21.05.2023

HERMAN WIRTHs HIRNGESPINST

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Originalzeichnung H. Wirths, 1923 - mit heller und verdunkelter Gesichtshälfte - von der Hand seines Schwiegervaters, des Kunstmalers Prof. E. Vital Schmitt.

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Herman Wirth, „Die Kalenderscheibe von Fossum“ (179 Seiten), 1948, ein Wahnprodukt.

Mein verehrter Freund und Lehrer Herman Wirth (06.05.1885 in Utrecht - 16.02.1981 in Kusel) hatte - das muss man unbedingt bekennen - zwei unterschiedliche Wesenszüge, er war der große väterliche Menschenfreund, der Liebende, der die weibliche Natur geradezu verehrende Frauenrechtler, der typisch nordische Geist, der Bienenfleißige, das unermüdliche Arbeitstier, der mutige Kämpfer und der Heroe welcher unserem deutschen Volk unbedingt ein geistiges Geschenk machen wollte, wozu ihn seine wunderbare deutschgeistige Ehefrau Margarete zeitlebens anspornte und ermutigte. Viele frei erlogene Nachkriegsanwürfe sind so absurd, dass man darüber hinweg gehen möchte, doch auch der niederste Schmutz muss als solcher betrachtet werden, denn wer dazu schweigt, scheint sich zu schämen und seine reale Existenz hinzunehmen. Das darf nicht sein, unser Bild von Herman Wirth soll echt und wahr sein. Bei Wikipedia findet sich der Eintrag: „So forderte er die Vernichtung von ihm als ,lebensunwert' und ,erbrassig minderwertig' angesehener Menschen.“ Wer unsere Zeit durchschaut, weiß aus welchen muffigen Katakombengrüften solche Vorwürfe allein kommen. Sie werden von dem gleichen nichtswürdigen Menschenschlag erhoben, denen H. Wirth nach Kriegsende seine unbegründbare zweijährige „Haftstrafe“ zu verdanken hatte und die Zerstörung seiner Marburger Wohnung mit wertvoller Bibliothek durch die Primitivlinge der Besatzungs-Halunken.

Aber so wie den jungen Herman im Jahre 1923 der Vater seiner Frau Margarete, der begnadete Kunstmaler Prof. E. Vital Schmitt, den Schwiegersohn malte - mit einer hellen und einer dunklen Gesichtshälfte - so war und so blieb er bis an sein Lebensende. Er war ein Besessener, dem jedes Mittel recht war, sein einmal ins Auge gefasste Weltbild unter Beweis zu stellen. Er war ein Missionar. Und so wie Missionare als Überredungskünstler sehr oft geschummelt haben, so schummelte auch H. Wirth, wenn die Fakten nicht in sein Weltbild passen wollten. Dann fälschte er Bilder und er hatte dabei kein schlechtes Gewissen, denn er war überzeugt, dass er damit der Wahrheit nur etwas aufhelfen würde, weil er von der Richtigkeit seiner irrtumsbeladenen Theorie besessen war.

Weil er die lichte Vorstellungswelt bezüglich der nordischen Ahnen fix und fertig im Geist verankert hatte, genügten ihm wenige Anhaltspunkte, um darum und darauf ganze Weltverständnisse von geradezu kosmischen Ausmaßen zu errichten. Für sein Werk „Der Aufgang der Menschheit“ (1928) genügte ihm eine unbeachtete kursive Rune, welche zwei übereinaderstehenden Kreise zeigt, die von einer senkrechten Linie verbunden sind. Ob beide Kreise wirklich als geschlossen gedacht werden dürfen, geht aus der Federschrift nicht gesichert hervor. Über dieses Zeichen schreibt Wirth in „Des Großen Gottes älteste Runen“, 1939, S.18 begeistert: „Die verschollene germanische Rune ódil ist von mir in den ,Annales Brunwilarenses' (Vatikan Hs. Urbin 290 membr. fol.) nachgewiesen worden. Auf fol. 71b dieses aus der Abtei Brunweiler bei Köln stammenden Codex hat ein hochdeutscher Mönch um 988 n. Chr. zwei nordgermanische Runenreihen, eine in Alphabet-Folge und eine in Futhark-Folge aufgezeichnet. Auf diese beiden Runenreihen hatte schon 1871 H. F. Massmann ,Runen aus Rom und Wien' hingewiesen.“ In einer Erzählung von Ende 11. Jh., der „Fundatio monasterii Brunwilarensis“, berichtet ein Mönch vom Bau einer zunächst hölzernen Kapelle. Es gibt eine Äbte-Liste aus dem 17. Jh. im „Liber sancti Nicholai episcopi in Bruwilre“. Die verschiedenen Schreibweisen meinen das Kloster Brauweiler bei Köln. Wirth deutet, als er ihr ansichtig wurde, sofort diese Rune als Grundprinzip des atlantischen und germanischen Weltbildes: Er deutete die beiden Kreise als Nord und Süd, also Sonnenhöchststand und Sonnengrab im Süden, zur Wintersonnenwende. Auf Dieser Vision baut er das Buch „Der Aufgang der Menschheit“. Überall wo er ähnliche lineare Strukturen fand, glaubt er, würden sie das gleiche bedeuten was er hineingeschaut hatte. Ein vorurteilsfreier, nüchterner Forscher geht völlig anders vor, er hat kein fertiges Weltbild im Kopf, wozu er die passenden Puzzlesteinchen sucht, sondern findet zuerst die farbigen Steinchen, die er anhand der Funde zum Mosaik zusammen zu setzen versucht.

