Joseph Schmidt im Film
 
„Heut‘ ist der schönste Tag in meinem Leben“, 1936
 
STAR-TENOR JOSEPH SCHMIDT
 
„Kleiner Mann mit großer Stimme“ !
Und die Zeiten waren schlimme -;
viel Erfolg war ihm bestimmt,
doch das Leben gibt und nimmt.
 
Es gab wohl herrliche Tenöre,
Joseph Schmidt war, wie ich höre,
dazu mit Sex-Appeal begabt,
hat manche Liaison gehabt.
 
Tragisch blieb der kleine Sänger,
er geriet nun mal nicht länger,
doch sein Film-Debüt gefällt,
und sein „Lied ging um die Welt“.
 
Traumhaft schön gab er sie wieder,
deutschen Volkes traute Lieder.
Sein Erfolg war nicht gering,
traurig, wie’s zu Ende ging.
 
Es betrat der Krieg die Bühne,
dazu trat die NS-Ranküne.
Der Sänger suchte einen Port,
seinen sicheren Heimatort.
 
Millionen hat der Krieg verdorben,
Schmidt ist viel zu jung gestorben;
ihm sei in Dankbarkeit gedacht,
auch, weil er heut' noch Freude macht !
 
Joseph Schmidt (1904-1942), war ein in Galizien-Bukowina bzw. der Westukraine geborener Opernsänger. Mit 14 Jahren singt er im Chor des Tempels von Czernowitz. Ende Oktober 1923 bricht die Ära des Rundfunks an. Am 18. April 1929 debütiert Schmidt beim Berliner Rundfunk mit der berühmten Arie des Vasco da Gama aus „Die Afrikanerin“ von Giacomo Meyerbeer. Er studierte ab 1925 an der Königlichen Musikschule Berlin Gesang. In den 1930er Jahren gehörte er zu den gefeierten Tenören in Deutschland. Schmidt nahm zahlreiche Schallplatten auf und sang zwischen 1929 und 1933 am Berliner Rundfunk in 38 Rundfunkopern. Aufgrund seiner geringen Körpergröße von nur 1,54 m blieb ihm eine große Karriere auf den Opernbühnen versagt. Trotzdem konnte er ab Januar 1939 in Brüssel die Rolle des Rudolf in „La Bohème“ verkörpern, es folgte eine Tournee über Lüttich, Gent, Antwerpen, Brügge usw.. Ein Gastspiel als Rudolf gab Schmidt im Jahre 1940 auch in Helsinki. Schmidts letzter nachweisbarer Auftritt fand in der Oper von Avignon am 14. Mai 1942 statt. Im „Kleines Sängerlexikon - Unvergängliche Stimmen“, 1966, S. 448, heißt es: „Joseph Schmidt besaß eine der schönsten lyrischen Tenorstimmen seiner Epoche. An sich war diese Stimme nur klein, doch ihre enorme Tonhöhe und ihr nuancenreicher, ausdrucksschöner Vortrag verdienen noch auf seinen zahlreichen Schallplatten höchste Bewunderung.“ Zu Herzen gehend, wie er die deutschen Volkslieder zu singen verstand. In kurzer Zeit wurden eine Reihe recht schöner Filme mit ihm gedreht: „Der Liebesexpreß“, 1932: „Goethe lebt...!“, „Gehetzte Menschen“, Deutschland (1932), „Ein Lied geht um die Welt“, Deutschland (1933), „Wenn du jung bist gehört Dir die Welt“, Österreich (1934), „Ein Stern fällt vom Himmel“, Österreich (1934), „Heut‘ ist der schönste Tag in meinem Leben“ Österreich (1936), „A Star Fell from Heaven“, England (1936). Nachdem der gefeierte Gesangsstar wegen des Regierungsantrittes der NS-Machthaber nach Österreich auswich, gab er Gastspiele u.a. in Palästina (1934) und USA (1937). Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich ging Schmidt nach Belgien, dann nach Vichy-Frankreich, wo er zwangsinterniert wurde, was ihm ebenso widerfuhr als er zu Fuß illegal die Schweizer Grenze überschritt. In einem Züricher Internierungslager ist er - viel zu jung - an einer Herzerkrankung gestorben. Um auf die weitläufigen politischen Intrigen die zum Weltkrieg II. führten, den offiziell bekannten und denen hinter den Kulissen, ebenso wenig eingehen zu müssen wie auf die Religion des Star-Tenors, vermeide ich den Kontext zur zeitgeschichtlichen Berichterstattung um seine Person -, die ohnehin im Netz nachgelesen werden kann. Ich wollte ihm nur eine Ehrung wegen seines Gesanges aussprechen.
 
