02.05.2025
Abb. 1: Text von Çağıl Çayır: „Im Jahr 1721 entdeckte Messerschmidt die ersten alttürkischen Inschriften am Fluss Uybat am Abakan am Jenissei in Sibirien. K. Schulmann, der Neffe von v. Strahlenberg, hatte die Expedition ebenfalls begleitet und fertigte u. a. die erste Abzeichnung der Denkmäler. Nach dem Friedensschluss im Großen Nordischen Krieg im Jahr 1722 kehrten er und v. Strahlenberg nach St. Petersburg. Dort übergab dieser die Originalzeichnung dem Leibarzt des Zaren, J. T. Blumentrost. Allerdings ergänzte und veröffentlichte zuerst Bayer die Abbildung im Jahr 1727 in St. Petersburg. Seine Publikation erfuhr jedoch keine besondere Aufmerksamkeit. Danach beschrieb und publizierte v. Strahlenberg die Denkmäler und ihren Fund in seinem Monumentalwerk aus dem Jahr 1730. Später entdeckte D. A. Klementz die Denkmäler wieder und trieb Aspelin ihre Erforschung an. Die hier abgebildeten Inschriften auf der Steinfigur, einem sogenannten „Balbal“, sind erfunden. Außerdem sind die Schriftzeichen auf der Stele, der sogenannten »dritten Inschrift von Uybat«, nicht zuverlässig abgebildet. Ohnehin sind die Inschriften nur in fragmentarisch les- und deutbarem Zustand erhalten. Zum Beispiel lautet ein Ausschnitt aus der Inschrift auf der linken Seite des Denkmals in der Übersetzung von Radloff: „Oben war der Himmel gnädig. Vom gemeinen Volke [...] (habe ich mich getrennt?), bei meinem Volke, bei meinen drei Söhnen vermochte ich nicht zu verweilen. Der Tarkan-Schangun bin ich [...] verweilte nicht bei seinem Volke. Für das Volk des Aeltschur habe ich erworben [...] wegen seiner Trefflichkeit jammerten sie. Wir jammern mit dem Volke [...] ich verweilte nicht bei den beim Volke zurückgebliebenen sechs weisen Fürstensöhnen. Wegen der Arbeit des Balbal, des Türken-Chans, hat man unter dem Volke neun Männer, die Söhne kunstreicher (?) Männer herbeigerufen und auserwählt für meinen trefflichen Fürsten.“ Vgl. Radloff, Wilhelm, Die alttürkischen Inschriften der Mongolei, St. Petersburg 1895, S. 340. Die Datierung der Inschriften ist umstritten und wird um das 7. bis 9. Jahrhundert herum geschätzt.“
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„Runen“ in Asien und Europa? Eine wissenschaftsgeschichtliche Untersuchung zur Erforschung der Frage nach dem historischen Zusammenhang alttürkischer Schrift und Runen, von Çağıl Çayır (Abgabedatum: 30.01.2018, Aktualisierung: 21.03.2019)
Ein gläubiger türkischer Islamist hat den fleißigen aber vergeblichen Versuch unternommen, den Ursprung der germanischen Runenschrift zu entnationalisieren, indem er sie in einen asiatischen bzw. türkisch-tartarischen Kontext zu stellen versucht. Dem Autor muss entgegengehalten werden, dass aufgrund einiger ähnlicher linear-kantiger Buchstabenzeichen, deren Variationsbreite eng begrenzt ist, keine Ableitungsthese einer Schrift von einer gleichartigen Schrift vertreten werden kann. Die 18 Konsonanten und 6 Vokale der Runen sind speziell auf die germ. Sprache zugeschnitten, sie passen zu keinem Tataren-Idiom. Zudem stellt das Strukturprinzip der Runen-Reihe das nordisch-germ. Sakraljahr dar, wie es mit keinen südlichen und fernöstlichen Klimabedingungen, eines völlig abweichenden dortigen Festkalenders, harmonieren könnte. Sämtliche fremdländischen Ableitungsthesen der Runen, nicht nur diese, sind aufgrund der genannten Fakten, zum Scheitern verurteilt. Oft wurden sie auch als „Tartaren“ bezeichnet, abgeleitet von griech. Tartaros, mit der Bedeutung „die aus der Hölle kommen“. Der Autor irrt gewaltig, wenn er angibt, die Türken seien erst von kirchlicher Seite künstlich „barbarisiert“ worden, denn das übliche Benehmen der Türken vor Wien war um nichts weniger als vollendet barbarisch, mit dem Aufspießen von Säuglingen auf Lanzenspitzen, dem Pfählen von Gefangenen, der Mordbrennerei ihrer tartarischen Rotten und dem Wegtreiben wie Viehherden von zehntausenden deutscher Bauern und Bürger auf die Sklavenmärkte von Stambul und Alexandria. Das Ultimatum des türkischen Oberbefehlshabers Kara Mustafa an die Wiener Bevölkerung lautete bekanntlich: „Entweder Islam oder Tod !“
