Copyright Ⓒ Gerhard Hess / 30. Okt. 2016
Abb. 1 - Irminsul im Tympanon der Kirche zu Falslev / Randers / Nordjütland,
eigenes Foto, 1987
 
Die nordjütländische Falslev-Kirche ist östlich von Assens zu finden, am Südufer der Ajstrop-Bucht (des Mariagerfjords), sie liegt per Autostrecke ca. 30 km nördlich der Stadt Randers. Die Kirche von Falslev ist auf einem Hügel errichtet. Das Nordportal - zur Heiden-Himmelsrichtung hin - ist von einem Tympanon überkrönt dessen Relief die altnordische Irminsul bzw. Allsäule in einzigartiger erläuternder Weise ins Bild setzt. Die Gabelstütze der Säule trägt den Himmelsbogen und ihr Kopf zeigt den Sonnenkreis, von dem zur Rechten wie zur Linken die Sonnenlaufspiralen ausgehen, jeweils bis zu den Füßen des Himmelsbogens. Nach dem bekannten kirchenchristlichen Demonstrationsschema wird die Säule von zwei huldigenden „heidnischen Tieren“ flankiert, welche als verkörperte Unholde, plumpe ungestalte Wesen darstellen sollen. Die rechte Figur ist deutlich ein Bär, die linke weist eine Art Nackenmähne und einen längeren Schwanz mit Quaste auf, es könnte ein Löwe gemeint sein ? Hier, in Mittel- und Nordjütland, Urheimat der Sachsen, befinden wir uns im Kernbezirk des Nordlandglaubens. Hier finden wir bis heute die Masse von Zeugnissen der germanischen oding'schen Volksreligion.
 
Das kirchenchristliche Vorwurfsbild der Irminsul von Falslev schaut auf eine Jahrtausende umfassende nordische Tradition zurück. Schon zum Bestand schwedischer bronzezeitlicher Felsbilder gehört die Sonnen-Säule, die dort in mehreren Ausprägungen zu finden ist. Die Sonnen-Säule von Backa-Brastad (Abb. 2) im schwedischen Bohuslän zeigt das Sonnenradkreuz auf der Säulen-Spitze, ebenso wie das Falslev-Tympanon. Das Felsbild von Kasen/Bohuslän zeigt eine andere Version, nämlich jene mit der Sonnen-Doppelspirale auf der Säulen-Spitze. Zu den Gestaltungselementen der altnordischen Irminsul gehören zwei grundsätzliche Verständniselemente: 1. die Säule als symbolischer Sonnen-Träger und 2. die Säule als symbolische Himmels-Stütze. Im Falslev-Bild sind beide Symbolismen vereint. Mitunter ist sie in den auf uns gekommenen Abbildungen nur als einfache Gabelstütze (vgl. Abb. 3) oder als ausgeprägte Sonnen-Spiralsäule zu sehen, wie im Tympanon der Grebehna-Kirche (Zwochau/Sachsen).
 
