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Buchstaben - Bausteine des Alls
1. - Oden-, Oding-, Gottes-Orte
Das alte Germanien, so scheint es, war überzogen von einem Netz solcher Plätze, die anhand ihres Namens mit einiger Wahrscheinlichkeit als Kultorte der altheimischen Religion gedeutet werden dürfen. Etlichen davon ist auch heute noch, selbst nach langen Jahrhunderten fremdgläubiger Überlagerung, das Geheimnis ihrer Urbestimmung zu entlocken. Ein Ortsteil von Remagen, dem kelt. Ricomagus („Königsfeld“), ist Oedingen. Wenige km östlich fand man den Basisstein eines röm. Jupiterdenkmals. Westlich davon gibt es ein Odesheim, nahe bei, also südl. Bonn, liegen Bad-Godesberg, Gudenau und Odendorf, das als Odigedorp in der Chronik des Bonner Cassiusstiftes um 800 erwähnt wird. Seine Ortskirche ist mit die älteste im Rheinland; eine vorbestehende Gerichtsstätte wurde von frühen Missionaren in ein Heiligtum für den „Erzengel Michael“ ungewandelt, der einer kirchlichen Weisung gemäß, von der Lombardei bis Skandinavien, als Wodanersatz fungierte. Eine ganz frühe Besiedelung dieses Raumes beweist der archäologische Fund des aus Goldblech getriebenen einzigartigen „Fritzdorfer Bechers“, aus 1.500 v.0. Hier fanden sich Gräber der fränkischen Siedler des 5. Jh., nach deren Landeinteilung dieser Bezirk, nörd. der Aarmündung in den Rhein, auf der Grenze von Ebene und Eifel, als Odangau bezeichnet wurde. Das dort anliegende Bad-Godesberg wurde in mittelalterl. Urkunden Gudenesberg, Wodenesberg, geheißen; i.J. 1131 bezeugt bei Caesarius von Heisterbach: „vel, ut alii dicunt, Wudinisberg“. Es handelt sich hier um einen Bezirk besonders intensiver Wodanverehrung. Während der Ausgrabungen in und bei der Bonner Münsterkirche (1928-1930) wurden denn auch zahlreiche Weihesteine für den Gott Mercurius Gebrinius („Gebender Wodan“) gefunden, neben den zweifellos ebenso germanischen Widmungen an die Mütter: Matronae Aufaniae. (Jan de Vries, Altgerm. Religionsgeschichte II,1957, S. 31f)
Nur ca. 75 km Luftlinie östlich im Lahn-Dill-Kreis liegt der höchstgelegene Ort unter den Nachbargemeinden Odersberg, in dessen Nähe der Ort Edingen an der Dill (früheste Erwähnung als Ödingen, 1341), nicht weit davon, an der Lahn, findet sich Odenhausen/Lollar, Odersbach bei Weilburg, nördlich davon wiederum ein Odersberg. Nordöstl. von Gießen ist Odernhausen. Es befinden sich Ödinghausen nordwestl. und Gudensberg (1121 Uudenesberc; bis ins 17. Jh. Wodenesberg) am Odenberg südl. von Kassel. Dort geht die Sage, dass der Frankenkönig „Karl der Große“ mit seinem ganzen Heer in diesem Berg versunken sei; ehe ein Krieg ausbräche, würde er sich auftun, Kaiser Karl käme hervor, stieße in sein Hifthorn und zöge aus mit seinem ganzen Heer in einen anderen Berg. Es hat sich demnach eine Wodansage auf den Kaiser übertragen. Hier in der Kernlandschaft des chattischen/hessischen Stammes lag dessen Hauptvolksburg Mattium, die die Römer i.J. 15 überfielen und verbrannten. Auf der Maderheide, unterhalb des chattischen Gottesberges, wurden die hessischen Thing- und Landesversammlungen abgehalten. In einer Urkunde aus dem Jahre 1324 wird Gudensberg als die Hauptstadt vom Nyderlandt zu Hessen bezeichnet. Einen Gudensberg gab es ebenso beim nicht fernen Oberelsungen. Nahe Bad Wildungen liegt Odershausen. Bei Geismar lag der noch in Urkunden i.J. 1154 als Wuodenesberg erscheinende, spätere Vdenesberg (aus Duensberg) und Gudensberg. Nicht weit davon ließ der fremdländische Papstagent Wynfreth-Bonifatius i.J. 723, durch einen Schutzbrief seitens der fränkischen Militärmacht und deren Soldatenlager Büraburg gedeckt, die heilige Donar-Eiche der Chatten fällen. Aus einer Urkunde von 1265 ersah Jacob Grimm den Vodinberg. Der lothringische Vaudémont hieß einst Wadanimontis (GDM 139f).
Ein Woendsrecht (Wodani trajectum, also „Wodansfurt“) liegt unweit von Bergen op Zoom in Holland, ein Woensel (Woedens sele, also „Wodans Saal“) in Nordbrabant. Ein brandenburgisches Wothenow („Wotanaue“) und ein thüringisches Wudaneshusun/Woteneshusun („Wotanhausen“) erweisen die Chroniken. Im Landkreis Eichsfeld/Thüringen liegt Odra, das im 11. Jh. als Uder/Udra erwähnt wurde, im 12./13. Jh. als Othera, Udera, Odra, Odera. Bei Sömmerda liegt Guthmannshausen, das in erster Nennung im „Brevarium sancti Lulli“ (8.Jh.) ein Wotanshusen und i.J. 876 Uoteneshus aufführt. Die Namensänderungen lassen sich besonders gut am Beispiel der Gemeinde Gutenswegen bei Magdeburg verfolgen, es hieß 937 Wuatanesweg, 941 Vodeneswege, 973 Vodensweg, 1231 Wodenswege, 1300 Wodenswegen, 1382 Gudenswegen, 1785 Gutenswegen.
