Gegossener Kopf eines suebischen Markomannen-Fürsten (2. Jh. n.0) mit Haarknoten, vom Bronzekessel aus Muschau/Mušov, Südmähren. Er trägt zwei Hiebverwundungen auf der Brust. So etwa könnte der Runenschöpfer Erul ausgeschaut haben.
 
Immer wieder erreichen mich die sehr verständlichen und sinnvollen Fragen zu der von mir im Jahre 1993 vorgelegten Erklärung („ODING-Wizzod“) der Runen-Schöpfung.
Die Fragestellungen eines Interessenten, sowie meine Antworten, will ich im Folgenden hier veröffentlichen:
 
Einer Dame antwortete ich: Was Sie zu bedenken geben ist sehr verständlich und völlig korrekt. Ich beziehe mich auf Ihre Vorstellung: „Bisher habe ich immer an ein Entstehen und Entwickeln [der Runen] durch lange Zeiträume hindurch gedacht, das nicht an einer Einzelperson festgemacht werden könne.“ Gerade der Aspekt der Kalender-Schöpfung im alten ODING-Runensystem weist auf die uralte Sichtweise der Nordmenschen/Hyperboreer hin, Gott/Religion und die Zeitweisung zusammenzuschauen. Das zeigt sich in der „Nebra-Wangen-Himmelsscheibe“, den Kalender-Buckelurnen, den stichbandkeramischen Ringheiligtümern, bis zum Nürnberger Ei und den astronomischen Gebäude-Uhren.
 
 
Allein im Norden mit seinen extremen jahreszeitlichen, meteorologischen und klimatischen Umschwüngen ist das Kalenderwissen so grundwichtig für das Überleben. Aber die konkrete Abfassung zu einem Kalender- und gleichzeitig einem Schreibsystem muss ja dann ein Einzelner vornehmen, nie ein Team, unmöglich ein Herkommen.
 
Sie schreiben weiter: „Allerdings, wenn dieser Runenmeister "Odin" gewesen wäre, würde das meine Auffassung bestärken, dass diese Gestalt erst in der Eisenzeit wurzelt.....“. Absolut denkbar wäre es tatsächlich, die menschliche Gestalt des Runenerfinders, von Seiten der Gläubigen, mit dem Od-Gott/Geist-Gott gleichzusetzen. Der Runenschöpfer Erul könnte als eine Inkarnation des Od-Odin gedeutet worden sein. Derartige Prozesse sind in der Religionsgeschichte keineswegs überraschend oder abnorm:
 
