05.11.2021
 
Westgotenkönig Alarich I. als Sieger in Rom (24.08.410)
und als Toter im Fluss-Grab des italischen Busento.
 
ALARICH
 
Das ganze Ostland in gotischer Hand,
da stürmte der hunnische Steppenbrand,
der Reiterhorden aus höllischen Schächten,
das gotische Reich, jäh zu verknechten.
 
Nicht lange erlahmte die gotische Kraft,
gar bald waren Ritter zusammengerafft.
Westgoten schlugen des Attilas Heere,
neu ward die germanische Waffenehre.
 
Oströmischen Kaisern wurde es bang,
in Angstträumen hörten sie Gotengesang.
Die gotischen Adlerstandarten flogen,
sind froh durch Attikas Flure gezogen.
 
Bis hin an die Küsten vom blauen Meer,
griffen gotische Fäuste im heißen Begehr‘,
den rankünen Römlingen aufzuzeigen,
wie sich des Schicksals Wege verzweigen.
 
Der westgotische Führer, Fürst Alarich,
sein rotblondes Barthaar zur Seite strich,
das Methorn führt' er zum offenen Munde:
„Hört Kerle, ich geb‘ euch heute Kunde.
 
Wir reisen mit allen Reitern nach Rom,
der reichen Schatztruhe am Tiberstrom,
dort wird gerafft, gezecht und gebadet,
das Raubnest hat lange genug geschadet.
 
Die Weltstadt der Schelme hat es verdient,
so wird ihr Hass auf Germanen gesühnt.
Nicht lang ist‘s her, wo sie alle erschlugen,
die blonde germanische Bärte trugen.
 
So grausam ging Rom mit Germanen um,
jetzt werde der römische Hochmut stumm!“
Und endlich begann das gerechte Rasen,
es stampften Goten durch Romas Straßen.
 
Vielleicht bliebe Rom wíe Athen verschont,
doch Rom blieb störrich und trutzgewohnt.
Drum musste es neue Gewalten fühlen,
die seine geraubten Schätze durchwühlen.
 
Seither erging der frohkundige Schall:
„König Alarich brachte uns Rom zu Fall!“
Alle Vöker in den germanischen Weiten,
dankten den Göttern die sie begleiten.
 
Fürst Alarich aber, hell strahlender Held,
schied viel zu früh aus der irdischen Welt.
Seine treuen Goten ergruben sein Grab,
tief in des Busentos Strom-Boden hinab.
 
