21.12.2022

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Bilder: Unmittebar nach ihrer Tat und Festnahme. - Erst nach ihrer Scheidung, im Jahre 1981, begannen Wesensveränderungen. Bis dahin war sie schön, glücklich, erfolgreich, intelligent mit hervorragenden Zeugnissen.

 

Adelheid Streidel: „Eine konsequente Frau“


Die Arzthelferin Frau Adelheid Streidel, geb. Fischer (1947-), aus dem Bad Neuenahrer Stadtteil Heppingen, verübte am 25.04.1990 in der Stadthalle von Köln-Mülheim einen Messerangriff auf den Hals des damalige Kanzlerkandidaten der SPD Oskar Lafontaine, der, trotz Blutverlust, nicht tödlich verletzt und glücklicherweise gerettet werden konnte. Es heißt, „die ehemalige Arzthelferin wurde bereits in den frühen 1980ern mehrfach psychiatrisch behandelt, blieb aber verhaltensauffällig. So plakatierte sie beispielsweise an ihrem Wohnort Aufrufe gegen Menschentötungsfabriken, Menschenlager mit Todesfolge der Bonner Regierung und auf der ganzen Erde. Nach einer versuchten Brandstiftung wurde bei Streidel 1986 eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert. Die verschriebene Medikation setzte sie im Mai 1989 ab, worauf sich ihr Zustand verschlechterte bis zu einem Selbsttötungsversuch im Dezember des Jahres.“ Am 23.05.2013 wurde Frau Streidel vom Amtsgericht Kleve nach 23 Jahren unter strengen Bewährungsauflagen auf freien Fuß in die Freiheit entlassen. In Sicherheitskreisen glaubt man, dass die Frau weiterhin eine Gefahr darstellen könnte. In Wachstuben von Sicherheitskräften, die für den Schutz hochrangiger Politiker zuständig sind, hängen so auch mittlerweile Fotos von Streidel. Im Prozess attestierten ihr die Gutachter eine paranoide Schizophrenie mit einem „geschlossenen Wahnsystem“. Streidel stelle weiterhin eine Gefahr dar, vor allem für Politiker. Sie müsse daher dauerhaft in eine geschlossene Anstalt eingewiesen werden.

Eine Kölner Autorin, Ulrike Helwerth, berichtete damals von der Gerichtsverhandlung der zwölften großen Strafkammer des Landgerichts Köln gegen Adelheit Streidel. Das Gericht und die Anklage gingen von „Schuldunfähigkeit“ aus. Gutachter: „Halluzinatorisch-paranoide Psychose“/ Adelheid Streidel bestreitet den Mordvorsatz nicht, fühlt sich aber gesund. Die Frau hatte einen Auftrag, und den hat sie mit großer Energie geplant und ausgeführt. Daß sie „ihr Ziel nicht erreicht“ hat, bedauert sie offensichtlich. „Eine so konsequente Frau habe ich noch nicht erlebt“, sagt Rechtsanwalt Hermann Wegener über seine Mandantin. Die Frau, von der die Rede ist, heißt Adelheid Streidel. Bekannt wurde sie als „die Lafontaine-Attentäterin“. Seit gestern steht Adelheid Streidel vor Gericht. In der Anklage heißt es, sie habe „im Zustand der Schuldunfähigkeit“ einen Menschen, den SPD-Kanzlerkandidaten Oskar Lafontaine, heimtückisch töten wollen. Adelheid Streidel bestreitet den Mordvorsatz nicht. Im Gegenteil: Bei ihrer Vernehmung nach der Tat gab sie zu Protokoll, sie habe einen Politiker töten wollen, „weil ich ein Signal setzen wollte“, daß es in Deutschland Fabriken gibt, wo Menschen getötet werden. Was Adelheid Streidel der Öffentlichkeit unbedingt mitteilen will, lautet mit kleinen Variationen so: Sie sei von „Wissenschaftlern“ informiert worden, daß es in der Bundesrepublik und überall auf der Welt „Menschenfabriken“ gebe, in denen tausende Menschen getötet und zu Fleischkonserven verarbeitet werden. Sie selbst habe eine solche „Institution“ schon einmal besucht. Jesus Christus sei ihr erschienen und habe erklärt, daß die Erde gerettet werden kann. Zunächst habe sie den „Auftrag“ bekommen, die Bevölkerung aufzuklären. Weil das nichts fruchtete, hätte sie „selbst nach Bonn gehen müssen, um einen Politiker zu töten“.