Gotha in Thüringen ist als „Villa Gotaha" in einer fränkischen Urkunde von 775 erwähnt. Göttingen in Niedersachsen verbürgt sich erstmalig urkundlich 953 als Gutingi. Zwei weitere kleine Göttingen befinden sich nördl. Marburg sowie nordöstl. Ulm. Nahe Mönchengladbach gibt es Ueddingen, die älteste Honschaft des Neuwerker Bezirks. Hier wurde im 12. Jh. ein Benediktinerinnenstift gegründet. Ausgangspunkt der Siedlung war der Ueddinger Hof, der 1300 Udenchoven, 1333 Weddichoven hieß. Die Entwicklungsreihe des Honschaftsnamens in urkundlicher Überlieferung sieht so aus: 1322 als Uddinck, 1323 Uddinc, 1331 Uddinck, Uddinch, 1333 Dudonck, 1399 Uddunck, 1403 Uddinghe, 1505 Uddyngh. Ein Auenhausen, auch als Adonhus belegt (Ortsteil von Brakel südwestlich Höxter), wurde zwar von Bischof Bernhard (1127-1160) dem Kloster Abdinghof in Paderborn geschenkt (Urkunde-Nr.33-1147), doch der Haupthof des Ortes war in Besitz eines Johann von Odenhusen und bis 1273 dem Kloster Gehrden abgabepflichtig. So dürfte Auenhausen nur ein früh umgetauftes altheiliges Odenhusen sein, welches unter unverfänglicherem Namen jenen gierigen Klosterbrüdern überantwortet wurde, die schon im Jahre 1093 die heidn. Kultstätte des Externstein-Bezirks aufgekauft hatten. In Paderborner Chroniken von 1211 wird von einem „Hof in Othhym“ („Odheim“) berichtet. Ein Othfresen ist bei Goslar und ein Odagsen südl. von Einbeck. Zwar soll der legendäre Gründer des letzteren ein Osdag, Sohn des Amelung, gewesen sein, doch das ändert nichts, denn Os- ist nur die niederdt. Form für Ase/Gott, also kommt ebenfalls ein Jünger des Wodan als Gründer in Betracht. Ein Ostinghasen (Ostinchusen / Osedinghuse) existiert südwestl. Lippstadt, etwas nördl. dort ein Wadersloh, was als „Wodanforst“ zu erklären wäre. Wie ungezähmt die Menschen in dieser armen Gegend selbst noch im Hochmittelalter zuweilen waren, ersieht man daran, dass die gesamte Bauernschaft Ostholte i.J. 1299 aus der Kirche ausgeschlossen wurde. Der Bischof von Münster schrieb an den zuständigen Pfarrer von Wadersloh: „Da wir schon längst [...] alle Mitglieder aus der Bauernschaft [...] sowohl für den vorenthaltenen Zehnten als auch für ihre Halsstarrigkeit [...] exkommuniziert haben und sie nicht mit Rücksicht auf die schwere Gefahr für ihre Seelen begehren, die Absolution zu erlangen, tragen Wir euch auf, dass ihr an den Sonn- und Feiertagen die Kerzen entzündet und die Glocken [läutet], die Exkommunizierten selbst namentlich in der Kirche öffentlich verkündet und von allen Christgläubigen der Umgang mit ihnen strengsten zu meiden ist!” Der Kirchenterror war massiv ! Ein Urhof Godesloh („Gottesforst“) wird 1153 bei Paderborn genannt; ein Oetinghausen bei Herford; westl. Hannover Wunsdorf (1179 noch Wodenstorp). In diesem altsächsisch-fränkischen Grenzraum mehren sich nach Norden zu die Ortschaften mit Os-, Oss- und Ös-Anlautungen. Der heutige Teutoburger Wald, oder ein Teil davon, hieß bis ins 18. Jh. Osning; bei Oldenburg gibt es den Osenberg. Er ist der aus den Gottessilben âs-, ans-, ōs- gebildete Begriff für den heiligen Berg oder Wald; ebenso wie der Name Osnabrück aus Ansebruggi hervorging.
Im Jahre 772 eröffneten die Franken militärische Operationen gegen Sachsen, stießen in den Osning vor, zerstörten das dortige Nationalheiligtum, die 380 m hochliegende Iburg, wo sicherlich die heilige Irminsul stand, und richteten dafür eine Petruskirche ein, die älteste Kirche auf sächsischem Boden. Auf Bitten des Papstes Leo III., der eine altheilig-heidnische Stätten in der Verfügungsgewalt des Klerus haben wollte, schenkte i.J. 799 der Frankenkönig der Paderborner Kirche die Iburg, die auch Archidiakonatskirche wurde. Unter den Osnabrücker Bischöfen Benno I. und II. (1052-1088) wurde auf altsächsischen Ruinen die neue Burg- und Klosteranlage errichtet. Diese war Mittelpunkt des mönchischen Lebens im Bistum Osnabrück, bischöfliche Residenz und wichtigster Militär- und Verwaltungsstützpunkt beim Aufbau des kirchlichen Territorialstaats. Es ist nur erstaunlich folgerichtig, dass Deutschlands zweitgrößte christenkirchlich organisierte ca. 80-km-„Fußwallfahrt“ (hinter Altötting/Bayern), von der altgläubigen Asenhochburg Osnabrück ausgehend, zur Wallfahrtskapelle der „Schmerzhaften Mutter“ in Telgte, das eine deutsche Meile vor Münster/Westfalen liegt, zurückgelegt wird. Dort wartet das pappelhölzerne „Gnadenbild der Gottesmutter“; es soll aus dem 13. Jh. stammen. Solche Wallfahrten waren und sind letztlich nichts als Machtdemonstrationen der Christenkirche, die damit ihren Herrschaftsanspruch über die Region und deren Menschen immer aufs neue kundtun möchte. Damit sich genügend Pilger daran beteiligen, gebraucht man unverdrossen jenen billigen Schwindel mit dem Angebot eines Sündenerlasses; und genügend Leute glauben noch heute solchen unaufrichtigen Versprechungen. Der Demonstrationszug durch eine Hauptgegend altheimischer Frömmigkeit geht von Osnabrück aus nach Oesede, einem alten Klosterstandort, weiter nach Süden über die Irminsulstätte Iburg nach Glandorf mit seiner Kirchhofsburg, dann zum Rittergut Oedingberge, wo an der dortigen Klause die erste Rast mit „Wortgottesdienst und Predigt“ eingelegt wird.
