaren Verbindungen von „Jesus mit Esus/Odinn“ und „Garmr mit Karma“ sprechen für sich. Gut, dass er - zumindest diesbezüglich – das extrem dünne Eis verlassen hat. Was ansonsten in seinen Schriften an möglichen Fehlleistungen zu konstatieren wäre, bleibt offen. Trotzdem ist Herr v. Neményi jedenfalls ein Gewinn für das Heidentum als respektabler, anerkennenswerter Aktivist und Forscher, den ich schon deshalb schätze, weil er korrekt das Dattelpalmbaum-Bildnis im Externstein-Relief - welches einige blindgläubige Fantasten Irminsul nennen - als „Dattelpalme“ bezeichnet.
Hermann Alexander Graf Keyserling (1880-1946) war ein umstrittener deutschbaltischer Philosoph und Schriftsteller, der über lange Zeit Freundschaft pflegte mit dem englischen deutschfreundlichen Schriftsteller Houston Stewart Chamberlain („arischer Jesus“), mit dem er - nach eigenen Worten - „sachliche und gesinnungsmäßige Übereinstimmung“ empfand. Trotzdem bezeichnete er den Nationalsozialismus früh schon als Irrationalismus, der zur Katastrophe führen müsse. Sein Anspruch, Weisheitslehrer und Leiter einer Weisheitsschule zu sein, bot Anlass zu manchem Spott seiner Zeitgenossen. Er erhielt im Dritten Reich ein nur lasch gehandhabtes Redeverbot.
Sein Sohn Arnold Keyserling (1922-2005) trat später ebenfalls als Philosoph hervor. Im Institut seines Vaters, der „Schule der Weisheit“, gaben sich namhafte Denker und Dichter die Türklinke in die Hand, bis sie zwangsgeschlossen wurde. Nach dem Krieg lernte Arnold Keyserling Wilhelmine von Auersperg kennen, die er heiratete. Arnold Keyserlings persönliche Lehrer waren u.a. Georges I. Gurdjieff und der indische Yogi Ramanda Maharshi.1974 wurde er Professor für Religionsphilosophie und gründete die „Schule des Rades“, den Studienkreis „Kriterion“ und gab die Zeitschrift „Pleroma“ heraus. Seine Bücher publizierte er im eigenen „Verlag der Palme“. Nach seinem Tod übernahm seine Ehefrau Wilhelmine die Leitung des Studienkreises, die bis zu ihrem Ableben als Yogalehrerin tätig war. Die „Schule des Rades“ lehrte eine Lebensphilosophie vom Schöpfungsurvater und Urmutter und dem Menschen als Gotteskind, auf die ich nicht näher eingehen muss. Es wird bei ihm von germanischen Überlieferungen geredet, von germanischen kabbalistischen und indianischen Zählweisen und vom hinlänglich bekannten ariosophischen Unsinnswust, dem „Futhork Grundsymbol der Hagalrune, dem Chi“. Angeblich besteht der „Atem des Alls aus folgenden Runen“, dann werden die jüngere Hagal-, Is-, Not-, Eh-, Man- und Yrr-Rune demonstriert. Diese Runen aus Guido Lists 18er Runen-Erfindung werden auch exakt nach List’schen Vorgaben definiert, also falsch: „Die Is-Rune, die Grundlage des Ich, ist die innere Achse des Chi. - Die Man-Rune zeigt, daß der Mann aus dem Nagual empfängt, von oben und seine Vision im Tonal verwirklicht. - Die Yrr-Rune veranschaulicht, daß die Frau von unten aus der Erde empfängt, vom Tonal her, und deren Bedürfnisse versteht. Beide zusammen in der Zwillingskreuzigung schaffen die Voraussetzung der Verbindung von Himmel und Erde.“ Ausgeführt wird weiter: „In der germanischen Überlieferung heißt die Summe aller Zahlen das GOT, das den männlichen und weiblichen Runenkräften gleich dem indischen Brahman als Es, gleichzeitig männlich und weiblich, zugrunde liegt. Rüdiger nannte sie das Schöpfergesetz, das im Einklang mit der Edda nur bis zur Zahl 18 überliefert war und so die entscheidende Befreiung des Menschen dem Bewußtsein entzog. … Die Einheit zwischen Mensch und All darf nicht nur privat im Verborgenen geschehen wie in den letzten 10.000 Jahren, da sie das Anliegen der Gattung ist: sie muß öffentlich werden, die Ehrfurchtsmitte bilden, damit der Urzusammenhang zum GOT wiedergefunden wird.“ Arnold Keyserling mischte etliche Weisheitslehren der verschiedensten Kulturkreise nach eigenem Gutdünken absolut unpassend zusammen und stützte sich blind vertrauend - selbst in der Runenwissenschaft unerfahren - auf die unsinnige ariosophische Tradition, die mit den unreifen und leichtsinnigen Runen-Fantasien Friedrich Fischbachs im Jahre 1900 begann. Somit ist zu konstatieren, die gesamte breit ausgebaute Keyserling’sche „Lehre vom Rad“ steht auf tönernen Füßen, ist in Wahrheit nichts als ein gutgemeintes, schillerndes Konstrukt.
