Linksläufige Runeninschrift von Lundenburg: Odmeð(l ?) = Od-Recht ?
(deutliche Beschädigunskratzer wurden weggelassen)
 
Ältestes Schriftdokument der slawischen Welt ist eine Runeninschrift
 
Es geht um einen neueren auf rund 600 n. Ztr. datierten Runenfund auf einem Rinderknochen aus dem Umkreis der mährischen Stadt Lundenburg (Brečlav), in der Nähe der Mündung der Thaya in die March, wenige Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt. Es heißt, dort sei eine Siedlung mit „slawischen Grubenhäusern“ ausgegraben worden, wobei anzumerken wäre, dass man anhand der Baulichkeiten nicht exakt befähigt ist, germanische von slawischen zu unterscheiden. Das dort vor Ort arbeitende internationale Forscherteam veröffentlichte den Fund im „Journal of Archaeological Science“. Die Ausgrabungen wurden unter der Leitung von Jiři Macháček von der Masaryk Universität (MU) in Brünn (Tschechien) zwischen 2015 und 2017 durchgeführt. „Neben dem beschrifteten Tierknochen - eine abgebrochene Rinderrippe - fanden sie dort auch Keramik des Prager Typs, die mit den frühen Slawen in Verbindung gebracht wird.“ Man informierte und interpretierte so: „Archäologen haben die älteste im slawischen Umfeld nachgewiesene Inschrift entdeckt. Zur Überraschung der Forscher, für die bisher die glagolitische Schrift als erstes Schriftsystem der Slawen galt, identifizierte der skandinavistische und germanistische Mediävist Robert Nedoma vom Institut für Europäische und Vergleichende Sprach- und Literaturwissenschaft der Universität Wien, die eingeritzten Zeichen als germanische Runen.“ Er identifizierte die Zeichen, wie es heißt, als Runen im „älteren Futhark“, eine Variante der Runenschrift, die von den germanischsprachigen Bewohnern Mitteleuropas vom zweiten bis zum siebenten Jahrhundert n. Ztr. verwendet wurde. „Das ältere Futhark besteht aus 24 Runen, von denen sechs der letzten acht auf dem Rippenfragment eingeritzt waren.“ Das ist falsch ! Die letzten 8 Buchstaben der FUÞARK-Folge lauten linksläufig gelesen: ODNgLMEBT, auf dem Rinderknochen aber sind 5 bzw. 6 (6. als Rudiment) Runen-Buchstaben zu erkennen, nämlich: ODMEÞ. Das letzte Buchstabenfragment könnte ein L meinen).
 
Bei den eingetieften Pfostenbauten handelt es sich um einen Haustyp, der auch den ländlichen niederösterreichischen Raum bis in das ausgehende Mittelalter prägte. Dazu informiert Lenče Dimitrievskains Diplomarbeit „Frühmittelalterliche Siedlungsfunde aus dem Minoritenkloster in Stein an der Donau“, 2013, z.B. S. 74f, „Zur Problematik des Prager Typs: „Parczewski hat sich mit dem Leittyp der frühslawischen Kultur, dem sog. Prager Typ in Polen befasst. Der Prager Typ zeichnet sich anfänglich durch seine kurzen, senkrechten oder leichtschrägen Randkanten aus. Diese Form ändert sich im Laufe der Zeit und erfährt während des 5. bis 7. Jhs. eine enorme Verbreitung. Diese lief einher mit der Expansion des Grubenhauses mit eckständigem Ofen. In Mähren werden die verschiedenen Formen der Prager Typen vom 6. Jh. bis ins 8. Jh. eingeordnet. Der Prager Typ wurde in Österreich in Grab- und Siedlungskontext gefunden. Jedoch ist eine Zuweisung einzelner Stücke manchmal problematisch, da das Typen- und Formenspektrum sehr variiert und dieser Typ nicht nur im slawischen Kulturkreis und nicht nur im Frühmittelalter vorkommt. Die geringe Anzahl an verfügbaren Gefäßen aus Niederösterreich erschwert neben unstratifizierten Funden, eine genauere Datierung. In Ostösterreich gefundene Prager Typen werden in die 2. Hälfte des 6. und in das 7. Jh. gestellt.“ Fest steht, dass diese Volksgruppen, die man Sclavenen, Sclaveni, Sclavi, Sla­wen, Spori oder Wenden nannte, im allgemei­nen äußeren Erscheinungsbild von dem der Ger­manen kaum abge­wi­chen sind. Etli­che „ge­meinslawi­sche“ Worte sind ger­manischen Ur­sprunges, sogar die für Brot, Stall, Helm usw.. In den sog. „altslawi­schen“ Gräbern (Körperbe­stattun­gen waren seit etwa 10. Jh. üb­lich), finden sich lupen­reine germa­ni­sche Skelette. Vom Elbe-Saale-Gebiet bis nach Weißrussland herrscht die nord­europäi­sche Menschen­gestalt vor. Selbst ein slawo­philes Tendenzwerk aus der so­wjetischen Besat­zungszeit Mittel­deutsch­lands („Die Slawen in Deutschland“, Herausgeber Joachim Herrmann, 1985, Ostberlin, Akademie-Verlag, 1970), welches die anstehenden Pro­bleme mit keinem Wort an­spricht, kann nicht umhin, zuzugestehen (S. 56): „Der am häufigsten ver­tre­tene robuste schmal­ge­sichtige und lang­schäde­lige Typus von hoher Gestalt nähert sich am ehe­sten der klas­si­schen Vorstellung des nordeuropäischen Ty­pus.“, oder (65): „Unverkenn­bar ist, dass west­slawische Grup­pen in zahlreichen Merkmalen germa­nischen ähnlich wa­ren.“ Und auch zeit­genössische bildhafte Darstellun­gen kennen keine Unter­scheidungs­merk­male zwischen sog. slawischem, sächsischem oder fränki­schem Volk. Diese osteu­ropäisch-indogerma­ni­schen Sclaveni-Spori, zusammen mit den verblie­benen Nord-/Ostgermanen und ei­nem geringen Anteil von osti­schen, tartarisch-awarisch-iranischen Misch­völkern, stell­ten in den folgen­den Jahrhunder­ten die Masse der Bevölkerung zwischen Elbe, Oder und Weichsel dar. Es drängt sich die auf Fakten basierende Vermutung auf, dass große Teile der sog. „Slawen“ stehengebliebene ostgermanische Gruppen waren, denen, durch die byzantinischen Missions-Dispositionen und deren vereinheitlichende Kirchensprache, das sog. „Slawentum“ übergestülpt worden ist, dass also die Markierung das Produkt prägte und nicht umgekehrt. Im Südosten, also Böhmen-Mähren und Pannonien (Westungarn), war der hunnische-awarische-sclavenische (tschechische) Einfluss stärker und stieg seit dem Abzug der seit 490 eingewanderten Langobarden nach Italien an, was verstärkt ab 568 geschah.  
 