Diesem Oedingberge kann kein völlig anderer Wortsinn zugrunde liegen als der germ. Buchstabenreihung namens ODING, demzufolge könnte diese „Burg des Oding“ einer der altheiligen Sitze eines priesterlichen Vorstandes und Lehrkörpers gewesen sein. Etwa 75 km westl. liegt die kleine westfälische Burgsiedlung Oeding im Kirchspiel Südlohn. Ausgerechnet ein „Heiliger“ Otger (ahd. „Besitzer des Speeres“) soll hier der älteste christl. Glaubensbote im 6./7. Jh. am Niederrhein gewesen sein und ist auch Patron der Oedinger „Mutterpfarre“, der „Urpfarre Lon“ bzw. Nordlohn/Stadtlohn. Man muss schon des öfteren schmunzeln über die durchschaubare Dreistigkeit christlicher Schönfärbereien, Umdeutungen und Legendenverdrehungen. Wenig nördl. davon liegt Ottenstein. Des weiteren findet sich ein Oedingen/Odingen (bei Eslohe) im oberen Sauerland, das noch zur sächsischen Heerschaft Engern gehörte. Vom Oedinger Berg, mit seiner alten Wall- und Fliehburg, die im Jahre 1.000 als Grundlage für die Errichtung eines Nonnenklosters diente, spricht eine Urkunde von 1533: „tho Odingen uff deine Berge...“.
Der südhessische Odenwald (627 Otenwalt, 815 Odonewalt) aus „Wald des Woden/Oden“, hätte seine skandinav. Entsprechungen in Onsved (früher Othænsweth auf Seeland/Dänemark), auch in Odenslunda im schwed. Skåne und Uppland, sowie Onslunda in Vestergötland. Unweit von Trier sind zwei eng beieinander liegende Ortschaften aus frühester Besiedelungsphase Edingen und Godendorf. Auch Belgien besitzt ein Edingen (franz. Enghien) und die flämische Gemeinde Oetingen. Ein weiteres Edingen wurde am Unterlauf des Neckars gegründet. Auch gab es ein Edingen/Neustadt in Westpreußen. Ein Odenbach und Odernheim liegen südwestl. Bad Kreuznach am Zusammenfluss von Nahe und Glan. Hier, auf dem Disibodenberg, der Stätte eines vorchristlichen Heiligtums, wurde seit dem 7. Jh. eine Taufkirche zur Missionierung des Naheraumes errichtet. Im dortigen Kloster hat die berühmte heilkundige Hildegard von Bingen (1098-1179) den größten Teil ihres Lebens zugebracht. Das 30 km östlich befindliche Gau-Odernheim (früher Otternheim), einstmals eine königlich fränkische Domäne mit Burg, wurde am Fuße des Petersberges errichtet, der höchsten Erhebung im rheinhessischen Land. Im Kraichgauer Hügelland, nahe Bruchsal, liegt das im Nibelungenlied (C-Fassung) erwähnte Odenheim (im Lorscher-Codex 769 als Otemheim), dessen Geschichte eng mit dem Kloster am Wigoldsberg verknüpft ist. Das Odenheimer Kirchenpatrozinium hat der Wodan-Nachfolger „Erzengel Michael“ inne, er fand auch Aufnahme im Ortswappen. Die 1013. Strophe des Epos lautet: „Von dem selben brunnen do Sifrit ward erslagen sult ir die rehten maere von mir hören sagen: vor dem Otenwalde ein dorf lit Otenheim da fliuzet noch der brunne des ist zwifel dahein“. Weiter wären zu nennen die alten Residenzstädte Öttingen im nördlichen Schwaben und das bayerische Oettingen im Ries, dazu das lothringische Oetingen. Es gibt reichsdeutsch-bayerische Edelfamilien dieses Namens, z.B. die „Grafen von Ötingen [oder Otingen]“, die „Herren von Öttling“ und „v. Oedenberg“, die österreichischen „Herren von Öth“ (Oedt auf Lichtenau).
