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Tür 4 - Rätselgeraune der Runen
      4.1 Erul - Erzvater der Runen
      4.2 Germanische Gnosis
      4.3 Der erlösende Oding
      4.4 Linkskreisender Oding-Ring
      4.5 Runenarkanum
 
Tür 4
Rätselgeraune der Runen
 
1. - Erul - Erzvater der Runen
 
Über den anzunehmenden Runenschöpfer schreibt Gerhard Alexander (1903-1988) wohldurchdacht und zurecht: „Er war gewiß kein, ungebildeter Hilfssoldat oder Kriegs­gefangener, der ein durch lateinische Buchstaben bereichertes norditali­en­isches Alphabet mit nur geringfügigen Veränderungen nachbildete [...] Viel wahr­scheinlicher ist es, daß er Angehöriger eines Adelsgeschlechts war, wie Arminius oder Marbod, der, mit hei­mischer Religion und Magie durch Herkunft und Stellung vertraut, sich in römi­schem Dienst lateinische Sprache und römisch-hellnistische Kultur angeeignet hatte. Er wird dabei nicht nur das lateinische und, vielleicht in keltischen Landen, das griechische Alphabet, sondern gewiß an Ort und Stelle, auch norditalische Schriften kennen gelernt haben. Gerade weil er keine profane Ge­brauchs­schrift schaffen wollte, für die bei den Germanen damals kein Bedürfnis vorlag, sondern für magisch-religiöse Zwecke verwendbare geheimnisvolle Zeichen („Runen"), schloß er sich dabei weit­gehend an die norditalischen Alphabete mit ihren archaischen Formen und Schreib­gewohnheiten an, zumal deren Träger in ihrem so­zialen Gefüge und ihrer geistigen Haltung den Germanen in der Heimat sicherlich näher standen als die Römer. War er auch kein geschulter Phonetiker, so besaß er doch zweifellos ein sehr feines Ohr für seine Muttersprache." Zur Runenentstehung ist bei heutigem Erkennt­nisstand noch kein abschließen­des Urteil abzugeben. Denk­bar wäre, dass ein Ange­höriger der Kimbern- und Teutonenzüge (Ger­ma­nen und Kelten) nach den verlore­nen beiden Schlachten (im Herbst 102 v.0 bei Aquae Sex­tinae und im Juli 101 v.0 bei Vercellae) in den Alpenraum aus­weichen kon­nte und dort die Anregung erhielt die germ. Buch­sta­be­nord­nung zu schaffen. Oder war es die Niederlage des germ. Heerkönigs Ariovist, der 72 v.0 über den Rhein setzte, nach etlichen gewonnenen Schlach­ten gegen die Gallier, sich in deren Gebieten festsetzte, aber 58 v.0 von Cäsar ge­schla­gen und angeblich über den Rhein zurückgetrieben wur­de. (Bello Gallico, Kap. 30-54) Seit dieser Zeit wird das linksrheinische Elsass germanisch-deutsch besiedelt. Stets sind es die erschütternden Kampf- und Notzei­ten, wel­che große geisti­ge Schöp­f­ungen und Neuausrichtungen hervor­bringen!
 
Es scheint, dass der spätere Runenvater einige Zeit als Söldner das itali­sche Heer­we­sen kennenlernte und zum Hauptmann einer Hundertschaft aufstieg. Der Fund von Ne­gau (südl. Steiermark) brachte fast Zweidutzend Helme ans Licht, die mit Buch­staben und Zahlen versehen waren. Die Helme (Negau A u. B) zeigen die bis­lang früheste Feststellung eindeutig germ. Worte, jedoch in einer alpenländi­schen runen­ähnlichen linksläufigen Buchstabenschriftart. Auf Helm B steht: harigasti tewa „Heeresgast-Gott. Helm A (vgl. Abb. Helm ?) weist verschiedene Na­mens­ritz­ungen auf, darunter ein keltischer und skythischer und den germ. „C(enturio) Erul“. Offenbar handelt es sich bei dem Depotfund um ein Weiheopfer für die Gottheit. Eine Gruppe von Männern der röm. Auxiliarkohorte ritzten ihre Namen in die Helme, ver­gruben sie und beendeten ihren Dienst als Legionäre. Die zeitliche Fest­machung hängt von der Datierung des Negau-Fundes ab, diese aber ist unsicher, sie schwank­te zwischen dem 5. Jh. v.0 und augusteischer Zeit (63 v.0-14 n.0); die letztereist die wahrscheinlichere. Ersichtlich hatte sich zumin­dest der germ. Hauptmann Erul alpenländische Schriftkenntnisse an­ge­eignet. Er dürfte unser ge­suchter Runenerfinder, Gründer und Verkünder der Ru­nenreligiongewesen sein. Er muss sich ausreichend lange im Dunst­kreis gno­stisch-religiöser und philosophischer Schulen aufgehalten haben, um sie studie­ren und innerlich verwerten zu können, denn sie sind in seine Schöpfung eingeflossen. War Erul nun Angehöriger einer bestehenden erulischen Volksgruppe dieses Namens (auf See­land, Fünen und südl. Jütland, vor der dän. Einwanderung), oder übertrug sich sein Eigennamen, nach Heimkunft und Runenverkündung, auf einen dort an­sässigen Germanenstamm? Jedenfalls muss Erul das runische Sinnbild- und Laut­zeichen­system aus­ge­bildet haben, auch in die nordische Heimat zu­rück­gekehrt sein um dort eine wodani­sche Glaubensge­mein­schaft zu errichten, als deren Einweih­ungs­­kerb­stock und Glaubenslehrbuch die ODING-Runen dienten. Er verwendete da­für urnor­d­ische Be­griffszeichen sowie alpenländische vor­lateini­sche Alpha­betbuch­sta­ben einer dort beheimateten kelto-germ. Bevölkerung, deren Lautsystem dem Nord­germani­schen noch sehr nahe stand. Vorrunische Symbolefinden sich z.B. auf der jung­steinzeitliche Trommel aus Rössen bei Merseburg (etwa 4500 Jahre alt) mit einem Dekor von t-Zeichen. Das Tüllenbeil von Hagenow/Mecklenburg, aus der älteren Bronzezeit (ca. 1800 v.0), ist mit erhaben-gegossenem z-Zeichen versehen. Das Kreiszeichen der Ing-Rune, auch die Frühform der U-Rune, finden sich bereits auf dem Bildstein der Wartberg-Kultur (Kr. Höxter) aus 3500-2700 v.0. Der Runenvater lehnte sich aber an keines der vor­handenen Alpha­bete an, sondern griff jeweils heraus, was ihm für sein Vorhaben geeignet erschien. Neun seiner Zei­chen sind keinesfalls aus diesen Vorlagen ab­leitbar: d q p y j n w g x  Seinem Werk wird die Stimmung und Idee einer Glau­bens­ver­tiefung oder -neugestaltung zu­grunde liegen. Er schuf eine Botschaft, eine Lehre. Seine Schöp­fung, das ODING-FUÞARK, ist ein in sich ge­schlo­s­senes, durchmathe­ma­tisiertes Gotteslied, ein Welt­betrach­tungs- und Gottes­ver­ständ­niswerk ohne Glei­chen. In seiner Ordnung steht nicht mehr der alte indogerm. Him­mels­gott Ti­waz / Tiu im Mittel­punkt (dessen ver­nich­tendem Gottesurteil die verlore­nen Schlach­ten zuge­rechnet werden mussten), son­dern der Seelen-Geist­gott, der Ase Wodanaz / Wo­dinanz. Aus der kämpferischen Geisteshaltung die­ser Od-Gott-/Wodin-Reli­gion er­wuchs den ger­m. Völkern die Kraft für weitere Aus­einander­setzungen und be­reits we­nige Genera­tio­nen später zum endgültigen Sieg über die imperialistische, sitten- und skrupellose röm. Skla­ven­hal­terge­sellschaft, sie allen nichtitalischen Völkern wie ein wahrer Mo­loch, eine völ­ker­verschlingende Mord­maschinerie erscheinen musste.
 
Erul wird ein erulisches Glaubensvolk gegrün­det haben, dessen kriegerische Ein­heiten langlebige, straffe, kampftüchtige Organisationen von außeror­dentlicher Be­weglichkeit schufen. Ihre weitreichenden erfolgreichen Unter­nehmungen führten sie nach Grie­chenland, Ita­lien, Spanien, Nordafrika, Gallien bis Schottland und Skandi­navien. Ihre Angehörigen nann­ten sich Eruler / Eriler, lat. Heruler - wahrschein­lich nach ihrem Gründer und Groß­meister - sicherlich aber Volksgenossen, Erul. Sie ver­nich­teten 454 zusammen mit den Gepiden das Hunnenreich, auch gehörten sie 476 zu den Stammtruppen des Odoaker bei der Eroberung Italiens und dem damit ein­treten­den Ende des weström. Reiches. Sie gründeten in Oberungarn, zwischen March und Theiß, ein Herr­schaftszentrum, bis sie 508/509 eine entscheidende Niederlage durch die ebenfalls wodangläubigen Lango­barden erlitten, worauf die meisten an die untere Donau zogen, wo sie noch 550 genannt wurden. Andere kehrten in die Nord­heimat zurück. (Rudolf Simek, Lexikon d. germ. Mythologie, 1984, „Heru­ler“)
 
