WELTKRIEG I. - ENDPHASE
 
(In ihr wurde der Keim für das Unglück
des gesamten 20. Jahrhunderts gelegt)
 
Der Krieg war verloren, die Straße regiert’,
die Proletenmasse, der Mob marschiert’
und Soldaten ohne Befehl und Verstand,
frustriert, ohne Kaiser und Vaterland.
 
Das waren die Wochen der Revolution,
lang’ hofften Hetzer und Schwätzer schon.
Wenn Ordnung bricht, das Chaos wühlt,
wird die Hefte des Volkes emporgespült.
 
Manch’ redlicher Bürger war mit dabei,
das soziale Verlangen brüllte sich frei -,
eine Walze der Tobsucht nahm ihren Lauf,
Schelme und Schufte sprangen mit auf.
 
Wer sollt’ nun regieren, Maß und Moral,
oder Flintenweib und die tumbe Zahl ?
Die Masse entscheidet niemals gerecht,
sie wird eines Anführers williger Knecht.
 
Ein vernünftiger Geist griff ins Geschick
Friedrich Ebert verkündet’ die Republik.
Doch die Umsturz-Köpfe waren geweckt,
schon hatte Terror-Geist Blut geleckt.
 
Karl Liebknecht wollte den Roten Staat,
Rosa Luxemburg warb für den Sowjet-Rat.
Ihr Hirn verbog sich im mythischen Krampf:
„Proletarier, auf nun, zum Klassenkampf,
 
Wir erobern die Welt, Feinden zum Frust,
Daumen aufs Auge, Knie auf die Brust !“
Freies Wählen galt ihr als „Plunder“ nur,
Rosa Luxemburg plante die Diktatur.
 
Aus ihrem und ihrer Genossen Programm,
erwuchs kein guter fruchttragender Stamm,
aus ihrer Klassen- und Weltkampf-Idee,
entstand alle Zeiten grausamstes Weh.
 
Gedieh zum Vorbild der Mord am Zar ?
Es drohte die Bolschewisierungs-Gefahr.
Angst trieb die Menschen zur Reaktion,
zu krass klang der rote Fanfaren-Ton.
 
Ein holder Berater ist selten der Hass,
meist’ führt er zum eigenen Aderlass.
Zu oft hatte Rosa Verdammnis gesät,
hassvoll des Kaisers Soldaten geschmäht.
 
So kam es, dass ihr Umsturz misslang,
gescheitert am Freikorps-Soldaten-Drang.
Trotz allem stand noch des Reiches Wehr;
der Karl und die Rosa, sie irrten umher.
 
Die Bürgerwehr zog sie aus dem Versteck,
die beiden galten als Bürger-Schreck.
So schafft man sich eigentlich keine Ruh:
Otto Runge schlug mit dem Kolben zu.
 
Die Beteiligten kamen zwar vor Gericht,
jeder Zeitlauf ein anderes Urteil spricht.
Wer war hier Opfer und wer der Täter ?
Die Antworten leistet Historie erst später.
 
Die beiden revolutionären Kommunistinnen
Clara Zetkin (links) mit Rosa Luxemburg, 1910
 
Der 9. November 1918 wurde zu einem entscheidenden Tag in der deutschen Geschichte: Kaiser Wilhem II., der am 29. Oktober zu Beratungen mit der obersten Heeresleitung nach Spa in Belgien gereist war, wurde zur Abdankung aufgefordert, zögert jedoch und überlegte, ob er nicht mit deutschen Truppen gegen das linksrevolutionierende Berlin marschieren sollte. Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg machte dem Kaiser den Vorschlag, ins Exil zu gehen. Auch der Reichskanzler Prinz Max von Baden versuchte, den Kaiser von einer Abdankung zu überzeugen, mit dem Ziel, die Monarchie zu retten. Als sich die Verhältnisse am 9. November 1918 in Berlin zuspitzen und Prinz Max von Baden gegen 11.00 Uhr aus Spa erfährt, dass der Kaiser abdanken wolle, verkündet der Reichskanzler gegen 12.00 Uhr eigenmächtig die Abdankung Kaiser Wilhelms II., ernannte gegen 13.00 Uhr den Führer der Mehrheitssozialdemokraten Friedrich Ebert zum neuen Reichskanzler und trat selbst zurück. Gegen 14.00 Uhr wurde von Philipp Scheidemann, ebenfalls ein Mitglied der Mehrheitssozialdemokraten, vom Balkon des Berliner Reichstages aus die Deutsche Republik mit dem Ziel der Institutionalisierung einer parlamentarischen Demokratie ausgerufen. Gegen 15.00 Uhr proklamierte Karl Liebknecht, der Führer des Spartakusbundes, vom Berliner Schloss aus die Errichtung einer Freien Sozialistischen Republik mit dem Ziel der Einführung einer „Räte-Demokratie“. Die adeligen Häupter des Reiches wurden gestürzt, hier und da mit ein wenig Druck, dann und wann mit dem Schwenken von Gewehren. Sie überließen die Macht den überall gebildeten linksrevolutionären Arbeiter- und SoldatenrätenIn den folgenden Wochen konnte sich die gemäßigte sozialdemokratische Mehrheit unter der Führung von Friedrich Ebert durchsetzen. Am 11. Februar wurde ein Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt verkündet und Ebert zum Reichspräsidenten gewählt. Die am 31. Juli 1919 angenommene Verfassung trat am 14. August 1919 in Kraft.
 