Sicherlich kommen viele Ott-/Otten-Orte in Betracht, die nicht sämtlich auf den Wassermarder Otter zurückgehen. Die gewöhnliche Erklärung für die deutschen Namensgebungen ist die, dass der Ortsgründer ein Mann namens Udo/Odo war, während die Endung -ing die Zugehörigkeit zur genannten Person ausdrückt. Mit -ing wurden ja Insassennamen gebildet. Diese Deutung ist im ersten Teil zu hinterfragen, denn sie vermag nicht jene Anlautwandlungen von od- zu got- verständlich machen. Warum hätte man profane Odo-Otto-Siedungen zu God-Namen umformen sollen? Auch erklärt das nicht ihre oft auffällige charakteristische Örtlichkeit als Kultplatz. Viel eher wird es sich um Heilsplätzedes Wodan-Odan-Godan handeln. Der Langobarde Warnefrid (720-797), der sich später Paulus Diakonus nannte, schrieb die „Historika Langobardorum“, in der er die Geschichte von der Namensgebung seines Volkes durch Gott Wodan beschreibt, den er Godan nennt. Aus dem Begriff Wodan/Wodin wurde im Frühmittelalter sprachgesetzlich, durch Wegfallen des „w“ vor dunklen Vokalen, ein Odan/Odin und aus Kultbergen des Wodan/Woden oder Godan die Odensberge/Godesberge. Bekanntlich wurde auch der altheimische Wodanstag (Mittwoch) in den vorhandenen Chroniken zum Godenstag, Goenstag, Godisdag, Goidestag, Gonsdag, Gudenstag, Goderdesdach, Gottestag umgeformt. Durch die im südgerman. Raum früh vollzogene Missionierung und die damit einhergehende gewaltsame Unterdrückung des Wodan, brach die Sprachtradition ab, so dass wir keine weiteren Belege als die Ortsnamen finden können. In Skandinavien verblieb, wegen der späteren Verchristlichung, genügend Zeit, die Formen Odin bzw. Onsdagr (Wotanstag-Mittwoch), also ohne Anlaut „w“, in die altnord. Literatur eingehen zu lassen. Skandinavische Ortschaften wie Odense (1109 noch Othenswi), Odens und Oddense in Dänemark, Osland, Odinsland, Odinssalr in Norwegen, Odenslanda, Onslunda, Odenslanda, Odensvi, Odensaker, Odinshargh, Odensala, Odinshof, Ödeshög in Schweden, um einige zu nennen, stehen neben vielen Flurbezeichnungen gleicher Art. In Schweden gibt es den Odensberg, Onsberg, Odenshög, in Norwegen Odinsberg, in Dänemark Onshöj, Oddenshöj und viele mehr. Von Niederdeutschland, wo der gleiche Begriff Odin bereits gebräuchlich gewesen sein muss, fehlen wahrscheinlich nur deshalb die noch reicheren Belege wegen der unduldsamen Zerstörungs- und Verbotsmaßnahmen der Franken im 9. Jh., nach ihrem Eindringen in Sachsen, i.J. 772, verwüsteten fränkische Heere, insbesondere ab 785 Landstrich um Landstrich bis zum letzten großen Befreiungsversuch 792 bzw. dem niedergeworfenen Stellinger-Aufstand i.J. 804. Die stark entvölkerten östlichen Elblandschaften mit Ost-Schleswig-Holstein überließ man fremden sog. slawischen Neusiedlern. Oden-Gemeinden bzw. -Hofschaften dürften deshalb im dt. Norden weniger zu finden sein als ursprünglich vorhanden. Ein Godenstedt gibt es im Kreis Bremervörde, ein Odisheim im Hadelner Moorland nördl. von Bremerhaven und ein Godensholt, ursprünglich Wodensholt, in unwirtlicher Gegendim Oldenburgischen. Odeweg, am „Weißen Moor“ bei Verden, wurde 1144 erstmals erwähnt, unter dem Eintrag Etthewide, in einer lat. geschriebenen Schenkungsurkunde, mit der ein Verdener Bischof Thietmar ein Odenweger Hofgut auf den Verdener Domherrn überträgt. In späteren Chroniken wird das Dorf Moetwege oder Othwede genannt. Dass der Anlaut zwischen Od-, Ott-, Ed- schwanken kann, ist auch anderenorts nachgewiesen. Doch dürften auch etliche norddt. Os-Orte ein Zeugnis zwar vom gleichen Gott liefern wie die süddt. Od-Orte, aber doch auch von der andersgearteten Sprachtradition.
Wie der Reichenauer Chronist Gallus Öhem (1445-1522) mitteilte, gibt es im Gebiet von Pfungen bei Winterthur den Uetliberg. Dort soll Watilon, er meint den agilolfingischen Bayernherzog Odilo (715-748), dem „heiligen Pirmin“ Grundbesitz zu einem Klosterbau geschenkt haben. Dieser wählte schließlich, bestimmt aus Sicherheitsgründen, lieber die Bodenseeinsel Reichenau als Klosterplatz. Nicht nur der Namen und die angetragene Schenkung, auch seine frühgeschichtlichen und mittelalterlichen Befestigungen weisen den Berg als altheilige Stätte des Wodan aus. Odilo muss hier ein alamannisches Teilherzogtum innegehabt haben bevor er seine Herzogswürde in Bayern erhielt. Er wurde der Kopf einer entschiedenen Front gegen die imperialistische Politik der von den karolingischen Hausmeiern Pippin und Karlmann geführten Franken. Katholisch war er offensichtlich nur aus politischem Kalkül, denn als es 743 zur Schlacht kam, leisteten ihm heidnische sächsische, alemannische und slawische Truppen Waffenhilfe; trotzdem wurde er am Lech geschlagen. Drei Jahre darauf führte Karlmann einen nächsten Heereszug gegen die freiheitsdurstigen Alamannen durch. Als nach germ. Sitte die Alamannenführer im Jahr 746 waffenlos zu den gebotenen Verhandlungen in Cannstadt erschienen, wurden sie ergriffen und niedergemacht. Nur wenige alamannische Adelsgeschlechter überlebten den Bluttag, auch Odilo scheint sich unter den Hingerichteten befunden zu haben. Das alamannische Herzogtums wurde beseitigt. Man spricht bei dieser fränkischen Massenmordtat vom „Blutgericht zu Cannstatt“.