Dort, im ursprünglichen Erulergebiet, verbreiten sich die ältesten Runenfunde, wie die aus typologi­schen Gründen in die erste Hälfte des 1. Jh. n.0 einzuordnende Ro­llen­kappen­fibel von Meldorf/Süderdith­mar­schen. Auf ihr steht das linksläufige Runen­wort iwih „hiwi“ mit der wahrscheinlichen Bedeutung germ. hiwa; ahd. hiwo, hiwa; ur­nord. hiwigaR „der/die Häusliche / Hausherr/-frau“. Dazu gehört das herrliche Meis­terwerk des goldenen Runenhornes von Rosengaard/Nordschleswig (ca. 400 n.0). Auf etlichen Runenritzungen lesen wir „ek erila“ („Ich der Eruler“), als stolze Selbst­bezeichnung eingeweihter Runenmeister. Auf dem Amulett von Lind­holm/Schweden (1.H.d.6.Jh.): ek erilaR sa wilagaR haiteka („Ich der Eriler, heiße der Listenreiche“). Weit voneinander entfernte Funde künden von den Weltfahrten dieser Männer. Ein Irila (Erila) erscheint sogar Mitte des 2. Jh. n.0 unter den Inschriften der buddhis­ti­schen Krypta zu Junnar, Bezirk Puna. Der Be­griff „eri­laR“ galt als Standes­be­zeich­nung der germ. Schriftkundigen, der Runen­mei­ster und hat vermutlich auch das Grund­wort für den altnord. Adels­titel „Jarl“, ags. „eorl“, engl. „earl“ geliefert. Mit dem neuen Gottes-, Welt- und Selbst­verständnis ver­breitete sich die runische Schrift in­nerhalb der germ. Völkerfamilie. Diese Zeichenreihe von 24 Runen ist, wie der dän­ische Forscher Ludvig Frands Adalbert Wimmer in „Die Runenschrift“, 1887, nach­wies, die älteste Runenreihe, deren sich in der Völ­ker­­wanderungszeit alle germ. Stämme bedienten, und aus der erst später, verursacht durch sprachliche Neubedürfnisse, die übrigen läng­eren oder kür­zeren Runenreihen herausentwickelt wurden. Zweifellos ist eine um­fang­reiche Lite­ratur in dieser Schreib­technik ent­stan­den, welche nach dem christl. Glaubens­um­bruch vom Frankenkö­nig Karl noch ge­duldet und einge­sam­melt, dann erst durch sei­nen pfaffen­hörigen Sohn, den fröm­melnden Schwäch­ling Ludwig (778-840), als „heid­­ni­sches Teufelswerk“ ver­brannt und an den Vatikan ausgeliefert wur­de.
 
Gerhard Alexander, Die Herkunft der Ing-Rune, in Zeitschr. f. dt. Altert. u. dt. Literatur, Herausgeber Kurt Ruh, Bd.104, 1975, S. 7 - Die nordetruskischen Alphabete auf Inschriften und Münzen, Th. Mommsen; Mitt. d. Antiq. Gesellsch. i. Zürich, Bd. 7, 1850/53 - F. Altheim u. E. Trautmann, Kimbern und Runen, 1942, S. 9ff - H. Arntz, Handbuch der Runenkunde, 1944, S. 30ff - G. Vernadsky, Der sarm. Hintergr. d. germ. Völkerwanderung, Saeculum. Jb. f. Universalgesch., Bd. 2, Jg. 1951, H. 3; S. 340ff - W. Krause, Runen, 1970, S. 34ff - H. Klingenberg, Runenschrift, Schriftdenken, Runeninschriften, 1973, S. 138ff - K. Düwel, Runenkunde, 1983, S. 90ff
 
Wo sind die Quellennummern im Aufsatz?
 
FADAR RUNAR
 
Erzvater Runar im Ahnen-Od,
Gültiger Geist aus germanischem God,
Du sahst, wie das Sonn'rad des Nordens stieg,
Der schimmernde Hammer das Südland schlug,
Sprangst mit dem Lichtheer von Sieg zu Sieg -
Ertrugst auch das Ende in Trauer und Trug.
 
Erzvater Runar im Ahnen-Od,
Dich neigte nicht Drangsal, nicht Todesnot -
Verloren die Schlachten, das Volk zerfallen,
Blutend in fremdem Gebirg' geborgen,
Als heimloser Gast in garstigen Hallen -
Die Seele geschunden von brennenden Sorgen.
 
Erzvater Runar im Ahnen-Od,
Du brachtest ein besseres neues Gebot -
Warfst dir vom Halse den würgenden Wicht,
Der von Unglaube, Ohnmacht und Kleinmut sprach;
Aufleuchten musst' wieder erloschenes Licht,
Gesühnt sollte werden die Schande, die Schmach.
 
Erzvater Runar im Ahnen-Od,
Du buhltest um Lebens-Gebräu und -Brot -
Du fandest God - und das God fand dich,
Du sangest der Zukunft das Zauberlied;
Aus Sinnmarken fügtest du meisterlich
Die ratweise Schöpfung - du Runenschmied.
 
Erzvater Runar im Ahnen-Od,
Du wiesest den Enkeln den waltenden Wod.
Um seinen Gewinn kreist der Runen Gewalt.
Wer ihn erkennt, sich selbst begreift,
Der weiß seiner Gottheit ganze Gestalt,
Der steht für Segen und Sieg gereift !
 
 
(Island, Heuert 6999 n.M.)
 

Einer der größten und am nachhaltigsten wirksamen Lehrer dieser Zeit war Pythagoras (580-500 v.0). Seine Lehre beschrieb erst 800 Jahre später Jamblichos. Er verdeutlichte die damals eher gefühlsmäßig intuitive Suche nach Erkenntnis und Bewusstseinsentfaltung. Um nur das Wichtigste zu streifen:
 
Das Corpus Hermeticum
 
Über das sog. Corpus Hermeticum hat sich der Basler Philosphielehrer Olof Gigon (im L. d. A.) böse geäussert. Er hält es für eine in mehreren Etappen und Fassungen um die Zeitwende entstandene Sammlung theologisch-philosophischer Erbauungsschriften. Heute sind nur noch einge grössere und kleinere Fragmente erhalten. Trotz der Berufung auf Hermes Trismegistos ist die Sammlung keine ägyptische Weisheit, sondern abgesunkene, zerfaserte griechische Literatur, Proletarierplatonismus, in den sich ziemlich viel Aristoteles und spätere Stoa mischt. Gigon meint: Die Gesamtsammlung ist zweifellos den geistigen Bedürfnissen der Halbgebildeten des 1.-3. Jh. n. Chr. entgegengekommen, hat auch vom 15. Jh. an in theosophisch orientierten Zirkeln immer wieder Beachtung gefunden."
 
4.2 - Germanische Gnosis
 
Die Generationstreue Jahwes und seine Verheißung ist erweitert um Zurvans Verheißung an Ahura Mazda, nach langem Kampf mit Ahriman schließlich doch die endgültige siegreiche Macht in der letzten Zeit-Etappe des Weltgeschehens zu erlangen, wobei der Urgrund, aus dem das Sein in der Zeit entspringt, eine der Geschichte enthobene Präexistenz in einer ideellen Welt ist, die zugleich die erste und letzte Bestimmung, die Heimat der angefochtenen Seelen ist. (558) Die Sehnsucht nach der himmlischen, übersinnlichen Welt hat im alten Iran ihren Ursprung. Identität von Urmensch und Erlöser geht davon aus, dass der Urmensch die Summe aller emanierten Einzelseelen in sich enthält und Erlösung komplette Rücksammlung von der Erdversprengung in die Himmelsheimat ist. Der 'Große Mensch', zu dessen Leib alle Menschen, alles Leben zählt, wird immer wieder mit historischen Erlösern identifiziert, ob Buddha oder Zarathustra. Selbst wenn Jesus nirgends als Urmensch explizit bezeichnet wird, ist die paulinische Lehre vom s*ma cristo« eine Wiederholung der indo-iranischen Urmensch-Lehre: Wir alle seien Teile dieses Leibes, dessen Tod ein schöpferisches Vollbringen war, ein Übergang von dem Einen zu den Vielen, die ihn nun repräsentieren. Viele Dispute über die Auferstehungsleiblichkeit Christi im s*ma pneumatik7' verweisen nur auf die gnostische Adaption der iranischen Menôk-Welt, des platonischen Ideenhimmels. Die pneumatische Licht-Materie, der Geistleib, ist nichts anderes als die iranische Menôk-Welt.
 
Der griech. Schriftsteller Lukian (120-180) spricht in seiner Einleitung zum „Peregrin“ vom „Geist der Filosofie eines Pythagoras“ und führt dann mit ironischem Unterton die magischen „Wundermänner des Alt­er­tums“ auf: den „Ägyptischen Hermes“, „Bak­trianischen Zoroaster“, „Indischen Bud­da“, „Hyperborischen Abaris“ und „Thrazischen Orfeus“. Ganz ernsthaft verkündet dagegen Agrippa (von Nettesheim, 1486-1535) in „Die Magi­schen Werke“ (1. Bd., Kap. 2), es seien die Physik, Mathematik und die Theo­­lo­gie „die drei mächtigsten Zweige der Gelehrsamkeit, welche die Magie um­fasst“. Und er führt aus: „Die weisesten und berühmtesten Gelehrten und Schriftstel­ler haben die­se Wissenschaft erläutert; unter ihnen glänzten besonders Zamolris und Zoroaster so sehr, daß sie Vielen als Erfinder der Magie gelten. In ihre Fußstapfen traten Ab­aris der Hyper­bo­räer, Charmondas, Damigeron, Eudorus, Her­mippus und noch an­dere berühmte Koryphäen, wie Hermes Trismegistus, Porphy­rius, Jamb­li­chus, Ploti­nus, Proklus, Dardanus, der Thrakier Orpheus, der Grieche Gog, der Ba­bylonier Ger­ma, Apollonius von Tyana [...] Überdies machten Pytha­go­ras, Em­pe­dok­les, Demo­kritus, Plato und noch mehrere der ausge­zeich­netesten Philosophen See­reisen, um die Magie zu erlernen, und nach ihrer Rückkehr schrie­ben sie dieser Kunst die größ­te Heiligkeit zu und wahrten sie als ein Geheimnis.“ Im abfälligen oder hochbe­deut­sam­en Sinne, jede Art Wissenschaft als Magie zu begreifen, trifft letztlich den Kern der Sache. Jegliche menschliche Erkenntnisgewinnung wurde eigentlich nur ange­strebt um wirkliche oder wahnhaft eingebildete Schwierigkeiten durch zaub­risches Mehrwissen zu lösen und damit Hinder­nisse zu überwinden. So gesehen un­terscheidet sich prinzipiell weder Philosophie von Alchimie noch von pytha­go­rei­scher Zahlenmagie und schamanisch anmutendem Runengalster. Wie es aus den Na­mens­­aufzählungen hervorgeht, erschienen aus den verschiedensten Völkern immer wieder Männer, die philosophische Spekulationen, Geheimlehren und naturwis­sen­schaftliche Erkenntnisse mit den Mythen und Mysterien ihrer Heimat in Überein­stim­mung zu bringen versuchten, um damit die Gesetze des Weltbaues, seine Entste­hung, auch die Harmonie der Natur, also die Beziehungen der einzelnen kosmischen Kräfte untereinander, zu erklären.         
 