Herman Wirths Buch „Die Heilige Urschrift der Menschheit“ (1931) ist eine ungeheuer arbeitsreiche weiterführende Fortsetzung des ersten Werkes, doch liegt ihm ein konkreter Fund zugrunde, mittels dessen Wirth das atlantisch-germanische Kalenderweistum auszubreiten versuchte. Ihm wurde aus seinem schwedischen Leserkreis um 1930 eine Nachtfotografie zugeschickt, die unglücklicherweise von nur einem unbewegten Punkt aus beleuchtet worden waren, so dass alle Ritzlinien die parallel zur Beleuchtungsquelle lagen weggeblendet wurden, während die Ritzlinien die mehr oder minder quer dazu verlaufen, durch die entstehende Schlagschattenbildung, hervorgehoben wurden. Wirth kannte vage diese Felszeichnung bei der Region namens „Fossum“ bei Uddevalla im schwedischen Bohuslän. Sie findet sich im „Aufgang der Menschheit“, von 1928, auf dem Bildblatt VIII. Wirth muss sie in den Arbeiten des schwedischen Forschers Oscar Almgren gefunden haben: „Tanumshärads fasta fornlämningar fran bronsaldern: Hellristningar“, Göteborg 1913 und „Hällristningar och kultbruk. Bidrag till belysning av de nordiska bronsåldersristningarnas innebörd“ (1926-1927), das in deutscher Sprache erst 1934 veröffentlicht wurde, unter dem Titel „Nordische Felszeichnungen als religiöse Urkunden“.

Ohne das Fossum-Felsbild je im Original gesehen zu haben, nahm es Wirth als Grundlagendokument, er nannte es den „Eckstein“ seiner folgenden Konstruktionen. Weil, wie ich erklärte, einige Linien des kreisrunden Gebildes weggeleuchtet waren, sah Wirth darin einen schon steinzeitlichen Kalender-Kreis, gebildet durch prä-runische Zeichen. Immer wieder in seinen Schriften kommt Wirth darauf zurück, es ist der scheinbare beste und unumstößliche Nachweis für das kreisrunde germanischen Kalenderunen-System. Wenn ich nach einem leichtbegreiflichen Beweis seiner Theorie fragte, verwies mich Wirth wiederholt auf dieses Felsbild. Das war der Grund, dass ich noch im Todesjahr des Meisters, im Sommer nach Schweden fuhr, um insbesondere Fossum zu besuchen. Ich hatte das Wissen um eine Abreibetechnik von Reliefs mit Kohlepapier auf großen Papierbögen mitgebracht und übte mich darin. Ich stellte fest, nicht eine einzige Struktur der Fossum-Ritzung glich einer Rune, insbesondere war keine Odal-Schlinge zu erkennen, auf die H. Wirth immer hingewiesen hatte. Ich war, das darf ich bekennen, in meinem Glauben an Herman Wirth tief erschüttert; mein scheinbar festgefügtes Wirth‘sches Weltbild brach zusammen. Ich beschloss, selbst den mühseligen, verzichtvollen Weg des Forschers anzutreten. Mein Gang durch einen ungeheuren Bücher-Reisbrei begann, hinter dem ich das Gelobte Land der wahrhaftigen Einsicht erhoffte.