Beispielhaft für meine Kultplatztheorie dürfte Altötting/Bayern sein. Der Kernbau dortiger Kirche ist um das Jahr 700 als Oktogon (achteckiger Turm) entstanden. Er ist wohl der älteste bestehende Kirchenbau im rechtsrheinischen Deutschland. Sein achteckiger Grundriss weist auf die ursprüngliche Bestimmung als Taufkapelle hin. Der Legende nach hat hier der fränkische Christenagent (Bischof) Rupert den ersten christl. Bayernherzog namens Theodo (Reg.-Zeit 696-718) getauft. Bis ins 20. Jh. hinein haben die Herrscher Bayerns nach ihrem Tode ihre Herzen in silbernen Urnen in den Wandnischen der Altöttinger Kapelle beisetzen lassen, als „fürstliche Ehrenwache". Der Ort muss demnach schon damals von erheblicher Bedeutung gewesen sein. Wie allgegenwärtig noch in dieser heidnisch-katholischen Übergangszeit der Wodan in Eigen-, Berg- und Ortsnamen herumspukte, macht auch Watilon-Odilo kund. Urkundlich tritt die Stätte 748 ins Licht der Geschichte, unter dem Namen Autingas, einer Pfalz der agilolfingischen Bayern-Herzöge. In den späteren lat. gehaltenen Urkunden wird der Platz Otingas genannt; in deutscher Mundart hieß er demnach Oting/Oding; in mundartlicher Lautung dortiger Bevölkerung bis heute Eding. Die Ansilben od-/oð-/ot- zu aud-/aut- oder ed- schwanken in germ. Sprachen: „Herr“ heißt got. Frauja, ahd. Frô, „Gott“ heißt got. Gaut, ahd. Got. Den Namen des skirischen Fürstensohnes Odoaker, got. Audawakr, ahd. Otacher, könnte man mit „Gemüts- / Seelenwacher“ erklären. Oting/Otingas war häufiger Aufenthaltsort und Regierungssitz der Bayernherzöge. Gegen Ende des 8. Jh. übernahmen die fränkischen Könige aus dem Haus der Karolinger die Macht und bauten die Stätte weiterhin zum Herrschaftszentrum aus. Ihre größte Zeit erlebte sie als Pfalz König Karlmanns (830-880), des ältesten Sohnes von Ludwig II. dem Deutschen und der Welfin Hemma, Tochter des bayrischen Grafen Ernst. Karlmann verlegte i.J. 865 seinen Regierungssitz von Regensburg nach Otingas und herrschte von hier aus bis zu seinem Tode als König über Bayern und Italien. Ob die Bezeichnung von Oting-Altötting wirklich nur auf einen Gründer namens Oto hinweist - obgleich in diesem Falle auch der älteste Namen strenggenommen Otoingen lauten müsste - ist auch angesichts seiner Historie sehr in Frage zu stellen. Eher müsste man annehmen, dass solch ein bedeutungsvoller, schon altheiliger Platz gerade vom Begriff her auf wichtigere, eben altreligiöse Bezüge hinweisen müsste. Auch hier dürfte die altheilige Anlautsilbe od-/oð-/ot- vorliegen, die Zentrallautung des germ. Gottesbegriffes Wodan/Wodin/Odin/Godin/Gott, bis hin zur Gottesbotschaft - dem geistigen Gotteskind, dem runischen Buchstabensystem ODING, wurde. Jakob Grimm erklärt den Begriff (GDM 890) ôd mit lat. felicitas („Fruchtbarkeit / Glück / Gedeihen / Segen / Erfolg“). Oting-Oding-Ötting war mit Sicherheit in urgläubiger Zeit eine hervorragende Heilstätte der Geist- und Seelengottheit, sonst hätte sich nicht dort der heidn. Bayern-Herzog Theodo (ca. 680-728), christlich taufen lassen. Der Ort blieb seiner herausragenden Rolle treu und wurde auch in Christenzeit einer der wichtigsten Wallfahrts- und Gnadenorte Deutschlands. Schon die Pfalzkapelle, die in der zweiten Hälfte des neunten Jahrhunderts geweiht wurde, hatte die „Mutter Gottes“ als Patronin, die noch heute als „Gnadenspenderin Altöttings“ von ansässigen Gläubigen und den herbeiströmenden Pilgern verehrt wird. Um 1330 kam das in Burgund oder am Oberrhein entstandene frühgotische lindenholzgeschnitzte Bild einer „Schwarzen Madonna mit dem Kind“ hierher, das rund 150 Jahre später, i.J. 1489, nach den Berichten von zwei angebl. Heilungswundern, zum Wallfahrtsziel wurde. Unweit der Gnadenkapelle steht die auch schon im 9. Jh. gegründete, doppeltürmige Stiftspfarrkirche St. Philippus und Jakobus. Neben ihrem Hauptportal befindet sich die Uhr mit dem berühmten, aus dem 16. Jh. stammenden, „Tod von Eding“, der in jeder Sekunde einmal seine Sense schwingt. Auch hier zeigt sich die altheilige bzw. heidn. Tradition: Die beiden „Heiligen“ Phillip und Jakob sind Ersatzfiguren für das germ.-kelt. Dioskurenpaar der Alki, die ihr Symbolzeichen in der Algiz-Rune besitzen. Diese Rune steht im 1. Mai, auf den christl. Kalendermacher wiederum Walburga („Glücksbergerin“) zusammen mit den genannten Beiden postierten. Es handelt sich um die altheidnische Triade der Alki-Zwillinge mit der Göttin. Das gleiche Schema liegt in Altötting vor: die „Gottesmutter Maria“ mit den dioskurischen Zwillingen Phillip und Jakob. Der Katholizismus ist streckenweise, wenn man es recht besieht, nur dürftig übertünchtes Heidentum.