Setzen wir die aufgezeigten Umstände der Runenschöpfung voraus, zeichnen sich immer weiterreichende Verständnisdimensionen ab. Der Grundmythos der Wodin-Odin-Religion ist die Runenfindung, die durch den Geistgott erfolgt sein soll, als er vom Speer durchbohrt, am Leben blieb und in diesem Zustand zwischen Tod und Genesung visionär die Runen erdachte. Dass ein gottbeseelter Erfinder in sich die Stimme Gottes zu hören glaubt, wäre nach menschlichen Seelengesetzen nichts Außergewöhnliches. In seinem Runenlied, einem Einschub in der Havamal (138-141) der Edda, heißt es nach gestraffter Übersetzung Karl Simrocks: „Ich weiß, dass ich hing am windigen Baum, neun lange Nächte, vom Speer verwundet, dem Odin geweiht, mir selber ich selbst. Ich hing an einem Ast des Baumes dem man nicht ansehen kann aus welcher Wurzel er wuchs. Sie boten mir keinen Bissen und keinen Trank. Da neigte ich mich nieder, auf Runen sinnend, lernte stöhnend die Stäbe -, endlich fiel ich zur Erde. Neun Hauptlieder lernte ich vom weisen Sohn Bölthörns [an. „Sohn des Verderbens / Unglücks / Schadens“], dem Vater der Bestla, und trank einen wunderbaren Trunk, geschöpft aus Odhrörir [an. „der zur Begeisterung / Verzückung / zum Wonnerausch Anregende“]. Zu gedeihen begann ich und begann zu sinnen, ich wuchs und fühlte mich wohl. Wort aus Wort verlieh mir das Wort, Werk aus dem Werk verlieh mir das Werk.“ An einem realen Baum muss er dabei nie gehangen haben, „der windige Baum“ könnte im Ur-Sinn als Metapher für Leben und Schicksal verstanden worden sein. Vielleicht ist der von einem Speer verletzte Junge aber tatsächlich mit letzter Kraft auf einen Baum geklettert, bevor er entkräftet hinabfiel und von einer mitleidigen Seele aufgefunden und wieder hergerichtet worden ist. Was hier ein auf den Tod verwundeter Krieger schildert, ist sein zeitweiliges Weggetretensein, die folgende Genesung und sein Lernen der ihm vorher unbekannten Schreibkunst auf dem Krankenlager, sein Belehrtwerden durch einen weisen „Sohn der unheilvollen Fremdmacht [Rom]“. Wenn wir es wagen wollen, den Wodan-Odin-Mythos weitergehend zu historisieren, würde es sich sogar ohne Zwang anbieten, die Bestla - deren Begriff als „Geliebte“ oder „Ehefrau“ gedeutet wurde - als diejenige junge Frau zu identifizieren, welche sich des verwundeten Eruls annahm und gesund pflegte. Die Ineinssetzung Eruls mit der inspirierenden Gottheit, die er fortan unter seinen Landsleuten verkündete, wäre als Initialzündung der Runen-Religion zu deuten. Auch Otto Höfler, der verdiente Germanist, vermutete eine einzelne Erfinderpersönlichkeit: „Die Reihenfolge der Runen selbst, so starr sie gewahrt worden ist, konnte bisher von niemandem einleuchtend erklärt werden, weder nach Gesichtspunkten der graphischen Form noch des Lautwertes noch der mit den einzelnen Runen verbundenen Begriffssymbole, welche letztere nicht ganz so konstant sind wie die Reihenfolge des ÄF [Ältere Futhark]. Gerade deshalb aber, weil diese Reihung in keiner Weise nahe zu liegen scheint, ist der Schluss erlaubt, dass sie nicht allmählich zustande gekommen ist, sondern dass ein Mann die Reihe festgesetzt hat und alle seine Nachfolger dieses Vorbild in strenger Überlieferung gewahrt haben.“ (Bespr. d. Runenbuchs v. H. Klingenberg, „Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur“, Wiesb., 54. Bd., Heft 1, 1975, S. 52) Unter welchen Umständen lebte und lernte der junge Nordgermane Erul nach seiner Gefangennahme durch die Römer im Jahre 101 v.0 ? In den fast 30 Jahren bis zum Sklavenaufstand muss er in der glücklichen Lage gewesen sein, sich bedeutende Kenntnisse der antiken Südkulturen anzueignen. Möglicherweise vermittelte ihm auch ein älterer, mitgefangener Nordländer das traditionelle Kalenderwissen seines Volkes. Wir kennen nicht den Werdegang dieses frühen germanischen Genies, nur sein Werk, das ODING-Wizzod.
 