Doch es gab Kräfte, die eine radikalere Änderung erstrebten. Die in Polen geborene Rosa Luxemburg (1870-1919) hatte als Mitglied der SPD zusammen mit anderen Parteilinken im März 1915 die „Gruppe Internationale Spartakus“ bzw. den Spartakusbund aus der Taufe gehoben. Auf dem Gründungsparteitag der KPD am Jahreswechsel 1918/19 wurde diese Gruppe dann in eine „revolutionäre Partei der Arbeiterklasse“ umgewandelt. Das Programm des Spartakusbundes wurde von Rosa Luxemburg verfasst und auf dem Gründungsparteitag der KPD angenommen. Der letzte schaurige Absatz dieses Programms lautete:
 
„Auf, Proletarier! zum Kampf ! Es gilt eine Welt zu erobern und gegen eine Welt anzukämpfen. In diesem letzten Klassenkampf der Weltgeschichte um die höchsten Ziele der Menschheit gilt dem Feinde das Wort: Daumen aufs Auge und Knie auf die Brust !“ Wer den Massen mit dieser Metapher ein solches Bild in die Hirne kleckst, der ruft zum Mord auf, denn das Weitere kann unausgesprochen bleiben, nämlich die folgerichtige Assoziation des „Messer am Hals“. Es ist die Kennzeichnung des Vergewaltigers, die hier beschrieben wird. Wer seinem am Boden liegenden Mitmenschen sein Knie auf die Brust setzt und seinen Daumen ins Auge drückt, der will ihn nach derartiger Behandlung mit Sicherheit nicht wieder sich erheben lassen wollen, er will ihm den Garaus machen. Es ist eine Grauen erweckende Vorstellung, wenn man sich die historische Folgerichtigkeit derartiger Hetzaufrufe vergegenwärtigt. Wer zu solchen ideologischen Leidenschaften aufputscht, dürfte sich, streng genommen, nicht wundern, wenn Leiden-Schaften daraus erwachsen. Ist es nun Unwissen oder vollendete Heuchelei, wenn die Lobredner der damaligen Exzesse in gespielter oder naiver Unschuld die Brandstifter schönreden ?
 
In einem Aufruf der Spartakusgruppe vom 8 November 1918 wurde eine „Volksregierung mit Parlamentarisierung und anderem Plunder“ abgelehnt. In ihrer programmatischen Rede auf dem KPD-Gründungsparteitag wies Luxemburg auf „die revolutionäre Ausnutzung der künftigen deutschen Nationalversammlung“ hin. Der „bürgerliche Staat“ müsse „von unten“ her ausgehöhlt werden, „indem wir überall die öffentliche Macht, Gesetzgebung und Verwaltung nicht mehr trennen, sondern vereinigen, in die Hände der Arbeiter- und Soldatenräte bringen“. Diese Arbeiter- und Soldatenräte müssten lernen, die einzige öffentliche Gewalt im ganzen Reiche zu werden. Nur auf diese Weise könnten „wir“, also die Spartakisten/Kommunisten, „den Boden so unterminieren, dass er reif wird zu dem Umsturz, der dann unser Werk zu krönen hat.“ Luxemburg deklarierte den Kampf um den Sozialismus als den gewaltigsten Bürgerkrieg, den die Weltgeschichte gesehen habe. Die „proletarische Revolution“ müsse sich für diesen Bürgerkrieg das nötige Rüstzeug bereiten, sie müsse es lernen, es zu gebrauchen, zum Kämpfen und zum Siegen. Die Frau, die sich so gerne als Pazifisten und Ächterin jeglicher Kriege beweihräuchern ließ, wollte einen gigantischen Kampf mit einem nie dagewesenen Blutvergießen.

