DIE SCHWARZE GALEERE
 
In Niederlanden wimmert das Schreien,
aus den Folterkellern der Inquisition,
wer trutzt den katholischen Teufeleien,
wer widersteht dem spanischen Hohn ?
 
Es tobt die lateinische Kriegermeute,
es wütet die „Spanische Raserei“,
Antwerpen wurde des Satans Beute,
wer macht Brüssel von Alba frei ?
 
Don Fadrique kümmert kein Weinen,
sein „Blutrat“ tagt zu grausigem Schluss.
Aus achtzehntausend toten Gebeinen,
rinnt schrecklich der blutige Aderfluss.
 
Frei sind allein die nordischen Meere,
es wurde ein Volk zu Bettlern gemacht,
doch vor der Küste, die Schwarze Galeere,
kreuzt gegen Spanien zur Nebel-Nacht.
 
Keine Gewalt wird brechen und biegen,
den Willen zur Freiheit und zum Protest.
Einmal doch werden die Bettler siegen,
kämpft für das kommende Friedensfest !
 
Ihr „Geusen“ heran, es ist zu erzwingen,
Freiheitskämpfer für’s Glaubensrecht,
lasst eure Kanonen Gebete singen,
wer sich nicht wehrt vergeht als Knecht.
 
Wohl achtzig Jahre währte das Grauen,
des teuflischen Wahnes Glaubensdiktat
der heut’ noch betörte Männer und Frauen
in kirchlichen Klauen gefangen hat.
 
Der historische Roman „Die schwarze Galeere“ von Wilhelm Raabe, 1861, beschreibt eine Episode des Niederländischen Freiheitskampfes (1568-1648) gegen die spanische Gewaltherrschaft. Die Novelle spielt im November 1599 in und vor der Hafenstadt Antwerpen. Die Schwarze Galeere ist ein Kaperschiff der niederländischen Freiheitskämpfer, welches geisterhaft bei Nacht und Nebel spanische Schiffe angreift, um sie auszubeuten und auf den Grund zu schicken. In dieser Zeit rüsteten viele aus Holland geflüchtete Edelleute und Kaufleute Kaperschiffe aus, die Jagd auf spanische Schiffe machten. Sie teilten sich die Gewinne mit den Besatzungen.
 
Es handelte sich um den verzweifelten Versuch einer niederländischen Gegenwehr, dem verhassten Regime des katholisch-fanatischen und grausamen spanischen Statthalters Fernando Álvarez de Toledo, dem späteren Herzog von Alba, Abbruch zu tun. Dieser Mann war ein hagerer, dunkler Menschentyp mit gelber Gesichtshaut und langem Zipfelbart. Der 1566 gegründete „Geusenbundes“ wurde als Organisation jener calvinistischen und lutherischen Adeligen ins Leben gerufen, die die spanische Unterdrückung und Ausplünderung leid waren und einen anderen König anstreben. Die Freiheitskämpfer nannten sich „Geusen“ (niederländ.  geuzen, von franz. gueux = Bettler), weil sie die spanische Terrorherrschaft, mit ihrer maßlosen Besteuerung, zu Bettlern gemacht hatte. Es gab die zu Lande kämpfenden „Waldgeusen“ und „Wassergeusen“, die mit ihren Schiffen für die Befreiung der Niederlande eintraten. 1566 vollzogen die Truppen von Graf Alba vor den Toren der Stadt Wattrelos ein Massaker an den flämischen „Geusen“. Friedrich Schiller schreibt über die Zustände dieser Zeit: „Alle Kinder, welche die Taufe auf protestantische Weise empfangen, müssen sie von katholischen Priestern noch einmal erhalten; alle Schulen der Ketzer werden aufgehoben, alle ihre Kirchen dem Erdboden gleich gemacht. Beinahe alle niederländischen Städte folgten dem Beispiel von Antwerpen, und aus allen mussten die protestantischen Prediger entweichen. Mit Ende des Aprils waren alle katholischen Kirchen wieder herrlicher als jemals geschmückt, alle protestantischen Gotteshäuser niedergerissen und jeder fremde Gottesdienst bis auf die geringste Spur aus allen siebenzehn Provinzen vertrieben. … Aus den Balken der abgebrochenen Kirchen wurden Galgen für diejenigen erbaut, die sich an den katholischen Kirchen vergriffen hatten. Alle Hochgerichte waren von Leichnamen, alle Kerker von Todesopfern, alle Landstraßen von Flüchtlingen angefüllt. Keine Stadt war so klein, worin in diesem mörderischen Jahr nicht zwischen fünfzig und dreihundert wären zum Tod geführt worden, diejenigen nicht einmal gerechnet, welche auf offnem Land den Drossarten in die Hände fielen und als Raubgesindel ohne Schonung und ohne weiteres Verhör sogleich aufgeknüpft wurden.“
 