Zu meiner Belehrung hatte aber Herman Wirth höchstselbst beigetragen, per Verfügung hatte er mir seine gesamte Arbeitsbibliothek, auch der unveröffentlichten Papiere, zugeschrieben und zwar mit dem Zweck der Erhaltung dich Mikrofotografie, denn ich war u.a. meines Zeichens Lehrmeister der Reproduktionsfotografie. Dabei waren die beiden Bände der „Prolegomena der Indoeuropäischen Urreligion“, welche zwei Herren gern in die Hände bekommen wollten, es waren der praktische Arzt und „Präsident und Institutsleiter der Gesellschaft für Europäischen Urgemeinschaftskunde“ Dr. Joachim Weitzsäcker in Brackenheim und der älteste Schüler Wirths, Werner Haverbeck, der Leiter des „Collegium Humanum“ in Vlotho an der Weser. Am 17.11.1981 übergab ich Herrn Weitzäcker das Gewünschte. Er hatte mich mittels seines Rechtsanwaltes auf Herausgabe bedoht. Nach der Übergabe in seinem Brackenheimer Wohnzimmer trat ich dicht an ihn heran, sah ihm scharf in die Augen, wurde seiner schweren dunklen Augenringe gewahr und sagte: „Herr Weitzsäcker, Sie wollen alle Schriften von Vater Wirth an sich ziehen, aber ich sage Ihnen, Ihnen wird die Zeit fehlen, sie zu bearbeiten !“ Um ein Dreivierteljahr darauf war der Mann tot. Ich hatte gerade einige Wochen lang begonnen, die Masse von Tausenden Schriftstücken zu mustern, als die Wirth-Tochter Ilge, mit dem farbigen Sprössling ihrer Schwester Angela anrückte, einen gültigen Erbschein vorwies und mir damit den Wirth‘schen Nachlass wieder entführte; wie ich später von Dr. Weitzsäcker vernahm, um mindestens ein gutes Drittel im nächstbesten Autobahnraststätten-Container zu entsorgen. Sie hatte in Schweden erfahren, wo sie seit Kriegsende lebte, viele Jahre mit einem engagierten Nichtdeutschen, dass ihr Vater „den Nazis gedient“ hätte.

In Wirths Nachlass fand ich die für ihn verhängnisvolle Nachtfotografie, wie auch die Abbildungen der Gipsabdrücke vom Fossum-Felsbild, über das er in seiner Schrift von 1975 „Führer durch das Ur-Europa-Museum mit Einführung in die Ursymbolik und Urreligion“ auf Seite 28 erklärt (Abb. 21und 22): „Die Kalenderscheibe von Fossum, Tanum, Bohuslän. (um 2.000 v. Ztr.). 1935 von mir als solche erkannte und abgegossene Felszeichnung: rechts im Osten die gebende Hand mit dem Schale Schale_1a.JPG Zeichen des Himmelshauses = die Gottesmutter im Aufstieg von der Erde zum Himmel. Oben in der Mitte der Scheibe das Kreis.JPG ,Jahr'-Zeichen der Sommersonnenwende. Unten im Süden: der Gottesohn als Jahresscheibe mit den beiden aufgesetzten FF_2a.JPG Runen in der ,Mutternacht' des Jahres.“ Das von Wirth derartig beschriebene Fossum-Bild sieht - von schwedischen Studenten farblich hervorgehoben - real so aus:

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In diesem Text von 1975 des „Ur-Europa-Museum-Führer“ schweigt H. Wirth über alle die vielen Detail-Erklärungen die er in seinen diversen Schriften im stolzen Brustton zum Besten gegeben hatte. Kein Wort mehr von dem angeblichen Frühlings-Ross an linker Seite, oder von der angeblichen Odal-Schleife unten links. Nicht ein einziges Zeichen das er wortreich beschrieben hat, war und ist jedoch tatsächlich vorhanden ! Hatte er endlich eingesehen, dass seine über Jahrzehnte vorgetragenen Ausdeutungen nicht mehr zu halten waren ? Das war eine sehr späte Einsicht.

