DIE SEELEN-FRAGE

Wo nur könnt' die Seele sitzen,
fühlt man sie im Geiste blitzen,
oder sind’s des Körpers Zellen,
die zur Seel' zusammenquellen ?

Wahrscheinlich sind's der Seelen zwei,
behaupt’ ich mal -, ich bin so frei.
Die eine lehnt sich an den Geist,
der zwischen Hirn und Herzen kreist.

Die andre - sagten schon die Alten -,
würd' sich mehr an die Leber halten -;
die meldet sich als Bauchgefühl -,
mal glühend heiß, dann wieder kühl.

Sie kurvt um Gall’ und Unterleib,
sowohl beim Manne, wie beim Weib;
sie spricht als Leibes Eigen-Stimme,
im Wohllaut-Tone oder Grimme.

Steh' ich vor einer Frau als Mann,
schlägt klar die Leber-Seele an -;
greift Wissenschaft nach meinem Sinn,
scheint’s der Hirn-Seel' als Gewinn.

Das hat Herr Goethe auch gewusst:
„Zwei Seelen wohnen in der Brust !“
Die wollen selten sich vertragen,
drum spürt der Mensch oft Unbehagen.

So werden Menschen arg zerschlissen,
im Wechsel hin und her gerissen,
und wissen nicht, sich zu entscheiden,
zu einer Seite von den Beiden.

Wohl dem der die zwei Seelen einigt,
dass er von Zwietracht ungepeinigt,
die Leber mit dem Hirn versöhnt -,
der wird als weiser Mensch gekrönt !

Doch meistens ist er’s nur zum Schein,
fühlt auch die alte Menschen-Pein,
und spielt nur so, als würd’ er ruh’n,
dass seine Seelen friedlich tun !