03.12.2024
In der Silvesterkapelle der Kirche Santi Quattro Coronati in Rom sprechen die Fresken aus dem 13. Jahrhundert eine deutliche Sprache. Die Szene, in der der Kaiser dem Papst die Zügel hält, kann in lehnsrechtlicher Ausdeutung als Vasallendienst interpretiert werden. Kern der Silvesterlegende: Papst Silvester I. zeigt dem leprakranken Kaiser Konstantin das Bild der Apostel Petrus und Paulus. Die „Konstantinische Schenkung“, wie sie der Vatikan noch nach ihrer Entlarvung 1520/25 im „Sala di Costantino“ darstellte.
Die katholische Kirche fälschte ihren Herrschaftsanspruch. Was als angeblicher Akt der „Konstantinischen Schenkung“ im 4. Jahrhundert begann und im Mittelalter als Machtargument gebraucht wurde, ist heute einer der stetig wiederkehrenden Vorwürfe gegen das Papsttum und die Kirche in jener Zeit – befeuert er doch allzu gut das Bild einer gierigen und verlogenen Geistlichkeit.
Unbestritten ist heute, dass die Quellen, die die Übertragung zahlreicher kaiserlicher Privilegien und des gesamten weströmischen Imperiums von Kaiser Konstantin auf Papst Silvester I. bezeugen, gefälscht wurden. Doch wo und wann entstand diese Lüge? Welchen Effekt hatte die Schenkung auf machtpolitische Auseinandersetzungen? Und warum nahmen selbst die Päpste letztlich Abstand davon, ihre Herrschaft auf Kaiser Konstantin zurückzuführen? Dabei stoßen wir abermals auf alte Bekannte, die schon des Öfteren unser gegenwärtiges Bild vom „finsteren Mittelalter“ geprägt haben.
Die „Konstantinische Schenkung“ im 4. Jh.
Nie wurde so hemmungslos und fleißig gefälscht wie im klerikal bzw. klösterlich beherrschten Mittelalter. Eines der berühmtesten Plagiate ist die sog. Konstantinische Schenkung: Die Urkunde sicherte der Katholischen Kirche neben der geistlichen auch die weltliche Vorherrschaft zu und festigte ihren Machtanspruch. Damit war das Dokument eine Art Grundgesetz, ohne das die Geschichte des katholischen Roms und seiner Päpste wohl anders verlaufen wäre. Verantwortlich für dieses großzügige Geschenk soll Konstantin der Große gewesen sein. Dumm nur, dass das Dokument eindeutig nach seinem Tod entstanden sein muss. Schon im 15. Jahrhundert konnte man nachweisen, dass das Latein, in dem die Urkunde verfasst wurde, nicht aus dem 4. Jahrhundert, der Epoche Konstantins, stammte. Wahrscheinlich entstand sie zwischen 750 und 800 n.0 Doch erst im 17. Jahrhundert räumte der Vatikan ein, dass die Urkunde wohl tatsächlich gefälscht sei - von ihrem Machtanspruch wollte die Kirche jedoch nicht abrücken.
Die „Pippinsche Schenkung“ von 753
Die Macht des Vatikans war geschwächt. Papst Stephan II. wurde von den Langobarden bedroht und schlug König Pippin III. ein gaunerhaftes Geschäft vor: Der Papst sichert sich „seinen“ Kirchenstaat und Pippin legt den Grundstein für die Herrschaft der Emporkömmlinge der Karolinger.
Mitte des 8. Jahrhunderts befand sich Papst Stephan II. in einer misslichen Lage: Im Norden Italiens sind die deutsch-germanischen Langobarden sesshaft geworden, die einer Spielart des christlichen Glaubens – dem Arianismus – anhängen und dem Papst mehrfach gedroht haben. Seit dem Ende des Weströmischen Reichs 475 war der Vatikan nicht mehr sicher im christlichen Zentrum der weltlichen Macht angesiedelt, sondern abhängig von der politischen Gemengelage auf dem europäischen Kontinent. Angesichts der Bedrohung durch die Langobarden wendete sich Papst Stephan II. im Jahr 753 mit einem Vorschlag an den fränkischen König Pippin III. Er, der Papst, würde die unter merkwürdigen Umständen zustande gekommene Königswürde Pippins sanktionieren, indem Stephan ihn salbt und sein Geschlecht mit dem Titel „Patricius Romanorum“ auszeichnet. Dafür müsse Pippin die Langobarden schlagen und die von den Langobarden eroberten Gebiete an den Papst abtreten. Gesagt, getan. Der fränkische König führt erfolgreich Krieg gegen die Langobarden und übergibt anschließend den Verwaltungsbezirk Rom, das Gebiet Ravenna, die Pentapolis (Rimini, Pesaro, Fano, Senigallia, Ancona) sowie Tuszien, Venetien, Istrien und die Herzogtümer Spoleto und Benevent an den erfreuten Papst.
Dieser erfüllt daraufhin seine Verpflichtungen aus der Abmachung. Das Geschlecht der Karolinger wird Dynastie und bringt mit dem brutalen Heidenmörder Karl (dem Großen) alsbald den bedeutendsten Herrscher des europäischen Mittelalters hervor. Papst Stephan II. hat den Kirchenstaat ergattert, der damit zu einem mittelgroßen Flächenstaat wird und bis zur Gründung des Königreichs Italien 1871 existiert.
Das Dreiste an dieser Entwicklung ist, dass es die so genannte „Pippinische Schenkung“ nie gegeben hat. Hinweise auf eine dementsprechende Urkunde finden sich nur in einigen Quellen des Vatikans selbst. Ein Dokument ist aber nie aufgetaucht oder von einer seriösen Quelle außerhalb des Kirchenstaates bezeugt.
„Pippinische Schenkung“ - eine Fälschung !
Das gleiche gilt auch für die so genannte „Konstantinische Schenkung“, mit der der römische Kaiser Konstantin um 330 Papst Silvester und allen seinen Nachfolgern die Herrschaft über das gesamte weströmische Reich übertragen haben soll: „Usque in finem saeculi“ – bis ans Ende der Zeit, also für immer! Die Historikerin Elisabeth Herrmann-Otto erklärt die erste gefälschte „Schenkung“ von Kaiser Konstantin dem Großen. Der Historiker und Mittelalter-Experte Sebastian Scholz befasst sich mit der „Pippinischen Schenkung“ des fränkischen Königs Pippin III., die ebenfalls gefälscht war. Der Kirchenhistoriker Jörg Ernesti befasst sich mit den Folgen der beiden Fälschungen für die Geschichte des Vatikans. Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte Matthias von Hellfeld geht zurück in die Zeit der Konstantinischen Wende, mit der das Römische Reich nach und nach christianisiert wurde. Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Nadine Kreuzahler erinnert an die so genannte Pippinische Schenkung des Jahres 753.