Es waren Gnostiker, die versuchten Antworten zu finden. Er­kenntnis ist das zentrale An­liegen all dieser religiösen Bewegungen, denen sehr ver­schiedene zusammen­flie­ß­ende theosophische und philosophische Anschauungen des Altertums zu­grunde liegen. Der Begriff Gnosis stammt vom griech. Wort gnosis, das soviel bedeutet wie „Erken­nt­nis / Wissen“. Es ist eine Übersetzung aus dem eranischen Zend, weswegen man vom Zend-Avesta (hl. Texte der Parsen) spricht. Am Beginn aller Gnosis standen die Menschenfragen „Wa­rum“, was ist Begründung und Sinn allen Seins, woher kommen Krankheit, Tod und Übel aller Art? Die Anfänge der Bewegung welche als die eigentliche Gnosis be­zeichnet wird, datiert man ins 1. Jh., im 2./3. Jh. n.0. stand sie in ihrer Blüte. Diese Darstellung ist insofern irre­füh­rend, als schon im 6. Jh. v.0 in Grie­chen­land seit dem Aufkommen der Naturphi­lo­sophie und der orp­hischen sowie pyha­goreischen Myste­rienkulte typisch gnostische Er­schei­n­un­gen vor­handen waren. Orpheus und Pytha­goras (540-500) lehrten sowohl die Un­sterb­­lich­keit und Wiedergeburt der menschli­chen Seele, wie auch den Leib-Seele Dualismus. Gedan­ken, die später von den Auto­ritäten Platon (427-347) und seinem Schüler Ari­stoteles vertreten wur­den. Wie Jamblichos über die Weisheit des Pytha­go­ras be­rich­tete, nan­nte dieser die drei typisch gnostischen „Lebensregeln, die zur Läu­terung und Weihe, den Aufstieg in die Freiheit des Äthers führen“: a) „Erkenne dich selbst!“ b) „Erkenne die Einheit des Weltgefüges und ihr geistiges Wesen!“ und c) „Erkenne die Verbindung zwischen den sterblichen Menschen und den unsterb­lichen Göttern und deinen Weg von die­sem Zustand zu jenem!“ Sehr genau auf sol­che Wegwei­s­ung ist das germ. Oding zugeschnitten. Um dessen Sinn und Zweck und damit gleichzeitig das Gesamtwesen germ. Religion zu umreißen, taugen die Sätze mit denen das Weltverständnis der Pythagoreer beschrieben wurde; Heinz Klingenberg fand sie so zutreffend, dass er sie in seinem Run­enbuch als Erklärung für das durchmathematisierte Runenhorn von Rosengaard her­anzog: „Mathematik war ein Teil ihrer Religion. Gott hat den Kosmos nach Zahlen geordnet, so lehrten sie. Gott ist die Einheit, die Welt ist die Vielheit und besteht aus Gegensätzen. Was Einheit in die Gegensätze bringt und sie zu einem Kosmos ver­einigt, ist Harmonie. Die Harmonie ist göttlich und besteht aus Zahlenverhältnissen. Wer diese göttlichen Zahlenverhältnisse ergründen lernt, wird selbst göttlich und un­sterblich.“ (Heinz Klingenberg, Runenschrift, Schriftdenken, Runeninschriften, 1973, S. 370) Durch die Eigenart des griech. Zahlen- und Buchstabendenkens, wel­ches beides miteinander verwob, entstand die Gematria und die religiösen gno­stische Buchstaben- und Zahlenspekulationen, bis hin zur jüd. Kabbala. Insoweit dürfte ein Konsens zwisch­en Kennern der Materie gesichert sein, was jedoch über­raschend wirkt und zur Neu­orien­tierung zwingt, ist meine Feststellung, dass die germ. religiöse Mathematizität älter ist als Pytharoras, schon der bronzezeitl. „Son­nenwagen von Trundholm“ weist sie auf (vgl....).   
 
Immer mehr Men­schen begannen schon in der klassischen Antike an den alt­über­lie­ferten religiösen Weltbildern zu zweifeln und such­ten Trost in der Philo­so­phie oder den Erlösungs­leh­ren. Dazu gehörte auch der Herme­­tis­mus (300 v. bis 300 n.0) die Attis-Kybele-, Osi­ris-Isis- und Dio­nysoskulte, auch die jüd. Sekte der Essener, ab dem 1. Jh. v.0, aus der sich das Chris­tianismus ent­wick­elte. Der Her­metismus könnte sehr gut eine der direk­ten Vorlagen oder Anstöße zur Ausar­bei­tung der ODING-Religion ge­liefert ha­ben, seine Glau­bens­vorstellungen wurden in her­me­tischen Schriften nieder­gelegt, die die Ge­heim­nisse der Natur eben­so erklärten zu enthüllen, wie die einzel­nen Be­zieh­un­gen zwi­schen den kosmischen Kräften. Die Ein­­geweihten erhofften sich aus diesem Wissen und der Verehrung des Wissens­spenders, dem Gott Her­mes (Wodan), Fä­hig­keiten zur Be­herrschung der Natur und Hilfe für ein erfolgreiches glückliches Le­ben. Die Auf­nahme in den Kult­kreis er­folgte einzig auf geistiger Ebene und be­stand aus einer Einwei­hung in bestim­mte herme­tische Texte sowie Versen­kungs­üb­ungen. Es war also eine Art Buch­re­ligion, die sich - exakt vergleichbar mit dem ODING-Richtkreis - auf Offen­ba­rungen stützte.
 
Die Übergänge vom alten Götterglauben zu den Mysterienreligionen waren fließend. Es gab viele unterschiedliche Schulrichtungen. Spät erst hängten sich neben den griechisch-iranischen, ägyptischen auch mosaische und schließlich christliche Formeln ein. Einige Grundelemente sind jedoch durchgehend anzutreffen, so wie diese, dass dem Men­schen auf dem Wege der Erkenntnis seine Erlösung zuteil werde. Er, der Mensch, versucht sich in der Gnosis selbst zu erkennen, seine Herkunft, seine Bedeutung und das Ziel seiner weltlichen Wan­de­rung. Das erreicht er nicht nur durch ein verstandesmäßiges Erkennen, die gewünschten Antworten scheinen nicht allein aus eigenem Denken zu gewinnen, vielmehr werden sie durch ein sich offen­barendes Erkennen geschenkt. Ganz wichtig ist dabei die Überzeu­gung, dass die Er­ken­ntnis zwar allen Menschen gleichermaßen möglich wäre, aber nur von einigen Aus­er­wählten in Gestalt eines esoterischen Schatzes gefun­den wird. Bei ge­nauem Hinsehen ist Gnosis nichts anderes als Magie! Es geht um die zauberische Erret­tung, um das Heil der menschlichen Seele. Dazu bedarf es einer - eben gnostischen - Ge­heimlehre, einer verborgenen Offenbarung und der Unterweisung durch einen „Zauber­mei­s­ter“, den Offen­barer.
 
Die Gnosis ging von der Existenz zweier gegeneinander ge­richteter Prinzipien und Wel­ten aus, der Welt des lichten Geistes, die des guten Gottes mit seinen Äonen, den Ewig­keitsmächten, und der finsteren Welt der Materie. Die frühesten Verkünder dieses Welt­dualismus und damit auch Urväter der Gno­sis, waren der Iraner Zara­thus­tra und der etwa gleichzeitige ind. Begründer der Samkhya-Lehre, namens Kapila (6. Jh.v.0). Dessen dualistische Metaphysik stellte zwei Prinzipen in den Anfang: Pu­rusha (in den Veden der Urmensch aus dessen Teile der Kosmos gebildet wurde) und Prakriti. Sie waren immer und bleiben für immer getrennt. Der Purusha ist das höhere und letzt­lich bestimmende Prinzip,das transzendentale Be­wusstsein, die Weltseele; der Samkhya hat nichts dagegen, dass man etwa Brah­ma/Atman im Vedanta, Vishnu und Shiva im Tantra verehrt, denn man versteht in ihnen Purusha. Er entspricht dem Atman/Brahman oder Shiva -, auch dem „wirk­lichen Menschen“ in unserem Innern. In dem Moment in dem Purusha die Strahlen seines Bewusstseins in die Prakriti hinein­sendet, fängt diese an sich zu verändern, aktiv zu werden, der Schöpfungsprozess kommt in Gang. Purusha tut dies um die Möglich­keiten und Kräfte kennen zu lernen die latent in ihm und Prakriti liegen. Wenn dem­nach das gleichzeitig göttliche wie mensch­liche Bewusstsein nach vielen Äonen von Leiden und Vergnügen ihre Aus­deh­nungs­möglichkeiten erfahren haben, ist das Wissen ihrer selbst vervollkommnet. Die Prakriti ist also das Seiende, Werdende, die dy­na­mische Urmaterie, die Natur, dasmateri­elle Universum, das Prinzip, das alle For­­men von Aktivität hervorbringt, es ist der dunkle Mutterschoß aller Wesen und Dinge. Sie ist brodelnde Betriebsamkeit, unermes­sliches Chaos, völlige Vergäng­lich­keit - überquellend an Vielfalt, Anstößen und Gegensätzen, die sich aber vollständig gegenseitig auf­he­ben. Nach dieser Sicht­weise gilt alles, was einen Anfang oder ein Ende hat, als unwirklich, nur eine Gau­kelei von Maya, die Täuschung, Unwissenheit, Illusion bewirkt. Etwas, was An­fang und Ende hat, am Anfang und am Ende nichts ist, existiert eigentlich auch in der Mitte nicht. Deshalb lehrt der Samkhya drei Grundprinzipien: Unterscheidungs­kraft, Beobachtung, Entsagung.
 
