MEISTER ECKHART

Über Germanien liegt bleischwere Nacht,
düsterer Wahn aus den Klöstern schwelt,
grauenvoll wütet die mönchische Macht,
erbarmungslos wird die Nation entseelt.

 
Die Herrscher geben den Pfaffen Gewalt,
die halten für jene das Volk im Zaum,
sie mästen im Bunde sich ohne Halt -;
und Könige träumen den Kaiser
-Traum.

 
Zur Krönung wird der Papst gebraucht,
so muss ihm der König zu Willen sein -,
am Brandpfahl werden jene zerschmaucht,
die nicht demutsvoll Halleluja schrei’n.

 
Ist denn aller Freiheitssinn niedergemäht,
ist das eigene Denken im Volk zerstört -,
dass hebräischer Text - lateinisch’ Gered’
gemeinschaftlich giftig Vernunft betört ?

 
Doch da war einer, ein Geistes-Gigant,
er klärte das kirchliche Glaubensgewühl -
Eckhart von Hochheim ward er genannt -
und er predigt heimisches Gottes-Gefühl.

 
Germanen-Glauben im neuen Gewand:
„Im Seelen-Grund selber die Gottheit webt,
Gott-Anteil ist sie, von Gott nicht gesandt,
im hohen Menschen das Göttliche lebt !“


 
Das klingt doch zu neu und zu ketzerisch,
für Dominikaner-Ohren wie böser Hohn;
„Brüder“ zückten den Dolch zum Stich,
diffamierten den Meister der Inquisition.

 
Ein Verfahren strengten sie gegen ihn an,
wegen Glaubens-Irrtum, der „Häresie“,
verfolgten den alten, ehrwürdigen Mann -;
doch der widerrief seine Thesen nie !

 
 
Um Leben und Werk rang der Philosoph,
mit Brüdern vom Orden pilgert’ er hin,
bat um ein Urteil vom päpstlichen Hof,
dort fand er den Tod und keinen Gewinn.
 
 
Der Papst in Frankreich zu Avignon haust,
er verdammte wie er viele verdammt’,
erneut zerdrückt er mit blutiger Faust,
ein Lichtelein das die Herzen entflammt’.

 
Wieder senkte sich kirchliche Nebelnacht,
über Herzen und Hirne und Volk und Land,
wer sich nicht anpasst ward umgebracht -,
bis jener Rebell, Martin Luther, aufstand.
 