Unweit von Oting-Altötting liegt der Ort Polling, südl. vom Ammersee gibt es Oderding, heute ein Ortsteil eines weiteren Polling (auch urkundlich Polding). Dort gründete i.J. 750 der Bayernherzog Tassilo III. ein Kloster, wo angebl. eine gejagte Hirschkuh plötzlich stehen blieb. Der Name dürfte auf ein altheimisches Phol-ingen, also eine Baldurstätte zurückgehen. Der ahd. Merseburger-Heilsspruch weist Phol als Beiname des Baldur aus. Im Gemeindewappen ist das Geschlecht der Pollinger durch ihr Wappentier, einem Hirsch mit Lilienzweig, repräsentiert; eigentlich sind es nichts anderes als die altbekannten Attribute des Gottes: Lebensbaum und Sonnenhirsch. Fruchtbarkeitszweig und Hirsch spielten schon im altgriech. Apollon-Kult eine Rolle. Selbst Phol-Balders enge Heilsbeziehung zum Pferd hat sich auch hier bewahrt, gleichgültig, ob die Tradition zwischendurch einmal zeitweise abriss: Der Georgiritt mit anschließender Segnung von Ross und Reiter findet in der Regel jährlich am zweiten Sonntag im April statt. Auch der Ort Hohenpolding, nördl. von München, hieß früher Palding, Polling oder Polding. Ein Bajuware namens Baldo, so meint man, müsse der Gründer sein. Im Jahr 998 taucht der Name in lat. Form „alto baldingae" in einer Urkunde auf, in der der Salzburger Bischof zugunsten des Adeligen Valherius de Baleding auf einen Grundzehent verzichtet. Dann wird 1154 eine dortige Kirche genannt: „paldingecclesia“, i.J. 1315 wird die Filialkirche in „Balding“ erwähnt. Von hier kam das Geschlecht der Baldinger, das mehrere Jahrhunderte über hohe Stellen in den Reichsstädten Ulm und Nürnberg innehatte. Ca. 55 km Luftlinie nördl. von Altötting liegt Ottering (Kr. Dingolfing), ca. 48 km westlich (Kr. Erding) ein anderes, die möglicherweise auf profane Otheri zurückgehen sollen, wahrscheinlich aber doch ebenso Andachtsstätten des Wodan-Odan waren. Südl. von München breitet sich Gauting; es ist eine bajuwarische Siedlung des 6. Jh.Ein i.J. 753 urkundlich genanntes Goutingen bezieht sich nicht sicher auf diese Gemeinde. Als Gründer soll hier nun ein Godo (Cotto, Gozzo) mit seinen Leuten gewirkt haben. Dass aber gerade diese Örtlichkeit eine sicherlich hochheilige altgläubige Kultstätte gewesen sein wird, dafür spricht die zeitige Klostergründung. Denn aus dem frühen christl. Missionsdenken heraus setzte man nicht eine Kirche oder ein Kloster in die Ortschaft eines gewöhnlichen Herrn Odo oder Godo, sondern auf den altheiligen Platz des Heidentums, um ihn zu entdämonisieren, zu weihen, den Altgläubigen ihren religiösen Stützpunkt abzunehmen und ihn für den eigenen Kult zu vereinnahmen. Wie hochbedeutsam sich gerade Gautig selbst einschätzte, geht aus der Legende hervor, Karl, der herrschgewaltige Frankenkaiser, sei hier i.J. 742 geboren worden. Auch an anderen Orten sind bekanntlich Erinnerungen an Gott Wodan auf „Karl den Großen“ übertragen worden.Er geisterte in versteckter Form, anfangs wohl sehr bewusst und späterhin in immer unerkannterer Art und Weise im Denken des Volkes weiter.
3.2- Wizzod, Oding und Odingi
Die Sprache ist der Leib des Geistes, die Worte darin sind die stützenden Knochen; anhand unserer altsprachlichen Gebeinsfunde vermögen wir auch den heidn. Geist der Frühzeit wieder zu verlebendigen. Unser Heidentum ist nicht tot, es schläft nur in unserer Sprache. Wissen heißt ahd. wizzan/witan und wizzod/witoda war der Begriff für Gesetz / Gebot / Sakrament (hl. Glaubensgeheimnis) / Heilige Schrift, wobei sich sicherlich der Sinn der Begriffe wis („weise / verständig / erfahren“) und wiso („Führer“) hineingemischt haben. Deren Bedeutung ist bis heute in den Verben „weisen" (die Richtung angeben) bzw. „anweisen" (bestimmen, festlegen) erhalten geblieben. Der ahd. witoda-fasteis war ein Bewahrer des Gesetzes, ein Gesetzeskundiger, Gesetzesgelehrter, der witoda-laisareis der Gesetzeslehrer, Schriftgelehrter. Das ahd. Adjektive wizzodhaftigkennzeichnetZustände und Verhaltensweisen im genannten Sinne; während witodalaus gesetzlos bedeutet. Das ahd. wizzotophergalt als „Erlösung bringendes urgesetzliches Opfer“. Die mhd. frône meinte die geistlich-göttliche oder weltliche „Herrschaft / Herrschaftlichkeit / Herrlichkeit / Heiligkeit“, auch „Gewaltherrschaft“; Grimm erwähnt mhd. „frône wizôt“, was „heiliges Herrengesetz“ bedeutet. Das mhd. wizôd/wizzôd steht für „Gesetz / Sakrament / Eucharistia (hl. Abend- Kultmahl)“; mhd. wizzec heißt „klug“ und wizzenhaft wurde für „wissend / kundig“ gebraucht, im Hinblick auf das Wissen um Gott. Es hatte mhd. wisot / wisode / wisœde / wisat / wiset die Bedeutung von Geschenk / Zins / Abgabe (besonders in Naturalien) zu Festzeiten an Kirche, Herrn oder Braut. Die hehre, ins Sakrale hineingehende Bedeutung des zusammengesetzten Wortes Wizz-od kann schwerlich aus dem Wizz-, es muss ihm vielmehr aus einem alten Verständnis des Anteiles -od zugeflossen sein. Er kann ursprünglich nicht allein nur schlicht „das Gut“ bedeutet haben, was auch im Wort Kleinod, dem zwar kleinen aber besonders „edlen Gut“ hervortritt. J. Grimm (GDM 890) erklärt den Begriff ôd durch lat. felicitas („Fruchtbarkeit / Glück / Gedeihen / Segen / Erfolg“).Mit germ. und noch ahd. ot, dt, oð müssen sich aber Vorstellungen eines heiligen Wertes, bis hin zum heiligen Zentrum des Gottesgesetzes, also der „göttlichen Weltordnung“ verbunden haben.
Der ahd. witoda-fasteis war der Bewahrer des Gesetzes, der Gesetzkundige, Gesetzgelehrter, der witoda-laisareis der Gesetzlehrer, Schriftgelehrter. Das ahd. Adjektiv witodalaus bedeutet gesetzlos. Gehen wir von dieser Einsicht aus, wird das Verständnis des ahd. Begriffes odmut/othmod/odmode/oetmoed erleichtert, welcher die Unterwerfung, die Untertänigkeit, ebenso eine Abgabe und auch die Gnade, die Begnadigung bedeutete. Die Odmütigkeit (Adverb odmütiglich) meinte Demut, Untertänigkeit, Unterwürfigkeit, also Äußerungen der Ergebenheit, der Ehrerbietung und Bescheidenheit Ranghöheren gegenüber; dann auch folgerichtig Unterordnung unter das göttlich oder herrschaftlich Verfügte, also der obrigkeitlichen Verfügungen und Gesetze, die auch mit dem Wort Wizzod bezeichnet werden konnten. Also: Wer das wizzod anerkannte durfte als odmütig gelten.