Kapila stand mit der Entwicklung eines Urdualismus aus der vedischen Traditi­ons­la­ge nicht allein, das sieht man an den etwa gleichaltrigen ältesten Dokum­enten der per­s­ischen Literatur und Religion, dem sog. Awesta, das auf den Religi­onslehrer Za­rat­hustra zurückgeht. Dieser setzte dem guten Lichtgott Ahura Mazdah den Herrn der Finsternis und des Todes Angra Man­yav gegenüber. Denn das moralische Pro­blem bestimmt, dass Gott nicht die alleinige Ursache der Welt sein kann, weil er dann un­gerecht und unbarmherzig wäre. Zarathustra betonte, als sein wichtigstes Anliegen, den strengen moralischen Aspekt. In awestischen Versen klingt das so: „Die beiden Geister zu Anfang, die sich durch ein Traumgesicht als Zwillings­paar offen­barten, sind das Bes­sere und das Böse in Gedanken, Wort und Tat“. Der ind. Reli­gionsstifter Buddha, im 5. Jh. v.0, ging in dieser Richtung des Kapila und Zarthustra noch weiter. Auch er erkannte schmerzhaft das Niedrige, Unechte und Leidvolle der materiellen Welt und lehrte diese durch Verzicht zu überwinden. Er predigte: „Es gibt Leid; Leid hat eine Ur­sache; Leid kann überwunden werden; und es gibt eine Methode, mittels derer man Freiheit von allem Leid erlangen kann“ und weiter: „Dies, meine Schüler, ist die Wahr­heit des Leids: Geburt, Alter, Krankheit und Tod. Dies ist die Ursache des Leids: Lust und Wunsch, der Durst nach Sinnengenuss und der Durst nach Macht“. Eine möglichst vollkommene Verzichtshaltung in Bezug auf die materiellen Güter der Welt war die nur folgerichtige Konsequenz. Ins Extrem steigerte dies der iranischen Zervanismus mit seinem Abscheu vor dem weiblichen Geschlecht und des sexuellen Faktors.
 
Mit der gnostischen Überzeugung von der Schlechtigkeit der Welt hatte die Suche nach dem Verursacher des Bösen begonnen. Zarathustra nannte ihn Angra Man­yav („böser Geist“). Viele Gnostiker glaubten ihn in der Gestalt des jüdischen Jahve, wie er in den mosaischen Büchern beschrieben wurde, zu erkennen. Er sei es, der die finsteren Welt der Materie als böser Schöpfergott, als „De­miurg“ mit seinen Hel­fern erschaffen habe. Unbestreitbar schien, dass der Geist sich zur Materie entäußern und in sie hinabsinken, doch die Materie sich nie zum Geist erheben kann. Die menschlichen Seelen glaubte man als in Materie gestürzte göttliche Funken, die in dieser Welt als Gefan­gene des Fleisches leben, hier nicht heimisch werden könnten, sich in den Nie­derungen gebunden fühlen und zurücksehnen. Daraus resultierten alle Angst, geistige Not, das Gefühl des Verlorenseins, des Herumirrens und Heimwehs zur guten lichten Urheimat.
 
Die Gnosis bot ein Mehrwissen an, gleichsam ein Höherwissen. Ihre Schulen ver­spra­chen grundlegende Kunde und allumfassende Deutung von Erdenwelt und Kosmos. Hinzu kam, dass die Gnosis geprägt war von einem Befreiungsschwung, im Sinne: „Ich bin in das Heiligtum eingetreten; mir kann nichts mehr widerfahren.“
 
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Von solch einem zwiespältigen Gott sagt Kaushîtaki-Up. 3,8: „Denn er machet das gute Werk tun den, welchen er aus diesen Welten emporführen will, und er machet das böse Werk tun den, welchen er abwärts führen will; er ist der Hüter der Welt,“
 
 
 
Aber selbst in diesem anerkannt dualistischen Mazda-System und seinen manichäischen Nachfolgern blieb es nicht aus, dass der gute Gott letztlich wieder die Oberhand behielt und alles Dunkle, Böse und Teuflische irgendwo in die Heerscharen dieses Oberherrn eingereiht wurde. Der Teufel behält auch in dualistischen Religionen ebenso wenig das letzte Wort, wie in den Metaphysiken ein dualistisches Gegenprinzip.
 
Awesta = Wissen
 
Dieser Erlöser wird gleichgesetzt mit dem Urmenschen oder der Urseele/Weltseele, dem Gottwesen, das auch Vertreter der Einzelseelen ist. Er ist Erlöser und Erlöster zugleich. Er befreit die weltlichen Seelen mit seinem Ruf aus der niederziehenden stofflich-sinnlichen Welt. Der ideale Anspruch der Gnosis wäre in dem Augenblick erfüllt, wenn keine personale Offenbarer- und Erlöser-Gestalt das Rettungswerk vollbrächte, weil diese viel zu stark an die Welt gebunden wäre, sondern eine unkörperliche, rein geistige Wesenheit, wie es beispielsweise ein Buch, eine Heilige Schrift oder unsere, rechten Rat raunenden Runen sein würden. Der gnostische Befreier ist die so beschaffene Personifikation der göttlichen Offenbarung. Dieser herbeigesehnte Erlöser, dieser Rufer der Seelen zu Gott wird erkennbar in der Geistgestalt des Od-ing, des Od-Kindes. Es ist die Kundgebung einer germanischen Gnosis.
 
Erlösung vollzieht sich durch die Offenbarung; allein das befreiende Wort ist maßgebend. Für die germ. Schule war es das Wort: ODING. Es und die damit verbundene Erkenntnis, gewinnt man in der Gnosis nicht auf die gleiche Art, wie man ansonsten zu Einsicht und Weisheit gelangt. Das Wort muss man hören und annehmen, dann wird man sich an seinen Ursprung erinnern, dann erhält man blitzartig die erleuchtende Erkenntnis und ist dementsprechend Erlöster und Gnostiker. Der Mensch erkennt dann sowohl Gott, sein eigenes Ich, als auch die Verworfenheit der Welt. Gnosis bedeutet schlagartige Einsicht, und das Wesentliche daran ist die Wiedererinnerung. Der Mensch muss sich daran erinnern, woher er eigentlich stammt und was er eigentlich ist. Auch heute noch können die Runen den Menschen schlagartig daran erinnern, dass er ein Germane bzw. ein nordischer Mensch ist, der zurück will zu seinem Geistgott und in seine nordische Geistesheimat.
 
 
Zu einer strengen Weltverneinung und totalen Askese muss die Gnosis nicht zwangsläufig führen, das Sich-über-die-Welt-Stellen konnte eine Art Erhabenheit und in seltenen Randgruppen sogar Ausschweifung und Zügellosigkeit zur Folge haben. Die stoffliche Unterscheidung von Männlichem und Weiblichem erschien auf der Ebene der Seele und des Geistes als unwesentlich, weshalb das Eins-Werden angestrebt wurde und die Frauen keine der damals gewöhnlichen Zurücksetzungen erfuhren. Überwunden ist hier der Abscheu des iranischen Zervanismus vor dem weiblichen Geschlecht und des sexuellen Faktors. Recht modern anmutend strebte die Gnosis eigentlich eine Vergeistigung und Veredelung und Überwindung der grobmateriellen Gier und Sinnenwelt an. In den gnostischen Gemeinschaften und Schulen wurde die jeweilige Offenbarung weitergeführt, wobei man davon ausging, dass der göttliche Offenbarer weiter in die Gemeinde hineinspricht. Dies geschieht vornehmlich durch den Mund des Schulgründer und dessen Nachfolger.
 

Viele Gnostiker meinten, diese feindlichen Mächte seien in den Juden personifiziert. Die Juden sind nach den antiken gnostischen Mythen die Abkömmlinge und Verehrer jener widergöttlichen Schöpfungsmacht, die die Gnostiker verfolgte und in einem irdischen Körper festhielt. Damit stempelten gnostische Gruppen die Juden zu Angehörigen eines anderen „Samens" oder „Geschlechts", die die Vertreter der reinen Rasse der Gnostiker bedrohen.
 
Denn neben dem Dualismus von göttlicher Lichtsphäre und widergöttlicher Schöpfungssphäre ist das Auf- und Abstiegsschema, das wesentliche Merkmal der Gnosis.

Diesem Schema liegt die Auffassung zugrunde, dass die seelische, also immaterielle Essenz des Menschen ihren Ursprung und ihre eigentliche Heimat in anderen Welten habe, die sich entweder in überirdischen Sphären oder ganz außerhalb der uns bekannten Welt befinde. Die Gnostiker setzten ihre Erlösungshoffnungen auf eine Überwindung und Zerstörung des Kosmos.
 
Die meisten der gnostischen Gebete und Hymnen thematisieren die Erlösung des Selbst. Die Erlösung ereignet sich durch die Erkenntnis der eigenen Herkunft, welche die gnostische Heilsgestalt vermittelt.
    
(Hegel)– Aber wo ist dann das Böse im Logos?
 
 
 
„Weltvernunft" und – bei Hegel– als die "absolute Macht" gefeiert worden.
 
4.3 - Der erlösende Oding
 
Schon der ionische Philosoph Anaxagoras(500-428 v.0) vertrat die Meinung, die Sub­s­tanzen der Welt seien durch eine nicht hinterfragbare Kraft, den Weltgeist, zusam­men­gefügt worden, den er Nous (griech. „Geist / Gedanke“) nannte. Für Demo­krit (460-370 v.0) war die sich aus Buchstaben zusammensetzende Sprache, der Logos (griech. „Gedan­ke“), „ein Schatten der Wirklichkeit“ (Diels 55 B 145.) und stellte als solcher ihr getreues, aber unkörperliches Abbild dar. Platon(427-347 v.0) ließ sich von Anaxagoras inspirieren (Phaidon 97B),führte diese Anregungen fort und erklärte die Inhalte des Denkens, die Ideen, zum eigentlichen Sein. Geradeso wie sich der Logos aus Buchstaben, Silben, Worten zusam­menfügt, so fügen sich auch die Grundstoffe, die Elemente, zu kleineren, grö­ß­eren anor­ga­nischen oder or­ga­ni­schen Verbind­un­g­en, zu Körpern verschiedenster Art und schließ­lich zur Ge­samt­welt. (E. Frank, Plato und die so­genannten Pythagoreer, Halle, 1923, S.169f) Der Neuplato­nismus, dem zusätzlich die aristotelischen Lehrmeinungen zur Ver­fü­gung standen, hat das Den­ken als das Umfassende beschrieben und es als Geist, als Kraft und göttliche All­macht verehrt.
 
