04.02.2015
 
Laufende Frauen auf einer Ritztafel vom Typ Gönnersdorf (Neuwieder Becken) aus der Eiszeitepoche des Magdalénien - 10.996 v.0 - 2. Frau von rechts trägt ein Kleinkind auf ihrem Rücken
 
DER ALTE WEG
 
 
In meiner Schrift „Bechtheim, Rätsel und Mythos“, 1982, bin ich dem Phänomen nachgegangen, dass viele heilige Stätten auf ganz geraden Linien liegen, wie man es auf Landkarten nachprüfen kann. Doch lange vor mir, schon im Jahre 1922 wurde von Alfred Watkins, der in Hereford in England lebte und ein reges, breitgefächerten Interesse an Wissenschaft und Altertümern hatte, eine neue Komponente der ersten Kulturen auf der Erde entdeckt. Er veröffentlichte sie in seinem Buch: Frühe Britische Trassenpfade. Später wurde seine Theorie auch von anderen aufgegriffen und wird heute unter dem Namen: „Der alte gerade Pfad“ in der Wissenschaft behandelt. Ich fand einen lesenswerten Beitrag zu diesem Thema, den ich hier anbiete. Leider ist mir der Verfasser unbekannt.
 
Watkins fand heraus, dass gewisse heilige Stätten des Altertums in geraden Fluchtlinien erbaut worden waren. Diese Linien erstreckten sich über viele Meilen und stimmten mit den prähistorischen Trassen überein, die in den Anfangszeiten des Reisens entstanden waren, als die Menschen noch von einem Markierungspunkt zum nächsten eilten, wobei sie bemüht waren, ihr Ziel auf dem schnellsten Wege zu erreichen. Der schnellste Weg war die gerade Verbindungslinie vom Anfangspunkt der Reise zu seinem Endpunkt. Die Markierungspunkte einer langen Reise lagen also so, dass möglichst wenig von der Ideallinie abgewichen werden musste. Nur ein auf der Linie liegender Sumpf oder ein nicht zu bewältigender Steilhang konnte eine leichte Abweichung rechtfertigen.
 
Die Markierungspunkte, die so angeordnet sein mussten, dass sie vom zuletzt erreichten Punkt sichtbar waren, bestanden aus megalithischen Steinen, Steinkreisen und Grabhügeln, alten Steinkreuzen und Kreuzwegen, heiligen alten Bäumen oder deren ursprünglichen Standorten, heiligen Brunnen, alten Siedlungen, Thingstätten und anderen Versammlungsorten, Einsiedeleien, auf vorchristlichen heiligen Stätten erbauten Kirchen und Kapellen, Leuchtfeuern auf den Bergen, alten Wachttürmen, Steinpyramiden auf Bergrücken, Einschnitte in Hügeln und ähnlichen natürlichen oder künstlich geschaffenen Merkmalen, die als Orientierungshilfe verwendbar waren.

Er stellte auch fest, dass noch heute existierende Straßen auf großen Strecken auf diesen Linien von Monument zu Monument verliefen. Diese Straßen waren oft auf den Rang von Nebenstrecken herabgesunken, weil sie die großen Städte nicht berührten, teilweise waren auch nur noch Überreste, wie alte Steinbrücken über Bäche, von ihnen vorhanden. Watkins war von dieser Entdeckung so fasziniert, dass er den Rest seines Lebens damit zubrachte, Überlieferungen und physisch vorhandene Beweise zu sammeln, um seine zunächst nur intuitiv entstandene Idee zu stützen. Im Jahr 1925 brachte er dann sein Buch „Der alte gerade Pfad" heraus, in dem er den von ihm erforschten gesamten Komplex des „Ley – Systems“ , wie er es nannte, vorstellte. Das Buch ist eine Zusammenstellung alter Legenden und Bräuche, altertümlicher Besonderheiten und seinen eigenen topographischen Beobachtungen, die allesamt auf eine Schlussfolgerung hinausliefen: Die vom Menschen verursachte Gestaltung der britischen Landschaft mit all ihren Trassen, heiligen Stätten, Monumenten und Siedlungen und den mit diesen verbundenen Traditionen ist nicht aus dem Zufall heraus, sondern über Jahrtausende hinweg aus einer, von den atlantischen Landvermessern zu Beginn angelegten Konfiguration entstanden.