mutete der Lesewelt sein „Runenmagie in Theorie und Praxis: Das Lehrbuch der Meister“ (2013) zu. Anders ist es nicht zu formulieren. Die jeweiligen Verlagsankündigungen sind bekanntlich hemmungslos, so auch in diesem Falle. Da heißt es: „Der Runenforscher Heiko Weppner, führt die Leser in diesem Buch in die Kunst der Runenmagie ein“, und: „Dieses Buch ist eine Summe der esoterischen Runenforschung und gleichzeitig der Deutung der Runenmagie. Es ist ein wichtiger Beitrag nicht nur zur Frage nach den Anwendungsmöglichkeiten der Runenmagie, sondern auch zur Diskussion über das Magieverständnis allgemein. Der Autor vermittelt in diesem Lehrbuch die magische Funktionsweise der Runen, wie man sie anwendet und was man mit ihnen erreichen kann. … seit über einem Jahrzehnt und zählt zu den kompetentesten Fachleuten auf diesem Gebiet.“
Die Wahrheit sieht bedeutend nüchterner aus. Der Runenulk vom Beginn des 20. Jahrhunderts findet bis heute kein Ende ! Der Autor hat von Runen keine blasse Ahnung. So werden z.B. auf Seite 113 drei Thurisaz-Runen nebeneinander abgebildet, ohne dass dabei das Wichtigste mitgeteilt wird, nämlich, dass diese Zeichen den unholden Riesen (Thurisaz = Thurse = Riese) meinen, welcher - wenn es schon Magie sein soll - Schadensmagie auslösen müsste, wie es im Skirnirlied der Edda heißt. Wer so viel von Heilmagie faselt, von Heilrunen-Kombinationen, von Runenakupunktur, von homöopathischen Runenpotenzen, dann sogar von christlicher Runenmystik fantasiert, der sollte sein Metier zuvor besser - aber im streng wissenschaftlichen Sinn - studiert haben. Dann allerdings hätte er ein anderes Buch geschrieben, oder besser seine Finger vom Thema gänzlich weggelassen.
Thomas Vömel,
alias Voenix, versteht sich als heidnischer Künstler, er ist in erster Linie Maler und lobenswerter heidnischer Propagandist. (Aktion „Die entweihte Donareiche zu Fritzlar“) Sein gutes Motto: „Heiden vereinigt euch“. Auf dem Domplatz zu Fritzlar machte er auf das antiheidnische bronzene Bonifatius-Denkmal aufmerksam, das „auf empörende Weise den sogenannten Apostel der Deutschen verherrliche“, der mit einer Axt bewaffnet auf dem einstig gefällten Eichenstumpf christlich-missionarische Unduldsamkeit demonstriert. Über 100 Heiden folgten seiner Einladung. (Am 14.Juni 2014 um 16 Uhr ist es wieder soweit - dann treffen sich Heiden aller Coleur, um gemeinsam Gesicht zu zeigen und gegen eine Bonifatius-Statue zu demonstrieren, die bis heute den gewaltsamen Akt der Donareichen-Fällung und damit unsere Zwangs-Christianisierung verherrlicht). Der Darstellungswille Vömels ist in Gänze beachtlich und zweifellos eine Bereicherung für das Heidentum, wenn auch sein Heidenverständnis sehr bunt, wie amerikanisiert bzw. spaßgesellschaftlich anmutet. Leider kann sein Runenbuch „Magie der Runen“ (überarbeitete Auflage 2005) nicht so positiv beurteilt werden. Perfekt passen Vömels Arbeiten in das esoterische Umfeld der einstigen Hippi-Bewegung hinein, entsprechen also dem „New Age“-Geschmack. Zum Buch gehört ein Runenkarten-Set, eines der schlechtesten das auf dem Markt ist. Die altnordischen Götter-Zuordnungen zu den verschiedenen Runen sehen - Vömels allgemeinem Stil entsprechend - eher weniger ansprechend aus, ohne Liebe zum Detail, grob, wie auf die Schnelle dahingepinselt -, aber über Kunst lässt sich ja bekanntlich streiten. Der Autor spricht es selbst aus: „Mein erklärtes Ziel ist es, die bunt schillernde Welt der Mythen und Sagen wieder verstärkt ins Bewusstsein interessierter Menschen zu heben und hierfür Räume zu schaffen, in denen uns die alten Götter und ihre Widersacher nicht mehr als ausgelagerte, übermächtige Wesen begegnen, sondern als zeitlose Archetypen, deren Wirken und Walten wir ebenso in uns selbst beobachten können.“ Deshalb versucht er überbunt, schrill, also zeitnah, mittels Tusche, Acryl, Tempera, Aquarell und Air-Brush seine Götter- und Runenvisionen zu verlebendigen. Warum auch nicht ?!
Da der Autor ein runologisches Struktursystem nicht erkennen kann, mischt er bunt durcheinander korrekte Angaben mit freier Fantasie. Die Fehu-Rune erklärt er vernünftig: „Symbolisiert: die Hörner des Viehbestandes“, will aber - unsicher wie er ist - auch der alt-ariosophischen Erklärung Genüge tun - in der sie als Feuerzeichen gilt - und textet deshalb dazu: „Impulsworte: Vieh, Geld, Feuer.“ Auch weitere Zusammenstellungen entsprechen leichtsinnigster Ausdeutung: „Ausdehnung, Fruchtbarkeit, Erschaffung und Zerstörung, Baum: Holunder, Heilkraut: Nessel, Astrologie: Widder, Tarot: Turm (E. Thorson) / Magier (Akron), Polarität: weiblich, Farbe: Feuerrot, Gottheit: Frigg / Freyr / Freyja, Element: Feuer.“ Zur f-Rune führt er dann aus: „Die ersten drei Runen bilden interessanterweise das Wort ,Futh’, was sicherlich nicht zufällig auf die ,heilige Fut der Großen Erdmutter’ hinweist, der einstmals alle Schöpfung entsprang und die bei einigen Naturvölkern selbst heute noch auf die ein oder andere Weise höchste Verehrung erfährt. Das diese all-schöpferische und all-heilende Macht in unserer Gesellschaft jedoch ein klägliches Schattendasein fristet, offenbart sich bspw. in dem obszönen Begriff ,Fotze’, das als stark negativ besetztes Schimpfwort gilt.“ Dass das linke Ende der Runenreihe das weibliche Geschlechtsteil meinen könnte, ist zwar eine originelle Deutung, entspricht aber eher dem Hirn eines sehr jungen Mannes, dem diese weiblichen Regionen unablässig im Hirn präsent sind.