In dieser Phase des Hellenismus verschmol­zen Attis mit Ado­nis, Osiris, zu der­selben Wesen­heit: dem Logos (Weltver­nunft / Naturgesetz / Kraft die alles Leben bewirkt und lenkt). Auffas­sung der Hermetiker war: „Hermes ist der Logos“, der Got­tes­ge­danken, der Welt­schöpfer aus dem Wort, der aus dem Cha­os einen Kos­mos ge­staltet, also der Welt­ordner und ebenso auch der notwendige Er­löser aus Him­mels­höhen. Als germ. Her­mes-Mercurius galt bekanntlich nach röm. Ver­gleich der Seelen- und Ru­nengott Wodan. Nach Meinung aller Gnostiker bestand der Sinn je­ner erhofften Erlösung und Vollen­dung der Welt und des Menschen darin, dass der Ring des Wer­dens wieder ge­schlossen würde. Das geschähe dadurch, indem der außer­weltliche Logos, „das Urlicht“, „der gestaltlose Gott“ in seiner ganzen Fülle in die irdi­sche Welt des Menschen niedersteigt, ihm den Weg zeigt und die Kraft gibt zu sei­nem Ursprung im reinen Geist und Licht zurückzukehren. Aufgabe des irdi­schen Men­schen sei es daher, sich aus dem Fleischlichen empor zu entwickeln, indem er zu dem ihn erfüllenden Logos, seiner Seele, dem überweltlichen Logos hinstrebt, wie ein in sich selbst zurückfließender Strom.
 
 
In der Bildsprache der Gnosis wurde der Logos, indoiranischen Verständnis- und Sprachtraditionen fol­gend, als Mensch (griech. Anthropos), als Urmensch (skrt. Purusha) verbildlicht. Deshalb nannten aus mosaischem Herkommenden stammen­de Gnostiker den Ur­menschen-Logos Adam. Viele gnostische Grup­pen symboli­sierten ihn als Schlange (griech. Ophis), die sich in den Schwanz beißt, um den Kreislauf alles Werdens zu versinnbildlichen. Auch die ein­zelne Men­schenseele wurde ja oft als Schlängelein gedacht, das den Kör­per im Tode wieder ver­lässt. Der Logos sei da­durch entstan­den, dass Geist und Materie sich zusam­men­fanden, sich vermählten und ihn her­vorbrachten. So ist sein Wesen das des Mittlers zwischen Geist und Stoff. Ist der Geist männlich und der Stoff (Chaos) weiblich, muss der Logos als Ver­einiger beider mannweiblich sein. Gliedern sich nach altem Schema Welt und Mensch in Geist, Seele und Körper, dann kommt dem Logos inner­halb dieser Dreiglie­derung die mittlere Stelle, die Seele zu. Er ist nach stoi­scher und neuplatoni­scher Leh­re die Weltseele, ein Pneuma (griech. „Geist“), das in verschie­denen Span­nungen Stei­ne, Pflanzen, Tiere, Menschen, das gesamte Weltall der unter­ir­dischen, irdischen und himmlischen We­sen durch­dringt. Er ist so­wohl ein über der Welt bei Gott existie­rendes, ewig sich gleich­blei­bendes rei­nes Geistwesen (der „ob­ere Mensch“), als auch die im Stoffe schaffende regelnde, alles erzeugende, alles be­seelende und alles zusammenhaltende Kraft, der Kosmos (griech. „Ord­nung“) selbst (der „große Mensch“). Er ist gleich­zeitig in der Überwelt ein Gott und seine Gestaltwerdungen im Ein­zelmen­schen sind die vernünftige Seele und die Geistes­kraft. Anthropos und Kosmos, Mikro- und Makrokosmos, bestehen danach aus einem Körper und einer einzigen Seele.
 
 
Die Gnostiker betrachteten in ihrem dualistischen Weltbild die irdische Materie als „Finsternis“ die es zu bekämpfen und zu überwinden galt, die Seelen aber als in der Materie gefangene Lichtfunken. Der Logos-Geist-Ur­mensch war ihnen der erhoffte lichte Erlöser von den Übeln der Welt. Er sollte in die „Finsternis“ herabsteigen um seine in der vergänglichen Materie eingeschlossenen zerstreuten seelischen Licht­glieder zusam­men sammeln. Von der verhängnisvollen Lage der Seele in der Welt spricht z.B. der manichäische Psalm (MPB 181) und enthält die Aufforderung sich der wahren kos­mischen Lichthei­mat zu erinnern. Es sollte also der erhoffte, als Per­son gedachte heilige Retter, gewissermaßen die Summe aller Menschenseelen in sich ein­schlie­ß­end, der sich selbst erlösende Erlöser sein. Jener Dämon aber, der die Materiewelt geschaffen habe (der pers. Angraman oder der jüd. Jahwe), galt den meisten Gnos­tikern als der erklärte Feind des Logos.
 
 
Unter den gnostischen Beständen der wiedergefundenen frühchristl. Klosterbibliothek aus Nag-Hammadi/Ägypten zeigt eine Schrift (NHC VIII,1) am eindringlichsten wie bedeutend die Einwirkung durch persische Magoi war, deren Zoroaster-Predigten damals große Popu­larität besaßen. Es handelt sich um eine vom Anfang 2. Jh., herrührende 132 Seiten lange Erzählung von der Him­mels­reise des Zostrianos (Zoroaster). Sie doku­men­tiert den Einfluss der Zara­thustra-Re­ligion auf jungchristliches Denken durch unmit­telbares Zusammenstehen mit dem Pe­trusbrief an Philippus „NHC VIII,2“. Zos­trianos lebt ewig, hat diese Worte auf­ge­schrieben, als er in der Erdenwelt war, um die Auser­wählten seiner und folgender Ge­nerationen durch seine mitgeteilte Wahrheit zu retten, zu erlösen. Seine Himmels­reise soll ein Bericht von der Gotteswelt, vom All, sein. Die gesamte Ein­leitung verhandelt platonische Zen­tral­the­matik: Die Begrenztheit der Erd-Aufenthalte ge­genüber der Unsterblichkeit der Seele, die immer wieder in ihre immateriell-him­mlische Heimat zurückkehrt und von dort neu ausgesandt wird in eine weitere, wie­derum durch Ver­blendung und Begierden verfin­sterte un­eigentliche Materialisation. Den Schöpfer dieser Sinnenwelt, den Kos­mokrator („pikos­mokrator“), tadelt Zostria­nos: der Materie fehlt das Leben des Heiligen Geistes. Zostria­nos, dort hinein­ge­boren, probiert dieses sinnliche Leben eine kurze Zeit aus, bis es ihm als Leere erscheint und er sich unzu­frieden, weil entwurzelt fühlt: seine wahre Abkunft ist aus einer heiligen, himm­lischen Sphäre. Diese Sehnsucht nach der himmlisch-über­sinnlichen Welt hat im alten Iran ihren Ursprung.Auch Zostrianos Erdenleben gleicht einem Gastspiel auf frem­der Bühne. Er verkündet jene imm­a­terielle Welt, die sich in seiner Dokumentation spiegeln soll. Sie spiegelt sich ersichtlich mittels der Anzahl von 132 Seiten seines Berichtes; das ist die gekonterte Geistes­welt­zahl 231 des 21-ers, des Asen Wodan (Ergebnis der Theosophischen Addition von 21) ebenso wie im jün­geren jüd. Sepher Jezira („Buch der Schöpfung“). Im Zostrianos-Text hören wir die iranische Predigt vom großen Gegensatz zwischen göttlichem Ur­wesen einer­seits, und andererseits der Welt der Natur und Materie. Lau­tete also, aus solchen Schulen kommend, eine ge­matrische Überlegung des Run­enschöpfers folgender­maßen?: Die Wegweisung des 22-ers (x), des Materie­schöp­fers, führt nur zum ma­teriellen Weltbe­ginn: 22=2+2=4=1+2+3+4=10=1Õo- also ins irdisch grobe Gewebe zurück. Die Wegweisung des 21-ers (a), des Seelen­gottes, führt dagegen in den end­losen Kreis­lauf einer ewigen Wiederkehr geistiger Welten bzw. des Seelen­lebens innerhalb geistiger Welten: 21=2+1=3=1+2+3=6=1+2+3+4+5+6=21=2+1=3Õq- also in die geistige Feuer-Glanz­­welt „Gimle“ (Vsp. 64), in den Ring der runischen Ewigkeit -; ist doch die QS-Kernzahl des 24-er Runenreigens, des All-Spiegels, die 3.
 
 
Nicht nur die Buchstaben, eben auch die Zahlen standen, entsprechend damaliger Betrachtungen, zu den Elementen in un­mittelbarer Beziehung. So berichtet Hippo­lythos von der Vorstellung des Gnostikers Monoimos: „Denn die Würfel, Okta­eder, Tetraeder und alle ähnlichen Figuren, aus denen Feuer Luft, Wasser und Erde be­stehen [gemeint sind die angenommenen atomistischen Formen der Elemente], sind aus Zahlen entstanden, die in jenem einfachen... [Buchstaben] enthalten sind, wel­cher ist der vollkommene Sohn des vollkommenen Men­schen“ (Hippolyt. Elench. VIII 14, 2.). H. Leisegang erklärt dazu: „Wobei unter dem Menschen hier wieder Makro­kos­mos und Mikrokosmos in gleicher Weise zu verstehen sind...“. (Hans Leisegang, Die Gnosis, 1985, S.295) In Buchstabe und Zahl vermochten gnostische Schulen den Logos und Welterlöser zu bestimmen, sie bezeichneten ihn als „vollkommenen Sohn“, „Weltseele“, „Urmensch“, „Chris­tos“, „Sohn des Vaters“.
 
In einem gnostischen Offenbarungsdialog von den Geheimnissen aus der oberen Welt (Nag-Hammadi, 1. „Buch vom großen geheimnisvollen Logos“, Frag­­m. 2, ca. 2. Jh.n.0), wird der Logos gepriesen: „der [du] auf­strahltest in deinem Geheimnis“, der veranlasst hat „den Ort der 24 unsichtbaren Her­vorbringungen aufzustellen [...] „Er­rette alle meine Glieder, welche zer­streut worden sind seit der Grundlegung der Welt in den 24 unsichtbaren Hervor­brin­gungen und ihren Oberen/Richtern ihren Göt­tern, Herren, ihren Boten, himmlisch­en Herrschern und Dienern, sammele sie zusam­men und nimm sie in das Licht auf.“ Hier richtet die Seele der Menschheit als Person ge­dacht, ihr Ge­­bet an den Logos und Menschheits­er­lö­ser er möge ihre in der geistigen Gesamt­welt der „24 Hervorbringungen“ verstreuten Lichtseelenglieder zusammen­sammeln und ins reine Gotteslicht zurückführen. Als Ideenlieferant für die Zahl 24, die als Totale für die Geisteswelt genutzt wird, kann nur das griech. Alphabet mit sei­nen 24 Buchstaben ge­dient haben.
 