 
Ich sah den Film „Ein Lied geht um die Welt“ auf DVD, welcher allerdings nicht gerade als ein Kunstwerk zu loben ist. Regie führte Richard Oswald, das Drehbuch schrieben Ernst Neubach und Heinz Goldberg. Die zutreffende Beurteilung von Joseph Goebbels soll gelautet haben (Booklet zum Film von Friedemann Beyer): „peinlich“. Der Film wurde uraufgeführt am 09.05.1933 im Berliner Ufa-Palast am Zoo. Der Film sollte mit gutem Erfolg um die viereinhalb Jahre lang in den Reichsdeutschen Kinos laufen. Die Kritik betraf und betrifft nicht den Hauptdarsteller Joseph Schmidt, der eine gute sympathische Figur macht, sondern die Regie, die Kameraführung und den Schnitt. Bei oberflächlicher Betrachtung handelt es sich um ein nettes Unterhaltungsfilmchen ohne große Ansprüche, doch beim genauen Hinsehen offenbaren sich Handlungsbrüche, krampfige, einfallslose Dialoge, unlogische Übergänge, deplatzierte Überlängen, schlechte Umschnitte und Niveaulosigkeiten über die die filmische Gesamtlänge. Was hätte man aus diesem spannenden Thema - eines körperlich zu kleinen großen Könners, dem ein geliebtes Mädel zu einem Laffen wegläuft - machen können ! Fritz Kampers (Simoni) war nie mit Gestaltungskraft gesegnet, Viktor de Kowa (Musik-Clown Rigo) blieb blass, aber Charlotte Ander (Schallplattenverkäuferin Nina) spielte sensibel gekonnt die schwierige Rolle, war hervorragend. Ohne die wundervollen Gesangseinlagen von Joseph Schmidt bliebe der Film nur „peinlich”, so aber ist er - um des Tenors willen - doch hörenswert.
 