Zu seiner Kartenmalerei für die f-Rune erklärt er: „Auf der Karte symbolisiert eine aus dem Feuer hervorstürmende Rinderherde Fehus Kraft….“ Schon hier, wie in allen folgenden seiner Runenerklärungen, erkennt der informierte Leser, dass Vömel-Voenix sich auf die falschen Überlieferungen aus der Schule des Fischbach-List’schen Irrtums stützt, weil er eigene Erklärungshorizonte zu finden unfähig ist. Damit ist zwar ein modern anmutendes Runenbuch entstanden, was jedoch einer grell, auf Jugend geschminkten Leiche aus den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gleicht.
ein schwedischer Lehrer, veröffentliche sein Buch „Norden och Kontinenten i gammal tid“, 1944, welches einige beachtenswerte Aussagen macht:
Seite 42: „Durch die Runen wurde ein neues Ausdrucksmittel geschaffen, das die alten Symbolzeichen ablöste, aber es traf nicht ein, daß die wohlbekannten Ideogramme der Felsbilder (Sonnenrad, Fußspur, Hand, Kreuz und andere) auf das Entstehen des Futhark einwirkten, das in seinem gesamten Aufbau einen Ursprung von einem südeuropäischen Alphabet verrät. Die Beweise dafür sind nicht nur alphabetgeschichtlich, sondern gehen direkt aus dem inneren Aufbau des Alphabets hervor, der klar zeigt, daß man erstrebte, so exakt wie möglich das Lautsystem eines altgermanischen Dialektes wiederzugeben. Die Buchstabenmagie, die Runennamen und die Ordnungsfolge sind sekundäre Erscheinungen.“ Im Letzteren irrte Askeberg, wie die ODING-Entschlüsselung beweisen konnte.
Seite 69: „Diese Verbreitungsverhältnisse sind indessen sehr markant und erklären sich aus dem deutlichen Unterschied, den es zwischen den nord-, ost- und westgermanischen Kulturgebieten gab, von denen die beiden ersten miteinander in engem Kontakt standen. Das westgermanische Gebiet weist bis zum Beginn des 6. Jahrhunderts keine Spur von Runen auf. Im ostgermanischen Gebiet gibt es sehr wenige Inschriften, das ist richtig, aber zum einen Teil waren die Fundumstände außerhalb des Gebietes des deutschen Reiches sehr ungünstig, zum anderen hatte dort die Runentradition nur eine kurze Dauer. Das Vorkommen ist jedoch sicher belegt, und Ulfila hat nachweislich Runen gekannt.“
Seite 77: „Während der ersten Runenperiode, bis um das Jahr 500, wurden die Runen nur unbedeutend verändert. Auch dies verleiht der Ansicht, daß die ältesten Runenfunde das Ergebnis einer langen Entwicklung in einer fundlosen Zeit sind, keine Unterstützung. Die Ungleichheit, die die Runen gegenüber ihrem klassischen Vorbild aufweisen, hat es dagegen mit größter Wahrscheinlichkeit schon im Werk des ersten Runenmeisters gegeben. Das Futhark ist keine sklavische Kopie, sondern offenbart sich durch die Form und Gruppierung der einzelnen Zeichen als eine ziemlich freie Umarbeitung des Vorbildes. All die Versuche, die man gemacht hat, um das Rätsel des Ursprunges der Runen zu lösen, sind mißglückt, weil man versuchte, die exakte Identität mit den griechischen, lateinischen respektive norditalienischen Alphabeten zu finden. Sie mußten auch mißglücken, wenn man nicht zuletzt mit dem Runenalphabet als eine individuelle Erschaffung rechnet.“
Seite 79: „Die Verbreitung der ältesten Runenfunde im Weichselgebiet und seinen Ausläufern im Norden entspricht dagegen genau den geographischen und kulturellen Bedingungen, die wir aus alphabethistorischen Gründen als am idealsten voraussetzen können. Unter diesen ältesten Funden bilden die fünf Speerspitzen von Stabu, Moss, Dahmsdorf, Kowel und Rozwadow eine typologisch einheitliche Gruppe, die mit Ausnahme der stark durch Feuer beschädigten von Stabu durch ihre Silbertauschierung und Verzierung einen markanten russischen Anteil aufweisen. Auch die Spitze von Stabu scheint nach der ersten Beschreibung von Rygh Spuren von entsprechenden Verzierungen gehabt zu haben, bevor die Glutpatina bei der Konservierung entfernt wurde.“
Seite 82: „Aus diesen Umständen müssen wir den Schluß ziehen, daß die Runen im Weichselgebiet schon vor der Auswanderung entstanden. Dieser Schlußsatz erhält in der Verbreitung der ältesten Funde Unterstützung. Zwei der Runenspeere, Rozwadow in Wolynien und Kowel in Ostgalizien, wurden in der Richtung der Wanderung gefunden. Verzierte Speerspitzen von gleichem Typ kommen dagegen in Südrußland nicht vor, woraus man schließen kann, daß die Verzierung von Waffen mit südrussischen Ornamenten ein Impuls war, der nur von den gotischen Waffenschmieden im Weichselgebiet ausging. Weil auf der anderen Seite die Kulturströmung, die vom gotischen Schwarzmeergebiet ausging und die durch eine hochentwickelte Goldschmiedekunst gekennzeichnet ist, keine Runen aufweist, können folglich die Runen nicht durch unmittelbaren Kontakt mit der klassischen Kultur entstanden sein, den diese Kulturströmung voraussetzt, ein Schlußsatz, zu dem wir schon aus anderen Gründen gekommen sind. Den Ring von Pietrassari, der der einzige südgotische Fund ist, muß man dann als einen konservativen Rest in einem heidnisch-religiösen Zusammenhang sehen. Das Alphabet, das den intimeren Kontakt mit der klassischen Kultur als Voraussetzung hatte, war indessen das Alphabet Ulfias, aber auch dieses war nur von kurzer Dauer, denn die Entgermanisierung ging sehr schnell vor sich.“
Seite 85: „Mit Unterstützung von kulturhistorischen, philologischen, alphabethistorischen und typologischen Fakten will ich also behaupten, daß die Runen mit dem lateinischen Alphabet als Vorbild während des Verlaufes des 2. Jahrhunderts nach Chr. bei den Goten im Weichselgebiet entstanden.“
Seite 42: „Durch die Runen wurde ein neues Ausdrucksmittel geschaffen, das die alten Symbolzeichen ablöste, aber es traf nicht ein, daß die wohlbekannten Ideogramme der Felsbilder (Sonnenrad, Fußspur, Hand, Kreuz und andere) auf das Entstehen des Futhark einwirkten, das in seinem gesamten Aufbau einen Ursprung von einem südeuropäischen Alphabet verrät. Die Beweise dafür sind nicht nur alphabetgeschichtlich, sondern gehen direkt aus dem inneren Aufbau des Alphabets hervor, der klar zeigt, daß man erstrebte, so exakt wie möglich das Lautsystem eines altgermanischen Dialektes wiederzugeben. Die Buchstabenmagie, die Runennamen und die Ordnungsfolge sind sekundäre Erscheinungen.“ Im Letzteren irrte Askeberg, wie die ODING-Entschlüsselung beweisen konnte.
