25.04.2024

Reiterstandbilder_1a.JPG

Der Magedeburger-Reiter und der Bamberger-Reiter

Ein weiteres Reiterstandbild errichteten die Sachsen des 12. Jahrhunderts anlässlich der siegreichen Schlacht am Welfesholz (11.02.1115), heute ein Ortsteil der Stadt Gerbstedt im Landkreis Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt. Welfesholz liegt ca. 4 km östlich von Hettstedt und 14 km nördlich von Eisleben an der Kreuzung der L72 und der L158. Direkt im Westen grenzt das Welfesholz (ein Wäldchen) an. Die Gedenkstätte bestand aus einem übermannshohen Reiterstandbild, welches von der Christenkirche, dem ewigen malus exspiravit (böser Geist) Deutschlands spurlos beseitigt worden ist. Diese auch als „Jodute" bezeichnete Figur stellte eine eigentümliche Mischung aus heidnisch-christlichem Motiv dar und wurde als Abgott von den Bauern der Umgebung angebetet, was darauf schließen lässt, dass es von den damaligen Landsassen überwiegend altgläubig-heidnisch verstanden wurde. Der Ort der Schlacht entwickelte sich in den Folgejahren zum Wallfahrtsort. Am gleichen Standort errichteten kirchliche Eiferer im späten 13. Jahrhundert eine Kapelle, nachdem sie „Jodute" zum eigenen Heiligen erklärt und gedanklich umgewandelt hatten. Auch dieses kleine Gotteshaus enthielt ein Bildnis des Reiterstandbildes, welchem man bald darauf wundertätige Kräfte nachsagte. Wallfahrer schnitten sich kleine Späne aus der Figur heraus, wodurch diese im 16. Jahrhundert derart verstümmelt war, dass sie ersatzlos entfernt wurde. Vermutlich seit dem Jahre 1327 fand in Welfesholz alljährlich zur Herbstzeit ein mehrtägiger Jahrmarkt statt. Die Pilgerfahrten endeten mit der Einführung der Reformation. Später wurde die Kapelle Teil des Rittergutes Welfesholz. Im Ort Welfesholz erinnert noch bis heute eine Szene aus der Schlacht an das historische Ereignis. Auf einer Wiese am Straßenrand kämpfen Hoyer von Mansfeld, der kaiserliche Feldhauptmann und Wiprecht von Groitsch, der antikaiserlich-sächsische Fürst, im Zweikampf gegeneinander. Deutlich ist zu erkennen, dass Ersterer gerade seine tödliche Verletzung empfangen hat.

Aus gleichem Anlass entstand in ca. gleicher Zeit das Sieges-Relief am Agister-/Externstein, als rein christliches Motiv, mit dem dreizipfeligen Siegeswimpel über dem dominanten großen Kreuz und der arg geschmähten Spott-Figur des Herrscher-Baumes von Kaiser Heinrich V., der die Schlappe vom Welfesholz hat hinnehmen müssen. Die Auftraggeber des Bildes waren die kaiserfeindlichen Bedediktiner-Mönche vom Kloster Abdinghof bei Paderborn, die im Besitz der altgläubigen Weihestätte Agister-Stein („Schreckensstein“) waren. Siehe dazu die erhellende Kleinschrift: KREUZ und PALMBAUM-IDOL am EXTERNSTEIN - https://oding.org/religion/irminsul-irrtum/dattel-palme-am-extern-stein

Noch ein Hinweis zum Verständnis von „Jodute“ (Tiodute, Ziojodute), einem nordischen Göttersymbol, Heerzeichen und auch ein Schlachtruf und der schon von den Schriftstellern der Alten erwähnte Schwertpfahl der germanischen Stämme, in Gestalt eines mit dem Griff nach oben gekehrten Schwertes. Jodut und Jedut war Feldgeschrei der Bremer und Friesen, und im lübeckschen und wismarischen Stadtrecht wurden unbefugte nächtliche Joduterufe mit Strafe bedroht. Vgl. Petersen, Zioter (Zeter) und Tiodute, der Gott des Krieges und des Rechts bei den Deutschen (in den „Forschungen zur deutschen Geschichte“, Bd. 6, Götting. 1866). Das „to jodute“ ist der altsächsische Schlachtruf. (Grimm, Rechtsalt., 876.) Es war der „clamor ad arma“ (ein Schrei zu den Waffen) Bei den Pommern ist die Gewohnheit noch immer, „to jodute“ zu rufen, und bis nach Schweden war im Mittelalter dieser Ausdruck bekannt. Die Deutung ist noch nicht hinlänglich festgestellt, wahrscheinlich = „trahite foras“ (Herausziehung der wehrfähigen Mannschaft).

