OSTERN im Runen-Jahr - DAS SOMMERBEGRÜSSUNGSOPFER
Das Jahresopfer (sigrblót-sumardagr) hielt man zum Sommeranfang. Die Ynglinga saga, Kap. 8, des Autors Snorri Sturluson sagt: „..it þriðja at sumri; þat var sigrblót“, d.h. „das dritte [Jahresopfer] zum Sommer hin war das Siegopfer.“ Die Stelle lautet insgesamt: „Þá skyldi blóta í móti vetri til árs, en at miðjum vetri blóta til gróðrar, it þriðja at sumri, þat var sigrblót.“ Das heißt: „Man soll die Feste feiern zum Winteranfang für das Jahreswachstum, zum Mittwinter für die Ernte und zum dritten Mal am Sommeranfang. Das ist das Siegesfest.“
Snorri scheint in Hákonar saga góða, Kap. 14, ausführlicher vom Siegopferfest zu sprechen: „Es war alter Brauch, dass, wenn ein Blutopfer [blótveizlum] stattfinden sollte, alle Bauern an die Stätte zu kommen hatten, wo das Heiligtum [hof] stand, und sie dort alle Lebensmittel mitbringen mussten, die sie nötig hatten, solange das Fest [veizlu] währte. Und zu diesem Fest sollten außerdem alle Männer Bier [öl] mitbringen. Die Frauen schlachteten dort insgesamt Kleinvieh und besonders Pferde. Alles Blut aber von diesen nannte man Opferblut [hlaut], die Schalen, in denen das Blut stand, hießen Opferschalen [hlautbollar], die Opferwedel [hlautteinar] aber waren nach Art von Sprengwedeln gemacht. Mit diesen sollten die Götteraltäre [stallana öllu = Freundesgestelle /-altäre] allesamt gerötet werden, ferner Wände des Heiligtums innen und außen. Auch auf die Menschen sollte man das Opferblut geben. Das Fleisch aber solle gesotten werden zu frohem Willkommensschmaus der Anwesenden. Feuer waren in der Mitte des Tempelbodens angezündet, und Kessel sollten darüber hängen, um die vollen Becher über das Feuer hinreichen zu können. Der Veranstalter und Leiter des Festes sollte die Becher und die Opferspeisen segnen. Zuerst sollte man den Odinsbecher für den Sieg und die Herrschaft des Königs trinken, und dann die Becher des Njörd und des Frey für fruchtbares Jahr und Frieden. Danach pflegten manche Männer den Bragi-Becher zu trinken. Man trank auch Becher auf seine Verwandten, die schon im Grabe lagen, und diese nannte man die Gedächtnisbecher.“ Auch in der Egil saga, Kap. 49, wird vom norwegischen Sommeranfangsopfer die Rede sein: „Im Frühling wurde festgesetzt, dass im Sommer zu Gaular ein großes Opferfest stattfinden sollte. Dort lag der berühmte Haupttempel. Dahin strömte eine große Menschenmenge zusammen. ... Thorolf soll dort opfern und um Heil für sich und seinen Bruder bitten. ... Thorir zog nun mit seinem Gefolge auf das Opferfest, und es gab da ein gewaltiges Menschengewimmel und große Trinkgelage. ... Aber die Männer da drinnen waren ohne Waffen, wegen der Heiligkeit des Festes...“ Thorolf plante sicherlich dieses Opferfest aufzusuchen, um siegreichen Ausgang seiner Feindschaften und angemessenen Vergleichsfrieden mit seinen Gegnern zu erbitten. Kein anderes Opferfest kam dafür in Frage.
Der ODING-Festweiser zeigt an, dass die Sommer-Siegfest-Rune auf einer Neumondphase liegt und somit das alte sigrblót eine Feier war, deren Beginn in einer Schwarzmonddunkelheit lag. Prof. Willy Hartner kam aufgrund seiner ikonographischen und astronomischen Untersuchungen in „Goldhörner von Gallehus“, S. 87, zum gleichen Ergebnis: „Das Sigrblot im Jahre 413 war also mit fast völliger Sicherheit auf den Neumondtag festgesetzt.“
Snorri, Autor der Heimskringla, sorgt in Óláf saga helga Kap. 77, für Verwirrung, indem er sich hier gegenüber seinen sonstigen Angaben widerspricht: „In Schweden war es ein alter Bauch, so lange das Land heidnisch war, dass das Hauptblutopfer im Monat Goi [Mitte Febr. bis Mitte März] zu Upsala stattfinden sollte. Da sollte ein Opfer gebracht werden für Frieden und für den Sieg ihres Königs. Dorthin sollte das Volk aus dem ganzen Schwedenreiche kommen, und dort sollte zu gleicher Zeit das Thing aller Schweden abgehalten werden. Auch war dort ein Markt und eine Messe, die eine Woche lang dauerte. Als aber Schweden christlich wurde, hielt man das Gerichtsthing und den Markt nichtsdestoweniger dort ab. Aber jetzt, wo ganz Schweden christlich geworden war und die Könige aufgehört hatten in Upsala zu wohnen, wurden der Markt verlegt und zu Lichtmess [2. Februar] abgehalten.“ Snorris Widerspruch findet eine Erklärung in dem wahrscheinlichen Umstand, dass infolge der Christianisierungsmaßnahmen zwar das heidnische Siegopfer abgeschafft wurde, zunächst aber das damit verbundene Gerichtsthing und der Markt um vier Wochen vorverlegt wurden; später rückte man Markt/Messe sogar auf Anfang Februar. Man hört an dieser Stelle die Unsicherheit der von Snorri verarbeiteten Nachricht deutlich heraus. Er vermochte zu seiner Zeit, als er im Jahre 1219 Schweden besuchte, die christlichen Datenverschiebungen und -löschungen nicht mehr im einzelnen zu durchschauen und auseinanderzuhalten.