VORRUNISCHE ZEICHEN - SINNZEICHEN-FUNDE
 
Der Runenschöpfer benutzte zur Erstellung seines Kalender-Buchstaben-Systems einige uralte Sinnzeichen des Nordens sowie einige Zeichen der alpinen Buchstabenreihen, in ihm passend erscheinenden Bildkürzel-Sinne. Vorrunische Sinnzeichen fanden sich: Das Steinkammergrab der Wartberg-Kultur von Züchen bei Fritzlar, aus dem 4.-3. Jt.v.0, zeigt Stier-Bildkürzel als U- und Y-förmige Zeichen (23. Urstier-Rune), ebenso wie der Deckstein des Warburger Großsteingrabes (Kr. Höxter), der aufgrund von Begleitfunden auf 2.974 v.0 zu datieren ist. Auch erscheinen undeutbare kammartige Chiffren, während kleine Ringe als Sonnensymbole und die Stier-Chiffre als frühe Vorläufer der 3. und 23. ODING-Futhark-Buchstabenreihe zu verstehen sind. Die jungsteinzeitliche Sonnenkultstätte Newgrange auf Irland (3.150 v.0) scheint das Sonnenzeichen (3. Rune) bereits als Raute zu kennen. Die doppelkonischen, schöngestaltigen Tontrommeln der mittel- und jungsteinzeitlichen Walternienburg-Bernburger Gruppen (3.600-3.300 v.0) als Teile der Trichterbecher-Kultur Mitteldeutschlands, sind reich verziert und führen diversen Symbole, wobei zwei Trommeln des Museums Erfurt, die eine von Horsömmern (Kreis Langensalza) erklärbare kalendarische Ordnungssysteme aufzeigen, mit z.B. strahligen Sonnen-, Kreis-, Spiral-, Winkel-, Kreuz-, Hakenkreuz-, Malkreuz- und rundbogigen Gabelstützen-Zeichen. Oft kommt das vierspeichige Radkreuz vor, so wie auf dem jungsteinzeit­lichen Schalenstein von Bunsoh in Dithmarschen. Der Dolmen von Schülldorf (Kreis Rendsburg) erbringt ein Kreuz und eine Axtdarstellung. Die endneolithischen bis frühbronzezeitlichen Doppelaxt-Zeichen (2. Rune) auf der Keramik vom nödlichen Oberrhein (Oberolm, Horchheim, Sieversheim, Frankenthal), sind als Ikonographien der verzierten, kupfernen, hohheitlichen Kult-Beile vom „Typ Zabitz“ zu verstehen, wie sie in der Umgebung von Mainz, Friedelsheim, Worms/Weinsheimer Zollhaus, Flonheim gefunden wurden. Ebenso findet sich das Zeichen - nicht zu verwechseln mit ähnlichen geometrischen Mustern - auf Blattbügelfibeln von Gemeinlebarn, Bad Kreuznach, Illmitz, Eltheim, Weißenbrunn, Taimering, Eppstein usw. (Kurt Kibbert, „Die Äxte u. Beile im mittleren Westdeutschland I.“, S. 35ff). Auch auf bronzenen Griffdornmessern der Urnenfelderzeit z.B. aus Klentnitz / Südmähren und Pottschach, Niederöstreich. Der reich verzierte prähistorische Figurenstein von Latsch im südtiroler Vinschgau kam in der profanierten Kirche zu „Unserer lieben Frau“, der „Bichlkirche“ auf dem Bichl als Altarplatte zum Vorschein. Er gibt Auskunft über Gerätschaften und Leben des kupferzeitlichen Menschen vor ca. 3.000 Jahren. Vor einer Hirschdarstellung, und unter einem Sonnensymbol, schießt ein Mensch einem anderen in den Rücken; wer denkt da nicht sogleich an den germ. Baldur-Mythos ?! Die zweite Seite trägt eine große g-Rune (18. Rune), flankiert von zwei Sonnensymbolen. Es ist davon auszugehen, dass der ursprüngliche Standort im Bereich der heutigen Kirche zu suchen ist. In Niederösterreich, unweit der Donau, liegt „St. Andrä vor dem Hagental“, wo ein späturnenfelderzeitliches Gräberfeld (1.300 bis 800 v.0) wissenschaftlich ausgewertet wurde. Im Grab 28 fand sich ein Henkelgefäß mit kalendersymbolischen Merkzeichen welches Clemens Eibner ebenso plausibel beschrieb, wie auch den Schriftstein aus Grab 17, auf dem eine Zeichenfolge von etwa () erkennbar