Der/das altniederdt. Oding(e) war eine Rechtsform, ein Rechtsvertrag über bestimmte Zehntleistungen, also gesetzlich festgeschriebene Steuerabgaben; deren Merkmale waren Nichtablösbarkeit, feste Terminierung, Leistungsverdoppelung bei Verzug. Im Wort steckt wohl das altgerm. Verb dingen, was „verhandeln / abhandeln“, durch das Ding/Thing (germ. Þinga „Volksversammlung“) regeln bedeutete. Ein Begriff der in den Formen abdingen bzw. abbedingen oder ausbedingen in den nhd. Wortschatz übergegangen ist. Das altengl. ðingian bedeutet „bitten / verlangen / sich vertragen / beschließen“, schwed. tinga „bestellen / mieten“; „sich verdingen“ meint sich als Gehilfe einem vertraglich geregelten Dienst zu unterstellen. Der Oding bedeutete ursprünglich offenbar die festgeschrieben-vertragliche Regelung bezüglich der sakrosankten Abgabe (Kirchensteuer); in den hochmittelalterlichen Urkunden handelt es sich um eine gesetzliche Geldleistung. Die rechtliche Grundlagen der Zehntziehung beruhte auf dem Zehnt, der vom fränkischen Eroberer mit dem allgemeine Zehntgebot zur Unterhaltung der Kirche auch im niedergeworfenen sächsischen Stammesgebiet i.J. 779 eingeführt und um 785 mit dem Gesetz Capitulatio de partibus Saxoniae zur endgültigen Unterjochung und Zwangschristianisierung erneuert worden war. Es lautet in § 1: „Alle stimmten zu, dass den Kirchen, die in Sachsen gebaut werden und Gott geweiht sind, nicht nur keine geringere, sondern größere und vorzüglichere Ehre erwiesen werde als den Heiligtümern der Götzen“ und § 16: „Auch dies wurde mit der Gnade Christi beschlossen, dass von jeder Fiskalabgabe, sei es Friedens- oder Banngeld oder sonst eine an den König gehende Abgabe, der zehnte Teil den Kirchen und Priestern gegeben werde“. Unter Zehnt ist urspr. die Abgabe des zehnten Teils wirtschaftlichen Erträge und Einkünfte zu verstehen. Über das Alte und Neue Testament wurde er vom Christentum übernommen und seit frühchristlicher Zeit für kirchliche Einkünfte verwendet. Der Kirchenzehnt war eine Abgabe auf allen landwirtschaftlichen Erzeugnissen innerhalb eines territorial genau umrissenen Zehntbezirkes zugunsten einer zehntberechtigten Pfarrkirche/Pfarrei.
Gehen wir vom vorgenannten Inhalt des Od-Begriffes aus, wäre der Oding erklärbar als die (Abgaben-)Regelung im Rahmen der geheiligten Gesetzesordnung. Allerdings müsste das Wort dann in seiner Urform Od-ding bzw. Od-ðing geschrieben worden sein. In einer Urkunde (Hagenow-Dodow, 1313) wurde unter dieser Sprachregelung die Umwandlung des Zehnten in eine Jahrespacht bestimmt. In einer Urkunde von 1393 (Neuenwalde Urkundenbuch, 328) geht es um den Verkauf eines Getreidezehnten. Es gab einen Odzins; der Odingzehnt war eine aus dem Oding resultierende Zehntleistung. In späten lat. Urkunden des Erzbistums Bremen-Hamburg erscheint (Beginn 16. Jh.) der Begriff Noding. Der Oding, das Odinggeld war eine zu erbringende Leistung für einen Bestandteil des Zehnten, ein Ausdruck für eine Geldabgabe, die ein Äquivalent für eine Zehntabgabe darstellte; z. B.: „villicus dabit (decem solidorum) pro decima sub condicione que oding dicitur in vulgari“ (UB Kloster Scharnebeck 88; 1298 März 9). Die Zehntzahlungen und Ersatzleistungen unterlagen einem ständigen Wechsel. Der konkrete Zehnt wurde jedes Jahr neu ausgehandelt, Ersatzleistungen für ein oder mehrere Jahre festgelegt. Der umfangreiche Fundus spätmittelalterlicher Quellen zur Grundherrschaft im Kloster Ebstorf (Fürstentums Lüneburg) gewährt detailierte Einblick in die Einzelheiten von Zehntbesitz und Zehntziehung. Auch das Kloster Ebstorf hatte bereits im 13. Jahrhundert zahlreiche Zehnten erwerben können. So besaß es u.a. in den Jahren von 1470-1479 die gesamten Zehntrechte in 44 Dörfern zumeist im heutigen Landkreis Uelzen. Den Zehnt von Brauel (nördl Zeven, nahe bei liegt Godenstadt) wurde 1220 erworben; Im urkundenbuchlichen Zinsregister der Jahre 1416 bis 1426 sind für die beiden dortigen Höfe ein sogenanntes Odingsgeld in Höhe von jeweils 12 Schilling und hohe Getreidezinsen vermerkt worden. Dieses Odingsgeld und sonstige Zehntrechte führen die Register seit dem Jahre 1470 bis zur Säkularisierung der Propstei nicht mehr auf. Auch als Familienname kam Oding im Raum Lüneburg im späten Mittelalter gelegentlich vor. In den wenige km südl. vom Kloster liegenden Dörfern Bohlsen und Gerdau werden die Anwohnerfamilien Albert und Jacob Oding(k) erwähnt. (Klaus Goetke, Grundherrschaft des Klosters Ebstorf im späten Mittelalter, Gerdau 1997) Auch anderswo taucht dieser Familiennamen auf, so im Kirchspiel Emsbüren (nördl. Rheine) ist für d.J. 1450 ein Heinrich Oding nachgewiesen (vgl. Rolf Süwolto’s Ortssippenbuch).