Abb. 2 - Felsbild der Sonnen-Säule von Backa-Brastad,
Abrieb/Foto G.Hess
 
KIMBERN-HERULER IM ASENLAND
 
Bei Vorgabe eines realistischen Zeitfensters kommen nach Spartakus' Skavenaufstand, für die Flucht überlebender Germanen und Kelten aus Italien, die Rückwanderung und Heimkunft des Runenschöpfers Erul, mit seiner erulischen Kerntruppe und Anhängerschar, die Jahre von 71 bis 61 v.0. in Betracht -, auch wegen der Grenzen die der Ablauf eines Menschenlebens setzt. Eines Tages müssen die Rückkehrer mit Erul als „Hauptmann“ und geistigem Meister in der alten Heimat Jütland, dem Teutonen- und Kimmererland (heute „Himmerland“), wieder eingetroffen sein. Die Verbindung zwischen kimbrischen Auswanderern und den Zurückgebliebenen war nie ganz abgerissen, das beweist auch der Fund des prächtigen „Silberkessels von Gundestrup“, der als Beutestück, Tribut oder Friedensgeschenk, jedenfalls als stolze Trophäe, aus den südkeltischen Heimsitzen und Werkstätten in die Heimat geschickt worden war. Es mutet uns Heutige wie ein Wunder an, aber es ist doch so, dass germ. Auswanderer mit ihren Daheimgebliebenen über unerhört weite Strecken in Verbindung blieben. So erwähnt Prokop in seinem „Vandalenkrieg“ (Kap. 22) die hin- und hergehenden Botschaften zwischen den wandalischen Nordafrika-Aus­wanderern und den in den Schlesischen Ursitzen Zu­rückge­bliebenen. Die erulischen Schicksalsgefährten blieben beisammen, sie vereinzelten sich nicht, suchten sich ihre Frauen, mehrten sich und fristeten ihr Leben wie es die Nordländer seit Urzeiten nicht anders gewohnt waren. Wäre es anders, hätten die nachbarlichen Teutonen und Kimmerier sie nicht „die Eruler“ genannt. Sie siedelten hauptsächlich im Hinterland der Aalborgbucht zwischen Limfjord und Mariagerfjord, wo möglicherweise noch jetzt die mittelalterlichen Ortsnamen ihren wotanischen Asen-Glauben (Ahnen-Religion) bezeugen: Aså (Asaa), Åstrup-Østrup, Asbækhede, Asferg, Ask, Askildrup, Asklev, Askov, Asløkke, Asp, Assedrup, Assendrup, Asmild Kloster (1179: Asmiald; Asmind), Assentoft, Assing, Åsted, Åstedbro, Astrup, Erslev, Esby, Esbøl, Eskerod, Essig, Estrup, Estrup Gårde, Estvad. Das Zentrum des herulischen „Asenlandes“ ist beim nordjütländischen Nørresundby zu lokalisieren. Die Endungen „-trup / -trub / -rup / -torb“ meinen einen abgelegenen Bauernhof, aus dem sich eine neue Siedlungsgruppe gebildet hat, genau wie das schwed. „torb“ oder altdeutsche „dorf“. Selbst wenn die Vorsilbe „As-“ sich nicht auf „Asen“, sondern auf die Esche bzw. den Eschen-Speer bezöge, änderte sich nichts an meinem Befund, denn die die Massierung der Ortsnamen welche vom Odin-Kult zeugen sind in keiner dänischen Region so häufig wie in Nordjütland, was nicht daher rühren kann, dass es dort womöglich mehr Eschen als sonstwo gegeben hätte. (VGR II., Karte S. 53)
 
Es ist der Stadtteil vom Aalborg, der auf nördlicher Seite des Limfjordes liegt, dort befindet sich „Lindholm Høje“ (Lindholm-Höhe), das größte dänische Gräberfeld, dessen Funde von der Wikingerzeit bis zur späten nordischen Eisenzeit zurückreichen. Hunderte Steinkreise, viele davon schiffsförmig, zeugen von den Brandgräbern -, nördlich davon wurde die zugehörige Siedlung erkannt. Gefunden wurden u. a. Fragmente mehrerer Schnabelfibeln des 7. Jhs., eine Vogelfibel des 8. Jhs., Reste von Schnallen aus ca. 9. Jh., ein knöchernes Messerheft mit einer zweiteiligen Runenritzung. Aus Wikingerzeiten stammt ein kleiner Thorshammer aus Bernstein. Ich möchte diese Nordjütländische Region als die herulischen Ursitze der zurück gewanderten Kimbern verstehen. Runensteine fand man in Asferg, Egå Glenstrup, Hune und Jetsmark. Die alten Siedlungsplätze der Kimmerier-Kimbern, von denen sie i.J. 120 v.0 zu ihrer historischen Südwanderung aufgebrochen waren, liegen etwas weiter westwärts, in „Vesthimmerland“ im Bereich eines ausgedehnten Hochmoorgebietes bei der Kleinstadt Års (Aars). Hier hat man die „Festung Borremose“ ausgegraben, die in der Zeit von 300 bis 100 v.0 in Nutzung war. Sie ist die größte bekannte Anlage Jütlands aus dieser Zeit. Ein breiter Graben von 5 bis 6 m Breite und eine 4 bis 5 m hohe Wallanlage schützte das Areal. Man ergrub Häuserreste und eine gepflasterte Straße. Tausenden Gefäßscherben aus dem 1. Jh. v.0 bezeugen den Aufbruchplatz einer großen Menschenmenge. Nicht weit davon, im nahen Rævemose hob man den berühmten „Kultkessel von Gundestrup“, den die südgewanderten Kimbern und Teutonen nach Hause geschickt hatten.
 