Im Jahre 1567 richtete Graf Alba sein williges Mordinstrumentarium ein, den sog. „Blutrat von Brüssel“, der mehr als 6.000 niederländische Unabhängigkeitsbefürworter hinrichten und verbrennen ließ. Die bekanntesten Mordopfer des „Blutrats“ waren die Grafen Egmont und Philipp van Hoorne, welche auch Goethe literarisch gewürdigt hat. Nach Einnahme der Stadt Valencienne durch katholische Truppen fanden Massenhinrichtungen statt, die Bevölkerung wird entwaffnet und die Stadt geplündert. Um den freien Informationsfluss zu unterbinden, drangsalierte Alba den Buchdruck, viele Druckereien wurden verbrannt und Buchhändler verboten. Die spanische Inquisition wurde eingeführt, die ständischen Freiheiten abgeschafft und eine erbarmungslose Katholisierungspolitik betrieben. Spanische Truppen griffen Mechelen und Antwerpen an und plünderten drei Tage lang. Die Schlächterei ging als die „Spanische Raserei“ in die Geschichtsbücher ein. Die Soldaten wüteten mordend, brandschatzend durch die Stadt, forderten von den Bürgern Tribut und zündeten die Häuser derjenigen an, die sich weigerten oder nicht zahlen konnten. Auch die deutschblütigen Niederländer erzielten Erfolge. Im Namen von Wilhelm I. von Oranien bzw. Wilhelm von Nassau-Dillenburg (1533-1584), der zu dieser Zeit in London im Exil lebte, eroberten die Wassergeusen am 1. April 1572 die Stadt Brielle an der Mündung der Maas, und bald folgten weitere eroberte Städte, wie die der Provinzen Zeeland und Holland. Als Statthalter der befreiten Provinzen wurde Wilhelm I. von Oranien (sein ehrendes Denkmal steht vor der Wiesbadener Marktkirche) gewählt, womit ihm faktisch die Führung des Widerstandes gegen Spanien übertragen wurde. Die brutale Unterdrückung durch die spanische Schreckensherrschaft löste eine Flüchtlingswelle bislang ungekannten Ausmaßes aus.
 
1572 entstand das Vaterunser von Gent als Schmähgebet gegen Alba: „Teufel unser, der zu Brüssel du haust, verflucht sei dein Name, vor dem uns graust; von uns dein Reich sich wende zu lang ersehntem Ende; dein Wille mag nie erfüllet werden, wie nicht im Himmel, so nicht auf Erden. Du nimmst uns heute unser täglich’ Brot, Weiber und Kinder leiden viel Not; keinem erläßt Du seine Schuld, drum bewahr’ uns alle vor deiner Huld. Stets wirst du uns in Versuchung führen, so lang diese Lande dein Wüten spüren. Himmlischer Vater, der über uns thront, mach, daß dieser Teufel uns verschont, samt seinem falschen, blutigen Rat, der stets nur Böses im Sinne hat, und schick’ seine spanische Kriegermeute zurück in die Hölle, dem Satan zur Beute. Amen.“
 
Bild: Eigener Linolschnitt, 1966