DER RAUB STRASSBURGS
 
„O Straßburg -, O Straßburg“,
wie klingt es schmerzlich schrill,
du fort-geraubte Perle,
am Rhein und an der Ill.
 
Altdeutsch sind deine Türme,
urdeutsch sind Volk und Gau,
die Zorn’s und Müllenheimer
erwirkten deinen Bau.
 
Du bist so stolz gediehen,
im Rheinischen Städtebund;
gabst stark dem Bischof Geroldseck
den Freiheitswillen kund.
 
Du freie deutsche Reichsstadt,
hast selbst dich gut regiert;
die deutsche Zunftverfassung
hat Wohlstand garantiert.
 
Der Turm auf deinem Münster
war höchster Bau der Welt;
freizügig und lutherisch
war Straßburg eingestellt.
 
Es predigte Mathäus Zell
für Freiheit, gegen Rom;
es stütze den Schmalkalden-Bund
der Hort am deutschen Strom.
 
Doch dann in tiefer Mitternacht,
kam es zu Straßburgs Fall,
es schlich der Franzmann sich heran,
Franzosen überall.
 
Die Bürgerwehr bewaffnet’ sich,
Ratsherren war’n geschockt,
Kirchenglocken brüllten Sturm -,
das Räuberheer frohlockt’.
 
Kanonen standen rings umher,
sie drohen mit Beschuss,
so ward der Stadt-Verlust diktiert,
zu einem üblen Schluss.
 
Um Straßburg wieder zu befrei’n,
kein Heerbann rückt’ heran,
der Kaiser stand im Türkenkrieg,
da braucht’ er jeden Mann.
 
Und Frankreichs König Ludwig
beging die Schurken-Tat,
dass er dem Türken-Sultan
noch Gold gesendet hat.
 
Das deutsche Volkslied O Strassburg, O Strassburg“ endet mit dem 8. Vers: „Was lauft ihr, was rennt ihr - Nach fremden Dienst und Land ? - Es hat’s euch niemand g’heissen, - Dient ihr dem Vaterland.“ So wie dem deutschen Vaterland mit dem Raub Straßburgs eine seiner schönsten Städte-Perlen genommen wurde, so hat das alemannische Volk Straßburgs andererseits, sein angestammtes Vaterland verloren. - Strasburg / Straßburg (alemannisch Schdroosburi) ist die Hauptstadt vom deutschen Elsass (französisch okkupiert). Ursprünglich siedelten in diesem Großraum - wie in ganz Süddeutschland - keltische Stämme, bis unter dem Heerführer Ariovist, um 50 v.0, mittel- und norddeutsche suebisch-allamannische Zuwanderer sich das Land mit alteingesessenen Kelten teilten. Der Stadtname war Argentoratum (kelt. „Weiße Burg“). Nach der Niederlage des Germanen Ariovist durch den raumfremden römischen Heerführer Cäsar, begann das röm. Imperium seine Herrschaft auszubauen, indem es sämtliche Keltengebiete unterwarf. Im 3. Jh. n.0 wurde das römisch-keltische Argentoratum (Argentina) von den germanischen Alamannen zurück gewonnen.
 
Die Stadt Straßburg, mit ihrem bäuerlichen Umland, gehörte zum Deutschen Reich, dem sogenannten „Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation“. Zwei führende Patriziergeschlechter bestimmten über lange Zeiten die Geschicke der Stadt, die Familien Zorn und Müllenheim. Unter ihrer Regentschaft und der Organisation des deutschen Zunftwesens, entwickelte sich Straßburg zum stärksten Wirtschaftszentrum der Region. Der Bischof Walter von Geroldseck versuchte die Rechte der freien deutschen Reichsstadt einzuengen, hatte damit aber keinen Erfolg, seine Truppen wurden in der „Schlacht von Hausbergen“ geschlagen. Straßburg wurde im 13./14. Jh. Mitglied in beiden deutschen „Rheinischen Städtebünden“. Der von Bischof Werner I. v. Habsburg im 11. Jh. begonnene Bau des Liebfrauenmünsters gedieh schließlich zum höchsten Bauwerk der Welt (bis 1874). Nach Erfindung der Buchdruckerkunst durch J. Gutenberg wurde Straßburg schnell zu einem Zentrum deutschen Geistes und Literaturbetriebes. Die Universität Straßburg ging 1538 aus dem protestantischen Gymnasium des Johannes Sturm hervor. Straßburger Drucker leisteten einen bedeutenden Beitrag zur Verbreitung der lutherische Reformation und damit der Befreiung von römisch-vatikanischer Bevormundung. Der erste mutige evangelische Prediger war 1521 der Priester Mathäus Zell am Straßburger Münster. Auf dem Augsburger Reichtag 1530 legte Straßburg sein Bekenntnis zur Reformation ab. Im Jahr darauf trat die Stadt dem „Schmalkaldischen Bund“ zur Verteidigung der evangelischen Reichstände bei. Der Dreißigjährige Krieg von 1618 bis 1648 hatte Deutschland ausbluten lassen; diesen Schwächezustand des Reiches nutzten die Franzosen zu Überfällen, Plünderungen und dem Raub deutscher Gebiete. Frankreich führte als eine der „Garantiemächte des Friedens“ von Münster und Osnabrück, ab 1667 nacheinander vier Eroberungskriege und zwar gegen die Niederlande, Holland, die Pfalz und Spanien. Der zynische „Sonnenkönig“ schrieb 1688 in einem Brief an den Duc Louis Hector de Villars: „Die würdigste und angenehmste Beschäftigung eines Herrschers ist sich zu vergrößern.“ Frankreich bemächtigte sich großer Teile Luxemburgs. Im Jahre 1652 fiel die Französisch-Lothringische Armee ins Elsass ein und verwüstet die Landschaft. Elsässische Reichsstädte gerieten unter französische Gewalt.
 