Die heimgekehrten erulischen Kimbern verschmolzen mit den kimbrisch-teutonischen Landsassen. Dass sie bestrebt gewesen sein müssten, sich nicht allein innerhalb ihrer Regionalversippungen zu vermehren, liegt auf der Hand: „Aber unter den Asen war es verboten, in so naher Verwandtsaft zu heiraten.“ („Ynglingasaga“, Kap. 4) Ihre geistige Vormachtstellung bewirkte, dass im Wachsen einiger Generationen sich das gesamte in Nordjütland lebende Volk Eruler-Heruler nannte. Sie griffen nach dem südlichen Jütland aus, sowie den östlichen Inseln Fünen und Seeland, bis sie von den herandrängenden Dänen in Not kamen. Es gibt mehrere jütländische Ortschaften des Namens Astrup (Asendorf), aber auch zwei niedersächsische, im Kreis Wardenburg und bei Visbek. Eine Ortschaft Astrup liegt in Westmitteljütland bei Ringkøbing, eine im südwestlichen Jütland bei Hadersleben, eine zur Kommune Hjørringan gehörend, an der Nordspitze Jütlands, eine in der Kommune Mariagerfjord, nordwestlich vom Hadsund, inmitten des kimbrischen Asenlandes und eine um 40 km südlich der Ajstrup-Bucht von Hadsund, nahe Hadsten, ca. 35 km nördlich von Illerup-Aadal, wo hoch bedeutende Opferseen und -moore genutzt wurden. In den „Alken Enge“ (Alkenwiesen) liegt eine eisenzeitliche Stätte mit weit über 200 Toten in einem verlandeten See. Tausende Waffen, die Ausrüstungen mehrerer Heere - 15.000 Einzelfunde - hob man aus der Tiefe. Hier im Moor fand man einige der ältesten Runeninschriften, die sämtlich der Zeit um 200 n.0 angehören. Zu den wichtigsten zählen: Ein Schildfesselbeschlag mit rechtsläufiger Aufschrift „suarti“ (Schwarzer) -, eine linksläufige Herstellerinschrift „laguthewa“ (die die Sprachwissenschaft neben den erulischen Kultname „Sumpfdiener“ stellt), den Feuerstahlgriff auf dem „gauthz“ (Beller) steht, die Lanzenspitze mit linksläufig „wagnijo“ (Beweger). Etwas weiter südlich, im mittleren Jütland liegt das „königliche Jelling“, ein Ort der schon zur Bronzezeit kultische Hochschätzung erfuhr -; dem die heidnischen Dänenkönige des 10. Jhs. seine große geschichtliche Bedeutung gaben.
 
Die reformatorischen Runen-Religiösen, die Sippen der Nachkommen jener kimbrischen Heruler des Erul, die aus röm. Sklavenhaltung entronnen waren, siedelten - im weiteren Sinne gesehen - zwischen der heutigen Stadt Aarhus im Süden und der nördlichen Stadt Alborg. Dazwischen liegt die Stadt Randers, von der sich wenige Kilometer südöstlich die Siedlung Assentoft befindet. Sämtliche Mittelalterkirchen hier im Raum weisen in ihren Tympani- und Taufbecken-Beständen die altheidnischen Bildzeugnisse auf, denen die Täuflinge abzuschwören hatten. Keine 25 km nördlich von Randers liegt die Siedlung Assens und nahe bei Falslev, am Südufer der Ajstrub-Bucht. Das Bildrelief der Falslev-Kirche im ältesten Runen- und Asenland bietet das bisher schönste und deutlichste Zeugnis über das Verständnis der Irminsul. Um die 3,5 km südlich vom Stadtkern Randers liegt die Kristrup-Kirche, deren Taufsteinsockel auch ein Irminsul-Bildnis zeigt, jedoch von der vereinfachten ikonographischen Art (vgl. Abb. 3). Das Taufsteinrelief zeigt einen heidnischen Priester mit den beiden typischen Gürtelstolen. Er steht zwischen zwei Löwen, welche ebenso eine heidnisch-religiöse Aussage machen. Es gibt eine Vielzahl von solchen Doppeltieren auf den alten ostjütländischen Taufsteinen, so wie in Højslev, Øster-Alling, in der Storarden-Kirche bei Aalborg. Ebenso kommen diese Doppellöwen auf südjütländischen Taufsteinen vor und ostholsteinischen. Es ist erwogen worden, darin ein heidnisch-dioskurisches Motiv zu sehen. Etwa 40 km westlich von Randers liegt die Pederstrup-Kirche mit den Doppellöwen die beidseitig nach dem Kopf des Heidenmenschen gieren (Abb. 4). Die Hauptproduktionsstätte dieser Steine soll die schwedische Insel Gotland gewesen sein. Das Löwentor von Mykene zeigt wohl das hier zugrunde liegende sehr alte religiöse Verständnis auf. Säule und Doppellöwen müssen für die frühgriechischen Mykenier von hoher Bedeutung gewesen sein -; dass zumindest Teile von ihnen aus dem jütländischen Norden gekommen sind, wäre auch wegen ihrer bevorzugten Spiralornamentik nicht völlig abwegig, anzunehmen.  
 