Sein Ausgangsargument ist die Textstelle des christlich geprägten Isländers Snorri Sturlussons (1179-1241), der in seiner „Prosa-Edda“, die irrige humanistische Tradition seiner Zeit wiedergibt, den nordischen Gott Odin aus „Tyrkland“ abzuleiten. Da heißt es: „Der mittelalterlichen und altisländischen Gelehrtentradition entsprechend erzählt mitunter eine der wichtigsten literarischen Quellen zur nordischen Mythologie, die sogenannte „Prosa-Edda“, die ebenfalls aus dem 13. Jahrhundert aus Island stammt, von der asiatisch-türkischen Herkunft des sagenhaften Runenerfinders: Odin besaß wie seine Frau die Sehergabe, und aus seinen Visionen erfuhr er, daß sein Name oben in der Nordhälfte der Welt bekannt sein würde und daß er darüber hinaus von allen Königen geehrt würde. Aus diesem Grund wollte er seine Reise von Tyrkland antreten. Er führte eine große Gefolgschaft mit sich, junge und alte Menschen, Männer wie Frauen, die viele wertvolle Dinge bei sich hatten. Und in den Ländern, durch die sie zogen, erzählte man viel Ruhmreiches über sie, so daß sie Göttern ähnlicher als Menschen schienen. Sie unterbrachen ihre Fahrt nicht eher, als bis sie nordwärts in das Land kamen, das heute Sachsen genannt wird. Dort blieb Odin lange Zeit und nahm das Land weit und breit in Besitz [...].“
Zusammenfassung des Çağıl Çayır: „Die Studie widerlegt den fatalen Irrglauben der Fremdheit der Völker und Schriften. Zugleich offenbart sich eine apokalyptische Spirale hin zu ihrer Wiedervereinigung. Somit eröffnet sich ein ebenso vielversprechendes wie umwälzendes Forschungsfeld. Der erste Teil erhellt, dass die Menschen im Mittelalter an ihre Verwandtschaft und türkische Herkunft der Runen glaubten. Nach der Eroberung Konstantinopels durch die Türken im Jahr 1453 barbarisierte die kirchliche Kriegspropaganda sie jedoch mit dem Rückgriff auf antike Quellen und führte das Konzept von Europa als »Festung« sowie den Germanenmythos als Kampfbegriff ein. Die Verherrlichung der Germanen weckte wiederum das Interesse an Runen in Skandinavien. Entgegen dem klassischen Gotizismus polarisierte bald der Rudbeckianismus die Forschung, indem er Runen zum Vorbild aller Alphabete erhob und ihre Erfindung in Schwe- den behauptete. Dagegen erinnerte die Entdeckung von Runen in Sibirien im 18. Jahrhundert die Gelehrten wieder an die mittelalterlichen Einwanderungssagen. Die Mehrheit der Forschenden, v. a. W. C. Grimm, bezogen die sibirischen Inschriften in die Runenforschung mit ein. Jedoch umging L. Wimmer die dahingehenden Diskurse, indem er entsprechende Funde verleugnete. Der zweite Teil beleuchtet, dass V. Thomsen die sibirischen »Runen« als Alttürkisch entzifferte, aber ihre zufällige Ähnlichkeit mit Runen vermutete. Seine Vermutung wurde dann ohne Überprüfung zur Tatsache erklärt und die Schriften voneinander ferngehalten. Dennoch beflügelte die Enthüllung der türkischen Geschichte den Selbstfindungsprozess in der Türkei. Daran nahmen sich die Nationalsozialisten in Deutschland ein Vorbild, doch missachteten die alttürkische Schrift und pervertierten die Runen zum Symbol ihrer Germanenideologie. Danach erreichte die Runologie erst um die Jahrtausendwende ein neues Stadium. Nunmehr tritt die Frage nach dem historischen Zusammenhang zwischen der alttürkischen Schrift und Runen erneut und unausweichlich vor uns.“
