An der Irminsul in der Michaels-Krypta / Fulda
 
IRMINSUL IN FULDA
 
Wer nicht lernt wie man einst dachte,
kann die Wahrheit nicht gewahren,
man muss auf des Geistes Bahnen,
um tausend Jahre rückwärts fahren.
 
Als König Karl, der Heiden-Schlächter,
im Sachsenland den Sieg errungen,
ritt neben ihm Abt Sturmius,
der sich ein Souvenir bedungen.
 
Er sprach: „Mein lieber Herr Karolus,
Du bist des Papstes treuer Sohne,
gib mir zum Dank für unsern Segen
der Sachsen Irminsul zum Lohne.“
 
Nach Fulda schleppte man die Säule,
dort war sie auch hoch willkommen,
man feierte den Sieg mit Freuden,
es jauchzten all‘ die Bibel-Frommen.
 
Und einen Frommen hört‘ man sagen:
„Die Heiden-Sul muss man begraben,
sie darf nie mehr ans Licht der Sonne,
dran woll‘n wir uns doppelt laben !“
 
Wir bau‘n darauf die Grab-Kapelle,
geheiligte, rechtgläub‘ge Mauern -,
der Heiden Himmels-Säulen-Gleichnis
soll in der Krypta dort versauern.
 
Gesagt, getan -, so ist‘s geschehen,
nachdem die Irminsul man kürzte.
Sie steht in Kirchen-Haft noch immer,
seitdem der arge Karl sie stürzte.
 
Das ist sehr klar, sie scheint gestohlen,
und „Raubkunst“ ist zurückzureichen,
die Kirche war zwar stets ein Räuber,
Rückgabe wär‘ ein „Sühnezeichen“ !
 
 
Irminsul in Michaels-Krypta mit unterschiedlicher Vorder- und Rückseite
 
Die Irminsul (lat.: columna universalis‘, dtsch.: All-Säule) wurde laut Fränkischer Annalen im Jahr 772 vom Frankenkönig Karl zerstört. In den Annalen des Mönchs und Historikers Rudolf von Fulda (vor 800-865) heißt es dazu in seinem 863 gefertigten Text „Von den Wundern des heiligen Alexanders“, Kap. 3: „Sie [die Sachsen] verehrten auch unter freiem Himmel einen senkrecht aufgerichteten Baumstamm von nicht geringer Größe, den sie in ihrer Muttersprache ,Irminsul‘ nannten, was auf Lateinisch bedeutet, sie würde gewissermaßen das All tragen.“ Jedoch - eine Säule die, wenn auch nur symbolisch, das All tagen soll - wird in der sächsischen Zentralkultstätte nicht aus dem vergänglichen Material Holz geschaffen worden sein, sondern viel eher aus einem feuerbeständigen und doch leicht zu bearbeitenden Sandstein. Seit den Ereignissen um die Fällung und Einholung der Irminsul waren Jahrzehnte vergangen. Rudolf war seit 812 in der Kanzlei des Klosters tätig und betreute zunächst dessen Urkunden. Dabei fälschte er mehrere dieser Dokumente, was den beurkundeten, dauerhaften Erhalt klostereigener Besitztümer gewähren sollte. Dass die Klöster skrupellose Fälscherwerkstätten waren ist längst aufgrund vieler textkritischer Nachweise erkannt worden. Auch Rudolfs Aussage, die Irminsul sei lediglich ein hoher Baumstamm gewesen, wird der Täuschung der Öffentlichkeit gedient haben, um zu verheimlichen, dass der Sachsen altes Volksheiligtum in einem Fuldaer Kirchenkeller schmachtet. Der Kloster-Fulda-Gründer Abt Sturmi(us) war auf dem Unterwerfungszug gegen die Sachsen dabei, er starb ca. 779. Als sein triumphalstes Beutestück wird er die heidnisch-heilige Säule in seinen „Sturmius-Bau“ eingebracht haben. Dieser ist durch den mönchischen Baumeister und Abt Ratgar durch die Ratgar-Basilika 791-819 ersetzt worden, die wie schon der Vorgängerbau dem Hl. Salvator (Heilbringer / Heiland) geweiht war. Ratgars Nachfolger war Eigil, welcher durch den Fuldaer Mönch und Baumeister Rachulf (gest. 824) nachträglich zwei Krypten in die Fuldaer Sakralbauten einfügen ließ.
 