Seite 69: „Diese Verbreitungsverhältnisse sind indessen sehr markant und erklären sich aus dem deutlichen Unterschied, den es zwischen den nord-, ost- und westgermanischen Kulturgebieten gab, von denen die beiden ersten miteinander in engem Kontakt standen. Das westgermanische Gebiet weist bis zum Beginn des 6. Jahrhunderts keine Spur von Runen auf. Im ostgermanischen Gebiet gibt es sehr wenige Inschriften, das ist richtig, aber zum einen Teil waren die Fundumstände außerhalb des Gebietes des deutschen Reiches sehr ungünstig, zum anderen hatte dort die Runentradition nur eine kurze Dauer. Das Vorkommen ist jedoch sicher belegt, und Ulfila hat nachweislich Runen gekannt.“
Seite 77: „Während der ersten Runenperiode, bis um das Jahr 500, wurden die Runen nur unbedeutend verändert. Auch dies verleiht der Ansicht, daß die ältesten Runenfunde das Ergebnis einer langen Entwicklung in einer fundlosen Zeit sind, keine Unterstützung. Die Ungleichheit, die die Runen gegenüber ihrem klassischen Vorbild aufweisen, hat es dagegen mit größter Wahrscheinlichkeit schon im Werk des ersten Runenmeisters gegeben. Das Futhark ist keine sklavische Kopie, sondern offenbart sich durch die Form und Gruppierung der einzelnen Zeichen als eine ziemlich freie Umarbeitung des Vorbildes. All die Versuche, die man gemacht hat, um das Rätsel des Ursprunges der Runen zu lösen, sind mißglückt, weil man versuchte, die exakte Identität mit den griechischen, lateinischen respektive norditalienischen Alphabeten zu finden. Sie mußten auch mißglücken, wenn man nicht zuletzt mit dem Runenalphabet als eine individuelle Erschaffung rechnet.“
Seite 79: „Die Verbreitung der ältesten Runenfunde im Weichselgebiet und seinen Ausläufern im Norden entspricht dagegen genau den geographischen und kulturellen Bedingungen, die wir aus alphabethistorischen Gründen als am idealsten voraussetzen können. Unter diesen ältesten Funden bilden die fünf Speerspitzen von Stabu, Moss, Dahmsdorf, Kowel und Rozwadow eine typologisch einheitliche Gruppe, die mit Ausnahme der stark durch Feuer beschädigten von Stabu durch ihre Silbertauschierung und Verzierung einen markanten russischen Anteil aufweisen. Auch die Spitze von Stabu scheint nach der ersten Beschreibung von Rygh Spuren von entsprechenden Verzierungen gehabt zu haben, bevor die Glutpatina bei der Konservierung entfernt wurde.“
Seite 82: „Aus diesen Umständen müssen wir den Schluß ziehen, daß die Runen im Weichselgebiet schon vor der Auswanderung entstanden. Dieser Schlußsatz erhält in der Verbreitung der ältesten Funde Unterstützung. Zwei der Runenspeere, Rozwadow in Wolynien und Kowel in Ostgalizien, wurden in der Richtung der Wanderung gefunden. Verzierte Speerspitzen von gleichem Typ kommen dagegen in Südrußland nicht vor, woraus man schließen kann, daß die Verzierung von Waffen mit südrussischen Ornamenten ein Impuls war, der nur von den gotischen Waffenschmieden im Weichselgebiet ausging. Weil auf der anderen Seite die Kulturströmung, die vom gotischen Schwarzmeergebiet ausging und die durch eine hochentwickelte Goldschmiedekunst gekennzeichnet ist, keine Runen aufweist, können folglich die Runen nicht durch unmittelbaren Kontakt mit der klassischen Kultur entstanden sein, den diese Kulturströmung voraussetzt, ein Schlußsatz, zu dem wir schon aus anderen Gründen gekommen sind. Den Ring von Pietrassari, der der einzige südgotische Fund ist, muß man dann als einen konservativen Rest in einem heidnisch-religiösen Zusammenhang sehen. Das Alphabet, das den intimeren Kontakt mit der klassischen Kultur als Voraussetzung hatte, war indessen das Alphabet Ulfias, aber auch dieses war nur von kurzer Dauer, denn die Entgermanisierung ging sehr schnell vor sich.“
Seite 85: „Mit Unterstützung von kulturhistorischen, philologischen, alphabethistorischen und typologischen Fakten will ich also behaupten, daß die Runen mit dem lateinischen Alphabet als Vorbild während des Verlaufes des 2. Jahrhunderts nach Chr. bei den Goten im Weichselgebiet entstanden.“
In „DIE ZEIT“ vom 22.02.2007 Nr. 09 fand sich ein Artikel über Runen; der Autor Wolfgang Krischke berichtete über den Münchner Germanisten Theo Vennemann, welcher glaubt, den Ursprung der germanischen Schrift gefunden zu haben: Sie sei mit den Phöniziern in den Norden Europas gekommen. („Germanische Runen und phöniziches Alphabeth“, 2006, In: „Sprachwissenschaft“ 31.4, S. 367-429) Wir folgen dem bearbeiteten Artikel des Herrn Krischke: Die Runen sollen nach alten Berichten von Göttervater Odin selbst stammen. Der bohrte sich zum Zweck der Bewusstseinserweiterung einen Speer durch den Leib und hing dann blutend und leidend im kosmischen Baum. Die Visionen, die er während dieser Extrem-Meditation empfing, lehrten ihn, wie man Runen (Sinnzeichen des Seins) ritzt – und ihre magische Macht nutzt. In der historischen Realität jedoch lässt sich die Frage nach der Entstehung der ältesten germanischen Schrift nicht mythologisch beantworten. Zwar sind sich die Wissenschaftler keineswegs einig, dass die Germanen die (nicht durchgehend) spitzwinkligen Zeichen nicht selbst erfanden, sondern eine Vorlage abwandelten. Ob es nun das griechische, etruskische oder lateinische Alphabet war, die alle auf die phönizische Schrift zurückgehen – darüber streiten die Gelehrten. Keine Variante setzte sich durch, auch wenn die Mehrheit der Forscher heute die Latein-Lösung bevorzugt.