Der Bamberger und der Magdeburger Reiter

Der Bamberger Reiter, aus 1. Hälfte 13. Jh., befindet sich im Bamberger Dom des Erzbistums Bamberg. Er, wie auch der „Magdeburger Reiter“, um 1240/50 entstanden, sind uns als Herrschernamen aus der Erinnerungstradition gefallen. Höchstwahrscheinlich handelt es sich um eine Darstellung von Kaiser Ottos I. (912-973), der häufig in Magdeburg residierte und das dortige Erzbistum gründete, auch im Dom seine letzte Ruhestätte fand. In der ersten Erwähnung des Reiterstandbildes, in einer Glosse zum „Sächsischen Weichbildrecht, 1386/87“ wird dieses als „Leibzeichen“ allerdings mit „Otto dem Roten“ (955-983), dem Sohn Ottos I., in Verbindung gebracht, wo es heißt: „Das ist eine allgemeine Bestätigung ihrer Freiheiten, die dieser Kaiser Otto II. der Rote, getan hat, und darum bezieht sich alles Magdeburgische Recht nach Weichbildrecht auf denselben Kaiser, und zu seiner Urkunde so haben sie sein Leibzeichen stehen auf dem Markte, das sie mit den Fürsten verpflichtet sind zu halten in ihrer Zierde.“ Seine Ausführung durch Bildhauer aus der jüngeren Bildhauerwerkstatt des Domes, in der auch der Ritterheilige Mauritius entstand, würde zu einer einvernehmlichen Beauftragung passen. Magdeburg war unter Otto I. in den Kreis der wichtigen Königs- oder Kaiserstädte des Reiches aufgestiegen, das Kaiserstandbild dokumentierte diesen Status.

Die Statue vom hl. Mauritius im Magdeburger Dom stammt aus ungefähr 1240 und wurde wahrscheinlich von dem anonymen Bildhauer des bekannten Magdeburger Reiters angefertigt. Die gehauenen Merkmale vom Gesicht des Mauritius und die Färbung identifizieren ihn eindeutig als einen Neger, aber nicht im Sinne einer erniedrigende Karikatur. Diese lebensnahe und naturgetreue Figur ist ein unhistorischer, frei erfundener Krieger mit seinem kennzeichnenden Speer bewaffnet, den er einst in der rechten Hand hielt. In dieser Statue, der frühesten Darstellung vom hl. Mauritius als schwarzen Mann, sehen wir eine Innovation in den mittelalterlichen Darstellungen von Schwärze, die die negativen Stereotypen anfocht und stattdessen den katholischen Egalitarismus (antideutsche Gleichmacherei) propagierte, also der jegliche Rassennunterschiede, als unbedeutend vor dem orientalischen Christengott, anschaulich machen wollte.

Wir erblicken im „Magdeburger Reiter“ das jugendliche Idealbild eines deutschen Gekrönten (heute im „Kulturhistorischen Museum Magdeburg“). Er zeigt die Ankunft des Herrschers vom „Heiligen Reich deutscher Nation“ in Magdeburg. Wie der etwas ältere Bamberger Reiter trägt der Herrscher seine Krone auf dem modisch geschnittenen, langen Haar und die damalige höfische Mode, der feinen Lederstiefel mit Sporen, einen Waffenrock mit eng anliegenden Ärmeln und den auf der Brust geknoteten, weiten Tasselmantel. Sein Schwert hängt am Gürtel, mit der Linken zügelt er sein Pferd, während er mit der Rechten eine Herrschaftsgeste vollführt. Der einziehende Reiter und sein Gefolge sind am „Alten Markt“ beim Rathaus der Stadt zum Stehen gekommen, wo sich der aus Sandstein gefertigte Reiter und seine ebenfalls steinernen Begleiterinnen auf einem übermannshohen Postament befanden. Ehemals bunt bemalt, erhielt die Gruppe zuletzt mehrere Vergoldungen. Restaurierungen, vor allem im 19. und 20. Jahrhundert, folgten, und im WK II. wurde die Gruppe von den NS-Behörden glücklicherweise abgenommen, um sie vor dem Luftterror der Alliierten in Sicherheit zu bringen. Heute steht am „Alten Markt“ eine 1966 in Lauchhammer (Stadt im Süden Brandenburgs) gefertigte, inzwischen wieder vergoldete Bronzekopie.

Mag der „Bamberger Reiter“ etwas eleganter erscheinen, so heißt es, würde der „Magdeburger Reiter“ in der europäischen Kunstgeschichte eine Sonderstellung einnehmen. Das ist kritisch zu hinterfragen; was  soll daran so außerordentlich sein ? Der Reitergott-Gedanke stammt aus originär germanischer Tradition, wie uns der Reiterstein von Hornhausen eindrucksvoll demonstriert.