 
 Alarich I. (got. Alareiks), um 370 in Peuke, einer mit Fichten bewaldeten Donauinsel geboren, gestorben 410, bei Cosenza, war der erste sicher bekannte Anführer der frühen Westgoten (Visigothi = die edlen, guten Goten) und nach 800 Jahren der erste Heerführer, der am 24.08.410 in Stadt-Rom eindrang und in durchaus milder Art und Weise schatzte, denn er ließ Frauen und Kirchen so gut wie unangetastet. Trotzdem war es für die überstolzen Römer ein heilsamer Schock, in Anbetracht, was sie anderen Völkern und eroberten Städten in der Vergangenheit angetan hatten. Noch etwa zwei Jahre zuvor hatte unter ihrem jungen Kaiser Honorius (384-423), von ihm wohl selbst und seiner beratenden Hofschranze Olympios angeregt, eine „Germanenvesper“ in ganz Italien stattgefunden, in deren grauenhaften Verlauf tausende in römischen Diensten stehende germanische Männer, mitsamt ihren Familien, ermordet worden sind. Am 13.08.408 traf der Kaiser in Ticinum ein, angeblich um den römischen Truppen Mut für den Feldzug gegen den Gegenkaiser Konstantin (III.) zuzusprechen. Dabei kam es, wie erwähnt, zum Aufkommen von Gerüchten, der treue römische Heermeister Flavius Stilicho (362-408), der über viele Jahre die allseitigen Feinde Roms in Schach gehalten hatte, plane einen Staatsstreich. Stilichos Vater war wandalischer Germane. Es kam zu einer nationalrömischen Meuterei, bei der fast alle anwesenden hohen Amtsträger aus dem Umfeld Stilichos niedergehauen wurden. Stilicho erhielt vom Kaiserhof keinerlei Unterstützung, der Hof verharrte im Schweigen. Man unterstellte Stilicho geheimen Umgang Alarich, zum Vorteil der Germanen. Die Furcht wurde ausgestreut, Stilicho erstrebe für seinen Sohn Eucherius, der mit der Kaisertochter und -schwester Galla Placidia verlobt war, die Kaiserkrone des Ostreiches. Wahrer Grund war wohl, dass man bei Hofe glaubte, „der Mohr habe seine Schuldigkeit getan“, man brauche ihn nicht mehr. Die weströmische Hofgesellschaft hatte zu dieser Zeit die Dienste Stilichos über 13 Jahre lang mehr oder minder dankbar hingenommen, jetzt aber gärte der nationalistische römische Hass unverkappt grimmig auf und es kam zu den Blutorgien gegen „die Fremden“, die an allen Ecken, ob im Heer oder der Verwaltung, sich unverzichtbar gemacht und teilweise sich römisch-verbürgerlicht und begütert hatten. Stilicho und Sohn Eucherius zogen sich während der Tumulte nach Ravenna zurück und suchten Asyl in einer Kirche. Doch Soldaten, die ihn in Honorius’ Auftrag festnehmen sollten, folgten ihnen. Während es Eucherius gelang, vorerst zu entkommen, wurde Stilicho am 22.08.408 durch Heraclianus das kaiserliche Todesurteil vorgetragen und sofort vollstreckt. Für den Auftragsmord erhielt er vom Kaiser Stilichos Vermögen geschenkt. In der Folge kam es zu wilden Ausschreitungen gegen Stilichos Anhänger, die sich bis Anfang 409 hinzogen und denen zahllose germanische Söldner und deren in Italien lebende Familien zum Opfer fielen. Auch Eucherius wurde umgebracht. Der Geschichtsschreiber Zosimos nennt den Höfling Olympius als treibende Kraft und Profiteur sowohl des Massakers als auch der Verleumdung des Stilicho. Es werden aber außer Stilichos Mörder Heraclianus auch weitere Offiziere und Hofbeamte beteiligt gewesen sein. Stilichos Gefolgsmann Flavius Constantius rächte seinen Freund und Heermeister später, indem er 410 zunächst Olympius totprügeln und 413 dann auch Heraclianus töten ließ. Das Gemetzel an den germanischen „foederati“ (Hilfsmannschaften) hatte zur Folge, dass viele von ihnen zu den Westgoten überliefen. Die weitere Folge war, dass Alarich I. nicht - wie mit Stilicho vereinbart - gegen Konstantin (III.) zog, sondern im Jahre 410, auch von Rachegedanken beflügelt, schließlich mit ca. 70.000 Kriegern, mitsamt deren Familien und Knechten, nach Rom marschierte und die hochmütige, vertragsunwillige Stadt plündern ließ.
 
Alarich zog mit seinen Völkern weiter südwärts nach Kalabrien, um die reiche römische Provinz Africa in Besitz zu nehmen, die Kornkammer Roms. Seine Schiffe wurden jedoch durch einen schweren Sturm zerstört und viele seiner Männer kamen dabei ums Leben. Kurze Zeit später starb er bei Cosenza an einem plötzlich auftretenden Fieber. Der Sage nach, wie der gotische Geschichtsschreiber Jordanes berichtet, wurde der König im Fluss Busento beigesetzt. Dazu sei der Strom vorübergehend umgeleitet worden, damit Alarichs Grab niemals gefunden werden sollte.
 