Bewegung war in der Runologen-Szene schon immer, nicht erst der Germanistikprofessor Theo Vennemann mit seiner skurrilen These, brachte frischen Wind in diese Wissenschaft. Die vielen Vermutungen über die Runenherkunft füllt ganze Bibliotheken. Nun sollen es weder Griechen noch Römer oder Etrusker gewesen sein, die die Germanen zum Runenschreiben inspirierten, sondern die Phönizier, genauer gesagt die Karthager. Bevor die Großmacht von den Römern am Ende des 3. Jahrhunderts vernichtend geschlagen wurde, beherrschte sie mit ihrer starken Kriegs- und Handelsflotte Teile Nordafrikas, Spaniens und die großen Inseln des westlichen Mittelmeers. Vom heutigen Cádiz aus unternahmen die Karthager auch Expeditionen in den atlantischen Norden. Die Konsequenzen der Karthager-Theorie sind beträchtlich. Man datierte bislang die Geburt der Runenschrift auf das 2. Jahrhundert nach Null, anzunehmen ist aber eher das erste Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Vennemann verlegt ihren Beginn in die Zeit zwischen 500 und 200 vor Null. Wo aber sind belegende Funde ? Sie fehlen völlig !
Belegt ist, dass die Karthager in dieser Epoche Expeditionen zu den Britischen Inseln unternahmen, wo Metallvorkommen lockten. In Vennemanns Szenario gründeten sie außerdem Handelsniederlassungen an der kontinentalen Nordseeküste und kamen so in intensiven Kontakt mit der germanischen Bevölkerung. Deren Elite übernahm von ihnen nicht nur die Buchstaben, sondern lernte auch die phönizische Sprache, die wie Arabisch zur semitischen Sprachfamilie gehört. Vennemanns Theorie erklärt auf elegante Art einige Besonderheiten der Runenschrift, durch die sie sich vom griechischen, etruskischen oder lateinischen Alphabet gravierend unterscheidet. So beginnt die Reihe der germanischen Buchstaben nicht mit einem A, sondern mit einem F. (ODING-Wissende haben bessere Kunde !) Außerdem hat jede Rune einen Namen mit einer konkreten Bedeutung. Er beginnt mit dem Laut, für den das jeweilige Zeichen steht. Die F-Rune beispielsweise bedeutet fehu, das heißt »Vieh«. Solche Buchstabenbegriffe gab es weder bei den Griechen noch bei den Römern. Die Zeichen hießen ohne konkrete Bedeutung Alpha, Beta, Gamma oder einfach nur A, B, C. Warum die Germanen ein Alphabet wie das lateinische so radikal verändert und »runifiziert« haben sollten, statt es einfach zu übernehmen, konnten die Runenexperten bislang nicht befriedigend erklären. Theo Vennemann verweist stattdessen auf die direkten Parallelen zum phönizischen Alphabet. Hier hatte der erste Buchstabe ebenfalls die Gestalt der F-Rune, und er trug, wie alle anderen Buchstaben auch, einen Namen: ’Aleph, also das »Rind«, woraus später im Griechischen das bedeutungsleere Alpha wurde. In Wirklichkeit stand ’Aleph bei den Phöniziern allerdings gar nicht für den A-Laut, sondern für einen ganz am Anfang des Wortes stehenden Kehlkopflaut, den die Germanen - und auch die Griechen und Römer - gar nicht hatten. Die Germanen orientierten sich deshalb nicht am Lautwert, sondern übersetzten das Wort ’Aleph mit fehu. Das F-Zeichen setzten sie dann für den Laut ein, der am Anfang dieses Wortes stand. „Bei den anderen Zeichen ist er nicht so erfolgreich und es gelingt ihm mit viel Mühe und Phantasie noch einige Runenzeichen oder Namen der Zeichen zusammenzubringen. Das größte Problem seiner These ist die vollkommene Abstinenz von archäologischen Belegen, dass es überhaupt irgendwelche Kontakte zwischen Karthago und dem Nord-/Ostseeraum gegeben hätte.“, schreibt ein fachmännischer Kritiker.
