DAS SIEGFEST - HEILIGE OSTERN
 
Der Osterglaube und Osterfest unserer germanischen Vorfahren
 
„Wodin jaget“, raunten sich unsere germanischen Vorfahren zu, wenn die Sturmhörner des alten Gottes und seiner Gefolgschaft durch die nächtlichen Felder und Wälder des schnee- und eisbedeckten Germaniens heulten. Aber je höher die Sonne am Tage stieg und je wärmer ihre Strahlen auf die Erde fielen, desto lebhafter und inniger wurde die Hoffnung von Mann und Weib, dass die dunkle Zeit des Winters bald vorüber sei.
 
Das liebliche Kind des mächtigen Wodin und der Nertha (Erde) war die strahlende Ostara, die Schwester Baldurs und Göttin des Frühlings. Nach ihr nannte man das Fest, das den endgültigen Sieg des Lichtes und der Sonne bedeutet. Furchtbar war die Herrschaft des Eisriesen, des Thursen gewesen. Menschen, Tiere, die gesamte lebende Kreatur, hatten unter ihrer Gewalt und ihrem tödlichen Hauch geseufzt. Aber der hammerbewehrte Donar-Thor und sein Kampfgenoss’, der Lichtgott Baldur, waren gegen die Eisriesen angetreten und hatten sie nach furchtbarem Ringen niedergeschlagen und getötet. Nun war es Zeit, den Sieg zu feiern, Ostara zu kränzen und mit der Ehre des Sieges die holdselige Schwester des Lichtgottes zu weihen. Stand sie doch schon in vorsorglicher Liebe bereit, Felder und Fluren zu segnen, Wiesen und Wälder in frischem Grün erstrahlen zu lassen. Die wissenden Parawari, im Schmuck ihrer kraftstrotzenden hüftlangen Zöpfe, nahmen ihre Oding-Runen­kalender­stäbe zur Hand. Zum fünften Jahresneumond, auf neunter Kalender-Rune, dem Sonnen-Siegzeichen, begann das frohe Ostara-Fest oder Sieg-Fest geheißen.
 
Des Jubels in den germanischen Gauen war kein Ende. In Hainen und Hallen, auf den Höhen und Bergen, an geheimnisvoll rauschenden Quellen, an den Ufern stiller Waldseen und unter den Wipfeln alter Eichen wurde Ostara geopfert, wurden Feuer entzündet, auf denen man Hasen, ihre Attributtiere, und Ziegeböcke, die heilige Tier Donar-Thors, des Mitbezwingern des Eisriesen, verbrannte. Unsere Altvordern kannten das erst von der Christenkirche nach Deutschland eingeführte Wort opfern (offerre = darbieten) noch nicht. Sie sagten blotan, bluten, und meinten damit doch mehr als nur einfach, dass Opferblut flösse. Denn sie hatten noch die große Inbrunst, aus der heraus ihnen das heilige geistführende Blut als einzig würdiger Opferstoff erschien. Sie beteten, das Gesicht nach Norden gewandt. Ostara sah sie aus dem Lande der Herkunft an, und der Blick der Göttin war zu ihnen nach Süden gerichtet. Voll tiefer Ursprungsmystik war dieser Gottesdienst. Das Opfer ging in der in Funken und Sonne waltenden Gottheit auf. Wo die Flammen des Feuers lohten und waberten, da gab es nichts Unreines, da konnten unsaubere Gedanken und Geister nicht aufkommen, konnten sie keine Macht über die Menschen gewinnen.
 