Die Beschuldigte trägt ihre ungeheuerliche Geschichte vor dem Kölner Landgericht ohne sichtbare Emotionen vor. Nur manchmal lächelt sie. Der Auftrag, den Adelheid Streidel bereits 1978 erhalten haben will, wird in den kommenden Jahren immer dringender. 1984 fängt sie an, handgeschriebene Zettel an Bäume und Hauswände ihrer Heimatstadt Heppingen zu kleben - Aufrufe zu Demonstrationen gegen Menschentötungsfabriken der Bonner Regierung. Die sehr zurückgezogen lebende Frau gilt im Ort bald als „verrückt“. Anfang 1986 legt sie in einer Druckerei einen Brand. Daraufhin kommt sie wegen „paranoider Schizophrenie“, die - so das damalige psychiatrische Gutachten - eine „erhebliche Fremdgefährdung“ beinhalte, in die geschlossene Psychiatrie und später in eine Tagesklinik. Nach medikamentöser Behandlung scheint sie soweit gebessert, daß im Juli 1987 die „Gebrechlichkeitspflegschaft“ aufgehoben wird. Doch Adelheid Streidel kommt auf ihren Auftrag zurück. Gemäß ihrer „ privaten Logik“ (Helmut Spies, Gutachter vor dem Kölner Landgericht) plant sie den letzten Schritt. Am 25. April 1990 begibt sie sich zu einer Wahlveranstaltung der SPD in Köln. Am Ende nähert sie sich mit einem Blumenstrauß, einem Poesiealbum und zwei Messern in der Tasche dem Kanzlerkandidaten Lafontaine. Als der gerade sein Autogramm in das Büchlein setzen will, sticht sie zu. „Ist Ihre Mission nun erfüllt?“, fragt der Vorsitzende Richter Bruno Terhorst. „Nein“, sagt Adelheid Streidel, „ich habe mein Ziel nicht erreicht. Solange ich in Deutschland lebe, habe ich den Auftrag, einen Politiker zu töten“. Schuldgefühle lehnt sie ab. Adelheid Streidel, bleich und sichtlich nervös, versucht, nach außen Ruhe zu bewahren und scheint aufmerksam zuzuhören, was Richter und die Gutachter über ihre Krankengeschichte und ihr Krankheitsbild zu sagen haben. Sie unterbricht sie mehrere Male: „Ich möchte, daß sie ins Protokoll aufnehmen, daß ich total gesund bin“.

Die Fachmänner hingegen diagnostizieren der Beschuldigten eine „halluzinatorisch-paranoide Psychose aus dem schizophrenen Symptomkreis“. Die „oberflächlich freundlich und angepaßte Frau“ lebe in einem geschlossenen Wahnsystem und habe keinerlei Einsicht in ihre Krankheit. [mir kam dabei die vorsichtige Erwägung in den Sinn, ob nicht die gesamte deutsche Gesellschaft, seit der „gewaltsamen ungewünschten Befreiung“ von 1945 in einem „geschlossenen  Wahnsystem“ beben könnte ?] Gutachter Helmut Koester, ehemaliger Leiter des Landeskrankenhauses Düren - dort wurde Adelheid Streidel nach der Tat zunächst eingeliefert - findet in dem „weitgehend unauffälligen Werdegang“ der Beschuldigten keine Anhaltspunkte für die Krankheit. Am Rande wird ihre Scheidung 1978, der Tod ihrer Mutter 1989 und zwei Vergewaltigungen erwähnt, die Adelheid Streidel wohl zu Protokoll aber nie zur Anzeige gebracht hat. Die Krankheit ließe sich nur durch psycho-pathologische Symptome nachweisen, die ganz typisch für Schizophrenien seien, so Koester. Seine Prognose lautet: Die Kranke ist kein hoffnungsloser Fall, auch wenn sie zur Zeit hoch gefährlich erscheint. Er empfiehlt die Unterbringung in der Psychiatrie und eine intensive Therapie, zunächst mit Medikamenten, um erst einmal „die Wahnideen zum Wegschmelzen zu bringen“. Danach müsse „sehr sorgfältig“ geprüft werden, ob eine „Restsymptomatik“ bleibe. Auch die Staatsanwaltschaft hat bereits nach §63 StGB die dauerhafte Unterbringung von Adelheid Streidel in einer psychiatrischen Anstalt beantragt. Spielraum für das Urteil sieht Verteidiger Hermann Wegener kaum. Er könne eigentlich nur darauf hinarbeiten, daß seine Mandantin einwillige, die notwendigen Medikamente zu nehmen. Seit ihrer Verhaftung und Einweisung in die Psychiatrie aber verweigert sich Adelheid Streidel jeder medikamentösen Behandlung: „Mir ist zugesagt worden, wenn ich einen Politiker getötet habe, wird mir Hilfe zukommen“.

