Nur 23 km von der „Kreisgrabenanlage“ Goseck entfernt, liegt der „Mittelberg“ von Wangen-Nebra an der Unstrut, wo die „Himmelsscheibe“ (32 cm im Durchmesser) im Sommer 1999 - etwas unterhalb des Gipfels - gefunden wurde. Die Kalenderscheibe zeigt in Form von Goldblech-Applikationen Sonne, Mond, Plejaden, insgesamt 32 goldene Sterne und die Himmelsbarke. Die ehemals beiden goldenen Randleisten (eine fehlt) zeigen jeweils die Horizontbezirke an in deren Bereiche die Sonne im Osten auf- und im Westen untergeht. Diese Sonnenwegs-Bereiche beziehen sich auf einen Breitengrad, etwa Höhe Magdeburg -, sie sind ablesbar wenn der Kalenderwart die Scheibe über den Kopf hält, so dass die Sonnenbarke in Richtung Süden gerichtet wird. - Die ODING-Kalenderrunen sind im Vortrags-Poster so eingetragen wie sie dem jeweiligen Jahres-Sonnenstand entsprechen. Nach den Erklärungen des Hamburger Astronomen Rahlf Hansen verschlüsselt die Himmelsscheibe eine komplexe Schaltregel, die dazu diente, Sonnen- und Mondjahr in Einklang zu bringen. Schaltungen waren damals ebenso nötig wie zur ODING-Kalenderbestimmung im Beginn unserer Zeitrechnung. Die Darstellungen auf der Scheibe setzen eine über Generationen währende genaue Himmelsbeobachtung und einen hohen symbolistischen Abstraktionsgrad voraus. Ganz natürlich lässt das matellurgische und astronomische Kustwerk der „Mittelberg-Scheibe“ mancherlei Rückschlüsse auf das frühgermanische Weltbild der Bronzezeit zu.
Die Himmelsscheibe stammt aus der Bronzezeit vor um 3.600 bis 4.000 Jahren. Der Mittelberg selbst war ein Kalenderberg, denn von ihm aus wurden die wichtigen Jahres-Festpunkte angepeilt; die Sonne geht zum Beginn des Sommerhalbjahres hinter dem Kyffhäuser und zur Sommersonnenwende hinter dem Brocken unter. Schon in der Jungsteinzeit ist er als Observatorium genutzt worden. Wurde die Himmelsscheibe von einem Parawari (Heiltumswart) auf dem Mittelberg so über den Kopf gehalten, dass die beiden seitlichen Randbögen exakt in Ost-West-Richtung zu stehen kommen, ist die Scheibe als Kalender zu benutzten, z.B. können mit diesem Zeitbestimmungsapparat die Sonnenwenden und -Gleichen festgestellt werden (Original im Mus. Halle).
Mitteleuropäische Meister der Zeitberechnung
Auch die Zeichen auf der tönernen neolithischen Handtrommel aus einem Grab bei Hornsömmern (Krs. Langensalza) sind als Kalendermarken höchst wahrscheinlich gemacht worden. So ergibt beispielsweise die zweite Reihe der 4 Gruppierungen von horizontalen Strichelungen eine Gesamtanzahl von 365. (Freerk, Haye Hamkens, „Das nordische Jahr und seine Sinnbilder“, 1936, S. 14 ff)
Das bronzezeitliche sogenannte „Königsgrab von Seddin“ in Brandenburg, befindet sich ca. 11 km nordöstlich von Perleberg, 2 km südwestlich des Dorfes Seddin / Landkreis Prignitz. Neuere Untersuchungen datieren die Grablege auf 829 v.0. Die dort gefundene bronzene Amphore enthielt den Leichenbrand eines erwachsenen Mannes. Ihr regelhaftes Buckeldekor erwies sich als ein lunisolares Kalendarium. Wie auch an anderen etwa zeitgleichen und ähnlich dekorierten Amphoren können durch Addition der Anzahl aller Buckel aus bestimmten Reihen problemlos Mond- und Sonnenjahre zu 354 und 365 Tagen abgelesen werden. Um die 70 km von Seddin entfernt wurde 1991 bei Herzberg ein zweites übereinstimmendes Kalendergefäß gefunden, beide Stücke müssen vom selben Schmied oder zumindest nach derselben Vorlage gefertigt worden sein. Auf dem ganzen Kontinent, der während der Bronzezeit zunehmend in Handels- und Kulturaustausch trat, gibt es nur elf vergleichbare Amphoren und in der Prignitz zwei davon. Auch das Herzberger Gefäß trug einst für jeden Tag einen Buckel - 354 für das Mondjahr, 365 für ein Sonnenjahr.
Als jüngstes Erzeugnis in dieser fast im mythischen Nebel verborgenen altehrwürdigen Kalendertradition des Nordens wäre die vom Meister Erul vor ca. 2.000 Jahren konzipierte ODING-Sinnzeichenreihe der 24 runischen Stäbe zu nennen, die - zum Kreis zusammen geschlungen - nichts anderes darstellt als den gemeingermanischen luni-solaren Sakralkalender der 24 mondgebundenen Festpositionen. Keine zweite Geisteskultur in der Völkerfamilie besitzt ein derart ausgeklügeltes Buchstabensystem, das sich im Grundprinzip - ebenso wie die Mathematizität der nordgermanischen Goldhörner-Sprache - nicht an das tumbe, profane, breite Publikum wendet, vielmehr an den gewiss nicht allzu großen Kreis der Eingeweihen, der Adepten einer intelligenten, erschütternd modern anmutenden irrationalen Religiosität. (G. Hess, „ODING-Wizzod - Gottesgesetz und Botschaft der Runen“, 1993)
Auch die Erfindung der Taschenuhr durch den Nürnberger Schlossermeister Peter Henlein, Mitte des 16. Jahrhunderts und die folgenden „Nürnberger Eier“ (Aeurlein / Ührlein), sind als ein zugehöriger Etappenstein in dieser Geisteskultur zu werten. Die wunderbaren Astronomischen Uhren, welche Sonne und Mond im Tyrkreis (Ekliptik), die Mondphasen oder Stellungen der großen Planeten anzeigen, befinden sich an mitteleuropäischen kommunalen und sakralen Prunkbauten. Oft sind es mechanisch-mathematisch hoch anspruchsvolle Kunstwerke von monumentaler Größe. Die älteste noch erhaltene wurde i.J. 1379/80 für die Rostocker St. Marienkirche gebaut. Jene vom Straßburger Münster gehört mit ihrer Höhe von 18 m zu den größten und bedeutendsten astronomischen Uhren der Welt. Die ältesten Astrolabiums-Uhren sind die Berner „Zytglogge-“ [Zeitglocken] Uhr vom Jahre 1405 und die vom Prager Rathaus, welche i.J. 1410 gebaut wurde, also 62 Jahre nach der dortigen Gründung der ersten deutschen Universität durch Karl IV..