Nur wer die Vorstellungen der Gnosis studiert vermag den Geist des ODING verstehen ! Das altiranische Ursprungsmodell der Gnosis, mit seinem „Urmensch-Erlöser“, käme als ODING-Vorbild in Frage.
 
 
Der altnord. „odr“ (norw. odd, feer. oddur, aschwed. odder / udder, dän. od, alts. ags. afris. ord, ahd. ort) ist Name eines germ. Urgottes, war als männlicher Eigenname im Gebrauch und meint die Spitze oder die Schneide einer Waffe; der „od-vite / od-viti“ ist wer die Spitze einer Kriegerschar aufsucht, sich an die Spitze des Heeres stellt, ist der Führer, der Befehlshaber. Ich formulierte einmal irrtümlich: Ein zusätzlicher Hinweis darauf, dass das Buchstabensystem ursprünglich mit dem „od“-Anfang verstanden wurde, ist die Bedeutung der Vorsilbe „od“ als Begriff für die Spitze. Altnord. „oddi“ meint die Landspitze, „oddr“ die Speerspitze,der „od-viti“ ist wer sich an die Spitze des Heeres stellt, ist der Führer, der Befehlshaber. Da wir es bei den Runen mit einem gemeingerm. Schriftsystem zu tun haben und der altnord. „od“-Begriff für Spitze auf germ. „ort“ zurückgeht, war mein diesbezügl. Argument untauglich.
 
Aus dem Werk der fünf Bücher „gegen die Häresien“ (adversus haereses) des Irenäus von Lyon (135-200) erfahren wir über die Markosier-Gnosis: „Sie tauften auf den Namen des unbekannten Vaters aller [Dinge], auf die Aletheia [griech. Wahrheit], die Mutter aller [Dinge], auf den der auf Jesus hinabgestiegen ist, zur Vereinigung, Erlösung und zur Gemeinschaft der Kräfte !“ - „Der Gnostiker [Markos] war Vertreter einer synkretistischen Religiosität, die diverse Elemente unterschiedlichster und zum Teil heidnischer Herkunft mit der biblischen Überlieferung zu einem neuen Ganzen vereinte.“ - „Markos bildete mit den 24 Buchstaben die Äonen nach und nannte die einen Konsonanten, die anderen Halbvokale, die dritten aber Vokale.“ Die Buchstaben symbolisierten die Äonen (Zeitalter) des Pleromas (griech. Fülle / Glanz- u. Lichtmeer, als Sitz der Gottheit, von wo alles Gute ausströmt). Sophronius Eusebius Hieronymus (347-420) gibt an, Markos der Magier soll aus der Schule des Gnostikers Valentin oder des Basilides entstanden sein. Die Valentinische Schule muss um 130 n.0 ihren Beginn erlebt haben. Marcos sei „zuerst in die gallischen Provinzen gekommen, die Gegenden durch die Rhone und Garonne fließen“, um dort seine Lehre zu verbreiten, die sich um 170 n.0 als selbständige Gemeinde außerhalb der Mehrheitskirche etablierte. „Von dort habe er die Pyrenäen überschritten und Spanien besetzt…“. Agapios von Hierapolis (arab. Mahbub ibn Qustantin), ein im 10. Jh. lebender christlich-arabischer Geistlicher schreibt in seiner Weltgeschichte („Kitab al-‘Unvan“) über Markus: „Dann trat in Rom ein Mann namens Marcus auf, der sagte [es gebe] 360 Götter, die nicht [zu sein] aufhörten und sich alle versammelten und die Welt erschaffen hätten. Und es stand ihr [jeweils] einer an der Spitze, so dass jeder von ihnen für einen Tag im Jahr die Leitung innehatte, für den er allein[iger Herrscher] war. Und es gab unter ihnen solche, die dem Guten zugeneigt waren und solche, die dem Bösen zugeneigt waren. Nach Agapius geht die gnostische Lehre des Markos davon aus, dass die Erschaffung der Welt mit Hilfe der 360 Geister erfolgt sei, die jedem Grad des Zodiakus zugeordnet waren. Sie war also eng mit der astrologischen Interpretation des Tierkreises und dessen Gradaufteilung verbunden. Entsprechend dem Kalender mit dem man arbeitete, wurde von 360 oder 365 Graden ausgegangen. Die einzelnen Grade in der astrologischen Terminologie hießen „Monomoiriai“, jeden Grad hielt man von einem unsichtbaren Astralwesen besetzt. Irenäus teilt in Adv. haer. I 14,3 mit, Markus ordnete jedem menschlichen Körperteil zwei Buchstaben des griechischen Alphabetes bei und erhielt somit eine gleichsam im Tierkreis stehende Person die aus Buchstaben bestand. Sie betrachtete er als den gnostischen Äon Aletheia („Wahrheit“). Das System der 360-Gradeinteilung erscheint erstmalig in dem astrologishen Lehrbuch des Nechepso-Petrosiris aus dem 2. Jh. v.0. belegt. (Niclas Förster, „Marcus Magus“, 1999, S. 42 ff) Man muss sich klarmachen, nur deshalb erfahren wir über die z.B. Buchstabenmystik des Marcos aus dem Munde der frühen Kirchenväter, weil es sich um verketzerte Abweichler von der Mehrheitsgruppe waren, die rein heidnischen Strömungen fanden hingegen so gut wie keine Erwähnung. Zweifellos muss es heidnische Vorläufer auch für den markosischen Buchstaben- und Alphabet-Zauber gegeben haben.
  