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Das Germanen-Pogrom vor Alarichs Rom-Plünderung
 
Dr. phil. Otto Gmelin, der Mittelalter-Spezialist, schrieb in seinem Buch „Das neue Reich“, 1930, S. 333f über das römische Germanen-Pogrom: „Die Verschwörung kam in Gang. Olympius zog einige hohe Beamte ins Vertrauen, Geld wurde flüssig gemacht. Er selber erschien leutselig im Heerlager bei den römischen Legionen, die zum Teil von der Front gegen Constantinus zurück waren, jetzt bei Mediolanum lagen. … Er erzählte vom Verrat Stilichos. Es leuchtete ein; längst waren Gerüchte im Gange, warum man damals Alarich habe entwichen lassen, immer wieder, warum man ihn nicht angegriffen, gefangen, vernichtet. Wenige Tage später fielen römische Manipel über einge germanische Führer her, erschlugen sie, trugen ihre Köpfe johlend durch das Lager. An einem Abend drangen einige Dutzend römische Soldaten in das Landhaus eines gewissen Vanderich ein, eines Halbgermanen und Freundes Stilichos, der das Oberkommando über die Polizeitruppen in der Stadt hatte. In der Stadt verbreitete sich Gerücht, Stilicho wolle alle Römer ihres Amtes entsetzen, jeden, der sich nicht zu den Germanen bekenne, aus der Stadt treiben. Es gab Volkstumulte, Umzüge, Schlägereien. Nur der Bischof, der zu einem Bittgang durch die Straßen veranstaltete, verhinderte, dass es zu einer Schlacht zwischen den Parteien kam. Daraufhin sah man die germanischen Truppen die Stadt verlassen. Sie zogen zusammen mit denen vor der Stadt etwas nach Süden, Hab und Gut, Weib und Kind mitnehmend, hinter Wagenburgen verschanzend. Die zahllosen Sklaven germanischer Abkunft in der Stadt und weiteren Umgebung liefen ihnen zum großen Teil zu. Die römischen Truppen befestigten ihr Lager. Durch die Straßen sah man Banden ziehen, die germanische Frauen zwischen sich führten, Rücken und Brust entblößt; Peitschenhiebe klatschten nieder. Der Tag der Rache sei gekommen, der Römer werde alle Germanen niederhauen. Manche Halbgermanen gebärdeten sich wild germanenfeindlich. Viele, die sich längst als Römer fühlten, ließ man das Vaterunser lateinisch hersagen; war in ihrer Aussprache irgend etwas, was man für fremdartig hielt, wurden sie lärmend hervorgezerrt, halbtot geprügelt. Von Mediolanum lief die Welle durch ganz Italien: Daher käme alles Unglück, alle Not. Man müsse endlich mit den Germanen abrechnen. Aus dem Heer seien sie zu entlassen, aus allen höheren Beamtenstellen herauszutreiben. Ihre Landgüter seien ihnen zu nehmen. Nur als Sklaven des römischen Volkes sei ihnen der Aufenthalt im römischen Reich gestattet. Wilde Banden von Bewaffneten setzten sich in Bewegung, durchzogen das Land, überfielen die germanischen Siedlungen, steckten die Häuser in Brand, schlugen Mann, Weib, Kind nieder, raubten das Vieh, alle bewegliche Habe. Alles Gesindel schloss sich an, plünderte, brandschatze johlend, ohne dass Polizeitruppen einschritten. Stilicho erreichten die ersten Nachrichten von diesen Vorgängen, während er noch in Rom eine gotenfreundliche Politik vorzubereiten suchte. Er horchte auf, spürte sofort, wie sich etwas Riesiges erhob, dunkel heranwälzte. Täglich mehrten sich die Berichte von germanenfeindlichen Tumulten, Abmetzelung von Frauen und Kindern, Übergriffen gegen germanische Beamte. Ganz Italien begann zu kochen. Die Hauptstadt selber wurde unruhig. Seine Freunde drängten ihn, Rom zu verlassen, da er von seiner knapp tausend Mann starken hunnischen Leibgarde nicht genügend Schutz habe. Von germanischen Truppenführern langten Abgesande an, die um Verhaltensmaßregeln baten, zugleich ihn ihrer Treue versicherten; sie seien bereit zum Kampf, sie erwarteten ihn. …“