DIE VENUS-FLIEGENFALLE

Gewöhnlich brauchen Pflanzen Licht,
sie sind auf's Himmels-Licht erpicht;
Wasser entnehmen sie der Erde -;
so webt sich aller Flora Werde.

Doch gibt es auch ganz andere Arten,
die lieber Fleisch als Licht erwarten.
Beschreiben möchte ich nicht alle,
nur knapp, die „Venus-Fliegenfalle“:

Sie hat zwei Seiten, rechts und links,
dann auch ein Zentrum allerdings;
zur Mitte ist ein Magen-Schlund,
wie’s guten Pflanzenkennern kund.

Kommt nun ein Opfer in die Nähen,
die Venus-Falle zu besehen,
dann wird die Pflanze sich nicht zügeln,
sie greift danach mit ihren Flügeln.

Das sind zwei feuchte Blätterläppchen,
die süchtig sind auf Opfer-Häppchen;
sie breiten sich zu großen Lappen,
um Beute-Tierchen zu erschnappen.

Auf den Rändern Zacken hocken -
manchmal sind’s nur kleine Nocken -,
die fest sich aneinander schmiegen -,
dazwischen flüchten keine Fliegen !

An ihren klebrigen Sekreten,
zu frühen Stunden, doch auch späten,
haftet der arme Opfer-Kloß,
und kommt davon nicht wieder los.

Tief in den Schlund wird er gesaugt,
sofern er zur Verdauung taugt;
falls er nicht schmeckt, oder noch zuckt,
wird er alsbald dann ausgespuckt.

Gut tut’s gewiss dem Venus-Schlund,
da er den Happen schluckt zum Grund,
wenn er der Pflanze Lust bereitet,
indem er in die Tiefe gleitet.

Die Pflanze mag gesund nur bleiben,
kann sie sich täglich einverleiben,
so zwei bis drei der Ess-Vorgänge,
bei sinnvoller Verdauungslänge.

Das Fliegen-Fangen und -Verdauen,
ist kräftezehrend wie bei Frauen
die Koch-Prozesse in der Küche --;
ich seh’ da keine Widersprüche !


PS: Die Venusfliegenfalle (Dionaea muscipula) ist eine fleischfressende Pflanze aus der Familie der Sonnentaugewächse (Droseraceae). Die nur in einem sehr begrenzten Verbreitungsgebiet in den USA vorkommende Art wurde erstmals im Jahr 1768 beschrieben. Auffallend sind ihre sich schnell bewegenden, wie ein Fangeisen angelegten Fallen.