Platonisches Hochzeits - oder Geburtsdreieck
Der Runenschöpfer ordnete sein System in Übereinstimmung mit der Betrachtungsweise, die uns Plutarch über das platonische „Geburtsdreieck“ vermittelt („De Iside et Osiride“, Kap. 56). Eigentlich war es das „Dreieck des Pythagoras“, mit den Zahlengrößen 3-4-5, dem der Satz des Pythagoras a²+b² = c² zugrunde liegt. (siehe Abb.) Das Produkt dieser pythagoreischen Zahlen (3x4x5 = 60) beträgt in QS-Bildung wieder 6. Bei Plutarch entspricht die Weltenmutter Isis dem Stoff und der 4 (Tetras), der Vater Osiris steht mit der 3 (Trias) für das geistige, befruchtende Urbild, also die Idee. Im Dreieck, nach „rechtwinkliger“ Vermählung, wächst auf schräger Verbindungslinie, der Hochzeits-5, das Produkt von Erdmutter und Geistvater: der Urmensch (m-Rune), der Logos oder „Große Mensch“ der Gnostiker, also das Schöpfungs-All (2 Spitzen oben !) - getreu der Einsicht von der Identität des Makro- und Mikrokosmos. Die Summe dieser kosmogonischen Dreiecks-Zahlenfolge (3-4-5) ist 12, die Ziffer der runischen Weltbaum-Eibe (ei-Rune). Die Aufsummierung der 12 wiederum ergibt 78, das Zahlenpaar 7 und 8, also runische Erdmutter (b-Rune) mit Himmelsvater (t-Rune). Die Addition des Weltelternpaares erbringt über den Wert 15 wieder QS 6. Die Araber trugen diese hellenistische Zahlensymbolik in den nordafrikanischen Raum, deshalb gelten bei den Stämmen des Sudan die Zahlen 3 für Mann, 4 für Frau und 5 für Hochzeit. Bei den nigerianischen Ekoi symbolisiert das (2-Spitzen-oben !) Hexagramm-Zeichen Liebe. (Walter Burkert, Weisheit und Wissenschaft, 1962, S. 444)
Die vorliegende Runensinn-Reihenfolge ist also nichts weniger als logisch, eine andere müsste unrichtig erscheinen. Ist die 5 als Menschenzahl vorgegeben, die 4 mit weiblicher, die 3 mit männlicher Sinngebung belegt (worin antike Übereinstimmung bestand) und die 1 durch die Mythologie als urstofflich-erdmütterlicher Anfang bestimmt, kann eine Elementenfolge und Genesis nicht anders beschrieben werden. Im Runenbeginn liegen aber zwei konvergierende Geburtsdreiecke verborgen, denn Erde und Wasser (o-Rune + l-Rune) stehen zueinander wie Mutter und Tochter, und Luft und Feuer (d-Rune + ing-Rune) verhalten sich zueinander wie Vater und Sohn. In der mythologischen Deutung geht die Mutter in der Tochter auf, geradeso wie der Sohn im Vater. Das Grundschema ist alt und Allgemeingut vieler Kulte, gewisse Abweichungen eingeschlossen. In Platons „Timaios“ (50 C f) heißt es: „Wir müssen uns drei Gattungen denken, das Werdende, das, worin es wird, und das, dem ähnlich werdend das Werdende entsteht. Und es ziemt sich wohl, das Aufnehmende der Mutter, das von dem es herrührt, dem Vater, die dazwischen liegende Natur aber dem Geborenen zu vergleichen.“ Sein Schüler Xenokrates (?-314 v.0) lehrte: 1. männlicher Weltgeist, 2. die den Geist in sich aufnehmende weibliche Weltseele und 3. ihren Sohn, den Kosmos. Die drei Prinzipien wären demnach: Weltgeist, Weltseele, Weltkörper. Auch der der Stoa nahestehende Philon v. Alexandrien (25-50 n.0) teilte ein: 1. der „Vater des Geschaffenen“, 2. Mutter ist die „Weisheit des Schöpfers“, mit der Gott sich vereinte, 3. der „sinnlich wahrnehmbare Sohn, unsere Welt“, der Kosmos, der auf geistiger Ebene gleichzeitig der die Welt durchdringende und zusammenhaltende Logos ist. Der bedeutende Gnostiker und Magier Simon Magus von Getthon aus Samaria (Mitte 1. Jh.), der die hochmütige Eschnaton'sche-Jahwe'sche Eingottlehre bekämpfte, definierte die drei Prinzipien so: Männlicher Geist (Vatergott) und weiblicher Gedanken (Muttergottheit) und der zwischen ihnen gezeugte mannweibliche Weltschöpfer bzw. das Weltall.