 
Der schon erwähnte „Magier“ Markos (1./2.Jh.n.0) führte sein Wissen und die daraus resultierende Lehre auf eine ihm persönlich zuteil gewordene Geheimnisoffenbarung zurück, die vor ihm kei­nem anderen Wesen enthüllt worden sei. Er lehrte vom Logos, dieser hätte bei seiner Erscheinung als erstes Wort seines Namens, den Begriff „Anfang“ ausgesprochen. Sein gesamter Name würde 4 Worte von zusammen 30 Buchstaben umfassen, die das Weltall symbolisieren. Da jedes Namenswort dieser Buchstaben wieder mittels Buchstaben beschieben wird, und so fort, soll der männlich-weibliche Urvater als eine Art Buchstaben-Urmeer verstanden werden. Die Buchstaben dieser Masse gelten als Äonen, als ewige Geistwesen, als Elemente des Kosmos. Die aus ihren himmlischen Wohnungen herabgeführte nackte Aletheia (griech. „Wahrheit“), die identisch mit dem Weltlogos ist, beschreibt Markos als ein Wesen dessen Einzelglieder aus den 12 Buchstabenpaaren des griech. Alpha­bets besteht. Diese 24 Zeichen gelten ihm ebenso als Ausflüsse und Abbilder der 3 Kräftepaaren oder 6 Mächte, welche die ganze Zahl der Buchstaben, die er in drei Oktoaden (griech. „Achtheiten“) einteilt, in sich enthalten. (Hans Leisegang, Die Gnosis, 1985, S.326ff) Alle gedanklichen Elemente der neupythagoreischen Lehre des Markos, die auch einige christl. Begriffe einwob, finden sich in der ODING-Sys­tematik, so dass man von einem direkten Vorbild sprechen könnte, wenn nicht Runenin­schriften vorlägen, die älter als Markos sind. Entweder gab es eine Ru­n­enschrift vor der Systematisierung zur ODING-FUÞARK-Reihe, oder der Runen­schöpf­er und Markos waren kongeniale neupythagoreische Geister. Der eine wendete sich halbherzig einer christl. Gnosis zu, der andere blieb streng germano-keltisch volks­re­ligiös. 
 
 
Die gnostische Schrift „Apokryphon des Johannes“ (NHC II,1; 2.Jh. n.0), sagt von sich, sie sei die „Lehre [des] Erlösers“, die ein Johannes seinen Schülern weitergab undsie wür­de die Enthüllung„der Geheimnisse“ lehren; sie endet mit: „Jesus Chris­tus, Amen“.Im Kapitel „Die Erschaffung des Adam“ wird die Zahl der englischen und dämonischen Mächte, die den Urmenschen erschaffen, mit 365 angegeben: „Sie alle arbeiteten an ihm, bis Glied für Glied der psy­chische und materielle Körper von ihnen vollendet wurde.“ Es heißt: „sie schu­fen die Harmonie der Glie­der und die Harmonie des Körpers und die richtige Zusammensetzung der einzelnen Glieder. Der erste be­gann den Kopf zu schaf­fen,“ - abschließend werden die Füße gefertigt.Ganz zum Ende gibt der Autor den Rat: „Wenn du sie [die noch nicht namhaft gemachten Wirk­mächte am Menschen] aber kennen willst, es ist geschrieben in dem Buch des Zo­roaster.“ Wieder wird es deut­lich, sogar namhaft gemacht, woher die Weisheit kom­mt, aus den Lehren der persi­schen Magoi des Zorasters.
 
 
Hat, nach zitierter Nag-Hammadi-Schrift, der Logos 24 Hervorbringungen bewerk­stel­ligt und sind die Glieder der Menschenseele in diesen 24 zerstreut, so liegt der Ge­danke nicht fern, Menschenseele und Logos als 24-gliedrig anzuschauen. Waren 365 Kraftmächte mit der Arbeit am Logos-Urmen­schen beschäftigt, muss er folg­lich selbst aus dieser Anzahl von Teilen zusam­men­gewirkt sein, nicht anders als der Jahr­esring des Oding, dessen Kenn­zei­chen ausnahmslos ihre Entsprechungen in den Zeug­­nis­sen der ira­nisch geprägten Gnosis haben: Er stellt eine 24-stabige, zahl­en­mystische, 365 tagesgliedrige, in sich zurück­laufende, also endlose, Buch­sta­ben­schlange dar. Pein­lich genau war der Runenschöpfer bemüht, alle gnostischen Kri­terien des Logos in sein Werk zu integrieren. Um ihn auch noch menschen­gestaltig erscheinen zu lassen, bedurfte es der Begrifflichkeiten: „von Kopf bis Fuß“, deshalb beginnt die senkrecht aufgestellte Runenreihung oben mit „OD“ und endet unten mit „FUÞ“. Es bedeutet altn. oddi die „Landzunge“, oddr meint die „Spitze“ einer Waf­fe, der oddviti ist der „Spitzenweiser“, also das Haupt einer Schar; so konnte das ent­sprechende urgerm. Wort sehr gut im Sinne von „Anfang“ genutzt werden (bei Mar­kos erster Eigenname des Logos). Und auch der run­ische fuð war für die Adep­ten unschwer als Fuß zu ver­ste­hen; got. fōtus, ahd. fuoz, altn. fótr, aengl. fot, schwed. fot,dän. Fod, nass.-wester­wäld. mundartl. (Renne­rod) Fude.
 
 
Der Runenschöpfer nannte den germ. Logos Oding, Od-ing, Od-Sohn, indem er den Ru­nenbuchstaben „Ng“ verwendete, der auch als „Ing“ einzusetzen war. „Ing“ wurde gebraucht, um einen Nachkömmling, einen Sohn, zu bezeichnen. In den Abstam­mungslisten angelsächsischer Könige („Histo­rium Britonum“, ca. 835 n.0), die sich bemühen bis ca. ins 5. Jh. n.0 zurückzugehen, tritt die altags. Art und Weise der Namen­gebung zu Tage. Dem Sohn wurde zum eignen Rufnamen der Vaternamen mit zu­sätzlicher Anhängung eines „ing“ dazugestellt, um ihn so als Abkömmling seines Vaters zu kennzeichnen. Hieß der Vater Godwulf und sein Sohn Finn, war dessen voller Name: Finn Godwulfing. Einige Beispiele seien vorgeführt, denn mit­unter wurden Zwischenvokale fallengelassen. Den Sohn eines Winta nannte man Winding, Beda wurde zu Beding, Eni zu Ening; der Sohn eines Woden war der Woding, Wodning oder Wodening; Weoðogeots Sohn war Weoðo­geoting, Uodens und Uuodens Sprösslinge waren Uodning und Uuodening; dem Siggeot folgte Sigge­oting, dem Angelgeot, Angelgeoting, dem Osmod, Osmo­ding, Oesa war Vater des Oesing, doch das Kind von Oda ist Iding, bei überraschen­dem Vokalsprung, obwohl er regulär Oding hätte heißen müssen. War damals „Oding“ noch ein Sakralwort, wel­ches im profanen Gebrauch gemieden wurde? (Six Old English Chro­nicles. ed. J.A. Giles, London, Henry G. Bohn, 1848) Der Sohn eines Vaters namens Od war also der Oding oder Od­ning. Dar­gelegter ags. Spracheigenart zu­folge - und damit auch jener aus dem norddeutsch-südjütländischen Urbezirk der Ru­nen­ent­stehung - meint die Be­zeich­nung der Ur-Runenreihe ODING nichts anderes als „Sohn/Kind des Od“ - bzw. Geist­produkt des Od-Gottes. Nach einer väter­lichen Sakralgestalt des Oding braucht nicht lange gesucht zu werden, da in altn.-eddischer Li­teraturder Gott Óð/Óðr (Gylf. 34, Skalds. 20 / 30) als Gatte der ggerm. Muttergöttin Freyja/ (Frija/­Frea) er­scheint. Es muss sich dabei sowohl um eine ältere Namensform wie auch Paarbildung des germ. Geist-Seelen­­gottes Wodan-Wodin-Oðin handeln. Die allein aus skandinavisch-eddischer Literatur bekannte Göt­terpa­ar­ung Oðin-Frigga hinge­gen kann demnach nur jüngeren Ursprunges sein. Wie sehr noch der späte altnor­dische Glau­be Odin mit allem Seelenleben verband, geht aus Vsp. 18 hervor: „önd gaf Óðinn, óð gaf Hœnir“ („Atem/Seele gab Odin, Seele/Sinne gab Hönir“). Dass Oðin oð gab musste der Dichter nicht sonderlich betonen, war der Begriff doch ein selbst­verständlicher Bestandteil des Gottesnamens, so ließ er ihn zusätzlich auch önd, den Lebensodem, schenken.
 
