GORCH FOCK - WILHELM KINAU

Was wir Wiesbadener Jungen trieben,
Eisenschrott war in Ruinen geblieben,
den hat man gesucht und verhökert,
und in Nächten da wurde geschmökert.

Ich las den Roman „Seefahrt tut Not !“,
unwichtig schien mir das Abendbrot.
Seemann werden, wurde mein Wunsch,
mit Segeltörns, Shantys und Punsch.

Doch auch die Not blieb im Sinnen,
mochte Kinaus Empfindung gewinnen.
Von Tapferkeit wollte es schallen -;
auf „SMS Wiesbaden“ ist er gefallen.

Zur Seeschlacht war's, am Skagerrak,
der Kleine Kreuzer wurd' zum Wrack;
er fuhr voraus, der „Grand Fleet“ zu,
nach Kampf sank er mit seiner Crew.

Hunderte hat die See verschlungen,
Rettung war einem allein gelungen,
dem Inferno aus Gicht und Gebrenne,
entkam ein Heizer nur, Hugo Zenne.

Gorch Fock's Leiche trieb zum Land,
bei Väderöbod am Klippen-Strand.
Auf Stensholmen senkte man ihn hinab,
dort ist gebettet sein Seemannsgrab.

Ich paddelte hinaus, wollte ihn ehren,
es fauchten die Böen über die Schären.
Sinnend hab' ich bei ihm gesessen,  
wisperte: „Du bist nicht vergessen !“

Und wenn schon alle von Sinnen sind,
der Zeitgeist sein Lügengewebe spinnt,   
so will ich die ehren, die ehrenwert,
um Freiheit gerungen mit Feder und Schwert.
 

G. Hess auf Stensholmen, 1985 
 
Gorch Fock / Johann Wilhelm Kinau (1880-1916) war Schriftsteller, Dichter, dem zu Ehren  1917 ein Vorpostenboot  „Gorch Fock“ benannt wurde, später zwei Segelschulschiffe der deutschen Marine, nämlich die 1933 gebaute Gorch Fock und die 1958 gebaute Gorch Fock. Wilhelm Kinau war das erste von sechs Kindern des Hochseefischers Heinrich Wilhelm Kinau und dessen Ehefrau Metta, geb. Holst, auf der ehemaligen Hamburger Elbinsel Finkenwerder. Seit 1904 veröffentlichte er meist in seiner Muttersprache, dem finkenwerderischen Plattdeutsch, Gedichte und Erzählungen, zumeist unter den Pseudonymen Gorch Fock, die in den Hamburger Zeitungen erschienen. Der Vorname Gorch ist demzufolge eine lokaltypische Abwandlung von Georg. Fock ist einer Linie von großelterlichen Vorfahren entlehnt. 1908 heiratete er Rosa Elisabeth Reich, mit der er drei Kinder hatte. „Des Mannes bester Kamerad ist die Kameradin“. Seine Muse und Seelengefährtin wurde während der schriftstellerischen Jahre hingegen die Schauspielerin Aline Bußmann. 1913 erschien sein bekanntestes Werk, der hochdeutsche Roman mit plattdeutschem Dialog „Seefahrt ist not !“ (1913), in dem das harte Leben der Hochseefischer auf Finkenwerder Weise beschrieben wird. Die Handlung spielt in Finkenwärder Ende des 19. Jahrhunderts. Klaus Mewes (Spitzname Klaus Störtebeker), Sohn eines Hochseefischers, zieht es hinaus auf das Meer. Er versucht alles, um bei seinem Vater als Schiffsjunge anzuheuern. Seine Bemühungen haben Erfolg und er darf seinen Vater zum Fischfang auf die Nordsee begleiten. Auch als der Vater von einer Fahrt nicht mehr zurückkommt, hält es Klaus nicht an Land. Er fährt weiter erfolgreich zur See und wird zuletzt Eigentümer des schönsten Austernkutters an der Elbe. Im Zentrum der Romanhandlung steht der Knabe Klaus. Einerseits möchte Klaus dem Vater, seinem großen Vorbild, nacheifern und als Fischer auf das Meer hinausfahren. Auf der anderen Seite steht aber die Mutter. Sie verbindet mit dem Meer vor allem Gefahr, Schmerz, Tod und versucht deshalb Klaus an Land zu behalten. In seinem Roman schildert Gorch Fock auf realistische Weise das Leben der Fischer an der „Waterkant“. Ihm gelang es, eine Atmosphäre aus Meer, Fernweh, Schifffahrt, Lokalkolorit und der Arbeitswelt der Fischer dem Leser nahezubringen. In seinen Schriften findet sich immer wieder die Bezugnahme auf die lenkende Kraft des verhängten Schicksals und so verstand er den Krieg  als vorherbestimmten Lauf der Geschichte, in dem jeder seinen Beitrag zu  eisten habe und der mittels Gottes Fügung zum richtigen Ende kommen werde. Eine seiner Briefstellen lautet: „Deutschlands Schicksal ist auch mein Schicksal !“ So wie er empfanden Millionen vaterländisch gesinnter Deutscher.

