Julfeuerdrehen aus dem Rad
 
DAS GERMANISCHE JULFEST
 
Unsere Vorfahren hatten vier große Hauptfeste des jährlichen Sonnenlaufes, die den jeweiligen Mondständen entsprechend gefeiert wurden: das frühjährliche Sonnen-Siegfest () Mitte April, das Mittsommerfest () Mitte Juli, das herbstliche Ahnenseelengedenken () Mitte Oktober und das Mittwinter-Julfest () Mitte Januar.
 
Die gesamte Jul-Spanne umfasste zwei volle Mondläufe, einen vor und einen nach der Wintersonnenwende/Mütternacht (21. Dez.). Sie zog sich, je nach Lage der schwankenden Mondmonate, zuweilen bis weit in den Januar hinein. Die heilige Zeit erreichte erst dann ihren Gipfel (am Ende der beiden Julmonde), sobald der sichtbare Sieg der Sonnen- und Wachstumskräfte mit dem Längerwerden der Tage offenbar wurde. „Das ist der Thulebewohner größtes Fest“, schrieb im 6 Jh. der byzantinische Schriftsteller Prokop. Die Gewissheit über die neugewonnene Kraft des aufwärtsgehenden Lebens war sinnreicher Inhalt der dreitägigen/-nächtigen Hochjul-Feierlichkeiten. Es handelte sich also um das Begrüßungsfest der Sonne. Jegliche Betriebsamkeit ruhte: Ackerbau, Handwerk, Waffengeschäfte. Überall herrschte Julfriede -, Zank, Hader, Fehde, all das kleinliche Menschenwerk hatte zu schweigen, weil sich in der Natur etwas Großes, etwas Ungeheures vollzog: der Kampf des Lebens gegen den Tod. Der Germane suchte in dieser Zeitspanne nicht die stille Beschaulichkeit oder das andächtigen Lauschen, vielmehr vollzog er das mit, was sich seiner Überzeugung nach draußen im Ringen des Lichtes mit der Finsternis abspielte, er wollte auf seine Weise einen Beitrag zur Niederringung der Dunkelheitsmächte leisten. Des Beistandes seiner Blutsgenossen, der verstorbenen Ahnen, zu deren Geschlechterkette er immer wieder verehrungsvoll aufsah, war er gewiss. Sie, die Ahnenseelen (Asen und Alfen) galten ihm als segenspendende Bundesgenossen, welche zusammen mit den strahlend hellen göttlichen Wirkmächten (Wanen) ihren Kampf gegen die dämonischen Mächte durchfochten. Das Feuerbrauchtum spielte in dieser Auseinandersetzung zwangsläufig eine bedeutende Rolle. Mit ihm verbinden sich Licht und Wärme zugleich. In den dunklen Wäldern kam man im Fackelschein zusammen. Auf Anhöhen brannten Holzstöße als Fanale der Verheißung. Das neue Jahresfeuer gewann man oftmals auf besondere Weise. Auf einem eingerammten Eichenpfahl wurde ein Rad (Jul) gelegt und bis zur Selbstentzündung gedreht. Von diesem Brand holte man sich Glut auf den eigenen Herd.
 
Das Mittwinterfest war besonders der jugendlichen Gotteserscheinung des Lichtes und des Feuers, dem strahlenden Ingo Frö (altnord. lngvi Freyr), geweiht. Aber auch die anderen Gotteswesen fühlte man nahe: Wodin, den Führer der Wilden Ahnenseelenjagd, Frau Holde/Holle, die Göttin Freija, die das Keimen und Fruchten hütete und natürlich auch Donar, den starken Bezwinger der antigöttlichen Unholde. In frommer Andacht all dieser Julgottheiten hatte sich ein breiter bunter Brauchtumsreigen entwickelt. Zum farbigen Julvölkchen gehörten u.a. der neckende Julbock, das Julrösslein, der Julguller und die Jultompten (Weihnachtszwerge). Der Julblock wurde abgebrannt und seine Asche ebenso für Heilzwecke aufbewahrt wie die Reste der Jullichter. Neben dem Julfeuer  galten das Jullärmen, Peitschenknallen, Mummenschanz und Erbsenwerfen als die großartigen Späße bei der Dämonenabwehr.
 
Frohe, ausgelassene Reigentärnze, Julgeschenke, Julbiertrinken, Julkuchenessen - also Heiterkeit, Trunk und Schmaus - gehörten ebenso dazu wie die ernste, heilige Handlung des Juleberopfers. Ein stellvertretendes Tier für das Sinnbild des Gottes Frö, der goldborstige Sonneneber, wurde geschlachtet und im köstlichen Kultmahl verspeist. Die Männer legten die drei Schwurfinger auf das Fell des Opfertieres und bekundeten vor allen Anwesenden, welche starke Tat sie im Verlaufe des jetzt beginnenden Sonnenweges durchführen wollten. Wer vom geweihten Braten aß, der hatte göttliche Speise gekostet und hoffte, so rein und inwendig so hell und fruchtbar zu werden wie die Lichtgottheit selbst. Die kleinen Leute, die sich keinen Juleberschmaus leisten konnten, formten ein Julgebäck in Eberform und glaubten sich durch dessen Genuss nicht weniger geheiligt und beglückt wie die sozial Bessergestellten; sie hatten ebenso vom „Glücksschwein“ genossen, also „Schwein gehabt“. Denn letztlich schauen auch die Julgötter nicht auf die Teller, sondern in die Herzen.