TURNVATER JAHN
 
Spinner, Träumer, Schwätzer, Krämer,
dominieren ihre Zeiten,
während die Gewalten-Zähmer
das Geschick der Völker leiten.
 
Deutschland in der Hand von Fremden,
frechlings kamen die Franzosen,
wieder in Soldatenhemden,
nicht um Deutsche zu liebkosen.
 
Schmählich lag das Land in Ketten,
wer wusst’ den Befreiungsplan,
um das Vaterland zu retten ?
Das war Friedrich Ludwig Jahn !
 
Trägheit bringt der Freiheit Ende,
hin zu Siechtum, Gab und Urnen,
Freiheit nötigt starke Hände -;
Jahn erdachte klug das Turnen.
 
„Freiheits-Feinde“ gab’s im Lande,
die sich zu Napoleon zählten,
klebend am Franzosen-Bande,
Speichelleckerei erwählten.
 
Jahn verfocht in seinen Tagen,
Deutschland müsse sich vereinen,
Feinde aus dem Land zu jagen,
streben nach dem eig'nen Reinen.
 
Dieses Mannes klares Denken,
galt als beste Männer-Schule,
Jahns Prinzipien mochten lenken,
aus dem Sumpf und Sklaven-Pfuhle.
 
Fort mit Zwang und Fremdeleien,
Rückbesinnung auf die Ehre !
Leibes-Schulung, Kraft, Gedeihen,
hieß der „Burschenschaftler“ Lehre.
 
Wer Deutsches hierzulande predigt,
wird verfolgt und wird geächtet,
auch Ludwig Jahn hat man erledigt,
gejagt, verboten und entrechtet.
 
Sechs Jahre Festungshaft im Kerker,
„Turnsperre“, Not und Wegverrammlung,
doch „Vater Jahn“ wurd’ immer stärker.
bis hin zur „Nationalversammlung“.
 
Ein anonymes Gedicht von 1861 fasst in seiner Kürze die Gestalt und das Wirken dieses außerordentlichen, bewunderungswürdigen Mannes zusammen: „Gefesselt lag das deutsche Land / In wälscher Sklaverei, / Das Deutsche war verpönt, verbannt, / Verschwunden Ehr’ und Treu. / Da büßten Viele ein den Muth; / Bei all dem Trug und Wahn; / Doch echtes deutsches Mannesblut / Pocht in der Brust von Jahn !“
 
Friedrich Ludwig Jahn, „Turnvater Jahn“ (1778-1852) war Lehrer, Freiheitskämpfer gegen die französische Unterdrückung, Schöpfer des Turngedankens und einer der größten deutschen Vorbildgestalten. Die Berliner Hasenheide wurde 1811, dank ihm, die Wiege der „Deutschen Turnkunst“, die noch heute nach seinen Grundlagen betrieben wird. Das Turnen auf der Hasenheide sollte von Beginn an der Körpererziehung im nationalpolitischen Sinne dienen. Schüler und Studenten, Handwerkslehrlinge und -gesellen sowie junge Kaufleute wollten sich in der schichtenübergreifenden Männergemeinschaft zu „echt deutschen“ Männern heranbilden. Ihre erklärten Hauptziele waren „Deutschheit, Mannheit und Freiheit“. Die Turnbewegung wuchs schnell über Berlin hinaus. 1818 existierten rund 100 Turngemeinden, davon 84 in Preußen, mit um 12.000 Mitgliedern.
 
Jahn verdiente sein Brot als Hauslehrer, erforschte tiefgründig die deutsche Muttersprache, für deren Reinheit er eintrat. 1800 wurde für Jahn ein Verbot aller deutscher Universitäten ausgesprochen, er verbarg sich bei Halle in einer Felsenhöhle an der Saale („Jahnhöhle“). Im gleichen Jahr hat man ihm in Leipzig den Prozess gemacht. Die große vaterländische Idee für ein „Vereinigten Deutschland“, gegen die „Verwälschung“, „Fremdsucht“, „Ausländerei“, um die „Feinde der Freiheit“ (Franzosen und die deutschen Kleinstaat-Fürsten) zu besiegen, ließen Jahn aber nicht mehr los. Am 13. November 1810 gründete Jahn mit 11 Freunden den „Deutschen Bund“ zur Wehrertüchtigung und Befreiung und Einigung Deutschlands. Entscheidende Anregungen für die Turnerei waren von dem Lehrer Johann Christoph Friedrich Gutsmuths (1759-1839) gekommen. Jahn leitete ein Freikorps, war Anführer eines Bataillons, so dass er die Niederlage Napoleons 1813 als teilweise Wunscherfüllung seines Wirkens ansehen durfte.
 
Friedrich Ludwig  Jahn führte in einer Schriftenreihe, die er „Runenblätter“ (1828) nannte, die Begriffe „Schalte“ und „Walte“ ein, die er als Gegenkräfte auffasste. In der „Walte“ erkennt er Einheit, Vereinigung, Sammlung, in der „Schalte“ Vereinzelung, Trennung, Sonderung. Er schreibt: „Wo die Schalte das Übergewicht erringt, wird das Staatswesen eine immer aufgefrischte Blutbühne, wo die schrecklichsten Trauerspiele wechseln. ... Aus dem Staatenwesen wird ein Unwesen, was auf die Selbstsucht schaltsüchtiger Machthaber geradezu und ausdrücklich gegründet ist. - Da hat der Eroberer gewonnenes Spiel, er teilt und verteilt, Verführungskünste entzweien ohne Versöhnung, der Abfall ist leicht und Zurücktreten von der allgemeinen Sache lockend. ... Die Verratenen werden von Meineidigen beraubt, geplündert und ausgebeutet. Ausländerei wird gelobt, geliebt und gelitten; die eigene Volkstümlichkeit geschmäht, geschimpft und geschändet.“
 
Aber Jahn forderte auch nach Napoleons Sturz weiterhin: „Freie Rede, Verfassung, Einheit des Vaterlandes“. 1815 wurde in Jena die „Urburschenschaft“ gegründet; ein Jahr darauf erschien Jahns Buch Die Deutsche Turnkunst“. Im Jahre 1819 wurde Jahn verhaftet und zu 6 Jahren Gefängnis verurteilt. Turner aus seinem Freundeskreis wurden ebenso festgenommen, erhielten Berufsverbote, sie wurden zur Flucht und  Auswanderung genötigt. Erst 1840 erfolgte Jahns Amnestierung und Rehabilitierung, 1842 hob der König von Preußen Friedrich Wilhelm IV. den Turnverbots-Erlass seines Vaters auf und beendete damit die Turnsperre; Turnen wurde in Preußen zugelassen und Schulfach. 1848 wurde Jahn in die „Frankfurter Nationalversammlung“ in der Paulskirche gewählt. 1852 starb Jahn in Freyburg an der Unstrut und wurde an der Stirnseite der ersten deutschen Turnhalle, deren Bau er angeregt hatte, beigesetzt. Jahn war neben Johann Gottlieb Fichte (1762-1814) und Ernst Moritz Arndt (1769-1860) der geistige Vater der studentischen Freiheits- und Einheitsbewegung. Sein Turnerwahlspruch, den er in seinem Turnerlehrbuch der Nation ans Herz gelegt hatte geht auf den altdeutschen Reimspruch zurück: „Frisch, frey, fröhlich, frumb - Sind der Studenten Reichthumb !“. Aus den Anfangsbuchstaben des Turnerwahlspruches, den vier „F“, formte der Darmstädter Kupferstecher Heinrich Felsing 1843/46 das „Turnerkreuz“.