Er entdeckte hinter den modernen Strukturen des Landes ein Netz von Linien und Zentren, arrangiert nach universellen Prinzipien, aber überall in Bezug zu den örtlichen topographischen Gegebenheiten und den jahreszeitlich relevanten Stellungen der Himmelskörper gesetzt. Dies ist nichts anderes, als das aus der gleichen alten Zeit vor etwa 5.000 Jahren stammende chinesische „feng - shui“, die alte chinesische Wissenschaft der Landschaftsarchitektur. Diese Form der sogenannten Geomantie wurde also offenbar auch von den atlantischen Landvermessern beherrscht und dies beweist einmal mehr, dass das ursprüngliche alte Wissen allen alten Kulturen in gleicher Weise bekannt war. Es war von den „Göttern“ sowohl der atlantischen wie der iranisch-indischen wie auch der chinesischen „Quellkultur“ als Starthilfe mitgeteilt worden.

Watkins selbst war kein Astronom , aber er fand anfangs selbst und dann mit Unterstützung von Admiral Somerville, dem letzten lebenden Astronomen aus der Aera Lockyer heraus, dass mehrere seiner Leys, die er ursprünglich aufgrund topographischer Zusammenhänge aufgespürt hatte, nach den Sonnenwendpunkten der Zeit um 3.000 v. 0 ausgerichtet waren, und damit mit Lockyers astronomischen Ausrichtungen übereinstimmten. Die anfängliche Begeisterung , die seine Veröffentlichungen auslösten, und die zur Bildung des „Old Straight Track Club“ führten, legte sich bald infolge der Ablehnung , die er von der konservativen englischen akademischen Archäologie erfuhr. Immerhin wurden die Forschungsergebnisse , die umfangreiches Material über die Leys in Großbritannien und darüber hinaus enthalten, dem Museum von Hereford übergeben und werden dort aufbewahrt.

Ein deutsches „Gegenstück“ zum Engländer Watkins fand sich in dem evangelischen Pfarrer Wilhelm Teudt, einem Zeitgenossen. Er fand, unabhängig von den Ideen Watkins und ganz auf germanisch-deutsch abhebend, heraus, dass, ausgehend vom Teutoburger Wald mit den Externsteinen, sich ein System von Fluchtlinien ergab, das alle heiligen Stätten des gesamten nördlichen Deutschlands miteinander verband. Nach Teudt lassen sich die astronomischen Beziehungen dieser Orte von der alten Abfolge der Festtage ableiten. Von ihren Versammlungsstätten hätten die Leute damals die Sonne in Richtung eines bekannten Merkmals ausgemacht. Dies war sowohl eine spirituelle Aufforderung wie auch eine praktische Möglichkeit zur Festlegung des Festtagsdatums. Man machte dann diese Merkmale selbst zu Heiligtümern, bei denen wieder der Bedarf nach neuen Peilpunkten entstand. So erhielt man allmählich ein Netz von gerade verlaufenden Linien , das sich über ganz Norddeutschland erstreckte. [Ich habe das nicht geprüft !] Im Grunde hatte er für Norddeutschland, das ja auch zum atlantischen Siedlungsraum gehörte, genau das gleiche wie Watkins in England festgestellt, dass nämlich alle heiligen Orte in einem astronomisch ausgerichteten Netz lagen. Über die Entstehung dieses Netzes war er anderer Meinung als Watkins.
Auch in Frankreich fanden sich Vertreter der „Ley-Theorie“ auf der Basis eigener Untersuchungen. So gibt es einen Pfarrer in der Nähe des alten geographischen Zentrums Galliens, Alesia, der weitreichende Untersuchungen über die Namensgleichheit oder zumindest Namensähnlichkeit von Orten machte, die auf geraden Linien lagen, die sich oft hunderte von Kilometern über das Land hinzogen. Er stellte fest, dass Alesia, bei dem Caesar die Gallier entscheidend schlug, und damit Gallien praktisch eroberte, der Ausgangspunkt vieler dieser Linien war. Offenbar befand sich hier ein altes Heiligtum aus atlantischer Zeit, das, ähnlich wie die Externsteine im Teutoburger Wald in Deutschland, eine zentrale Bedeutung hatte. Auch die Tatsache, dass bei diesem heute unbedeutendem Ort die entscheidende Schlacht gegen die Römer geschlagen wurde, weist darauf hin. Die Parallele zur Schlacht im Teutoburger Wald, bei der allerdings die vereinten Stämme der Germanen die Römer schlugen und damit die Besetzung und Eroberung Germaniens verhinderten, ist unverkennbar.