Das von den Forschern formulierte Verwundern über den Runen-Fund aus dem Zeitfenster um 600 darf demzufolge als wunderlich bezeichnet werden, denn die Fundregion ist gallogermanisches und slawogermanisches Siedlungsgebiet. Ganz natürlich muss es zu dieser Zeit und in diesem Raum runenschriftkundige Menschen gegeben haben. Die germanischen Quaden saßen hier und die suebischen Markomannen, unter ihrem König Marbod (30 v.-37 n.0), errichteten hier ein bedeutendes Reich. Dann, Ende 5. Jh., dominierten Langobarden die böhmisch-mährischen Gaue und zu Beginn des 6. Jh. auch Pannonien, bevor sie ihr Herrschaftsgebiet in Richtung Donau ausdehnten, um schließlich sich vertraglich mit den mongolischen Awaren zu einigen, denen sie das Land überließen, um 568 in das verlockendere Oberitalien einzurücken. Im 6.-7. Jh. n. Ztr. herrschten im mährisch-böhmischen Becken die Raubscharen der Awaren/Ungarn und gleichzeitig begann sich das zu entwickeln, das man heute „Slawentum“ nennt, was in Wahrheit überwiegend ein Mischvolkstum ist, aus ostgermanischen und ostkeltischen Volkstrümmern und hunnisch-mongolisch-bastardierten Skythen und anderen Ostindogermanen. Diesen sog. „Slawen“ - die Karolinger nannten die Ostelbischen „Sclaveni“ (Sklaven), aus der Semantik von „Götzensklaven“, - wurde im Zuge der Byzantinischen Mission, durch den Kirchenagenten Kyrill von Saloniki (826-869), die glagolitische Schrift, die Glagoliza, beigebracht. Man bezeichnet diese von Kyrill erfundene Kunstschrift heute als „älteste slawische Schrift“. Sie wurde von den Brüdern Kyrill und Method als Kirchensprache den slawischen Volksmassen aufoktroyiert. Robert Nedoma wird zum Runenschriftfund wiederholt zitiert: „Es handelt sich um die einzige bisher bekannte authentische Runen-Inschrift auf dem Gebiet von Tschechien bzw. der Slowakei.“ Er hält zwei Szenarien für möglich, wie es zu der Inschrift auf der Rippe gekommen ist: „Entweder ist ein Langobarde nicht mit dem Hauptstamm Richtung Süden gezogen, sondern in der Region geblieben und hat die Runen in den Knochen geritzt, oder sie stammen von nachrückenden Slawen, und einer von ihnen hat diese Runen auf irgendeine Weise gelernt.“ Und: „Bisher galt die glagolitische Schrift als ältestes Schriftsystem der Slawen. Sie wurde im neunten Jahrhundert n. Ztr. von den Heiligen Kyrill und Method aus dem Byzantinischen Reich nach Mähren gebracht. Doch wie die Knocheninschrift nun zeigt, sind die Slawen bereits zuvor mit Runen in Berührung gekommen.“ Ich wiederhole: Da diese Bevölkerungen, die man Slawen nennt, sich zum Teil aus Ostgermanen zusammensetzten, ist ein Erstaunen über einen Runenfund im Ostraum des Karolingerreiches absolut unangebracht. Runen seien ja „etwas zutiefst Germanisches“, die Fundregion sei aber um 600 n. Ztr. sicher eine Kontaktzone gewesen, liest man. Der germanische Stamm der Langobarden, der vom heutigen Böhmen aus sein Herrschaftsgebiet Richtung Donau ausgedehnt hat, fiel 568 in Oberitalien ein, sollte zu dieser Zeit also schon im heutigen Südmähren weggewesen sein, betonte der Wissenschaftler Nedoma. Er fügte hinzu: „Letzteres wäre allerdings der einzige Fall von Kenntnis und Gebrauch germanischer Runen durch nichtgermanische Personen in älterer Zeit.“ Für den Experten wirft der „Runenknochen von Brečlav“ jedenfalls ein „neues Licht auf die frühmittelalterlichen Kulturkontakte zwischen Germanen und Slawen in Südmähren und Niederösterreich. Die Experten vermuten, dass ursprünglich auf der unversehrten Rinderrippe auch die der Runen-Reihe vorangehenden Schriftzeichen des älteren Futhark eingeritzt waren und eine vollständige Zeichenreihe beabsichtigt war. Daher gehen sie am ehesten von einer Schreibübung aus, wollen aber magische Zwecke nicht ganz ausschließen. Ich halte diesen primitiven Erklärungversuch bezüglich einer gefundenen Runenzeile für nichts weniger als albern.
 