Ist durch die ersten drei Runen­buchstaben der Titel des gesam­ten Symbol­zeichen­sys­tems zu erfahren, kennen wir damit auch den Namen des Ru­nenlogos. Verstand der Runenerfinder sein Werk als eine Nach­schöp­fung des glei­chen Anspruches wie es das griechische Alphabet für das gnos­tische Denken besaß, dann konnte für ihn der Oding, das Seelengottkind, nicht allein als Logos seiner 24-stabigen ru­nischen Geisteswelt gelten, son­dern er war ihm gleichzeitig als Logos Gesamt­se­ele und Gesamterlöser einer ger­ma­no-­keltischen Menschheit. Er be­schrieb diesen Logos als Ring der Zeit, als Jahr­es­kreis, als Ophis, Ouroboros, der weder einen Anfang noch ein Ende hat, denn was aus Geburt kommt, geht zurück in den Tod; nur für die Zeit ist jeder Endpunkt gleich­zeitig der Moment einer Neugeburt. Das weltliche Buchstabengebilde, das Lehr- und Zaubersystem der ritzbaren Runen, wäre aus diesem Betrachtungswinkel als ein ma­te­rialisiertes welt­liches Kind des Logos (Od-Wodan) zu verstehen, als dessen göt­tli­che Inkar­na­tion, als dessen Ge­san­dter, Verkünder, alsein Avatara (nach ind. Sprach­­­ge­brauch: „der Herabsteigende“, skrt. ava „hinab", tri „hinüber­gehen"). Er ist ins Irdische getreten wie ein Helgi, wie ein Heiland, Mittler zwischen Gott und Mensch, zwischen Weltseele und Einzelseele; er könnte uns zum Selbst erlösen, lösen von den Banden der Knechtschaft eines wachsenden Selbst­verlustes durch den uns bindenden Fremd­geist. Sollte er denn erlösen? Es war zweifellos die Grund­lage der germ. Wodan­religion, aus ihr schöpften unsere Vor­fahren die Kraft zum generationenlangen Kampf gegen das völkerverzehrende Rom. Somit hat das Od-Kind, der Geist-Sohn, seinen Anteil daran, dass wir noch sind.
 
4.4 -  Linkskreisender ODING-Ring
 
 
Der Altphilologe Professor Dr. Jürgen Blänsdorf entschlüsselte die 30 beim Fund des Tempels für Isis und Magna Mater (in ehemaliger Lotharstraße) entdeckten „Fluchtäfelchen" aus dem 2. Jh. Sie geben Einblick in den privaten Kult der Menschen, die Hilfe in Not suchten bei Magna Mater, der "Großen Mutter". Angerufen wurde neben Magna Mater auch gleich auf vier Täfelchen Attis, ein Nebengott, der von einem der Bittsteller indes mit Göttervater Jupiter gleich gesetzt wurde. Um den Göttern eine Nachricht zukommen zu lassen, habe es genügt, „den Namen aufzuschreiben und zu versenken". Besonders wirkungsvoll seien die „Fluchtäfelchen" gewesen, wenn sich auf ihnen eine "verkehrte Welt" gezeigt habe, erkannte Blänsdorf, denn genau das war für ihn der Schlüssel zur Entzifferung: „Buchstaben und Schrift sind auf einigen linksläufig angelegt."
 
Linksläufigkeit
 
Über die­se hinreichende Erklärung hinaus, ließen sich andere und gewichtigere Argu­men­te für die Schaffung eines linksläufigen Geheim­zeichen­sy­stems anfügen: Der ja als Gott der Runen bezeichnete Wodan (Wodin / Odin) höchst­­selbst dürfte im naturmythologisch-theologi­schen Sinne nur als „linksläufiges“ Wesen dar­ge­stellt werden. Er ver­körpert - ähnlich wie der altägyp­tische Osiris - die Nachtsonne und den Unterwelts­weg, den das Gestirn schein­bar zurücklegt, begin­nend mit sei­nem abend­lichen Ein­tauchen in westliche Toten­län­der bis zum Wie­dererwachen und Em­porsteigen am öst­lichen Hori­zont. Insofern steht Wo­din für das nächtige, das ge­heime, das ge­bärende, das „linke“ Prinzip der „Schwarzen Sonne“. Freilich könnte es, so gesehen, keine richtige oder falsche, wohl aber eine vorrangige und eine nachge­ordnete Manier der Ru­nenlesung gegeben ha­ben. Da nach altem keltisch-germanischem Denken die Nacht dem Tage voraus­geht (Ta­citus, Germ. 11), wäre in linksläufiger die erste, also be­deu­tungsvollere Lesweise zu vermuten und in Kon­sequenz die wahr­haft esote­ri­sche - hingegen in rechtsläufig-exoteri­scher, das für den Schreib­gebrauch nutzbare profane In­forma­tions­mittel. So könnte die Lo­gik der Ru­nen­meister/-innen gelautet haben. Wenn sich aber wirklich in einer sakralen Schrift­symbolik das große Schauspiel am Himmel hätte spiegeln sollen, wäre zu bedenken, dass dieses Geschehen in einer doppelten Gestirnsbe­wegung verläuft. Da ist einmal die jedem Beobachter der nördlichen Halb­kugel offenbare Bewegung aller Gestirne von links nach rechts, vom Aufgangspunkt im Osten zum Untergangs­punkt im Wes­ten. Das geheime Geschehen, welches nur kundigen Beobachtern erkennbar wird, ist die Wanderung von Sonne, Mond und Planeten durch den Tierkreis von rechts nach links, von West nach Ost.
 
 
Lange nach meiner anfänglichen Beschäftigung mit dem Thema erfuhr ich, dass die Linksläufigkeit von Schrift­sy­stemen ein allge­meines Merkmal ihres hohen Alters ist und somit auch unserer Ru­nen sein könnte. Sämtliche frühen Schriftformen wurden zuerst einmal von rechts nach links geschrieben und gelesen. Unter dem Eindruck dieser Nachricht erhebt sich die Frage, ob die Antike ein links­läufiges System nicht überhaupt als das Rechte und allein Richtige hätte ansehen wollen? In der Sinnbild­lichkeit der Sprache, nicht nur der deutschen, ist das rechts Befindliche das Gerech­te. Das belegen solche Aus­drücke wie „das Recht“, „recht­fertigen“, „ins rechte Licht setzen“, „Rechtschreibung“. Der rechten Seite wird in der Regel ein vorgeordneter, wertvollerer Sinn zugesprochen, im Ge­gen­satz zur minder geachteten linken Seite, die in solchen Redewendungen wie „lin­ki­sch­es Benehmen“, „links liegen lassen“ und „mit dem lin­ken Fuße aufgestanden sein“, „die linke Seite“ (z.B. bei Geweben) mit abfälliger Wertbetonung auftritt. Nach Plutarch schreibt Platon die rechte Seite den Göttern zu, die linke den Dämonen. Zur antiken Rechts-Links-Symbolik unterrichtet uns der Baseler Gelehrte J.J. Bachofen: Das mensch­liche Händepaar erschien den Alten als „dievollkommene Dar­stel­lung der ganzen Naturkraft in ihrer doppelten Po­tenzierung [...] In der Linken sitzt der Zauber, in der Rechten die Macht ihn zu lösen.“ (J.J. Bach­ofen, Gräbersymbolik, Basel. 1859/1925, S. 179) Die Schriftzeichen galten zu ihrem Beginn als heilige Zeichen, den Menschen von einem Gott geschenkt, da­her waren sie anfangs allein für göttliche Offenbarungen zu ver­wenden. Als Gottes­gabe kann aber - nach folgerichtigem Denkgesetz - ein solches Zeichensystem nicht anders als rechts beginnen, um nach links hin dem Nachgeordneten und Empfan­genden zu verlaufen. Die linke Sei­te verkörperte nach alter Lehre der Gno­stiker nicht nur das Zweitrangige, das Weibliche, sondern mithin auch den Abstieg ins Irdische, Stoffliche. (Hans Leisegang, Die Gnosis, 1955, S. 174f, 317, 320) Das Seelische manifestiert sich in der rechten, das Materielle in der linken Seite. Wenn dem so ist, gibt es zur Links­läufig­keit der Ru­nenorganisation keine Alternative, dann müssen sie von rechts, vom göttlich Geis­ti­gen ausgehend, nach links hin, dem weltlich Mensch­lichen verlaufen. Genau so muss der Runenschöpfer gedacht haben, er stellte auf die rechte Seite den Begriff „Od“ (od), für das Geistige und Göttliche und ließ die Reihe links enden mit der F-Rune (f), dem Sinnzeichen für „Vieh“, der Metapher für materiellen Besitz und Geld.
 
 
Griechische Texte wurden ca. bis 500 Jh. v.0 linksläufig geschrieben oder hin- und her­gehend (griech. bustrophedon „furchenwendend“). Bei unserem heutigen rechts­läufigen Schreiben bestimmt die Federspitze gewissermaßen den Gegenwartspunkt, Alles links davon ist Vergangenheit, rechts davon liegt das unbeschriebene Blatt - die Zukunft. Der Mensch weist, wenn er deuten will, von sich - dem Punkt - weg nach rechts, und nicht über seinen eigenen Körper hinweg nach links. Das linksläufige ODING weist damit auch zurück zum Ursprung! Wenn der abendländische Mensch vor seinem Altar stand, hatte er den Aufgangs­punkt der Sonne im Osten zur Rech­ten, er schaute zur Himmelshöhe nach Norden, dann ist rechts die gute Aufgangs­seite und der Westen zur Linken die Sonnen­unter­gangsrichtung, die Todesseite. Es ist kein Zufall, dass Ausdrücke „das Rechte“, „ge­recht“, „recht­fer­tigen“, „ins rechte Lichte setzen“, „Rechtschreibung“, so heißen wie sie heißen, weil der rechten Seite ein positiverer wertvoller Sinn zugesprochen wird im Gegensatz zu der minder wert­vollen Seite, die in solchen Redewendungen wie „linkisches Benehmen“, „linke Ma­sche“, „links liegen lassen“, „mit dem linken Fuß aufstehen“, die „linke Seite“ bei Tex­til­stof­fen, mit negativer Wertbetonung auftritt. Eine von links nach rechts verlaufende Schrift muss aber schon deshalb als „die rechte“ gelten, weil sie der guten Seite den Vortritt lässt und die linke nachordnet; sie beginnt mit rechts!
 
 
In linksläufiger Zirkulation bewegen sich aber auch scheinbar die beiden großen Jah­resgestirne Sonne und Mond durch den Fix­sternhimmel. Ei­nem konse­quenten Kos­mos- oder Kalenderzeichensystem müsste, der kosmischen Regel zu­folge, eben­sol­che Eigentümlichkeit innewohnen. Das Linke galt dem alten Ver­ständ­nis ent­sprech­end als das Dunklere, Nächtige viel Geheimere als das Rechte, Offene, Tag­son­nen­hafte. Die Linksläufigkeit der Bewegung bedeutet in der Psychologie soviel als eine Bewe­gung des Unbewussten, ins tiefste menschlich-weltliche Wesen hinein. Es han­delt sich beim Runen-ODING also im tiefsten Verständnis um kein apollinisch-balduri­sches, sondern vielmehr um ein diony­sisch-wo­dinisches Mysterium.
 