In der Nacht zum 28.09.1681 überfielen französische Soldaten des sog. „Sonnenkönigs“ mitten im Frieden die Stadt Straßburg. Ludwig XIV. hatte eine Armee von 30.000 Mann unter Baron de Montclar vor den Wällen erscheinen lassen, deren Bürger Frankreich absolut feindlich gesinnt waren. Die Stadt verfügte nur über eine schwache Bürgerwehr von 800 Mann. Es wurde dem Rat der Stadt ein Ultimatum von 24 Stunden für die Übergabe gestellt, sonst würde die Stadt beschossen. Am 24. Oktober zog der Franzosenkönig im pompösen Triumphzug ein. Da des deutschen Kaisers habsburgische Residenzstadt Wien von den Türken bedroht wurde, war eine Hilfe für die Befreiung Straßburgs nicht möglich, und Frankreich konnte seinen feigen Raub im „Frieden von Rijwijk“ i.J. 1697 befestigen. Die Franzosen unterbanden die Straßburgischen Freiheiten: Die Protestanten wurden von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen, die Zwangsrekatholisierung begann. Im Zuge von Frankreichs Eroberungspolitik schickte Ludwig XIV. auch wieder 1688 Truppen über den Rhein, um die deutsche Pfalz zu gewinnen. Französische Truppen zerstörten systematisch die Pfalz und angrenzende Gebiete. Zahlreiche Dörfer, Burgen, Festungen, Kirchen und ganze Städte wie Speyer, Mannheim, Heidelberg in Kurtrier und Württemberg wurden geplündert und verbrannt. Die Deutschen mussten die französischen Untaten hinnehmen, denn ihre Kräfte waren durch die Folgen des Dreißigjährigen Krieges, der Pest, des Konfessionsstreites und der grausamen Türkengefahr gebunden und verzettelt.
 
Türkenangriffe begannen 1526/27 und erreichte 1532 mit der ersten Türkenbelagerung Wiens ihren Höhepunkt. In den Jahren 1566/1568 berannten die Türken erneut den deutschen Südosten. Die osmanischen Einfälle hatten in Niederösterreich und der Steiermark etwa 200.000 Menschen das Leben oder die Freiheit gekostet. Tausende deutscher Menschen wurden auf die Sklavenmärkten des Orients, insbesondere dem von Alexandrien, verschleppt. Der perfide, machtbesessene Ludwig XIV. hatte seinen Botschafter in Konstantinopel angewiesen, den Großwesir Kara Mustfa zum Einmarsch in Ungarn und dem Reich anzustacheln, weil er hoffte, dass unter den islamischen Schlägen Deutschland vollends zusammenbrechen würde, dann die deutschen Fürsten ihn um Rettung anflehen müssten, er als „Retter des Abendlandes“ die Türken erst an der Rheingrenze stoppen würde, worauf er für seinen Sohn die deutsche Kaiserkrone beanspruche könne. Der allerkatholischste Franzosenkönig, der seine Protestanten grausam verfolgen ließ, unterstützte mit Rat und Gold den Feind der Christenheit, allein um  das Deutsche Reich zu Fall zu bringen. (siehe u.a.: Uwe Schultz, „Der Herrscher von Versailles - Ludwig XIV und seine Zeit“, 2006)
 
Bild: Strasburg Gesamtansicht, Befestigungsanlagen, Rhein - kolorierter Kupferstich von Christoph Riegel, um 1700