Die „Wahnideen“ von Frau Adelheit Streidel

Kein Mensch hat sich offenbar ernsthafte Gedanken gemacht wie Frau Adelheid Streidel auf die Idee von „Menschentötungsfabriken und Menschenlager mit Todesfolge der Bonner Regierung“ kam. Auch die fantastischsten Vorwürfe haben zwar nicht immer einen 100 %-igen Wahrheitsgehalt, aber zumeist ein Realitätskörnchen aus dem sie sich entwickeln konnten. Sicherlich gab es wohl nie ein „Menschenlager mit Todesfolgen der Bonner Regierung“, jedoch zu Zeiten der Bonner Regierungen gab es solche Lager auf BRD-Boden sehr wohl. Unbekannt ist wie lange die Besatzungsmächte diese Lager unterhielten. Bekannt geworden sind die Britischen sog. „Internierungslager“ bzw. „Verhörzentrum Bad Nenndorf“. Von der Heimatgemeinde der A. Streidel, Heppingen nach Bad Nenndorf sind es knappe 300 km. Möglicherweise wurden der jungen Frau Streidel die Folterungen und Tötungen in der Badeanlage des „Winkler-Bades“ bekannt, welche die Britische Rheinarmee betrieb. Es wurde dort gefoltert, offiziell von Juni 1945 bis Juli 1947. Das britische „War Office“ richtete das Internierungslager als streng abgeschirmtes „Geheimgefängnis unter der Bezeichnung „No. 74 Combined Services Detailed Inter rogation Centre“ im Gebäudekomplex Winckler-Bad sowie angrenzenden Bauten. Das Gefängnis unterstand dem Geheimdienst, der „Britischen Rheinarmee“ und der „Britischen Militärregierung“ gemeinsam. Hier wurden Menschen gequält und ermordet, die den Engländern ein Dorn im Auge waren, weil sie sich gegen den Überfall Englands gegen das Deutsche Reich zur Wehr gesetzt hatten, um die Freiheit ihrer Nation zu gewährleisten. Deutsche Diplomaten, Offiziere der Abwehr und aller Wehrmachtsanteile waren hier den Schikanen der Sieger wehrlos ausgeliefert. Angeblich wurden im Internierungslager Bad Nenndorf 372 Männer und 44 Frauen inhaftiert und verhört, oft unter Folter. Wie hoch die wirkliche Zahl ist entzieht sich der Kenntnis. Opfer waren alle patriotischen Verbände der Hitlerjugend, SA, SS, Waffen-SS, Geheimdienst und der Abwehr, sowie Funktionäre der NS-Behörden. Die Briten versuchten mit brutalen Befragungsmethoden Informationen zu bekommen. In mindestens einem belegten Fall sollen Folterwerkzeuge wie Daumen- und Schienbeinschrauben benutzt worden sein. Als Internierte im Frühjahr 1947 in das Internierungslager Fallingbostel verlegt wurden, sickerte durch, dass in Bad Nenndorf katastrophale Zustände herrschten. Nach Interventionen der katholischen Kirche, eines britischen Kardinals und des Labor-Abgeordneten Richard Stockes soll das Internierungslager geschlossen worden sein. Es kam sogar Frühjahr 1948 zu einem Prozess in London. Der Lagerkommandant Colonel Robin Stephens, einige Vernehmungsoffiziere und Wachen sowie der Lagerarzt wurden angeklagt. Im Prozess trat der Internierte Graf Robert Treusch von Buttar-Brandenfels auf, der in Bad Nenndorfer Haft in der „Wasserzelle 12“ seine Zehen durch Erfrierungen verloren hatte. Nur der Lagerarzt wurde durch Entlassung aus der britischen Armee verurteilt. So sah das bei den „Fairplay“-Briten aus ! Es wurde trotz der Freisprüche festgestellt, dass die Internierten menschenunwürdig behandelt und misshandelt worden waren, mit der Folge, dass einige von ihnen bleibende Schäden davontrugen. Viele der Internierten kamen nach der Schließung des Internierungslagers Bad Nenndorf anschließend in das „Camp Roosevelt“ in Hemer oder das „Internierungslager Eselheide“ bei Paderborn. Der militärische Geheimdienst Englands richtete als Ersatz für Bad Nenndorf kurz darauf ein neues Vernehmungslager ein, das aber von der britischen Regierung sofort wieder geschlossen wurde, angeblich vom zuständigen „Deutschlandminister“ persönlich. Nach den journalistischen Recherchen und Reportagen sind zumindest ein Teil der in Bad Nenndorf Internierten von britischen Truppen systematisch misshandelt worden, einige zu Tode gefoltert worden. Ursprüngliches Ziel des Lagers sei die Inhaftierung von Mitgliedern der Waffen-SS gewesen, für deren militärischen Erfolge im Krieg man sich englischerseits nur nach dem Krieg rächen wollte. Später seien allerdings auch Industrielle, Waldbesitzer oder selbst Mitglieder linker Gruppierungen in diesem Lager interniert worden. Der englische Journalist Ian Cobain berichtete, dass sogar ein deutscher Jude aus Buchenwald in diesem Internierungslager inhaftiert worden ist. Der Historiker Heiner Wember wertete die englischen Internierungsakten aus und beschrieb die britische Internierungspolitik und die Prozesse gegen 19.000 Internierte. Auch die US-amerkanischen Besatzungsbehörden unterhielten solche Verhör- und Folter-Camps für Deutsche in denen sie sich nach Herzenslust an den ihnen ausgelieferten  Menschen austoben konnten.