Im Ersten Weltkrieg wurde Gorch Fock 1915 eingezogen und kämpfte als Infanterist (im Reserve Inf.-Rgt. 207) in Serbien und Russland, später dann bei Verdun. Im März 1916 kam er auf eigenen Wunsch vom Heer zur Marine und tat Dienst als Ausguck auf dem vorderen Mast des Kleinen Kreuzers „SMS Wiesbaden“. Jetzt schien er am Ziel seiner Wünsche, hatter doch seinem Tagebuch anvertraut: „Habe ich den Landkrieg nur halben Geistes erwarten können, so muss ich danach streben, den Seekrieg mit ganzer Seele zu erfassen ! Ein Mensch wie ich, dessen ganzes Dichten und Trachten von Jugend auf Schiffe und Seefahrer eingestellt gewesen ist, hat das Recht wie die Pflicht, darauf zu sinnen, wie er das fertig  bekomme ! Deshalb suche ich den Weg zu der Marine, wie die Magnetnadel ihren Pol sucht.“
 
Während der größten Seeschlacht des Ersten Weltkriegs im Skagerrak fuhr die „SMS Wiesbaden“ der Deutschen Hochseeflotte als Aufklärer voraus und geriet sofort in das konzentrierte Geschützfeuer der Britischen Grand Fleet. Schon zu Beginn der Schlacht wurde das Schiff durch einen Volltreffer in den Maschinenraum manövrierunfähig geschossen. Später erhielt es noch einen Torpedotreffer ins Heck. Trotz eines Trefferhagels trieb der Kleine Kreuzer Stunde um Stunde zwischen den kämpfenden Flotten und konnte - es war wie ein Wunder - nicht sterben. Erst am 1. Juni 1916 gegen 2.45 Uhr ging es mit der gesamten Mannschaft von 589 Seeleuten zu Grunde. 22 Männer vermochten sich zunächst auf drei Flöße retten, aber der einzige Überlebende des Infernos war der Oberheizer Hugo Zenne, der zwei Tage im Meer trieb, bevor ihn ein norwegischer Dampfer aufnahm. Hugo Zenne trug sich am 1. Juni 1935 in das Goldene Buch der Stadt Wiesbaden ein. Die Leiche Gorsch Focks Leiche wurde im August 1916 bei Väderöbod nahe Fjällbacka (nördlich von Göteborg) an Land getrieben und auf der kleinen schwedischen Schäreninsel Stensholmen bei Kalvö zusammen mit weiteren 14 deutschen und britischen Seeleuten bestattet. Besucher ereichen das Eiland am besten über die kleine Hafenstadt Hamburgsund. Eine Überfahrt mit z.B. einem Boots-Taxi dauert ca. 30 Minuten. Da die Schäre Stensholmen über keinen Hafen oder offizielle Anlegestelle für Boote verfügt und eine Anfahrt der Insel außerdem witterungsabhängig ist, können aufgrund der Klippen rund um die Insel oder bei hohem Seegang Boote mit zu großem Tiefgang dort nicht anlegen. Der Zugang zum Friedhof auf der Insel ist zum Teil nur über ungesicherte Felsaufgänge möglich. Ich fuhr mit dem Faltboot hinüber, was wegen der mitunter plötzlich einsetzenden Sturmböen nur einem kräftigen geübten Paddeler anzuraten ist.

Die „SMS Wiesbaden“ hatte eine Verdrängung von 6.601 t und besaß einen bis 60 mm starken Seitenpanzer. Die Bewaffnung bestand aus acht 15 cm-Geschützen, vier 5,2 cm-Geschützen und vier 50 cm-Torpedorohren. Außerdem konnten bis zu 120 Minen mitgeführt werden. Die „SMS Wiesbaden“ lief am 30. Januar 1915 in Stettin auf der Werft „AG Vulcan“ vom Stapel und wurde am 23. August 1915 in Dienst gestellt. Ihr Kommandant war Kapitän zur See Fritz Reiß. Nach der Ausbildung in der Ostsee wurde das Schiff der II. Aufklärungsgruppe zugeteilt. Ab Dezember 1915 versah die„SMS Wiesbaden“ Vorposten- und Sicherungsdienste in der Nordsee und nahm an Minenoperationen teil. Am 31. Mai 1916 nahm die Wiesbaden in der von Konteradmiral Friedrich Boedicker befehligten II. Aufklärungsgruppe (Flaggschiff war das Schwesterschiff  „SMS Frankfurt“) an der Skagerrakschlacht teil. Das Wrack der „SMS Wiesbaden“ wurde durch Taucher der Bundesmarine 1983 in 52 Metern Tiefe gefunden. Ein Modell des Kreuzers befindet sich im Rathaus Wiesbadens, welches besichtigt werden kann.

 
Folgende literarische Werke von Gorch Fock sind bekannt:

 
«Schullengrieper un Tungenknieper» (Erzählungen auf Plattdeutsch, 1910)
«Hein Godenwind de Admirol von Moskitonien» (Roman, 1911, nach ihm wurde das Passagierschiff «Hein Godenwind» benannt)
«Hamborger Janmooten - Een lustig Book» (Erzählung, 1913)
Seefahrt ist not!» (Roman, 1913)
«Fahrensleute» (Erzählung, 1914)
«Cilli Cohrs» (Schauspiel, 1914)
«Doggerbank» (Schauspiel, 1914)
«Plattdeutsche Kriegsgedichte» (Gedichtsammlung, 1914-15)
«Nordsee» (Sammlung von Erzählungen, 1916)
«Sterne überm Meer» (Tagebuchblätter und Gedichte, 1918, postum)
«Nach dem Sturm» (Erzählungen zum 20. Todestag, 1936, postum)
«Die Königin von Honolulu» (Volksstück in hochdeutscher Sprache über die Seemanskneipe «Königin von Honolulu» auf St. Pauli, 1977 aufgeführt am Ohnsorg-Theater Hamburg und später verfilmt, auch als DVD produziert)
«Das Gorch-Fock-Lied» (komponiert und getextet in den 60er Jahren von dem ehemaligen Kommandanten der «Gorch Fock», Kapitän zur See Hans Freiherr von Stackelberg).