Reiterstein_frei.JPG

Der „Reiterstein von Hornhausen“, stammt aus einem germ. „Salhof“ bzw. Herrengut. Er ist im Besitz des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt in Halle (Saale). Die Fundstücke werden dem 7. Jh. zugeordnet. Der an Ober- und Unterseite beschädigte Reiterstein besitzt eine dreizonige Schauseite. Die obere Zone ist durch das kirchliche Hasswüten gegen alles Germanische zerstört. Sie beginnt über dem Zopfband, wo noch die Füße von mindestens vier Personen zu erkennen sind, offenbar die Reste einer Szenerie. Vermutlich war hier eine Kriegerreihe wie auf anderen germanischen Bildwerken dargestellt. Die Mittelzone zeigt das Hauptmotiv, nämlich Gott Wodin-Odin, mit Lanze, Schwert, Schild und Maskenhelm bewehrten bärtigen Reiter auf einem Hengst (der mythische Sleipnir). Die Vollbewaffnung ist ein Zeichen hoher sozialer Stellung. Das Reitpferd ist völlig überproportioniert, ein Zeichen seines überirdischen Wesens. Darunter befindet sich eine mäanderartig gefaltete Schlange, deren Kopf wie leblos herabhängt. Die untere Zone füllt ein Flechtbandkörper mit vier entgegengesetzten Tierköpfen mit langen ineinander verflochtenen Kiefern. Reitermotive gehören zum germanischen Bildschatz der Kleinkunst und der Großbildnerei. Ein schwedisches Gegenstück ist der Reiterstein der beim Skokloster gefunden wurde (Gemeinde Håbo in Uppland), der etwa aus gleicher Zeit wie der deutsche Fund, 7./8. Jh. herrührt.

Der in „Konstantin der Große“ durch die Christen umgedeutete Kaiser Marc Aurel stand in Rom zunächst am Lateran und dann auf dem Kapitol. In der Zeit der Gotenherrschaft entstand das bronzene Reiterbildnis von „Theoderich dem Großen“, das der Frankenkönig „Karl der Große“ aus Ravenna nach Deutschland schleppen ließ, zur Ausschmückung seiner Pfalz in Aachen, wo es leider, wahrscheinlich durch kirchenchristliche Machenschaften, spurlos verloren ging, denn Theoderich war bekanntlich kein christlicher Herrscher.

Das „Regisole“ („Sonnenkönig“) war ein Reiterdenkmal aus Bronze, das während der italienischen Renaissance einflussreich war, aber 1796 zerstört wurde. Es wurde ursprünglich in Ravenna errichtet, im Mittelalter nach Pavia verlegt, wo es auf einer Säule vor der Kathedrale stand. Laut Meinung verschiedener Gelehrten galt das Thema möglicherweise ebenso „Theoderich dem Großen“, König der Ostgoten (Regierungszeit 471-526), oder war es Kaiser Septimius Severus (193-211), mit einigen späteren Modifikationen? Ravenna war von 402 bis 476 die Hauptstadt des Weströmischen Reiches. Später war es Hauptstadt des Königreichs der Ostgoten und dann ein schmaler Rest des verbliebenen byzantinischen Territoriums in Italien. 

Pferd und Reiter des Magdeburger Standbildes sind aus 17 Teilen aus Sandstein zusammengefügt. Der Restaurierung geht zunächst eine akribische Bestandsaufnahme voran, in der die ursprünglichen Teile erfasst und auch alle Restaurierungen oder Ergänzungen identifiziert werden. Besonderes Augenmerk gilt dabei den nicht immer fachgerecht ausgeführten jüngeren Ergänzungen, bröckelnden Kittungen und korrodierenden Metallverbindungen, die ihrerseits immer noch zur Zerstörung von Originalsubstanz führen. Eine Reinigung, die Sicherung von Schadstellen und möglicherweise eine partielle Rücknahme der älteren Restaurierungen erlauben eine genauere Kenntnis der frühgotischen Figuren. Vielleicht gelingt es sogar wie beim Bamberger Reiter, Hinweise auf die ursprüngliche Farbfassung zu finden. Möglicherweise mit ähnlich überraschenden Ergebnissen: Der Bamberger Reiter präsentierte sich ursprünglich nicht im ätherischen Steingrau, sondern auf grünem Sockel mit weißbraunem Pferd, roter Gewandung (silbernen und goldenen Sternen auf dem Umhang), fleischfarbenem Inkarnat und mit vergoldeten Sporen und Krone, wie durch Martin Hoernes zu erfahren war.