Abb. 3 - Irminsul auf Taufsteinsockel der Kristrup-Kirche / Randers
 
Abb. 4 - Doppellöwen des Taufstein-Reliefs der Pederstrup-Kirche
 
Wilhelm Teudts Irminsul-Trugschluss
 
Als Haupt-Irrtumslehrer zum tragischen deutsch-patriotischen Irminsul-Fehlgang ist der evangelische Pastor und Laienforscher Wilhelm Teudt (1860-1942) zu nennen. Teudts Hauptinteresse galt den Externsteinen, in denen er - was auf der Hand liegt - natürlich zurecht eine altgläubige Kultstätte mit einer Sonnenwarte erkannte. Wer das nicht wahrhaben will, war und ist entweder ein bewusster Irrlehrer oder ein Dummkopf. Wäre der Externstein kein vorchristliches Heiligtum gewesen, hätten die Paderborner-Abdinghofer Mönche nicht in dessen Felsenwand das größte christliche Machtdemonstrations-Relief Europas hineinarbeiten lassen. Zudem sind im Turmfelsen das Aussichtsloch, sowie das sog. Felsengrab, nach der rein heidnischen Visierlinie des höchsten Sonnaufganges im Jahr gerichtet, die zu keiner Zeit eine christliche Bedeutung hatten ! Was W. Teudt gegen zum Großteil taube Ohren gepredigt hat, ist längst als Fakt erwiesen. Bei der nur allzu oft von Kirche und Staat abhängigen und somit nicht objektiven Fachwissenschaft stießen Teudts Thesen von vornherein auf Ablehnung. Das will nichts besagen ! Die Fachwissenschaft hat sich schon oft geirrt, manchmal auch wider besseren Wissens. Denn die Futtertröge bestimmen ihre Postulate mehr als die wissenschaftliche Redlichkeit: „Wess‘ Brot ist es, dess‘ Lied ich sing !“
 
Abb. 5 - Ikonisierter Dattelpalm-Lebensbaum vom Externstein-Relief
 
W. Teudt hatte einen mutigen und kämpferischen Charakter. Seine Verdienste sollen nicht bestritten werden. Er vertrat Korrektes und Unsinniges nebeneinander. Den Vorwurf den ich ihm mache, muss ich in gleicher Weise auch gegen einige Fachleute der damaligen Zeit erheben. Sie machten sich hinsichtlich Irminsul-Forschung nicht seriös kundig und handelten sträflich leichtfertig. So auch Professor Julius Andree (1889-1942), der den Irminsul-Unsinn von W. Teudt übernahm. Das Amt des Alfred Ernst Rosenberg kritisierte die Unwissenschaftlichkeit des W. Teudt wiederholt. Im Februar 1938 kam es schließlich zum Bruch mit Reichsführer-SS Heinrich Himmler. Er entließ W. Teudt aus dem „Ahnenerbe“. Dabei beklagte Himmler insbesondere Teudts „Unsachlichkeit und krankhafte Art, Streit zu suchen“. Es war in der Tat so, dass W. Teudt wie ein Berserker für seine Schnapsidee der Externstein-Irminsul-Dattelpalme gegen jederman anstritt der das Gebilde korrekt als Palmette bezeichnete. Die grandiose Fehlweisung W. Teudts besteht in der absolut unsinnigen Auffassung, das geknickte Baumgebilde im Externstein-Relief sei die gedemütigte altsächsische Irminsul, obwohl dieses Baumgebilde aller deutlichst zwei gerippte Palmblattwedel und die bekannten Dattelfruchtstands-Röllchen der sog. Palmetten am oberen Stammende bzw. der Blätterunterseite aufweist (Abb. 5). Bis heute gibt es Leute die es nicht begreifen wollen oder können, dass eine himmeltragende Säule zunächst nicht identisch sein kann mit einem Fruchtbaum. Auf ganz anderem Blatt steht geschrieben, was Künstler aller Epochen in freier, fantasievoller Künstlerschaft an Symbolismen kombiniert haben. Die germanische Himmelssäule trägt symbolisch das Himmelsdach, das vermag kein Baum, auch keine Palme, obgleich ihr Stamm säulenartig emporragt ! Der orientalische Lebensbaum - den die Orientalen in der Dattelpalme sahen - gelangte erst mit der Christenmission ins Denken der Mittel- und Nordeuropäer. Die Germanen kannten keinen Lebensbaum (Ernährungsbaum !), vielmehr einen Weltenbaum, eben die Eibe Yggdrasils, die in den hochmittelalterlichen isländischen Edda-Schriften dann zur Esche mutierte.