 
Eckhart von Hochheim / Meister Eckhart / Eckehart (1260-1328) stammte aus einem ritterlichen thüringischen Geschlecht bei Erfurt. 1294 wurde Eckhart Prior des Erfurter Dominikanerklosters und Stellvertreter des Führers der Ordensprovinz Teutonia. 1303 ist er auf dem Provinzkapitel in Erfurt zum ersten Provinzial der Ordensprovinz Saxonia gewählt worden, die weite Teile Nord- und Mitteldeutschlands, Brandenburgs, sowie die heutigen Niederlande umfasste. Eckhart erlangte Magister-Würden an der Universität von Paris, predigte in Straßburg und Köln und erlangte einen großen Ruf als Theologe und Philosoph. 1314 wird er Generalvikar des Dominikanerklosters in Straßburg, in dieser Zeit entstand ein Großteil seiner bekanntesten Schriften, der „Deutschen Predigten“. Sein Hauptanliegen war es, auch den Laien seine Gottesvorstellung nahe zu bringen, was für die damalige Zeit innerhalb des hohen Klerus bereits als ketzerisch galt, denn die einfachen Menschen sollten blindlings glauben ohne Fragen zu stellen, von denen die sprachlich abgehobene, exklusive Geistlichkeit meinte, dass sie die Antworten ohnehin nicht verstehen könnten. Dieser Dünkel einer volksfremden Priesterkaste - gleichgültig welchem der diversen Orden sie angehörte - wurde durch den verhängnisvollen Zusammenklang erzielt, dass sie sich auf volksfremde althebräische Texte stütze und als Austauschmedium sich der lateinischen Sprache bediente. Diese volksverächtende geistliche Schmarotzerkaste lebte zwar ausbeuterisch vom Volke, verachtete es aber. Mit seinen deutschen Werken wendete sich Eckhart ausdrücklich besonders an die „ungelehrten Leute“. Er verwarf die Vorstellung einer nur den theologisch gebildeten Lateinkundigen zugänglichen Wahrheit, die vor dem einfachen Volk zu verbergen sei. Meister Eckhart ist zwar in seinem Wissensdrang Dominikaner geworden, weil auf anderem Wege damals eine wissenschaftliche Ausbildung nicht möglich war, doch seine Volksverbundenheit drückte sich auch darin aus, dass er wichtige Beiträge zur Entwicklung der deutschen philosophischen Fachsprache geleistet hat. Mit seinen deutschen Predigten erzielte er bei seinen Zeitgenossen eine starke Wirkung. Er war ein radikaler Wahrheitssucher, keine kirchliche Dogmatik, keine erlernten christlichen Glaubenssätze konnten seine existenziellen Fragen befriedigend beantworten. Geistesgeschichtlich gesehen, nahm er den Martin-Luther’sche Protest vorweg. Er fand eine theosophische Ausdrucks- oder Erkenntnisform, die im zeitgemäß-christlichen Gewande daher kam, doch prinzipielle Aussagen enthielt die sich aus altgläubigen also heidnischen Elementen speiste. Deshalb wird ihm irrtümlich nachgesagt, es hätte eine neue Sprache des christlichen Glaubens gefunden. Er hat keine neue christliche Ausdrucksform gefunden, sondern urdeutsche Glaubensempfindungen christlich ummäntelt. So sprach er beispielsweise vom Seelengrund, der nicht wie alles Geschöpfliche von Gott erschaffen sei, vielmehr ur-göttlich und ungeschaffen wäre. Im Seelengrund sei die Gottheit stets unmittelbar anwesend. Nicht anders formulierten es schon die ur-arisch vedischen Weisen, die das göttliche Brahman mit dem innermenschlichen Atman (Seele) gleichsetzten. In die alteingeteufelte allerkatholischste Stadt Köln, wo später das kriminelle Werk des „Hexenhammer“ erscheinen sollte, kam Eckhart 1322 als Leiter des Grundstudiums zu der beim Dom gelegenen Universität. Dort ist er 1326 von seinen Ordensbrüdern der Inquisition als Häretiker (Abweichler) denunziert und angeklagt worden. Eckhart hat seine Thesen nie konkret widerrufen, vielmehr gab er an, er distanzierte sich von seinen Darlegungen, unter der Voraussetzung, man könne ihm einen Irrtum nachweisen. Der Papst saß damals im französischen Avignon. Ihm wollte Eckhart das Prozessverfahren vortragen und sich seinem Urteil unterwerfen. Von mehreren Ordensbrüdern begleitet begab sich der 68-jährige Angeklagte also zum päpstlichen Hof. Dort, oder schon auf der Reise, scheint der theologische Revolutionär gemeuchelt worden zu sein. Denkbar wäre es, dass seine eigenen Ordensbrüder als Täter in Frage kommen, um der skandalösen Schande vorzubeugen, der Dominikanerorden habe über viele Jahre hinweg einem Ketzer so außerordentlich hohe Würden eingeräumt. Kardinal Jacques Fournier, der spätere Papst Benedikt XII., erstellte ein Gutachten, in dem er Teile von Eckharts Sätzen für häretisch erklärte. Papst Johannes XXII. verurteilte diese Aussagen als Irrlehren und verbot jede Verbreitung der sie enthaltenden Werke. Dennoch hatte Eckharts Gedankengut beträchtlichen Einfluss auf die spätmittelalterliche Spiritualität im deutschen und deutsch-niederländischen Raum.
 
2. Bild: Meister-Eckhart-Skulptur vom Obergeschoss des historischen Kölner Rathausturms