Bewegung war in der Runologen-Szene schon immer, nicht erst der Germanistikprofessor Theo Vennemann mit seiner skurrilen These, brachte frischen Wind in diese Wissenschaft. Die vielen Vermutungen über die Runenherkunft füllt ganze Bibliotheken. Nun sollen es weder Griechen noch Römer oder Etrusker gewesen sein, die die Germanen zum Runenschreiben inspirierten, sondern die Phönizier, genauer gesagt die Karthager. Bevor die Großmacht von den Römern am Ende des 3. Jahrhunderts vernichtend geschlagen wurde, beherrschte sie mit ihrer starken Kriegs- und Handelsflotte Teile Nordafrikas, Spaniens und die großen Inseln des westlichen Mittelmeers. Vom heutigen Cádiz aus unternahmen die Karthager auch Expeditionen in den atlantischen Norden. Die Konsequenzen der Karthager-Theorie sind beträchtlich. Man datierte bislang die Geburt der Runenschrift auf das 2. Jahrhundert nach Null, anzunehmen ist aber eher das erste Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Vennemann verlegt ihren Beginn in die Zeit zwischen 500 und 200 vor Null. Wo aber sind belegende Funde ? Sie fehlen völlig !
Belegt ist, dass die Karthager in dieser Epoche Expeditionen zu den Britischen Inseln unternahmen, wo Metallvorkommen lockten. In Vennemanns Szenario gründeten sie außerdem Handelsniederlassungen an der kontinentalen Nordseeküste und kamen so in intensiven Kontakt mit der germanischen Bevölkerung. Deren Elite übernahm von ihnen nicht nur die Buchstaben, sondern lernte auch die phönizische Sprache, die wie Arabisch zur semitischen Sprachfamilie gehört. Vennemanns Theorie erklärt auf elegante Art einige Besonderheiten der Runenschrift, durch die sie sich vom griechischen, etruskischen oder lateinischen Alphabet gravierend unterscheidet. So beginnt die Reihe der germanischen Buchstaben nicht mit einem A, sondern mit einem F. (ODING-Wissende haben bessere Kunde !) Außerdem hat jede Rune einen Namen mit einer konkreten Bedeutung. Er beginnt mit dem Laut, für den das jeweilige Zeichen steht. Die F-Rune beispielsweise bedeutet fehu, das heißt »Vieh«. Solche Buchstabenbegriffe gab es weder bei den Griechen noch bei den Römern. Die Zeichen hießen ohne konkrete Bedeutung Alpha, Beta, Gamma oder einfach nur A, B, C. Warum die Germanen ein Alphabet wie das lateinische so radikal verändert und »runifiziert« haben sollten, statt es einfach zu übernehmen, konnten die Runenexperten bislang nicht befriedigend erklären. Theo Vennemann verweist stattdessen auf die direkten Parallelen zum phönizischen Alphabet. Hier hatte der erste Buchstabe ebenfalls die Gestalt der F-Rune, und er trug, wie alle anderen Buchstaben auch, einen Namen: ’Aleph, also das »Rind«, woraus später im Griechischen das bedeutungsleere Alpha wurde. In Wirklichkeit stand ’Aleph bei den Phöniziern allerdings gar nicht für den A-Laut, sondern für einen ganz am Anfang des Wortes stehenden Kehlkopflaut, den die Germanen - und auch die Griechen und Römer - gar nicht hatten. Die Germanen orientierten sich deshalb nicht am Lautwert, sondern übersetzten das Wort ’Aleph mit fehu. Das F-Zeichen setzten sie dann für den Laut ein, der am Anfang dieses Wortes stand. „Bei den anderen Zeichen ist er nicht so erfolgreich und es gelingt ihm mit viel Mühe und Phantasie noch einige Runenzeichen oder Namen der Zeichen zusammenzubringen. Das größte Problem seiner These ist die vollkommene Abstinenz von archäologischen Belegen, dass es überhaupt irgendwelche Kontakte zwischen Karthago und dem Nord-/Ostseeraum gegeben hätte.“, schreibt ein fachmännischer Kritiker.
Noch andere Eigenarten der Runenschrift scheinen nach Vennemann dafür zu sprechen, dass die Germanen direkt bei den Phöniziern in die Schule gingen. Ebenso wie die Phönizier verzichteten sie darauf, Doppelkonsonanten zu schreiben oder M und N vor ähnlich artikulierte Konsonanten zu setzen. Im Gegensatz zur Lateintheorie könnte das Vorhandensein karthagischer Schriftmeister im Norden auch erklären, warum die ältesten Runenfunde in Südskandinavien gemacht wurden statt in der Gegend des Limes nahe dem Römischen Imperium. So Vennemann !
Bei seinen Fachkollegen stößt Vennemann berechtigterweise auf Skepsis. »Ich glaube nicht, dass diese Theorie viele Freunde gewinnen wird«, sagt Wilhelm Heizmann, Runenforscher aus München. Er verweist auf einen entscheidenden Schwachpunkt. Die archäologischen und historischen Belege für die phönizischen Nordseestützpunkte sind außerordentlich dünn. Nachgewiesen sind lediglich die Expeditionen zu den Britischen Inseln. Noch schwerer wiegt angeblich, dass es keine Runenfunde aus der Zeit vor der Mitte des 2. Jahrhunderts nach Null gibt. Diese Aussage ist falsch, wir haben einen Runenfund aus Heide-Holstein vom Anfang des ersten Jahrhunderts. Für Heizmann spricht bislang alles dafür, die Runen als Teil einer kulturellen Blüte zu deuten, die die skandinavischen Germanen der Kaiserzeit im engen Kontakt mit den Römern durchlebten. Die von einigen Sprachforschern vertretene These, die Germanen hätten die lateinischen Buchstaben umgestaltet, um sie für magische Zwecke einzusetzen, klinge allerdings weiter hergeholt als Vennemanns Vorschlag. »Er hat da sicher den Finger auf einen wunden Punkt gelegt«, räumt Wilhelm Heizmann ein. Die archäologische Leere erklärt Vennemann mit den zahlreichen Überflutungen, die die Küstenlinie der Nordsee in den vergangenen zweieinhalb Jahrtausenden radikal verändert haben. Dass auch die schriftlichen Quellen so wenig zur karthagischen Nordkolonisierung sagen, könnte an der Geheimhaltungspolitik der karthagischen Handelsmarine liegen, die verbürgt ist. »Zum anderen muss man bedenken, dass Rom als Sieger über Karthago die Überlieferung weitgehend geprägt und die Rolle des Feindes eher heruntergespielt hat«, sagt Vennemann. Das trifft sicher zu.