Kap. 5 Resümee Çağıl Çayır: „Die Frage nach dem historischen Zusammenhang alttürkischer Schrift und Runen stellt derzeit einen umwälzenden Forschungsbedarf dar. Diesen hat die vorliegende Arbeit wissenschaftsgeschichtlich untersucht und festgestellt: Die Runenschreiber selbst glaubten an die göttliche Erfindung ihrer Schrift. Weiter glaubten die Menschen im Mittelalter an die Verwandtschaft der Völker. Zudem überliefern die altisländischen Herkunftslegenden die türkische Herkunft der Runen. Allerdings wurde derartige Herleitungen im Zeitalter der Türkenkriege zu lästig für die römische Politik und zerbrochen. Nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen wurden Türken systematisch barbarisiert und zu Erb- und Erzfeinden erklärt. Komplementär dazu wurden das Konzept von Europa als „Festung“ der Christenheit und der Germanenmythos als Kampfbegriff folgenschwer eingeführt. Man hat treffend von einem „Angulus-Syndrom“ (D. Mertens) gesprochen. Bedrohungsobsessionen, Festungsdenken gehörten, auch in der Renaissance, zum Zeitstil [...]. Inwieweit sich derartige Obsessionen bis heute im kollektiven Unterbewusstsein des Europäers eingenistet haben, bleibe offen.
Bis zum 16. Jahrhundert setzte sich die Fremdheit der Türken und Germanen durch. Dadurch wurde das historische Denken im Umbruch zur Neuzeit fundamental umgekehrt. Dabei weckte die Verherrlichung der Germanen das gelehrte Interesse an Runen in Skandinavien. Jedoch drängte die Ausgrenzung der Türken die Gelehrten zur anderweitigen Herkunftsforschung. Danach hielten die klassischen Gotizisten in Schweden die Herleitung der Runen vom Hebräischen aus biblischer Zeit zunächst für wahrscheinlicher. Dennoch gilt es zu bemerken, dass bei den Magnus-Brüdern, später Peringskiöld und Göransson immer noch mittelbare Bezüge zu Türken vorlagen. Ferner ging Messenius vom fortwährenden Kulturaustausch zwischen Asien und Skandinavien aus. Obwohl Sparwenfeld noch die Erfindung der Runen durch Odin in Türkistan vermutete, setzte sich dagegen der Rudbeckianismus bald, laut Geeijer auch mithilfe der Zensur, durch und wurde erst mit dem schwedischen Großreich durch den Großen Nordischen Krieg zurückgeschlagen. Wiederum erbrachte die darauf folgende Kriegsgefangenschaft v. Strahlenbergs die erste Nachricht über »Runen« in Sibirien, während Messerschmidt in Russland zur Schweigepflicht berufen wurde. Nachdem Bayer die Inschriften in Asien und Europa verglich, erinnerten sich mit v. Strahlenbergs Publikation insbesondere Mallet, Lagebring und Suhm an die mittelalterlichen Einwanderungssagen, also türkische Herkunft der Runen und Helmrath, Piccolomini, S. 364. Verwandtschaft der Völker. Damit erfolgte die Attribution der sibirischen Runen als Türkisch bereits im 18. Jahrhundert. Allerdings konnte Müller die Funde in Sibirien nicht bestätigen. Deswegen bestritt v. Schlözer die Existenz runenähnlicher Inschriften in Sibirien sowie die dadurch bestärkte Rückführung der Runenschrift auf ihren sagenhaften türkischen Erfinder Odin. Danach wurden die mittelalterlichen Herkunftslegenden wieder vernachlässigt und vorerst nicht mehr zur Attribution der sibirischen Inschriften herangezogen. Wiederum trieb Katharina II. die Erforschung der Schrift an, wonach Meiners, Pallas, Tychsen, Sjöborg, besonders Grimm, aber auch Spassky, Abel-Remusat, Klaproth und Rommel die Inschriften in Sibirien und Runen miteinander in Verbindung brachten. Dennoch verleugnete v. Hagenow die Funde wieder, während Geeijer sie anerkannte, doch widersprüchlich aus der Runologie ausgrenzte. Hingegen führte Liljegren die Schriften wieder zusammen und nahm des Weiteren Legis die Herkunft der sibirischen »Runen« aus Europa durch die Wikinger an. Fundierter führte Ritter die Runenschrift wieder mit dem Rückgriff auf mittelalterliche Einwanderungssagen auf ihre Herkunft