Rosa Luxemburg war nicht nur eine erbitterte Feindin der aufkeimenden parlamentarischen Demokratie in Deutschland, sondern auch der Sozialdemokratie und ihrer politischen Repräsentanten. In ihrer Rede auf dem KPD-Gründungsparteitag nahm sie insbesondere zwei führende Sozialdemokraten ins Visier: Friedrich Ebert, zu dieser Zeit einer der beiden Vorsitzenden des „Rates der Volksbeauftragten“, der sich engagiert für eine antirevolutionäre Ordnungspolitik und für die rasche Einberufung einer Nationalversammlung einsetzte, und Philipp Scheidemann, der am 9. November 1918 aus einem Fenster des Reichstages die deutsche Republik ausrief und dem Verkünder einer „freien sozialistischen Republik“, dem extremistischen Spartakisten und Kampfgenossen Rosa Luxemburgs, Karl Liebknecht, gerade noch rechtzeitig zuvorkam.

In ihrer Parteitagsrede forderte Luxemburg, dass „die Regierung Ebert-Scheidemann in den Orkus verschwinden“ müsse. Sie machte ihren Genossen Hoffnung auf den Sturz der Ebert-Scheidemann-Regierung und deren Ersatz durch eine „ausgesprochen sozialistisch-proletarisch-revolutionäre Regierung“. Gern und nachdrücklich wird ein falsches Zitat hervorgeholt: „Freiheit ist immer die Freiheit des anders Denkenden“. Es war die PDS-nahe Rosa-Luxemburg-Stiftung, die im Jahr 2001 in der Reihe der Rosa-Luxemburg-Forschungsberichte eine textkritische Ausgabe der „Breslauer Gefängnismanuskripte zur Russischen Revolution“ herausbrachte, in der das vollständige Zitat wiedergegeben ist: „Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden, sich zu äußern“. - Der Unterschied zwischen beiden „Fassungen“ des Zitates ist frappant.

Die Kommunistin Rosa Luxemburg hatte 1899 einen Artikel mit dem Titel „Eine taktische Frage“ veröffentlicht. Darin steht: „Es kann allerdings in der Entwicklung oder vielmehr in dem Untergang der kapitalistischen Gesellschaft Augenblicke geben, wo die endgültige Machtergreifung durch die Vertreter des Proletariats noch unmöglich wäre, ihr Anteil an der bürgerlichen Regierung aber als notwendig erschiene, namentlich, wo es sich um die Freiheit des Landes oder um die demokratischen Errungenschaften, wie die Republik, handelt.“
 
Es war 1918/19 allgemein bekannt, dass im kommunistischen Russland Massenmorde unbeschreiblichen Ausmaßes verübt wurden, trotzdem unterstützte Rosa Luxemburg die Bolschewiki und arbeitete daran, dass es in Deutschland zu gleichen oder ähnlichen Entwicklungen kommen sollte. Mord und Massenmord nahm man in ihrem Lager der fanatischen Weltrevolutionsphantasien leichtfertig billigend in Kauf. In ihren Hetzartikeln schmähte Rosa Luxemburg immer wieder die Ordnungskräfte des Deutschen Reiches und seine von der alliierten Übermacht (Kriegseintritt der USA) geschlagenen Soldaten, denn sie strebte ja das Chaos an in dem allein sich ihre Revolutionsideen verwirklichen ließen. Die von dieser Frau mitbetriebenen Spartakusaufstände brachten nach endlicher Beendigung des Weltkrieges neues Leid und Blutvergießen.
 
Es geschahen unorganisierte Aufstände der aufgeputschten Volksmarinedivision um Weihnachten in Berlin. Diese Aufstände wurden von den Spartakisten aufgegriffen und mündeten in der Besetzung des Gebäudes der SPD- Zeitung „Vorwärts“ und der Reichsdruckerei Anfang Januar. Die Anführer des „Spartakusbunds“ Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht hatten zwischenzeitlich mit radikalen Mitgliedern der USPD die KPD als neue Partei am linken Rand des Parteienspektrums gegründet. Die Spartakusaufstände konnten letztlich mit Hilfe des Militärs und der beherzten Freikorps niedergeschlagen werden. Die Rädelsführer, Luxemburg und Liebknecht, wurden dabei von Freikorpsmännern festgenommen und getötet.
 