Auch in Frankreich verlaufen noch heute viele Straßen, oft in der Form von Nebenstrecken auf solchen „Leys“. Die ähnlich lautenden Ortsnamen helfen tatsächlich oft bei ihrer Auffindung. Ein Beispiel für die Trassen der alten Atlanter in Frankreich ist folgendes: Es gibt es auf einer Linie, die, grob vermessen, in Richtung Ost - 35.5°- Nord zwischen dem ehemaligen atlantischem Hafenplatz St. Vincent sur Yard und der heutigen Südstadt von Tours, Joue le Tours ueber 200 km verläuft , drei Orte mit der Bezeichnung Moutiers im Namen und etwa auf der Hälfte der Strecke vom Hafen nach Tours liegt die alte Stadt Thouars. Die Straße verläuft im nördlichen Teil, in dem das Gelände relativ eben ist, mit einer maximalen Abweichung von fünf Kilometern von der Ideallinie. Im südlichen Teil, in dem es durch die Berge der Vendee geht, beträgt die maximale Abweichung 10 Km. Wenn diese Abweichung , die relativ groß erscheint , nicht akzeptiert wird, beträgt der Anfangswinkel Ost - 42,5°- Nord , verläuft mit diesem Winkel bis zur Überschreitung der Berge und führt dann unter dem Winkel Ost - 20°- Nord über 35 Km auf die Ideallinie zurück.

Auf dieser Linie liegen am Atlantik bis km 14 die Dolmen und Menhirfelder von le Bernard und Avrille, „das Carnac der Vendee“; bei km 63 die Antimon- und Uranminen des Mont Mercure, die wahrscheinlich zur Zeit der Atlanter auch Blei und Zinn geliefert haben; bei km 83 der Dolmen von le Pin; bei km 120 die alte Stadt Thouars ; bei km 137 das Dolmenfeld von Les Trois Moutiers ; bei Km 159 das alte Königsschloss Chinon; bei Km 178 das Schloss Azay le Rideau; und endlich bei km 200 die alte Stadt Tours mit dem Übergang über die Loire. Die Kilometerangaben sind in der Luftlinie gemessen, die tatsächlichen heutigen Straßenkilometer betragen etwas mehr.

Ein Beispiel aus Norddeutschland ist die Verbindung der früheren Flussübergänge bei Bremen und Hamburg über Zeven und Buxtehude. Die Abweichung von der Ideallinie beträgt hier nur zwei Kilometer. Eine andere, weitgehend erhaltene Trasse aus atlantischer Zeit läuft vom Elbübergang Wedel - Buxtehude durch die Lüneburger Heide nach Celle, im Wesentlichen gleichlaufend mit der heutigen Bundesstrasse 3. Die Trasse führte dann weiter in Richtung auf die Blei- und Silberminen im Harz, die möglicherweise früher auch Zinn geliefert haben und die, wie die Silber, Zinn und Kupferminen im Gebiet der oberen Elbe im Erzgebirge, sicher entscheidenden Anteil am Interesse der Atlanter für Norddeutschland und die Hafenplätze an der Mündung der Elbe, wie Buxtehude und Stade, hatten.

Die an diesen Trassen einst vorhandenen Menhire und Dolmen, die in Norddeutschland „Hünengräber“ genannt werden, sind leider teilweise der Landwirtschaft zum Opfer gefallen. Aus den großen Steinen wurden Gedenksteine für Kriegsgefallene oder Fundamentsteine für Kirchen. Bei Restaurierungsarbeiten an den Kirchen werden sie manchmal wieder ausgegraben. Nur Gräber, die in Waldstücken oder an landwirtschaftlich nicht nutzbaren Stellen lagen, blieben erhalten. . Die mit großer Wahrscheinlichkeit einstmals ebenfalls vorhandenen Menhire, die in den damals noch baumarmen Ebenen und leichten Hügeln als Peilpunkte dienten, haben zum Teil die bereits genannte Verwendung gefunden. An ihrer unverändert gebliebenen Menhirform sind sie immer noch leicht zu erkennen. Wer sie sucht, findet sie oft an neuen Orten, meist in der Nähe von heutigen Friedhöfen.