aus Zentralasien zurück, womit er auch wieder die Attribution der sibirischen »Runen« als türkisch verband. Allerdings verleugnete Worsaae die Entdeckung der Inschriften in Sibirien erneut. Ferner verstärkten sich die exklusivierenden Tendenzen in der europäischen Wissenswelt zum Rassismus. Dabei widersprach v. a. Castren der rassentheoretischen Scheidung der Völker und vermutete den Ursprung der Finnen am Altai, was insbesondere die finnischen Forscher zur Erforschung der sibirischen Altertümer motivierte. Während sich die nationalromantischen Kräfte in Skandinavien in verschiedene Richtungen entwickelten, nahmen auch v. Donop, Magnusson, Sjögren und Aspelin einen historischen Zusammenhang der »Runen« in Asien und Europa an. Darauf deutete auch v. Humboldt prinzipiell sowie Hildebrand, Dirckinck-Holmfeld, Bastian und Wuttke im Besonderen wieder mit dem Rückgriff auf antike und mittelalterliche Überlieferungen. Allerdings konnten sich die bahnbrechenden Erörterungen nicht durchsetzen. Auch wenn der Ursprung der Menschheit inzwischen in Asien angenommen wurde, schloss besonders Herder die Türken aus philosophischen Gründen aus der europäischen Geschichte aus und ließ Hegel den gesamten sibirischen Raum in seiner Geschichtsphilosophie außer Acht. Darauf verfehlte Wimmer die tatsächliche Forschungslage und berief sich fälschlicherweise auf Worsaae, indem er wie dieser die Funde in Sibirien verleugnete und somit die Auseinandersetzung mit ihnen umging. Stattdessen bevorzugte er die Latein-These zur Herkunft der Runen. Dem widersprach Wilsner einschlägig und legte die Herleitung der Runen aus Sibirien nahe. Plötzlich kam der wichtigste Hinweise zur Entzifferung der sibirischen Inschriften von einem neuentdeckten Denkmal selbst. Es ist anzumerken, dass neunzehn Jahre nachdem Wimmer die sibirischen »Runen« verleugnete, sein Landsmann und Kollege in Kopenhagen, Thomsen, sie als älteste Zeugnisse der türkischen Sprache entzifferte. Jedoch erhob Wimmer keinen Vergleich der Schriften und vermutete Thomsen ihre zufällige Ähnlichkeit, was daraufhin ohne Überprüfung als Tatsache angenommen wurde. Somit wurden die inklusivierenden Ansätze aus dem 18. und 19. Jahrhundert übergangen sowie die Scheidung der Schriften und Völker weiter manifestiert. Danach wurde die wissenschaftliche Disziplin der Turkologie begründet, jedoch von der Runologie isoliert. Dabei erweiterte die Entschlüsselung der alttürkischen Schrift die Quellen zur türkischen Geschichte schlagartig bis in unbekannte Vorzeiten, was rückwirkend den nationalen Aufschwung in der Türkei beflügelte. In diesem Zusammenhang wurde in den 1930er Jahren eine turkozentrische, in dieser Hinsicht revisionistische, Geschichtsforschung staatlich ideologisiert, bestimmt und unterstützt. Hierzu bedienten sich die türkischen Historiker an den Thesen, die den Türken eine zentrale Rolle in der Weltgeschichte zuschrieben, sich aber in der europäischen Wissenswelt nicht durchsetzen konnten. Währenddessen ebnete die Scheidung der Völker und Schriften in Europa den Weg zum Nationalsozialismus in Deutschland. Obwohl sich die Nationalsozialisten ein Vorbild an der Türkei nahmen, ließen sie die alttürkische Schrift außer Acht und pervertierten stattdessen die Runenschrift zum Symbol ihrer Germanenideologie, was wie zuvor der Rudbeckianismus durch den Großen Nordischen Krieg erst durch den Zweiten Weltkrieg zurückgeschlagen wurde. Dabei hatten nach Schrader noch Koppers und v. a. Behrens auf die Vergleichbarkeit der Kulturen, Schriften und Sprachen hingewiesen. Danach erreichte die Runologie erst um die Jahrtausendwende ein neues Stadium. Nunmehr stellt die Geschichtsforschung den neuzeitlichen Germanenbegriff als obsolet heraus und räumt wieder authentische Bezüge zu