In einem ihrer Artikel schrieb R. Luxemburg („Die Rote Fahne“, Nr. 14 vom 14.01.1919): „,Ordnung herrscht in Berlin !’ verkündet triumphierend die bürgerliche Presse, verkünden Ebert und Noske, verkünden die Offiziere der ,siegreichen Truppen’, denen der Berliner kleinbürgerliche Mob in den Straßen mit Tüchern winkt, mit Hurra! zujubelt. Der Ruhm und die Ehre der deutschen Waffen sind vor der Weltgeschichte gerettet. Die jämmerlich Geschlagenen von Flandern und den Argonnen haben ihren Ruf wiederhergestellt durch den glänzenden Sieg - über die 300 ,Spartakisten’ im ,Vorwärts’. Die Zeiten des ersten ruhmreichen Eindringens deutscher Truppen in Belgien, die Zeiten Generals von Emmich, des Bezwingers von Lüttich, erblassen vor den Taten der Reinhardt und Gen. in den Straßen Berlins. Niedergemetzelte Parlamentäre, die über die Übergabe des ,Vorwärts’ verhandeln wollten und von der Regierungs-Soldateska mit Kolben bis zur Unkenntlichkeit zugerichtet wurden, so daß die Rekognoszierung ihrer Leichen unmöglich ist, Gefangene, die an die Wand gestellt und in einer Weise hingemordet werden, daß Schädel und Hirn herumspritzen: Wer denkt da noch angesichts so glorreicher Taten an die schmählichen Niederlagen vor den Franzosen, Engländern und Amerikanern ? ,Spartakus’ heißt der Feind und Berlin der Ort, wo unsere Offiziere zu siegen verstehen. Noske, der ,Arbeiter’, heißt der General, der Siege zu organisieren weiß, wo Ludendorff versagt hat.“
 
Die Soldaten, welche die Agitatorin in solcher Weise unablässig beschimpfte und herausgefordert hatte, begannen das sog. „Flintenweib“ zu hassen und auf eine Gelegenheit der Heimzahlung zu hoffen. So ist es bedauerlich - nicht entschuldbar aber verständlich - dass bei einer Hausdurchsuchung am 15. Januar 1919 Rosa Luxemburg und ihr Geselle Karl Liebknecht in Wilmersdorf durch die Einwohnerwehr verhaftet und nach dem Eden-Hotel, dem Quartier der Gardekavallerie-Schützendivision, gebracht wurden, durch die sie hernach den Tod fanden. Nach der amtlichen Darstellung vom 16. Januar wurde Liebknecht auf der Flucht erschossen, Rosa Luxemburg durch eine große Menge gelyncht. „Die Transportführer traf kein Verschulden.“ Nach den Aussagen im Prozess spielten sich die Tötungen jedoch sehr viel anders ab:
 
Anfang 1919 unterdrückten Freiwilligenkorps in Berlin den Kommunisten-Aufstand unter Führung Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs. Die beiden Rädelsführer irrten verfolgt in der Stadt umher. Bei der Familie Marcussohn in Wilmersdorf fanden sie Zuflucht. Am 15. Januar schrieb Liebknecht in der „Roten Fahne“: „O gemach ! Wir sind nicht geflohen, wir sind nicht geschlagen. Und wenn sie uns in Banden werfen, wir sind da, und wir bleiben da !“ Am Abend des gleichen Tages stöberte Bürgerwehr die Kommunisten-Führer in ihrem Versteck auf und lieferte sie im Eden-Hotel, dem Stabsquartier der Garde-Kavallerie-Schützen-Division, unter dem kommandierendem Generalleutnant Bernhard von Hofmann, ab; Hauptmann Waldemar Pabst führte die notwendigen Abwicklungen. Er verhörte die Gefangenen und befahl die beiden „politischen Verführer“ zu liquidieren. Hauptmann Petri, der im Stabe des Hauptmanns Pabst als Eisenbahn-Referent diente, ließ sich im Foyer des Eden-Hotels durch markige Sprüche vernehmen: „Haut das Schwein ! Liebknecht und Rosa Luxemburg dürften das Hotel nicht lebend verlassen.“
 
Der Platz vor dem Eden-Hotel war leer. Liebknecht wurde aus dem Hotel in ein Auto geführt. Der Jäger Otto Runge schlug ihm zweimal mit dem Kolben auf den Kopf. Liebknecht sank halb bewusstlos zusammen. Die Offiziere saßen und standen um Liebknecht herum, ohne die Schläge zu verhindern. Das bewaffnete Kommando bestand aus den Offizieren Horst von Pflugk-Hartung, Stiege, Liepmann, v. Ritgen, Schultz, Heinz v. Pflugk-Hartung und dem Jäger Clemens Friedrich. Das Auto fuhr am Neuen See entlang in der Richtung nach der Charlottenburger Chaussee. An einer Stelle, wo ein unbeleuchteter Fußweg abging, hielt man an. Liebknecht, noch recht benommen, wurde gefragt, ob er gehen könne. Zwei Leute stützten ihn rechts und links. Zwei gingen vor und zwei hinter ihm. Nach einer kurzen Wegstrecke wurde Liebknecht, weil er einen Fluchtversuch machte, wie es hieß, erschossen. Den ersten Schuss gab Kapitän von Pflugk-Harttung ab, die Leutnants schossen hinterher, insgesamt sieben Schuss. Dann wurde die Leiche als „unbekannt“ in Moabit eingeliefert.
 