Die Michaelskirche in Fulda wurde im karolingischen Baustil im Auftrag von Abt Egil in den Jahren 820 bis 822 erbaut und am 15. Januar 822 durch Erzbischof Haistulph dem „Erzengel Michael“ (Wodan-Ersatzfigur) geweiht. Sie zählt zu den bedeutendsten mittelalterlichen Kirchen Deutschlands und diente als Grablege des Egil und als Totenkapelle des 744 gegründeten Klosters Fulda. Das war eine der führenden Missions- und Unterwerfungszentren für das niedergeschlagene Sachsenland. Der Mönch Brun Candidus lieferte in seiner „Vita Abt Eigils“ bedeutsame Kommentare zur Bausymbolik. Die Michaelskirche steht in unmittelbarer Nachbarschaft zum Fuldaer Dom auf dem Michaelsberg. Von dem ursprünglichen karolingischen Bau hat sich nur die Krypta erhalten, weil wahrscheinlich durch einen Ungarneinfall der eigentliche Bau zerstört wurde. Der in früher Tradition stehende Zentralbau erhob sich wie noch heute als Rotunde über acht Säulen. Der Zentralraum wurde durch einen ursprünglich wohl nur eingeschossigen, heute zweigeschossigen Umgang umfangen. Die Rotunde besaß ursprünglich ein Gewölbe oder eine Kuppel mit einem sichtbaren Schlussstein. Unter der Kirche befand sich die als Untergeschoss angelegte über zwei konzentrischen Mauerringen und einer Mittelsäule gewölbte und von außen zugängliche Krypta. Sie besaß demnach einen Zentralraum, der durch den inneren Mauerring gebildet und auch hier von einem tonnengewölbten Umgang umfasst wurde. Im Zentrum befand und befindet sich die kurze Mittelsäule mit ihrem Kapitell, das bei ungenauer Beobachtung einem Ionischen Säulenhaupt gleicht, aber unregelmäßige Windungen hat, also den heidnischen Sonnenlauf-Symbolen entspricht. Die Ionischen Säulenkapitelle haben absolut symmetrische, sich zum Ende hin verjüngende Spiralwindungen, nicht aber ungleichmäßigen Linienbänder, wie die Fuldaer Säule. Noch auffälliger ist dies der Fall auf - beim obigen Foto - dem Beschauer abgewandten Seite ! Hier handelt es sich weder um ein „Ionisches Kapitell“, noch um ein „ionisierendes Kapitell“. Zusammen mit der inneren Ringmauer trägt die Mittelsäule den Gewölbering. Als Grablege ihres Erbauers, Abt Eigils, geplant, verfügte die Krypta ursprünglich weder über einen eigenen Altar noch über eine räumliche Verbindung mit dem Obergeschoss. Eigils Grab befindet sich noch heute zusammen mit einem weiteren im Ostteil des Umgangs. Die Zentralsäule ist mit hoher Sicherheit die verkürzte Irminsul der Sachsen, die ursprünglich in einer heidnischen Kultanlage auf dem höchsten Felsensporn von Obermarsberg - der sog. Eresburg - weit ins Land hineinschauen konnte, bevor sie die Fulda-Mönche mit der Erlaubnis des ihnen sehr gewogenen Frankenkönigs Karl wegschleppten. Bei der Schändung und Zerstörung des Irminsul-Haines dürfte die Säule bewusst zerbrochen worden sein, so dass sie in  stark verkürzter Länge in die kirchchristlichen Sakralbauten als Trophäe eingearbeitet worden ist, bevor sie ihren heutigen Standort erhielt. Die Irminsul der Krypta stammt vermutlich aus der Sturmius-Basilika aus der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts, die dem Neubau der sogenannten Ratgar-Basilika hatte weichen müssen. Der Mönch Brun Candidus deutet die Gesamtkonzeption als symbolische Repräsentation der Beziehung Christi und der Kirche, die Irminsul in der Krypta und der Schlussstein seien - man höre und staune - Symbole für Christus. Er verschweigt natürlich den Namen und die Herkunft der Säule. Aber er verrät sich, indem er die altheilige Allsäule als die höchste Heilsfigur des neuen Glaubens bezeichnet. Als hätte es je christlicher Auffassung entsprochen, den „Erlöser“ unter die Erde zu verbannen, um dort das schwere Amt - wie ein heidnischer Atlas als Globusträger - den Michaelskappellenbau zu stützen. Aus den 8 Tragesäulen spricht ebenso die altheidnische Sichtweise vom Himmelsgott Tiu-Tyr, welchem in der runischen Geheimsymbolik die 8. Rune zugeordnet worden ist. Die altheidnische Kreisform versinnbildliche das ewige Leben und die dauerhaften Belohnungen, die die Gläubigen dort erhoffen könnten.
 
Ich trage diese These seit 1981 vor; veröffentlicht im „Mitteilungsblatt des Arbeitskreises für Ur-Sinnbild-Forschung e.V.“ , Januar 1984 / in „Pen Dragan - Briefe für deutsche Heiden“, Juni 1986.