zentralasiatischen Türken in mittelalterlichen Einwanderungssagen ein. Weiter kennzeichnet sich die gegenwärtige Forschungslandschaft insgesamt durch Paradigmenwechsel aus, die nach langfristigen Parallelen im eurasischen Raum fragen lassen. Hierfür eignet sich die Frage nach dem historischen Zusammenhang alttürkischer Schrift und Runen ausgezeichnet. Damit hängt des Weiteren der gesamte Themenkomplex der Sprachen, Glaubensvorstellungen und Lebenswelten zusammen. Folglich wird die Grundannahme der Fremdheit der Türken und Germanen hinfällig. Vor diesem Hintergrund ist die Geschichtswissenschaft und Runenforschung, die sich seit dem Beginn der frühen Neuzeit auf die Scheidung der Völker und Schriften stützt als grundsätzlich verkehrt zu erkennen. Dabei mehrten sich die Indizien für die Annahme eines historischen Zusammenhangs zwischen der alttürkischen Schrift und Runen wie auch der Völker und Kulturen seither und wurden von der Mehrheit der Forschenden erkannt. Somit ist der fatale Irrglaube der Fremdheit der Völker und Schriften auf machtpolitische Gewalt und geisteswissenschaftliche Phänomenezurückzuführen, die sich seither gegen das wissenschaftliche Diktum stellten. Die Einsicht in diesen Irrglauben verlangt die Aufklärung dessen und seiner Folgen aufs Ganze. Dies wird im Hinblick auf die Problematik des Germanenbegriffs bereits gefordert. Dem gilt auch die Reflexion des Türkenbegriffs anzuschließen. Dabei kann wie bei Bacons Wissenschaftskritik grundsätzlich die Hoffnung vorangeführt werden: Daher wird es das Beste sein, gerade diese Irrtümer klarzulegen; denn soviel als in der Vergangenheit Hindernisse durch diese Irrtümer entstanden; soviel Gründe zur Hoffnung für die Zukunft ergeben sich daraus. In dieser Hinsicht ist es von existentieller Bedeutung die Menschen vor den katastrophalen Konsequenzen des machtpolitischen Missbrauchs der Geschichte, sprich der Verleumdung der historischen Indizien zu Gunsten der eigenen Partei, zu warnen. Da es sich bei den Überlieferungen in alttürkischer Schrift und Runen im Wesentlichen um kultische Überlieferungen, Grabinschriften und Denkmäler handelt, erscheinen deren machtpolitischen Verzerrungen und Vergewaltigungen des Weiteren absurd sowie die fatalen Folgen in diesem Kontext bemerkenswert. In philosophisch-theologischer Hinsicht drängt sich hierbei die Frage nach der tatsächlichen Bedeutung des allgemeinen Brauchs auf: „de mortuis nil nisi bene“, d. h. über Verstorbene nur auf gute Weise, folglich nicht schlecht oder falsch zu sprechen. Im Hinblick auf die Scheidung der Völker und Ausgrenzung, ferner Dämonisierung der Türken durch die kirchliche Kriegspropaganda im 15. Jahrhundert, sind auch theologische Fragestellungen zu betrachten, wie nach der Liebe zur Wahrheit und Einheit der Menschheit. Zumal die Forschungsgeschichte dem Schema von koranischen Straflegenden gleicht. So lässt sich kontrafaktisch fragen, ob nach der Scheidung der Völker ab dem 15. Jahrhundert, statt der Verleugnung der offenbaren »Zeichen«, eine fundierte Auseinandersetzung mit der Frage nach dem historischen Zusammenhang zwischen der alttürkischen Schrift und Runen ihre Pervertierung im Nationalsozialismus und dessen apokalyptische Entwicklung verhindert und sogar zur Rechtleitung geführt hätte. Immerhin entzieht die vorliegende Arbeit der exklusivierenden Germanenideologie sowie dem darauf gestützten Extremismus rechtleitend die symbolische Grundlage. Schließlich tritt die Frage nach dem historischen Zusammenhang zwischen der alttürkischen Schrift und Runen erneut, mit vermehrter Evidenz und Unausweichlichkeit vor uns und eröffnet ein ebenso vielversprechendes wie umwälzendes Forschungsfeld. Eine frohe Botschaft und Warnung zur Wahrheit und Gerechtigkeit! Deo gratias.“