Als Rosa Luxemburg durch den Hauptausgang geführt wurde, stand derselbe Jäger Otto Runge an der Tür. Hauptmann Petri hatte Befehl gegeben, man solle dafür sorgen, dass die Luxemburg nicht lebend ins Gefängnis komme. Als die Luxemburg durch die Türe kam, schlug Runge ihr zweimal auf den Kopf, so dass sie umsank. Der den Transport führende Oberleutnant Vogel hatte nichts dagegen einzuwenden. Man schob die „Rote Rosa“ in den Wagen. Als der Wagen abfuhr, sprang spontan ein engagierter Mann hinten auf und schlug nach ihr mit einem harten Gegenstand. Unterwegs schoss Oberleutnant Vogel der Luxemburg noch eine Gnadenkugel in den Kopf. Man fuhr zwischen Landwehrkanal und Zoologischem Garten entlang. Am Landwehrkanal stand eine Gruppe Soldaten. Das Auto hielt, die Soldaten warfen die Leiche auf Befehl Vogels in den Kanal. Am 25. Januar wurde Karl Liebknecht mit zweiunddreißig weiteren Toten der Januaraufstände in Berlin-Friedrichsfelde beigesetzt. Ein riesiger Trauerzug von Kommunisten bewegte sich von der Volksbühne am heutigen Rosa-Luxemburg-Platz über den Friedrichshain nach Friedrichsfelde.
 
Die Garde-Kavallerie-Richter unter Kriegsgerichtsrat Ehrhardt verabscheute Runges Kolbenhiebe und verurteilten den Täter zu zwei Jahren Gefängnis. Die Kriegsrichter sprachen die Offiziere des Kommandos frei und bescheinigten ihnen, sie hätten getrost darauf verzichten dürfen, dem flüchtenden Liebknecht ein „Halt“ und „Hände hoch“ zuzurufen. Wichtiger sei es jedenfalls, dass der Soldat seine Waffe „rechtzeitig und vollständig“ gebrauche. Gegen Oberleutnant Vogel hingegen, den Führer des Luxemburg-Kommandos, entschieden die Kriegrichter, Mord sei „nicht zweifelsfrei erwiesen“. Wegen „Beiseiteschaffung einer Leiche“ und „Dienstliche Falschmeldung“ erhielt er zwei Jahre und vier Monate Gefängnis. Generalstabshauptmann Waldemar Pabst antwortete später auf die Frage, wie sein ziviler Oberkommandierender, der sozialdemokratische Volksbeauftragte Gustav Noske, auf den Tatbericht reagiert habe: „Er hat mir die Hand gedrückt“. (DER SPIEGEL 8/1967)
 
Bild: Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg - „Spartakus“-Wahlplakat gegen den Parlamentarismus, 1920
 
-o-o-o-o-o-o-o-
 
Der Plan einer marxistischen „Weltrevolution“, die, nach der Unterwerfung Russlands durch die „Rote Armee“, als zweites Etappenziel die ideologische und tatsächliche Eroberung Deutschlands anstrebte -, jener die Menschenrechte, bürgerliche Gesittung und Kultur verachtenden, wahnwitzigen und brutalen Idee einer weltweiten „Diktatur des Proletariates“, die durch einen den gesamten Globus umspannenden Kampf, einem sogenannten „Letzten Gefecht“, realisiert werden sollte, putschte einerseits die Hirne von Millionen Arbeitern aufs Gefährlichste auf und andererseits erzeugte sie die ebenso intensiv empfundene Angst von Millionen Bürgern, die dieses von Kommunisten prophezeite Blutbad zu verhindern trachteten. Daraus entstanden die diversen kommunistischen Agitationen und ihre Reaktionen, die Differenzen zwischen internationalistischen und nationalistischen Sozialisten („Internazis“ - „Nazis“), die starken Zuströme einerseits zur „Kommunistischen Partei Deutschlands“ (KPD) und andererseits zur „Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei“ (NSDAP) und schließlich die Konfrontationen die zum Weltkrieg II. führten, mit ausnahmslos allen seinen mörderischen Begleit- und Folgeerscheinungen.