Dafür stützt der Münchner Germanist seine Runenthese mit weiteren linguistischen Argumenten, die für einen intensiven Sprachkontakt zwischen Germanen und Karthagern sprechen. Vennemanns Ansatzpunkt ist, dass sich angeblich etwa ein Drittel des germanischen Wortschatzes nicht auf indogermanische Wurzeln zurückführen ließe. Viele dieser Wörter leitet Theo Vennemann von phönizischen, also semitischen Lehnwörtern her. Dazu gehören so zentrale gesellschaftliche Begriffe wie »Volk«, »Sippe« oder »Adel«, aber auch Alltagswörter wie zum Beispiel »Münze« oder »Apfel«, »treffen« oder »messen«. Der sprachliche Einfluss der phönizischen Handelsherren reichte möglicherweise bis in die Grammatik. Das System der Ablaute, das gerade im Deutschen bei den starken Verben eine so große Rolle spielt, könnte von ihnen stammen. Denn während diese grammatischen Muster in der indogermanischen Sprachfamilie eine Besonderheit darstellen, sind sie ein Hauptkennzeichen der semitischen Sprachen. Die phönizischen Siedler, so lautet Vennemanns Theorie, lernten zwar Germanisch, stülpten ihm aber unbewusst ihr eigenes Ablautschema über. Ihr Prestige sorgte dafür, dass dieses »Ausländer-Germanisch« allmählich auch von den Einheimischen übernommen wurde. Ein zusätzliches Argument bezieht Vennemann aus zahlreichen religiösen Übereinstimmungen. Dazu gehört zum Beispiel Odins Sohn Balder, dessen Name und Charakter als »sterbender Gott« verdächtige Ähnlichkeiten mit dem semitischen Ba’al aufweist. »Die Berührungspunkte zwischen der germanischen und der semitischen Sprach- und Kulturwelt waren den Wissenschaftlern des 19. Jahrhunderts durchaus bewusst«, sagt Theo Vennemann. »Dass sie im 20. Jahrhundert weitgehend ›vergessen‹ wurden, hatte ideologische Gründe.«
Der theoretische Ansatz des Herrn Vennemann scheint zunächst mit den Haaren herbeigeholt, jedoch besieht man ihn mit nüchternen Augen, so könnte er ein Weg in die richtige Richtung schon sein; dann allerdings könnte etwas völlig anderes als Endergebnis dastehen. Die Phönizier waren bekanntlich die Urenkel jener "Seevölker", die im 13. vorchristlichen Jahrhundert aus dem Norden kommend, mit Ägypten Krieg führten und sich in Palästina dauerhaft niederließen. Von ihnen, den Philistern der Bibel, lernten die Hebräer die Eisenverhüttung, die Schrift und vieles mehr. Es wäre denkbar, dass die nordische Oberschicht der Phönizier-Philister ihre Schrift aus dem Norden mitbrachte und somit Alphabet und Runen zwei Gebilde aus der gleichen urnordischen Wurzel sind. Dadurch würden sich sämtliche von Vennemann angesprochenen Übereinstimmungen ganz zwanglos erklären lassen.
Einem Werk absolute Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, ist schwer, denn es liegt in der Natur einer Kritik, welche Widersprüche, Unstimmigkeiten und Mängel beim Namen nennt, die Schwachstellen hervorzuheben. Die guten Seiten, die richtigen Aspekte des unter die Lupe genommenen Objektes, werden in der Regel - nach Auffassung der Betroffenen - nicht ausreichend gewürdigt. Der Schwerpunkt unserer Aufmerksamkeit ruht zumeist auf dem Falschen, soll es doch überwunden und durch Besseres ersetzt werden. Aufgrund seelenkundlicher Gesetzmäßigkeiten löst Kritik sogar sehr oft Solidarisierungseffekte aus. Gilt es ja als ein Wesensmerkmal edelmütiger Gesinnung, angegriffene Personen oder Institutionen in Schutz zu nehmen und ihre Fehler als gar nicht so gravierend zu bezeichnen.
Und doch, es ist ganz gleich, wie sich der Einzelne entscheidet; Denkprozesse werden allemal angestoßen. Nur ein gesundes Misstrauen gegenüber angebotenen Erklärungsmodellen führt zu deren notwendiger Abklärung, Vervollkommnung oder auch zur endgültigen Ablehnung. Hier soll nicht der Ort sein, um ein Erklärungsprinzip der runischen Symbolfolge vorzustellen, welches auch unter strenger wissenschaftlicher Examinierung bestehen kann. Ein solches ist gefunden und auch veröffentlicht worden (Gerhard Heß, „ODING-Wizzod - Gottesgesetz und Botschaft der Runen", Mü. 1993). Vordringlicher - ja, die wichtigste Voraussetzung dafür, ein echtes Verständnis der urreligiösen Runen-Metaphysik gewinnen zu können - ist die Erfassung einiger Basiserkenntnisse:
a) Wer mit Runen arbeiten will, muss deren Grundverständnis durch das Studium historischer Quellen erwerben; mittels Intuition, Phantasie und Traumgesichten ist ein Vordringen in die Welt der altheiligen Zeichen unmöglich. Wer mit frei ausgedachten Runensystemen hantiert, vermag kein echtes Verständnis zu erhalten geschweige denn zu vermitteln. Die Leute, welche hierin keine Strenge gelten lassen wollen, sollten besser neu erarbeitete lineare Symbole verwenden, nicht aber die Runen, deren Bedeutungen mindestens seit Beginn unserer Zeitrechnung festgelegt sind und keinen bedingungslosen Interpretationsspielraum zulassen.
