Das Mondhorn und die „13“
 
 
Die Runeninschrift des Gallehus-Rosengaard-Hornes vom Anfang des 5. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung lobt auf mathematisch akrobatischste Art und Weise die Zahl 13 (siehe dazu den Artikel „Geheime Goldhorn-Logizität")
 
Es handelt sich zwar hier um Zahlenmagie zu Ehren der anzubetenden göttlichen Mächte, aber die 13 hat einen sehr realen Bezug zur „Zeit“ bzw. zum „Jahr“ als Zeit-Synonym. Nachdem es gelang, den tieferen Sinn unserer altdeutsch-germanischen Buchstabenreihe, den 24 Runenzeichen, zu ergründen, wissen wir, dass diese Zeichenreihe linksläufig - von rechts nach links - geschrieben und gelesen wurde. Wird diese Voraussetzung berücksichtigt, dann steht an 13. Stelle der Zeichenreihe die Rune „jera“ bzw. die Jahr-Hieroglyphe. Der Runenschöpfer setzte mithin als Zeichen für die „Zeit schlechthin“ die Zahl 13 ein. Der Horn-Schöpfer Hlewagast verknüpfte die 13 mit seinen beiden Hörnern, den Sinnbildern des zu- und abnehmenden Mondes, jenem „Meister der Zeit“. Im wahrsten Wortsinne ist dieses hier sichtbar werdende Zahlenverständnis, mitsamt dem Mondhorn, steinalt.
 
Der „Kessel von Gundestrup“ ist ein im dänisch-nordjütländischen Himmerland (Land der alten Kimbern) im Rævemose (Fuchsmoor) gefundener silberner, teilvergoldeter großer Kessel (Ø 69 cm, Höhe 42 cm) mit getriebenen Motiven der keltischen Mythologie. Er wurde einstmals in seine Einzelteile zerlegt und in einem trockenen Teil eines Torfmoores abgelegt, wo er 1891 wiedergefunden wurde. Es muss sich um ein in die Heimat geschicktes Beutestück der vor Beginn des 1. Jhs. v.0 in den Süden gewanderten Kimbern und Teutonen handeln. Es ist anzunehmen, dass das prächtige Weihestück, bis zu seiner opferformellen Niederlegung, für Opferrituale der kimbrischen Bevölkerung benutzt wurde. Es handelt sich um 13 reine Silberplatten: eine runde Bodenplatte, fünf längere Rechtecke und sieben kürzere Rechtecke. Ein weiteres kleineres Rechteck ging verloren. Die Bildplatten des runden Kessels zeigen mit höchster Wahrscheinlichkeit den mythischen Rundgang durch das heilige keltische Jahr, so liegt die Verwendung der 13 Gestaltungsplatten ganz in Sinne der alten 13.-Bedeutung, nämlich des Jahresrundes und Zeit schlechthin. Der Fund befindet sich im Kopenhagener Nationalmuseum.
 
In Frankreich fand sich im Jahre 1911 in einer Höhle, nahe dem Schloss von Laussel und der Gemeinde Marquay / Dordogne, eine ca. 20.000 Jahre alte Cella, ein Sakralraum zur Anbetung der Großen Mutter bzw. der damaligen Gottesmutter, in Gestalt einer 50 cm hohen Frauenfigur aus dem Kalkstein als Halbrelief herausgearbeitet. Das in ihrer rechten Hand gehaltene Horn zeigt 13 Einkerbungen, die - nach Auffassung der Wissenschaft - welche die ca. 13 Mondmonate des Sonnenjahres symbolisieren. (siehe Abbildung)
 
Rund, um ihren zentralen Steinblock gelegt, fanden sich mehrere mit Venus-Reliefs geschmückte 40 bis 50 cm große, transportierbare Kalksteinplatten. Die „Venus von Laussel“ ist von ihrem Schöpfer oder ihren Verehrern mit rotem Ocker, der Farbe des Blutes und des Lebens, bemalt worden. In ihrer rechten Hand hält sie das Wisent-Horn das mit den erwähnten 13 Einkerbungen versehen ist. Ihre linke Hand liegt ihrem Leib in Richtung Uterus, Vagina und Vulva auf -, ist doch der weibliche Geschlechtskanal im übertragenen Sinne selbst als ein Horn des Glückes und der Fruchtbarkeit, also jeglicher Wohlstandsmehrung, immer verstanden worden. Der Symbolcharakter dieses 20.000 Jahre alten Frauenreliefs ist als Urbild der Fortuna oder Venus, mit dem segensreichen Füllhorn, bis in unsere Tage hinein verständlich geblieben.
 
Vordergründig und zuerst einmal ist das Horn ein Gleichnis und Inbild des Mondes, denn der Mond galt zwangsäufig in allen Weltkulturen als der große Zeitmesser, gleichgültig, ob man ihn männlich oder weiblich interpretierte.
 
Wir sehen auch, dass die Zahl 13 seit Jahrtausenden als eine Zahl der Zeit verstanden wurde, und zwar von den archäologischen Schichten des Solutréen bis zur Ära des späten Pythagoreismus der germanischen Runenmeister kurz vor Beginn unserer heutigen Zeitrechnung.
 
Alte Spruchrätsel stellen das Wissen ihrer Zuhörer auf die Probe; eine Farörer Fassung lautet: „Ich weiß einen Baum höchst auf dem Berge mit 13 Ästen, 4 Nestern auf jedem Ast, 6 Vögeln in jedem Nest, der 7. trägt eine goldene Feder.“ Die Lösung heißt: Ein Baum mit 13 Ästen ist das Jahr. Im alten germanischen luni-solaren Kalendersystem bedarf es im jeweils 2./3. Jahre eines 13. Monates, um die Zeit zu schalten, damit das Jahr nicht aus dem Ruder lief. Und im altpersisch-zoroastrischen Zervanismus galt dem Zeitgott Zurvan die Zahl 13 als heilig. Es gibt mehrere Erklärungen für die uralte Verbindung der 13 mit Zeit und Jahr: Etwa 13 Mondphasen und weibliche Blutungszyklen (mhd. „Blume“ genannt) ergeben einen Erdumlauf um unser Zentralgestirn die Sonne, also ein Jahr, denn 28 X 13 = 364 Tage.
 
Es wäre nur noch zu erfragen, warum uns Heutigen die 13 so ambivalent erscheint; gilt sie doch den einen als Glücks- den anderen als Unglücks-Chiffre. Der weise Laotse meinte (2. Buch, Kap. 50/115,116): „Austritt ist Leben, Eintritt ist Tod. Des Lebens Begleiter sind dreizehn, des Todes Begleiter sind dreizehn….“ Die 13 ist eben so wankelmütig wie es die Zeit und der launische Mond sind -; mal auf, mal ab -, wir steigen mit der Zeit und fallen wieder mit ihr --, und nach dem Tode schien den Alten der ewige Kreislauf erneut zu beginnen. Die enge Verbindung vom launigen (lunaren) Weib und dem weiblichen Mond drückt sich bis hin zum Begriff "Weib" aus, denn dieses Grundwort aus ahd. wib, niederl. wijf, engl. wife, schwed. viv, bzw. ahd. wifan, nhd. schwingen / winden / weifen, ist etymologisch als "Die-sich-hin-und-herbewegende" zu begreifen.