KÖPENICKADEN
Ein Kerl hat diesen Spaß erzeugt,
es war der Schuster Wilhelm Voigt.
Das war ein Gauner mit Geschick,
bekannt als „Hauptmann Köpenick“.
Ein Lorbass war’s, ein Tunichtgut,
jedoch mit Schneid und kessem Mut,
trank liebend gerne Bier und Grog,
besorgte einen Hauptmanns-Rock.
Trägt nur ein Mensch die Uniform,
steht er weit über jeder Norm,
genießt bald Sonder-Rechte,
nicht nur im Kriegs-Gefechte.
In Uniform macht‘ Voigt Figur,
dreht‘ locker seine krumme Tour,
ließ leicht die Puppen tanzen,
stahl Köpenicks Finanzen.
Doch wer das Ding so recht besieht,
begreift darin ein altes Lied:
„Hauptmänner“ narren überall,
der Wilhelm war kein Einzelfall !
Hochstapler herrschen in der Welt,
kaum einer ist ein echter Held.
Sie ziehen „Kaisers Kleider“ an,
zieh‘n dann ihr Publikum in Bann
Erst wenn sie von der Bühne geh’n,
ist ihr Schalksnarrentum zu seh’n.
Nach lautem Tönen, leistungslos,
verschwand schon mancher Gernegroß !
Friedrich Wilhelm Voigt (1849-1922) war ein im ostpreußischen Tilsit geborener Schuhmacher. Bekannt wurde er als der „Hauptmann von Köpenick“ durch seine spektakuläre Besetzung des Rathauses der Stadt Köpenick am 16.19.1906, in dem der kaum entlassene Knastbruder als Hauptmann verkleidet mit einem Trupp gutgläubiger Soldaten den Bürgermeister verhaftete und die Stadtkasse raubte. Dieses Ereignis, das auf großes öffentliches Interesse stieß ging als „Köpenickiade“ sprichwörtlich in die deutsche Sprache ein. Nach Beendigung seiner Aktion gab W. Voigt seiner Truppe den Befehl, das Rathaus noch eine halbe Stunde besetzt zu halten. Er selbst begab sich unter den Augen einer neugierigen Menschenmenge zurück zum Bahnhof. Im Bahnhofsrestaurant ließ er sich „ein Glas Helles kredenzen, das er in einem Zuge leerte“ und verschwand mit der nächsten Bahn in Richtung Berlin. Kurz darauf beschaffte er sich bei einem Herrenausstatter zivile Kleidung. Zehn Tage später wurde er beim Frühstück verhaftet, nachdem ein ehemaliger Zellengenosse, der von Voigts Plänen wusste, der Polizei einen Tipp gegeben hatte. Vom Landgericht II in Berlin „wegen unbefugten Tragens einer Uniform, Vergehens gegen die öffentliche Ordnung, Freiheitsberaubung, Betruges und schwerer Urkundenfälschung“ zu vier Jahren Gefängnis verurteilt, wurde er von Kaiser Wilhelm II. begnadigt und am 16.08.1908 vorzeitig aus der Haftanstalt Tegel entlassen. Er reiste durch Deutschland, zeigte sich den Schaulustigen, signierte Bildpostkarten und hielt kleine Ansprachen. 1909 erschien sein Buch „Wie ich Hauptmann von Köpenick wurde. Mein Lebensbild. Von Wilhelm Voigt, genannt Hauptmann von Köpenick". Im Jahr darauf reiste Wilhelm Voigt sogar nach Kanada und in die USA. Von den Einnahmen konnte er sich schließlich in Deutsch-Luxemburg (bis 1919 beim Dt. Zollverein) ein Haus kaufen.
W. Voigt war kein kleiner Zwockel (1.74 m), wie der Schauspieler Heinz Rühmann (1.64 m), der ihn in einem niveaulosen, albernen Film von 1956 zu verkörpern versuchte, vielmehr war er eine imposante Erscheinung; ein Umstand der Beachtung verdient, wenn man von seiner Wirkung in Hauptmannsuniform spricht. Eine Uniform allein macht‘s noch nicht, es muss - soll sie Wirkung zeigen - auch der entsprechende Kerl drinstrecken !
Bild: Wilhelm Voigt in Amerika