Waren die Feuer abgebrannt und Opfer und Gebete verrichtet, dann begannen die Festprozessionen. Wohnstätten, Ställe und Straßen waren namentlich in den südlichen Gauen Germaniens mit den ersten knospenden Birkenreisern geschmückt worden, denn die weißhäutige Birke war der heilige Baum auch der Ostara. Man trieb bei den Umzügen tollen Mummenschanz. Überall und in jedes Menschen Herz brach die Freude über die endgültige Vernichtung der Eisriesen durch. Man stellte das Einsargen und Begraben des Winters dramatisch dar, symbolisierte den Kampf Donars und Baldurs mit den Thursen, kleidete einen Eisriesen in Stroh, drückte ihm ein Holzzepter in die Hand und ließ ihn im Ringen mit einem in grünes Moos und frischen Epheu gekleideten Mann unterliegen. Strohwisch (Eisriese) und Holzzepter wurden darauf unter dem lauten Gejauchze der Umstehenden dem Feuer übergeben.
 
Den Schluss des Ostara- oder Sieg-Festes bildeten große Schmausereien und Gelage. Man trank der geliebten Göttin, dem Baldur und Donar „Minne“ zu. Ein Brauch, der sich bis ins späte Mittelalter hinein erhalten hat. Das Mahl wurde oft durch das Befragen der Orakel unterbrochen. Ausgewählte Männer des Stammes, Priesterinnen und Priester, deuteten aus dem Fluge oder dem Schrei der Vögel oder aus dem Wiehern weißer in den Tempelhainen für Kultzwecke gepflegter Rösser das Schicksal der Ratfragenden. Oder man ritzte auf abgebrochene Zweige von Buchen Runenzeichen, ließ die Zweige auf die Erde fallen, las sie dann wieder auf, brachte sie in gewisse Ordnung, worauf der Deuter bekannt gab, was die Runen sagten. Aus diesem Orakelspiel mit Buchenstäbchen entstand die noch heute gültige Schriftbezeichnung Buchstabe.
 
Die strahlende Erinnerung an das Frühlingsfest aber war die auf einem reich mit Grün geschmückten Wagen durch die Fluren gefahrene Göttin Ostara, deren Bild die Augen des in Werk und Glauben gleich starken germanischen Volkes auf sich zog. Männer und Weiber, Kinder und Greise unserer Altvorderen wussten, dass sie in diesem Zeichen das angehende Jahr siegreich bestehen würden. So mögen sie sich gegenseitig in religiöser Inbrunst zugerufen haben: Ostara - Sieg-Heil !
 
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Beda Venerabilis, der angelsächsischer Geschichtsschreiber und Theologe (gest. 735), nahm an, dass der für den Monat April verwendete altenglische Name „Eosturmonath“ von einer Frühlingsgöttin abgeleitet sei. Entsprechend vermutete man in Deutschland – recht vage - eine Göttin namens „Ostara“. Der weitere Versuch den Begriff zu deuten besteht darin, das Wort „Ostern“ mit der Himmelsrichtung „Osten“ zu verbinden. Das deutsche Wort Osten gehört zusammen mit lat. „auster“ = „Südwind“, altslavisch „zaustra“ = „Morgen“ (was aus germ. Dialekten übernommen sein könnte) letztlich zu einem Wort für „Morgenröte“ - griech. „Eos“, lat. „Aurora“. Bei dieser Verbindung musste man allerdings zu einer unkorrekten Übersetzung aus dem Lateinischen greifen.  Einen ganz überraschenden Vorschlag legte der Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Jürgen Udolph in seinem Buch „Ostern – Geschichte eines Wortes“, 1999 vor: Nordgermanische Sprachen kennen eine Wortfamilie, die sprachlich zu Ostern passen würde, altnord. „ausa“ = „(Wasser) schöpfen / gießen", „austr“ „Begießen“. Er stellt das Wort in den Zusammenhang mit kirchenhistorischen Massentaufen zu Ostern und an Flüssen. Dass das heidnische Siegfest vom christlichen Ostern überlagert wurde, kann nicht angezweifelt werden -, auch nicht, dass eine milde Frühlingsgöttin (Peratha ?) geglaubt wurde. Die Frage bleibt, ob ein Wasserschöpf- oder Übergießungsritus auch im Heidnischen üblich war, oder mit dem Christianismus seinen Anfang nahm ?