ist. Bronzezeitliche Ziernadeln und Anhänger zeigen von Niedersachsen bis Südwestdeutschland und Nordbayern Kreuze im variablen Speichenstil. Schon ein ca. 4.100 v.0 datiertes anspruchsvoll gestaltetes Gefäß mit Spiraldekoration und runenartigen algiz-Zeichen (10. Rune) wurde aus dem linienbandkeramischen Brunnen von Schkeuditz-Altscherbitz / Kr. Nordsachsen geborgen, es besitzt Intarsien-Verzierungen aus Rindenstreifen und Pech. Im schwed. Bohuslän fand sich auf Rückseite einer abgebrochenen bronzezeitlichen Plattenfibelschale die rechtwinklig gekreuzten doppelten Algiz-Runen. (Oskar Montelius, „Bohuslänska Fornsaker från Hednatiden“, 1877, S. 6, Fig. 8b) Ein bronzenes Tüllenbeil von Grabow, Kr. Ludwigslust, aus jüngerer Bronzezeit bzw. ab Wende des 1. Jt. v.0 trägt das Algiz-Symbol, wie auch das Tüllenbeil aus Midlum (Krs. Wesermünde) auf dem ein Tannenzweigmuster in selbigem Zeichen endet. Das Gleiche Zeichen finden wir auf den bronzezeitl. Plattenfibel-Funden Niedersachsens von Buendorf u. Franzensburg. Das bronzezeitliche Horn aus dem Torfmoor zu Wismar zeigt S-Zeichen. Sicher trug die gegenläufige Doppelspirale, als Chiffre des jährlichen Sonnenweges, einen weithin bekanntem Aussagewert. Sie erscheint auf dem Jahresschema der bronzezeitl. Felsritzung von Lilla Ryland, Schweden, der Plattenfibel von Corcelettes, Genferseegebiet. Frühe prärunische Markierungen kennt man von einem Bohlenweg-Balken aus Oltmannsfehn, Niedersachsen, der mit Hilfe der Baumringmethode auf die Zeit von 713 v.0 datiert wurde. Ein eisenzeitlicher (ca. 7. Jh.) gerippter Bronzeeimer mit Schriftzeichen auf dem Innenrand aus dem Grabfund von Pansdorf (Kr. Ostholstein) sind H-Zeichen (16. Rune) und ein gestürztes V-Zeichen (23. Rune) eingeritzt. Auf der ältereisenzeitlichen Urne von Börnicke, Osthavelland, ist klar die R-Rune (20. Rune) geritzt. Diese alle sind Begriffszeichen, sind Markierungen von zum Teil begreifbaren Bedeutungen, aber keine Runen im strengen Sinne einer Buchstaben-Ordnung. (siehe Hermann Müller-Karpe, „Bronzezeitliche Heilszeichen“, in „Jahresber. d. Inst. f. Vorgesch. d. Uni. Ffr./M.“, 1978-79, Mü. 1980). Eine verzierte Scherbe aus Dedelow, Uckermärker Trichterbecher-Kultur, zeigt den Zierfries bestehend aus vorrunischen „O-Runen“ (1. Rune). Der Scherbenfund aus der jüngeren Steinzeit der Uckermark stammt von einem Brandgrab bei Dedelow. Ernst Sprockhoff setzte ihn auf die mittlere Stufe der jüngeren Steinzeit, entsprechend der nordischen jüngeren Ganggräberzeit, also: 2.800-2.400 v.0. (Megalithkeramik: Tafel 6/b, Fund von Dedelow, Kreis Prenzlau (Dorf im Nordosten Brandenburgs, Uckermark aus Ernst Sprockhoff, „Die Kulturen der jüngeren Steinzeit in der Mark Brandenburg“, 1926, S. 16f). Aus einem eisenzeitlichen (200 v. bis 200 n.0.) Grab von Wotenitz stammt die Urne mit dem Algiz-Ideogramm. Wotenitz ist ein Ortsteil von Grevesmühlen, zwischen Lübeck und Wismar, ca. 15 km von der Ostseeküste entfernt. Aus dem Urnengrab wurden mehrere wichtige archäologische Funde gehoben, außer der Sinnzeichen-Urne, eine goldene Kette mit fein gearbeiteter Bommel und die Silberspange. Die Funde stimmen typologisch mit ähnlichen dänischen Funden überein, so dass ein germanisch dänisch-mecklenburgischer Kulturkreis erkennbar wird. (Georg Christian Friedrich Lisch, „Ueber das Alter der Eisenperiode und das Grab von Wotenitz“, in: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde", Bd. 26, 1861, S. 161-168).