Ganz anders noch 1948 in seiner Monographie „Die Kalenderscheibe von Fossum“. Man stelle sich die Mystifikation vor, dreizehn Jahre nachdem er dieses Felsbild 1935 mittels Gipsmatte abgegossen hatte, erklärte Wirth es unverfroren exakt so, wie er es 1931 in „Die Heilige Urschrift der Menschheit“ fehlgedeutet hatte. 1931 lag ihm nur die falsche Nachtfotografie des Felsbildes vor, da waren seine kühnen Schlüsse allein geboren aus Leichtsinnigkeit, die keinem ernstzunehmenden Wissenschaftler passieren darf. Aber 1948 wusste er ganz genau wie das Bild in Wahrheit aussah, trotzdem verhielt er sich einem bockigen Kind nicht unähnlich und stellte das Nichtvorhandene so dar wie er es 1931 getan hatte. Wie ist das einzuschätzen ? War er 1948 der Meinung, die schwedische Provinz Bohuslän läge weit genug entfernt, wer könnte seine Manipulation dort prüfen ? Kaum einer ! Dass sich der erschwingliche Reiseverkehr und Tourismus derart rasch entwickeln könnte war zunächt nicht absehbar. Falls er so gedacht haben würde, wäre das schäbig. Ich habe das Fossum-Bild oft und oft gesehen, abgetastet und abgerieben, ich bin der Auffassung, wir haben eine bronzezeitliche Bildritzung vor uns die einen die Sonne oder den Mond ehrenden Tänzerkreis darstellen soll. Das oberste Zeichen meint sicher keinen geteilten Jahreskreis, vielmehr einen sich kniend verbeugenden Mann, denn die senkrechte Linie ist am unteren Ende leicht als Köpfchen verdickt und keineswegs bis zum „Sonnenrund“ durchgezogen. Unten tanzen zwei Paare jeweils aufeinander zu und voneinander weg. Die beiden angeblichen Runen FF_2a.JPG meinen viel eher den aufgerissenen Doppel-Rachen des personifizierten, die Sonne bedrohenden Wolf-Dämons. Er trägt zwar ein Schwert (mit dem verdickten Ortband-Ende), als Zeichen seiner mannhaften Gefährlichkeit, doch seine unvermögenden dünnen Beinchen zeigen, dass er der Sonne letzlich nicht bedrohlich zu werden vermag. So schlicht lässt sich der vermeintliche Kalender-Zeichenkreis ausdeuten ? Mit Sicherheit aber ist nicht eine einzige Rune anwesend.

Fossum_Problem.JPG

Links der Wirth'sche Fossum-Abguss von 1935, auf dem keine Runenzeichen zu erkennen sind. Rechts das von Wirth zusammengestellte Tableau von 1931, mit den hineinfantasierten Kalender-Runen.

Quer- und Stur-Denker H. Wirth

Herman Wirth bleibt uns ein Rätsel,
hat zwar vieles schon gewusst,
war doch größten Irrtums fähig,
was ging vor in seiner Brust ?

Mutig war er gleich dem Löwen,
trat hart für seine Meinung ein,
war sie leider größten Teiles
nur grandioser, falscher Schein.

Trotzig-stur war sein Charakter,
hielt so gern am Trugschluss fest,
schon die „Ura-Linda“-Fälschung
wurd‘ ihm schier zum Narren-Test.

Wenn sich Meister Wirth verrannte,
konnt‘ er's niemals eingesteh‘n,
beharrte eisern auf dem Standpunkt,
war‘s auch peinlich anzuseh‘n.

Größten Bock hat er geschossen,
mit dem „Fossum-Kalenderkreis“,
doch nicht eine einzige Rune
ist dort vorhanden, wie man weiß.

Was bleibt von H. Wirth auf Dauer,
hat neue Wahrheit er gebracht ?
Leider muss man das verneinen,
viel Wind um nichts hat er entfacht.

Trotzdem müssen wir ihn ehren,
der bienenfleißig sich bemüht‘.
Groß und löblich war sein Wollen,
wofür ihm unser Dank erblüht.

Siehe dazu die GOD-Aufsätze, über Suchfunktion:

URA LINDA CHRONIK - Calvinistisch-nationalfriesischer Theologen-Streich

DAS FOSSUM-RÄTSEL

G. HESS STELLT H. WIRTH IN FRAGE