Deutungsversuch
 
Wenn wir davon ausgehen, dass es sich bei der Runenfolge „odmeð / odmet“ um einen langobardischen Begriff handelt, kann er vom Altangelsächischen nicht allzufern liegen. Den letzten Buchstaben, der auf der Abbruchkante stehend, nicht in Gänze zu identifizieren ist, müssen wir zunächst unbesprochen lassen. Man weiß nicht, welche weiteren Buchstaben bzw. Wortanteile das abgebrochene und verlorene Knochenstück getragen hat. Die ersten beiden Buchstaben „od“ sind als Stammsilbe für Gott (Od), Gut, Landbesitz (Odal) und Geist-Seele (Od) zu erklären. Die folgenden Buchstaben sind, lautlich akzeptabel, im Altangelsächsischen als Begriff „mæð“ zu finden, mit der Bedeutung: „Maß, Gemäßheit, Anteil, Ehre, Achtung, Recht, Geschick, Güte, Bedingung, Los, Stand, Rang“, zu lat. „mētior“ = messen; lit. „mẽta-s“ = Jahr, Zeit; ai. „māti-“ = Maß, Erkenntnis. Auch ae „mæðlan“ = reden sprechen, ist in unserem Zusammenhang zu beachten. (F. Holthausen, „Altenglisches etymologisches Wörterbuch“, 1963) Die beiden besprochenen Runensilben könnten vereint beispielsweise als „Od-Recht“ begriffen werden. Ähnliche semantische Bedeutungen sind, wie wir lasen, allerdings durchaus denkbar. Geritzt wurde das Runenwort auf einen Rinder- oder Urrindknochen (Auerochs) als Unterstreichung seines heiligen Anspruches. Möglicherweise war es als Besitzanspruchsmarke über dem Eingang zu einem germanischen Grubenhaus-Anwesen angeheftet. Die hohe Bedeutung des Rindes als Gottessynonym und mithin des Rinderopfers sind seit der Steinzeit, bis zur Ehrung in Gestalt eines spätherbstlichen Runen-Zeichens (23. ODING-Urstier-Rune), erhalten geblieben. Das Rind wurde mit einem starken Symbolgehalt verknüpft. Man fand die Nachweise für wintersonnwendliche Stieropfer u.a. beim ca. 7.000 Jahre alten stichbandkeramischen Ringheiligtum von Goseck (Sachsen-Anhalt). In diesem Sinne könnte das sogenannte „älteste germanische Schriftzeugnis auf dem Gebiet des Slawentums“ als demonstrativer Ausdruckswille gegenüber den kontrovers sich gebärdenden östlichen Völkerschaften verstanden werden, zu deren Gunsten die germanischen und deutschen Ostgebiete zunächst verloren gingen.