15.12.2024

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 Rekonstruktion des Wubiser Kultplatz-Rondells

13.12.2024 – Neues stichbandkeramisches Kult-Rondell in Westpommern, bei Groß Wubiser (poln. „Nowe Objezierze“), ergraben; fast 7.000 Jahre altes Wissen.

Neolithische Rondelle waren kreisförmige Monumentalanlagen aus der Jungsteinzeit, die aus mehreren konzentrischen Gräben und Palisaden bestanden und vermutlich als rituelle Versammlungsplätze dienten. Diese bis zu 200 Meter großen Bauwerke wurden zwischen 4900 und 4500 v.0 hauptsächlich in Mitteleuropa errichtet und zeugen von der erstaunlichen Planungs- und Baukunst der frühen nordischen Ackerbauern.

In den Nähe der deutschen Ansiedlung Groß Wubiser, welche die Polen, nach Ausmordung und Vertreibung der deutschen Bevölkerung, heute „Nowe Objezierze“ nennen, haben Archäologen ein neolithisches Rondell entdeckt, das etwa 4.800 Jahre vor der christlichen Zeitrechnung erbaut wurde. Nach Berlin sind es keine 100 Km und nach Goseck/Naumbug ca 300 Km. Der archäologische Fund wurde von einem Team unter der Leitung von Dr. Lech Czerniak untersucht und gibt spannende Einblicke in die Rituale und das Zusammenleben früher landwirtschaftlicher Gemeinschaften. Rondelle, kreisförmige Anlagen mit Gräben und Palisaden, wurden oft für Zeremonien genutzt, die an astronomische Ereignisse wie die Wintersonnenwende angepasst waren.

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Das Rondell in Groß Wubiser ist besonders beeindruckend durch seine Größe und Detailgenauigkeit. Es hat einen Durchmesser von 112 Metern und umfasst drei Grabensysteme sowie vier konzentrische Gräben, die als Basis für Holzstrukturen dienten. Mit modernen Methoden konnten die Forschenden den Bauprozess nachvollziehen, der eine sorgfältige Planung und enge Zusammenarbeit in der Gemeinschaft voraussetzte. Der Bau war eine gewaltige Gemeinschaftsleistung, die sich über mehrere Jahre erstreckte. Zuerst wurde das Gelände vorbereitet und der zentrale Kreis abgesteckt. Danach entstanden Holzstrukturen, die mit Lehm und Schilfrohr verstärkt wurden, um Witterungseinflüssen zu trotzen. Wahrscheinlich gab es während der Bauarbeiten auch Rituale, die den Zusammenhalt der Gemeinschaft stärkten. Die Nutzung des Rondells war durch einen klaren Zeremonienzyklus geprägt, erklärte das Team in seiner im Fachjournal „Journal of Archaeological Method and Theory“ veröffentlichten Studie. Die Gräben wurden für bestimmte Anlässe geöffnet und danach wieder verfüllt. Das zeigt, dass die Nutzung des archäologischen Fundes eng mit dem rituellen Kalender verbunden war. Die Eingänge waren so ausgerichtet, dass sie auf astronomische Ereignisse wie die Wintersonnenwende hinwiesen, was auf das ausgeprägte Wissen der Erbauer über die Himmelsbewegungen hindeutet. Das Rondell von Groß Wubiser entspricht mit seinem wintersonnweltlichen Kultcharakter dem von Goseck, in der Nähe von Naumburg.

Aufgabe nach 300 Jahren - Funde wie Tierknochen und verzierte Keramik deuten darauf hin, dass das Rondell ein Ort für Feste, soziale Treffen und vielleicht auch Opferungen war. Solche Ereignisse stärkten den Zusammenhalt der Gemeinschaft, regelten Hierarchien und halfen möglicherweise, Streitigkeiten beizulegen. Die Keramik zeigt außerdem Verbindungen zu Regionen wie von Zentral-Germanien bis Nordböhmen, was auf kulturelle Verbindungen gleicher Ethnien hindeutet.

Der archäologische Fund gibt Hinweise darauf, dass diese Gemeinschaft recht egalitär organisiert war. Der Bau und die Pflege des Rondells waren gemeinschaftliche Aufgaben, die keine klaren Machtstrukturen erkennen lassen. Um 4.500 v.0 wurde das Rondell jedoch aufgegeben, vermutlich wegen sozialer Veränderungen und einem Rückgang der landwirtschaftlichen Aktivität in der Region. - Quelle: „Construction, Maintenance and Ritual Practices on the Neolithic Rondel at Nowe Objezierze (Westpommern): The chaîne opératoire of Rondel’s Architecture“ (Journal of Archaeological Method and Theory, 2024)