Die DVD wird als Doppelbox angeboten, mit beiden Filmen über Joseph Schmidt, jenem von 1933 und einem zweiten des gleichen Titels von 1958. Der Nachkriegsfilm hat einen bedeutend besseren Aufbau, doch leider handelt es sich um einen reinen Kommerzfilm mit frei erfundener Handlung. Sehr übel ist, dass der Produzent Ernst Neubach diesen Streifen als „historisch-biographisch“ sowie als „Joseph-Schmidt-Story“ dem Publikum anpries. „DER SPIEGEL“ (03.12.1958) veröffentlichte einen Joseph-Schmidt-Artikel unter der Überschrift „JOSEPH SCHMIDT - Die unbekannte Witwe“, in dem einige interessante biographische Details zu Tage traten: „Immerhin, auf die amourösen Nebenaspekte der Schmidt-Karriere glaubte Produzent Neubach verzichten zu können, als er vor drei Jahren der Idee erlag, das Leben seines Freundes zu verfilmen. Der Constantin-Filmverleih war bald für das Projekt gewonnen; denn ein Film über Schmidt verhieß beträchtliche geschäftliche Chancen: Seit Mitte 1956 hatte die Schallplattenfirma Electrola in der Reihe ‘Unvergänglich - Unvergessen‘ neun alte Schmidt-Aufnahmen herausgebracht, die durch besondere Kunstgriffe von Nebengeräuschen befreit und technisch aufpoliert worden waren. Das Geschäft mit den Schmidt-Platten ließ sich, wie die Electrola erklärte, ‘ganz ausgezeichnet‘ an. Electrola: ‘Er und Tauber haben offenbar einen legendären Ruf.‘“ - „Ernst Neubach konnte sich alsbald daranmachen, das Drehbuch zu verfassen. Obgleich er sich nach eigener Behauptung bemühte, ‘das Leben Schmidts historisch getreu wiederzugeben‘, glaubte er doch in einem Punkt dem Geschmack der Kinomassen eine Konzession machen zu müssen. Er erfand die Figur einer blonden Generalstochter mit dem Namen Brigitte von Hilden (im Film Sabina Sesselmann). ‘Sie wird dem weltberühmten und im Innern doch einsamen Tenor zum Schicksal‘, erläuterte die Neubach-Produktion. ‘Ihm, dem Millionen zujubelten, sollte es nicht vergönnt sein, die über alles geliebte Frau heimzuführen.‘ Kein Zweifel: Auch im Film bleibt Schmidt ledig.“ - „Die Premiere fand termingerecht statt, und der tränentreibende Film, der den Sänger Schmidt als ‘Bannerträger des deutschen Liedes in der Welt‘ feiert, läuft nun schon in der dritten Woche, ohne daß Produzent oder Verleih auch nur erwogen hätten, mit Lotte Ernst eine „zufriedenstellende Regelung“ zu treffen. Sagt Neubach: „Ist doch Quatsch, der Josele war nie verheiratet.“ - „Aus den Begegnungen jener Jahre bezieht der Filmproduzent Neubach seine Überzeugung, daß Schmidt niemals verheiratet war. Schmidt-Freund Neubach hatte oftmals Gelegenheit zu der Beobachtung, daß der in amouröser Hinsicht recht lebhaft veranlagte Tenor sich keineswegs den Damen verweigerte, die ihn unbeachtet seiner zwergenhaften Statur (knapp über 1,50 Meter) mit Ausdauer anhimmelten.“ - „Anfang 1942 trafen sich die beiden [Schmidt und Neubach] auf der Flucht vor der Gestapo in der Nähe von Nizza wieder: Es war Ende Februar, als Schmidt in Begleitung gleich zweier Miezen in Neubachs Wohnung nächtigte. Wenig später, nach geglückter Flucht, wurde Schmidt in das schweizerische Internierungslager Gyrenbad eingewiesen. Er starb dort schon im November an Lungenentzündung und Herzschwäche; er war gerade 38 Jahre alt.“ - „Schmidt floh nach Brüssel, von dort nach Paris und schließlich - vor den heranrückenden deutschen Truppen - bis an die Schweizer Grenze, die er viermal vergeblich zu überqueren versuchte. Jedesmal wurde er von schweizerischen Beamten zurückgeschickt. Erst beim fünften Versuch gelang ihm der Grenzübertritt.“ - „Zudem wurde der Schauspieler Max Strassberg verpflichtet, sich selbst darzustellen: In seinen Armen starb Joseph Schmidt am 16. November 1942. Allerdings: Auch diesem Schmidt-Freund war verborgen geblieben, was Frau Lotte Ernst, geborene Reig, den Filmleuten kurz vor der Premiere eröffnete, daß nämlich Schmidt verheiratet war.“ - „Obgleich Schmidt in die schweizerischen Polizei-Meldelisten stets den Vermerk ‘ledig‘ eintrug und auch der in der Schweiz ausgestellte Totenschein die Bemerkung ‘ledig‘ trägt, kann Lotte Ernst immerhin dokumentarisch beweisen, was jetzt der Produzent Neubach nicht recht glauben will: daß sie sich als Witwe Joseph Schmidts bezeichnen darf. Sie besitzt eine Heiratsurkunde des Hamburger Hauptstandesamtes, das ihr am 25. Juli 1957 bescheinigte, sie sei dem Schmidt ‘mit Wirkung vom 13. Januar 1942‘ angetraut worden.“ Sogar ein Kind soll der Sänger mit seiner Frau gehabt haben. Es muss nicht jede Ungereimtheit im Leben eines Künstlers offengelegt werden, doch es ist schlimm, dass immer wieder Filme mit frei erfundenen Biographien dem Publikum so dargeboten werden, dass ein unehrlicher aber gewünschter „historisch-biographischer“ Eindruck entsteht.
 
Joseph Schmidt - Ein Lied geht um die Welt (1933)