So, wie fast sämtliche ahd. Od-Begriffe verschwanden (ausgenommen die Dorfnamen), eben weil an ihnen der Ruch des überwunden geglaubten Altheiligen hängen musste, ihnen, von den in lateinischen Sprachtraditionen lebenden Klerikern, keine dauerhafte Zuneigung entgegengebracht wurde, wodurch ein Verwendungsbedürfnis zunehmend schwand, so verloren sich das Wizzod wie auch der Oding im Spätmittelalter aus dem Sprachgebrauch. Wir fanden also den Sippennamen Oding, erkannten Orte wie Odingberge, Odingen, Oting als vorchristlichen Kultstätten und erfuhren, dass es einen Rechtsbegriff Oding gab. Die Frage stellt sich nun, ob der urgedankliche Inhalt des letzteren - dessen Begriffsbestimmung als „Regel im Rahmen der geheiligten Gesetzesordnung“ erklärbar ist - in einen Zusammenhang mit dem gleichlautenden Titel der linksläufigen Runenreihe gesetzt werden könnte -, im höheren Sinne einer Heiligen Übereinkunft, einer Goldenen Regel? Da das eigentümliche Runenschriftdenken keinen grammatikalischen Prinzipien folgte, sondern geheimnisvolle Doppeldeutungen liebte, wäre es zumindest nicht unmöglich. Bei eingehender Betrachtung wirkt es sogar höchst erstaunlich wie genau dieser niederdt. Rechtsbegriff Oding auch das Wesen des runischen Gesetzes trifft.
Anhänger und Bejaher eines solchen heiligen Gesetzes, wären nach germ. Sprachverständnis als Odingi zu bezeichnen. Wie beispielsweise das altfreie Sachsenvolk Edle (Ethilingi) und Freie (Frilingi) unterschied; darunter standen Abhängige, wie sie noch bis in die Neuzeit als Heuerlinge bekannt waren, die von einem größeren Hof abhängig und ihm zu Dienst verpflichtet waren. Bei den Longobarden hießen die Freien Arimanni, der Einzelne Arimannus. Die Endung -ingi wurde denen zugefügt die als Abkömmlinge einer bestimmten Person oder eines bestimmten Geschlechtes galten. Die Kinder des Od-Gottes, seine Abkömmlinge oder Anhänger, auch die odmütigen Befürworter des Oding, des Od-Gesetzes, hätte man so benannt. Diese Anhängerschaftsbezeichnung ist quellenmäßig nachweisbar: In der i.J. 551 vom Goten Jordanis verfassten „Gotengeschichte" (Kapitel III § 16-24 der Mommsen'schen Ausgabe) werden die verschiedenen Völker der „Insel Skandza" (Skandinavien) aufgezählt, dabei nennt er auch die Otingis. Bei dieser Aufzählung handelt es sich, wie wir heute wissen, nicht immer um Völkernamen im ethnischen Sinne, sondern um die Namen von Kultverbänden, d.h. von Volksgemeinschaften, die einer sie verbindenden religiösen Idee anhingen. So verhält es sich auch bei den Herulern, von denen man glaubte, es handele sich um einen germanischen Volksverband; heute wissen wir, dass es eine kultische Gemeinschaft von Runenanhängern war, die auch in den Kriegen des Römerreichbeendigers des Skiren („Reinen“) Odowakar („geistig Wacher“) engagiert mitfochten.
Bis hin zur Wortgleichheit der Begriffe ggerm. od, altn. oð („Geist / Gemüt / Seelenbewegung"), alte. oðian („atmen“) und ggerm. Oding, altn. Oð, Oðr, Oðinn, dem göttlichen Allgeist. Daraus ist zu schließen, dass Wodin-Gläubige ihre ODING-Runen als sinnbildhafte oder reale Segmente des Weltodems auffassten, der den Makrokosmos ebenso erhaltend durchströmt, wie er in uns allen als Lebenshauch und bestimmende Seelenkraft durch die Zellen pulsiert.
Luzerner Chronik des Renward Cysat, aus dem 17. Jh. bekannt wurde. Darin findet sich folgende Geschichte: „Auf einer Alp am Pilatus, der besonders verschrien ist für Spuk - dort soll ja Wotan (m. A.) heute noch sein Wesen treiben! Cysat wurde bei einer Pilatusbesteigung nachts gestört durch einen Zug von Leuten, die mit Musik und Singen an beiden Seiten der Hütte vorbeiströmten - genauso wie ich es im Traum erlebt hatte." Am nächsten Tag fragte er den Senn, bei dem er übernachtet hatte, was das zu bedeuten hätte. Dieser wußte ohne weiteres Bescheid: das müßten die 'sälig Lüt', gewesen sein, nämlich das Wotansheer der abgeschiedenen Seelen. Sie pflegten in dieser Weise 'umzugehen' und sich bemerkbar zu machen." (Vgl. C.G. Jung, Erinnerungen, Träume, Gedanken , S. 233f.)
Der ursprünglich vielleicht geheime Namen des ggerm. Geistgottes wudinaz oder wodinaz d.h. „Wudinaz“ bzw. „Wodinaz", formte sich durch Anlautschwund im Mittelalter zu Wodan, Wodin, Óðinn / Odin. (i.J. 1131 bezeugt bei Caesarius von Heisterbach: „vel, ut alii dicunt, Wudinisberg“, Godesberg südl. Bonn) Das Wilde Heer Wotans/Wodins, ist in den Formen „Wütisheer“, oder „Guotisheer“ durch den Luzerner Renward Cysat (1545-1614) belegt, in „Collectanea chronica und denkwürdige Sachen pro chronica Lucernensi et Helvetiae“. Addiert man die Buchstabenzahlenwerte des Namens Wudinaz, erhält man 102, also die Zahlenfolge des Anfangs (1>2), mit QS 3 = Ing. Mit ihm, dem germ. Urgeist-Ahnengeist, fängt alles, auch das zahlenrunische Leben und Weben an, und es schließt bereits die solare Idee der 3. Rune mit ein.