RATTENFÄNGER

In Hameln der Rattenfänger pfiff,
sein Pfeifenton wurd’ zum Begriff,
seitdem sein Lied die Stille brach -,
ihm folgten Ratz’ und Mäuse nach.

Der Buntling ward er auch genannt,
ganz fremd schien er im Weserland,
in vielen Farben prangt’ sein Kleid,
was neu ist lockt zu jeder Zeit.

Zum Weser-Wasser schritt er hin,
die Ratten folgten, froh im Sinn,
dann taucht’ er in den Fluss hinab,
der wurd’ zum nassen Ratten-Grab.

Die Macht erwächst im Pfeifenton,
fährt gleich in leichte Beine schon.
Der Rattenfänger zeigt es auf,
sein Lied verlockt zum falschen Lauf.

Wer süßen Melodeien lauscht,
der wird im Nu davon berauscht,
verliert die Sinne und Verstand,
drum halt’ dein Herz in fester Hand.

Der Rattenfänger weiter blies,
bis jeder Knab’ sein Haus verließ,
ihm folgte bald die kleinste Dirn’,
nur noch den Pfeifenschall im Hirn.

Der Buntling zog mit Kling und Klang
aus Hameln fort den Weg entlang,
stieg tief in einen Zauber-Berg -,
zu End’ war sein Verführungs-Werk.

Nie fand man später eine Spur -,
allein die Nachricht hört’ man nur,
die Kinder wär’n nicht tot, nur fort,
sie lebten fern an fremdem Ort.

Versteh’n wir was die Sage spricht,
liegt nicht darin auch Lehr-Absicht -,
hat nicht der Pfiff der swingt und rockt,
manch' Kind nach „Übersee“ gelockt ?!
 
Der „Rattenfänger von Hameln“ ist eine weit verbreitete deutsche Sage. Sie wurde in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Es wird geschätzt, dass mehr als eine Milliarde Menschen sie kennen. Der Sage nach tauchte im Jahre 1284 zu Hameln ein wunderlicher Mann auf. Er hatte eine Gewandung aus vielfarbigen, bunten Tüchern an und gab sich für einen Rattenfänger aus, indem er versprach, gegen ein gewisses Geld die Stadt von allen Mäuse und Ratten zu befreien. Die Bürger sagten ihm seinen Lohn zu, und der Rattenfänger zog eine Pfeife heraus und pfiff eine gewisse Melodie. Da kamen die Ratten und Mäuse aus allen Häusern hervorgekrochen und sammelten sich um ihn herum. Als er nun meinte, es wäre keine zurückgeblieben, ging er aus der Stadt hinaus in die Weser; der ganze Haufen folgte ihm nach, stürzte ins Wasser und ertrank. Als aber die Bürger sich von ihrer Plage befreit sahen, reute sie ihr Versprechen und sie verweigerten dem Mann den Lohn, so dass er zornig und erbittert wegging. Am 26. Juni jedoch kehrte er zurück in Gestalt eines Jägers, mit schrecklichem Angesicht, einem roten, wunderlichen Hut und ließ, während alle Welt in der Kirche versammelt war, seine Flöte abermals in den Gassen ertönen. Alsbald kamen diesmal nicht Ratten und Mäuse, sondern Kinder, Knaben und Mägdlein vom vierten Jahre an, in großer Anzahl gelaufen. Diese führte er, immer spielend, zum Ostertore hinaus in einen Berg, wo er mit ihnen verschwand. Nur zwei Kinder kehrten zurück, weil sie sich verspätet hatten; von ihnen war aber das eine blind, so dass es den Ort nicht zeigen konnte, das andere stumm, so dass es nicht erzählen konnte. Ein Knäblein war umgekehrt, um sein Obergewand zu holen, und so dem Unglück entgangen. Einige sagten, die Kinder seien in eine Höhle geführt worden und in Siebenbürgen [hinter den 7 Bergen] wieder herausgekommen. Es waren ganze 130 Kinder verschwunden. Man hat sie nie mehr gesehen.
 
Eine möglicherweise der oft vorgenommenen kirchlichen Umdeutungstheorien besagt, dass die Hamelner Kinder einem christlich-missionarischen Überredungskünstler aufgesessen sein können, der diese zum fremden christlichen Ritus in die Wälder bei Coppenbrügge - 15 km östlich von Hameln - geführt habe, wo sie ihren angestammten Göttern abschwören und ihnen unverständliche Litaneien singen musste, weswegen sie Wodan in einem Berg versenkt habe. Noch heute wird dort eine große Kuhle gezeigt, die durch ein katastrophales Naturereignis entstanden sein könnte. Coppenbrügge wurde um 1000 das erste Mal urkundlich in einer Grenzbeschreibung des Bistums Hildesheim als Cobbanbrug erwähnt. Die bekanntlich aggressive Mission muss von Hildesheim ausgegangen sein.Um 800 errichtete Frankenkönig Karl das Missionsbistum für Ostfalen in Elze, das damals Aula Caesaris, kurz Aulica genannt wurde und etwa 19 km westlich des heutigen Hildesheim liegt. Das Bistum wurde dann 815 von Karls Sohn Ludwig dem Frommen in Hildesheim neu gegründet. Am 9. März 1062 verlieh Kaiser Heinrich IV. dem Hildesheimer Bischof Hezilo den Forstbann bei Coppenbrügge.
 
Eine weitere Erklärung für den Rattenfänger-Mythos bietet die reale Geschichte vom Kinder-Kreuzzug des Jahres 1212. Unverantwortliche mönchische Schwätzer hatten - aufgrund ihrer fixen Idee von der „Heiligenlandbefreiung“ - Zehntausende von Kindern/Jugendlichen der unteren sozialen Schichten (Handwerker und Bauern) in den Orient gelockt, wo sie schmählich verkommen und gestorben sind und auf den Sklavenmärkten verkauft wurden.