So predigten die Manichäer eine Weltseele die der Individualseele entsprach d.h. die Einzelseele war von der Gesamtseele nicht zu trennen -, iranisch ausgedrückt der Urmensch (germ. mennor-mannus) bzw. Gayōmard der aus 5 Elementen besteht. Noch bei Philon von Alexandria (um 15/10 v.0 - 40 n.0), dem einflussreichen jüd. Theosophen, erscheint noch die alte Vorstellung vom Makrokosmos und Mikrokosmos, also von dem Weltgott als dem ungeheuren Menschen, der an seinen Gewändern die Darstellungen des Sichtbaren trägt. Dieser Urmensch, die „Große Seele“ wird der Einzelseele gegenübergestellt, ist aber von gleicher Qualität und Substanz. Der von Marcos aus Buchstaben gedachte Urmensch, die Weltseele, entspricht einer Idee die im arioindischen Veda, wie bei den Eranern und in der nordgermanischen Edda erscheint. Den juden-christlichen Sekten,  die den „Gesalbten“ (Christos) als die Weltseele sehen wollten, müssen jüdisch-gnostische Sekten vorausgegangen sein und davor müssen iranische Sekten die Grundmuster dieser Denkweisen geliefert haben. Die gesamte ODING-Gnosis atmet altiranische Verständnisse, gepaart mit griechisch-pythagoreischem Zahlendenken.
 
 
Noch die im antiken Schrifttum bewanderte christl. Mystikerin Hildegard von Bingen (1098-1179)
sah in ihren Visionen den aus der iranischen Gnosis herrührenden „Kosmischen Menschen“ -;
 
 ein Mönch malte das Bild nach ihren Anweisungen.
 
Bild: Miniatur im „Lucca-Codex“ des „Liber divinorum operum“
 
Der gesamte ODING-Buchstabenring - mit seiner Gesamtsumme 300 - ist ersichtlich vom Runenschöpfer als Weltenseele verstanden bzw. erdacht worden. Die 3 ist die Zahl des Geistes und Gottes denen die Materie-4 gegenübergestellt wird. Diese oding’sche Weltseele, das OD-Kind, wird mit Kopf und Fuß deutlich bezeichnet. Der Kopf ist mit dem germ. Begriff „od“, für „Seele / Gemüt“ (aisl. óðr m. = Geist u. [Ver-]Dichtung), sowie sekundär für „Spitze“ gekennzeichnet -, während der Fuß mit „futh/fatha“, von jeder der damaligen germ. Lautgruppen, als solcher hörbar zu begreifen war. Aber „Fuð(a)“ bedeutete wohl im Gemeingermanischen schon, wie noch im Altnordischen, eigentlich Hintern/Futt/Fotze, bis zur Lende, also Hinterteil.