b) Das Schwund-System der 16er Runenreihe stammt aus heidnischer Verfallszeit, ist fast tausend Jahre jünger als der Ur-Runenverband von 24 Stäben. Diese 24 Ur-Buchstaben und gleichzeitig archetypischen Metaphern müssen als ein harmonischer Sinnbildverband verstanden werden. Jedes einzelne Zeichen ist letztlich nur aus seiner Beziehung zum Gesamtgefüge zu begreifen. Folglich ist kein Einzelsymbol in voller Bedeutungstiefe ergründbar ohne vorausgegangenes Verständnis für die Bedeutung des Gesamtsystems. Wer diesen redlichen Weg zum Ahnen-Heiligtum der Runen gehen wird und sich gleichzeitig fernhält von allen unwürdigen Runen-Kaspereien, muss auch zu tragfähigen Ergebnissen gelangen. Erst wenn die verschüttete Runenseele in ihrer urkräftigen Schönheit wieder bloßgelegt ist - befreit von tausendjährigem christlichen Unverständnis und hundertjährigem neuzeitlichen Missverständnis, erst dann vermag sie für jene, die sich ihr ganz hingeben, diese unbändige, mystische Kraft zu entfalten, welche die Ketten jeglicher Ich-Verfremdung sprengt und hinführt ins Licht der heiligen, gesundmachenden, eigengesetzlichen Weisheit.
Noch einmal sei hier unmissverständlich in Erinnerung gebracht: Es war vor Guido List, dem Erfinder des 18teiligen Runenverbandes, zu keiner Zeit solch ein Buchstabensystem in Gebrauch ! Wer Guido List und seine Nachbeter liest, erfährt keine Runenweisheit unserer Vorfahren, vielmehr nur das was sich dieses Leute in ihren Köpfen selbst ausgedacht haben. Absolut unzulässig war es, von den 18 Zauberliederankündigungen in der eddischen Hávamál ein 18er Runensystem abzuleiten. Dass dies trotzdem geschah, verdanken wir der unwissenschaftlichen List'schen Gewaltsamkeit. „Odins Runengedicht“ im Kapitel V der Hávamál umfasst die Strophen von 138 bis 141. In ihnen ist von des Gottes Selbstopfer und der Runenherkunft die Rede. Die folgenden Strophen, 142 bis 144, bestehen aus gemischten Sprüchen, die mit „Odins Runengedicht“ in keiner organischen Verbindung stehen. Schließlich finden sich im folgenden Kapitel VI, der Strophen 146 bis 163, die 18 Ankündigungen von Zauberversen, welche nicht den mindesten Hinweis enthalten, dass sie einstmals mit den 16 Runen des jüngeren Futhark verknüpft waren.
Lediglich Vers 157 - es handelt sich um den 12. Zaubergedanken, der die Totenbeschwörung bespricht - erwähnt, dass zur Verstärkung der magischen Worte zusätzlich auch Runenzeichen geritzt werden können. Nicht eine bestimmte, etwa die 12. Rune, ist gemeint, sondern von einer Mehrzahl (im Dativ) hilfreicher Runen ist die Rede. Wörtlich lautet diese Zeile: „svá ec rist oc i runom fac“. Wer also auf Textanteile des Liederbuches Edda hinweist, um ein im Fundmaterial nicht vorhandenes 18er Runen-Buchstabensystem zu beweisen, der muss sich sagen lassen, dass er einer Fata Morgana nachhumpelt.
Siehe dazu unter „Was lief verkehrt ?“: Über die Unvereinbarkeit der eddischen Hávamál mit den Runen
Siehe dazu unbedingt: KEIN TORSCHLUSS FÜR RUNEN-TORHEITEN ?
Die zumeist jungen Männer und Frauen, die aus der Enttäuschung ihrer damaligen entwürdigenden und verbrecherischen Gegenwart den besserseinwollenden nationalsozialistischen Staat aufbauten, schenkten mit ihrer Hinwendung zu den Ursprüngen und der Kraftsuche aus den Wurzeln unserer deutsch-germanischen Kultur, den Runen eine gewisse Aufmerksamkeit. Sie hinterließen - nach dem bekannten fürchterlich dramatischen Geschichtsablauf - ihrerseits eine neue Generation von Enttäuschten. Wieder suchen die Menschen nach Identifikationswerten von dauerhafter Kraftspende. Die Zeit war damals noch nicht reif für eine realtraditionelle Runen-Theologie aus altgermanischem Mütter- und Vätergeist. Die meisten der im Umlauf befindlichen Runenthesen basierten auf fundamentalen Irrtümern und streckenweise auf Scharlatanerie. Die Runentheorien von G. List und H. Wirth sind erweisbar falsch ! Unsere neuzeitlich wiederentdeckte Runentradition aus dem Geist des ODiNG-FUÞARK, von der weder die Esoteriker des Dritten-Reiches noch irgendwelche Forscher oder Mystiker bisher etwas wussten, trennt uns von allen eventuellen Belastungen aus dieser tragischen Zeit. Die Protagonisten der Weimarer-Zeit wie auch jene der NS-Geistigkeit spielen im aufgeklärten heutigen theosophischen Runendenken keine Rolle mehr. Das runische Lehrgebäude des altgermanisch-keltischen Welt- und Gottesverständnisses wurde vor mehr als 2.000 Jahren begründet und 1982 entschlüsselt -, es kann mit dem Gedankengut des Kaiserreiches, des Weimar-Staates und des Dritten-Reiches in keinen ursächlichen Zusammenhang gebracht werden.