 
In der alten kelt.-germ. Volksreligion spielten Sexualität und Fruchtbarkeit als leben­gebende und -erhaltende Kräfte eine zentrale Rolle. Unfruchtbarkeit als Bruch des ewigen Kreislaufes von „Geburt-Tod-Wiedergeburt“, war neben der Vorstellung, nicht im Kampf zu fallen, und so auch nicht an der Seite der göttlichen Ahnen einen ehren­vollen Platz einnehmen zu dürfen, die einzige Angst. Der gesamte ODING-Ring mit seinen 24 Wegmarken des Auf- und des Niederganges ist eine Kundgebung des Kreis­laufgedankens.  
Ogimoswird als kahlköpfiger Alter dargestellt. Der Römer Lucan schildert ein großes Frescogemälde: Es zeigte Ogimos, wie er viele Menschen, an ihren Ohren gefesselt, hinter sich herzieht. Die Fesseln sind dünn und bestehen aus Gold und Bernstein. Diese Menschen folgen ihm mit strahlend-freudigem Gesichtsausdruck, er wendet sich ihnen lächelnd zu. Die Ketten hält der Gott nicht etwa in der Hand, sondern sie sind an seiner Zungenspitze befestigt, ein anschauliches Bild dafür, wie das Volk durch die Zunge, die Worte seines obersten Herrschers, gefesselt und entzückt ist und ihm freudig folgt.
 
Liksläufiges Oding weist zu uns selbst zurück, typisch gnostisch.
 
Der Neuplatonismus im griechischen Bereich wurde das Sammelbecken des Widerstands gegen das Christentum.
 
Initiation: Einweihung in Geheimnisse oder Riten.
AUM oder Om Die Ursilbe. Die Laute A und U verschmelzen sehr oft zu dem Laut O. Gesungen klingt die Silbe stets AUM. Die ganze Silbe bedeutet den vierten Zustand, den sogenannten Turiya-Zustand, das ist ein Zustand der Vollwachheit, welcher Wachen und Träumen und Schlafen durchdringt, zu dem sich unser Wachen bloss wie ein Traum verhält. „Die Silbe Om ist das 'grosse Wort', der Ursprung der Veden, von der Natur Gottes, aller Welten Heim." (Krsna-Caitanya im Caitanya-caritamrta) Die Silbe 'Om' wird von Caitanya-Bhaktas auch der Same des Namens Krsna genannt. Der Name selbst wird mit dem vollerblühten Baume verglichen. Om repräsentiert auch das unpersönliche Brahman, das von den Brahmavadis (oder Mayavadis) als das höchste Ziel betrachtet wird.
 
OTAR = Hören (griech. otarion); „otarion" ist das „Ohr". Doch bereits auf dieser einfach nachzuprüfenden Ebene gibt es relativ grobe Fehldeutungen: „oratio" bedeutet „Reden, Sprechen, Gebet";
 
 
4.5 - Runenarkanum
 
 
Bliðguð urait runa - bliðguð urait runa - „Blithguth schrieb die Runen“, steht auf dem Holzstäbchen aus Grab 168 von Neudingen. Und in die Spange von Freilau­bers­heim, aus 6. Jh., wurde eingetieft: Boso wraet runa ðk Daðena golida - boso wraet runa ðk daxena golida - „Boso schrieb Runen, dich Dathena erfreute“. Das sind Zeugnisse für den Runenbegriff im dt. Fundgut. Der Name einer Zauberpflan­ze, Al­raune, ahd. alruna, mhd. alrune („Allgeheimnis“), erhielt sich durchgehend bis heute. Rune heißt nichts anderes als „Geheimnis“ (nhd. raunen „geheimnisvolles Flüstern“; irisch ruin „Geheimzeichen“; finnisch runo „Kultlied“). Wie es der Name unmiss­ver­ständlich zum Ausdruck bringt, handelt es sich bei den Runen um das germa­nisch-keltische Arkanum schlechthin, um das Ge­heim­nis der Geheimnisse. So wie die Ru­nen in ihrer Gesamtheit dem mystisch-mythischen kosmischen Gottesleib ent­sprech­en, so galt jegliche Arbeit mit diesen bezaubernden Lautsymbolen als geheimnis­umwittertes religiöses Werk. Mit Recht schreibt Hermann Güntert: „Denn es ist eine echt nordisch empfundene Vorstellung, daß Runenweisheit und Skalden­schaft etwas Mystisches und Geheimnisvolles sind und daß diese Weisheit in Runen verborgen werden müsse, verborgen vor der unheiligen Menge: fela i rúnom - 'in Runen ver­bergen, verhüllen' wird geradezu als das Wesen dieser heidnischen Weisheit ge­priesen.“ (Hermann Güntert, Von der Sprache der Götter und Geister, 1921, 155) So erscheint die Unklarheit und Mehrdeutigkeit vieler Runeninschriften ein bewusst gewähltes ureigentümliches Stilmittel gewesen zu sein, das entweder dem Uneinge­weihten den sicheren Zugriff verwehren sollte, oder aus grundsätzlichen Überlegun­gen hinsicht­lich der göttlich-weltlichen Vielschichtigkeit jede profane Ein­deu­tigkeit zu vermeiden trach­tete. Auch für die kelti­schen Druiden schien es nichts Schlimmeres zu geben als feststehende Definitionen, wie Diodoros von Sizilien berichtet: „Wenn man sich mit ihnen unterhält, reden sie wenig; sie sprechen in Rätseln und zeigen in ihrer Ausdrucksweise eine Vorliebe dafür, das meiste erraten zu lassen.“
 
 
Das Schreiben mit Runen war eine Art Gottesdienst, ein sakraler Akt, galten doch Sprache und Schrift - von der Gottheit ihren Lieblingen, den Schrift­kundigen, den Goden (Priestern) geschenkt - als hohes, hehres Vermächtnis. Felix Dahn faßte es in seinem sprachlich wie inhaltlich so wertvollen Buche „Odhins Trost“ in kleidsame Worte: „Was da gewonnen an Wissen und Wahrheit / Der mühseligen Menschen grübelnder Geist -: / Alles hat Odhin uns offenbart! / Er hat das hohe, das heil‘ge Ge­heimnis geritzter Runen / Seine Lieblinge lösen gelehrt!“ Wer die Verborgenhei­ten der göt­tlichen Schrift verstand, war der Gottheit zunächst. Ja, alles Heilige ist schließ­lich ge­heim, also dem profanen Publikum unverständlich, fern und verschlossen. Die ario­germani­schen Inder verstanden das nicht anders: „... denn die Götter lieben offenbar das Geheime“, „die Götter sind nämlich Liebhaber von Geheimnissen.“ (Aitareya-Up. 14 u. Aita­reya-Brahmana III, 33). An anderer Stelle der heiligen Schrif­ten (Rigveda X, 53, 11) wird der Begriff der mythischen Worte erläutert. Die sakrale Rede liebt die Paradoxa, das schein­bar Widersinnige, als Verschlüsselung, sie stellt die Dinge auf den Kopf - denn je mystischer, desto lieber ist es den Göttern: „Die Götter lieben das Unverständliche, sie hassen das Ver­ständliche.“ (Brihad­aranyaka-Up. IV, 2, 2). Ähn­liches schrieb der röm. Dichter Ovid (43 v.0-18 n.0) in „Heroides“ XX: „Die Natur liebt es, sich zu verbergen, und das Geheimnisvolle am Wesen der Götter verträgt es nicht, mit nackten Worten vor unreine Ohren geworfen zu werden. Dabei vermag die verborgene Natur der Schriftzeichen zu nützen, auch wenn sie nicht gekannt wird. Sie fördern nicht nur die Seelen, nein auch die Leiber und bringt Götterer­schei­nun­gen zuwege. Dasselbe geschieht, glaube ich, auch oft durch die Mythen, wenn durch sie das Göttliche in die Herzen der Vielen, die es nicht in seiner Reinheit vernehmen können, durch Mythen­sinnbilder eingegossen wird.“
 
 
Der Forscher, welcher sich die Verständlichmachung eines antiken bzw. runischen Schriftzu­ges als Ziel gesetzt hat, muss sich demnach darauf einstellen, dass er zuerst eine Art Verständ­nisbarriere zu überwinden hat. Sein Streben wird darauf gerichtet sein, den Schlüssel ausfindig zu machen, mit dessen Hilfe er das Rätsel­schloss aufschließen könnte. So finden sich zuweilen - in Gestalt eines Symbolis­mus, der sich nur dem Kenner offenbart - hinter scheinbar schlich­ten Wörtern und Sätzen feinstempfundene Gedanken, Informationen und Gebete verborgen. Dass sich solch­er­art vedistische Geheimnisliebhaberei - ein Charakteristikum, welches auch dem griechischen Schriftdenken zugrunde liegt - ebenfalls in den germ. Runen­inschrif­ten wiederfindet, konnte Heinz Klingenberg nachweisen. (Heinz Kling­en­berg, Runen­schrift - Schriftdenken, Runeninschriften, 1973). Um wieviel mehr muss diese Re­gel für das Strukturprinzip, also die Gestaltungsidee des 24er Runensystems selbst, gelten! Einer der besten Kenner der alten Alphabetmystik gab zur Verfahrens­technik einige konkrete Hinweise: „Wollte man nun den Zauber verstär­ken, so lag es nahe, mit den geschriebenen Buchstaben irgendwelche Operationen anzustellen. Man kehrt etwa die Buchstaben um, um damit die Umkehr der Dämonen oder des zu bannenden Dinges zu bewirken, oder man schreibt statt von links nach rechts in umgekehrter Richtung." (Franz Dornseiff, Das Alphabet in Mystik und Magie, 1925, 56) Dass jedoch die Linksläufigkeit der Runenorganisation sicherlich nicht allein aus Gründen der Dämo­nenabwehr sowie der Arkandisziplin, also Täuschung Uneinge­weihter, vorge­nommen wurde, sondern höchstwahrscheinlich aufgrund des kos­mi­sch­en An­schauungsunterrichtes, den der Mensch in nördlichen Breiten erfährt, wurde dargestellt.
 
 
f     u   th   a   r    k    g    w    h   n    i     j    j     p    z/R  s   t   b   e   m   l   (i)ng   d   o

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