Der christliche Mörder (Kyrill) und eines seiner heidnischen Opfer (Hypatia)
 
Der von christlicher Obrigkeit geplante, befohlene und von einem gedungenen christlichen Mob ausgeführte Mord an der griechischen Philosophin Hypatia (355-416) ist das historische Schlüsselereignis zum tieferen Verständnis dieses grauenerregenden orientalisch-fanatischen Religionswahnes, der - gleich einem Vampir - alles Hohe, Schöne, Wahre Altgriechenlands und Alteuropas an sich sog, um es zu verschlingen, in den Schmutz zu werfen und dafür den Menschen ein Surrogat aus Lüge, Albernheit, Verdrehung und blutigem Geistesterror aufzuzwingen.
 
Kyrill, „Patriarch von Alexandria, Kirchenlehrer / -vater“ (380-444) verfolgte einen gnadenlosen Terrorkurs gegen alle, deren Standpunkte er als unverträglich mit der christlichen Gemeinde der Stadt hielt. Er veranlasste die Plünderung und Schließung der Kirchen der Novatianer, er forderte die Christen von Alexandria zu einem Judenpogrom auf, er befahl die berühmte Philosophin Hypatia umzubringen, die als schöne, weise und tugendhafte Frau gerühmt wurde. An den Stufen des Altars hat man sie mit Tonscherben und Muscheln in kleine Stücke zerschnitten.
 
CHRISTENTUM - GRAUENERREGENDER VAMPIRISMUS
 
„Auch als die römische Welt aufgehört hatte und eine neue Welt anbrach, starb jener Christus nicht. Sein Zauber wurde nur grausiger; und als die neue Kraft in die alte Welt hineinflutete, kam die Zeit, da er sein größtes Zerstörungswerk vollenden sollte. Er wurde der Vampir der geistigen Abstraktion, der Vernichter der Welt. Saft und Kraft, Blut und Leben bis auf den letzten Blutstropfen saugte er der Menschheit aus. Natur und Kunst, Familie, Volk und Staat wurden aufgelöst; und auf den Trümmern der untergegangenen Welt blieb das ausgemergelte Ich sich selbst als die einzige Macht übrig. ...
 
In dieser furchtbaren Knechtschaft wird die Menschheit erzogen, unter diesem grausigen Zuchtmeister wird sie auf die wahre Freiheit vorbereitet, dass sie sich in der höchsten Not aufraffe, sich aus ihrer Selbstentfremdung wiederfinde und jenes fremde Ich, das ihre Kraft verprasst, stürze. Odysseus ist in seine Heimat zurückgekehrt, aber nicht durch Götterhuld, nicht schlafend, sondern wachend, denkend und durch seine eigene Kraft. Vielleicht wird er auch mit den freiern kämpfen müssen, die ihm das Seinige verprasst haben und das Teuerste ihm vorenthalten wollen. Odysseus wird den Bogen noch spannen müssen. Der grausige Zauber der Selbstentfremdung des Ich ist gebrochen in dem Augenblick, wo der religiösen Menschheit nachgewiesen wird, dass jener Jesus-Christus seine Wirklichkeit nur ihr verdankt und ihre Schöpfung ist.
 
Die Frage, die die Geister so viel beschäftigt, ob Jesus der historische Christus sei, ist dahin beantwortet, dass alles, was der historische Christus ist, was von ihm gesagt wird, was wir von ihm wissen, der Welt der Vorstellung, und zwar der christlichen Vorstellung angehört, also auch mit einem Menschen, der der wirklichen Welt angehört, nichts zu tun hat. Die Welt ist jetzt frei und reif für jene höhere Religion, wo das Ich die Natur nicht durch Selbstentfremdung überwindet, sondern dadurch, dass es sie durchdringt und adelt. Dem Theologen aber wirft man die Lumpen seiner Wissenschaft, wenn man sie zerrissen hat, als Geschenk und zur Beschäftigung zu, damit ihm in der neuen immer näher kommenden Welt die Zeit nicht lang werde."
 
Albert Schweitzer („Geschichte der Leben-Jesu-Forschung“, 1951, S. 157 f - Besprechung der Interpretationen des evangel. Theologen Bruno Bauer (1809-1882)
 
Bild: Hypatia von Charles William Mitchell (1854-1903) - engl. Maler aus Newcastle