SONNEN-THEOLOGIE - I.

 
Durch eine überwältigende Menge von eindeutigen Zeugnissen ist unser Wissen um die germanische Sonnen-Theologie gefestigt. Damit stand Germanien nicht allein. So wie den Griechen der Sonnen-Soter Apollon neben Helios verehrt wurde, so  gab es auch einen alten römischen Sonnenkult, der wohl auf die Zeit der Stadtgründung durch Romulus zurückging und von dem sagenhaften Sabinerkönig Titus Tatius eingeführt worden sei. Der altrömische Sonnengott wurde Sol Indiges („einheimischer Sol“) genannt und zusammen mit der Mondgottheit Luna verehrt. Den großen Förderer seines Kultes fand Sol in Kaiser Aurelian, der nach seinem Sieg 272 n.0 bei Emesa gegen das Heer der palmyrenischen Herrscherin Zenobia, den dortigen Sol-Elagabal-Tempel aufsuchte, um dem Gott für Hilfe in der Schlacht zu danken. Er betrachtete den Sonnengott fortan als seinen persönlichen Schutzherrn (auf Münzen: conservator Augusti, „Bewahrer des Kaisers“). Zwei Jahre später erhob er Sol zum „Herrn des Römischen Reichs“ (dominus imperii Romani), richtete für ihn einen Staatskult ein und baute ihm einen Tempel, der i.J. 274 eingeweiht wurde. Seine Priester stammten aus den vornehmsten Familien Roms. Mit dem neuen Staatskult knüpfte Aurelian an die bestehende einheimische Sol-Verehrung an und nicht an den fremden Elagabal-Kult, setzte aber mit der Verbindung zur kaiserlichen Siegesmacht einen neuen Akzent. Der neue Staatskult wurde allgemein positiv aufgenommen; offenbar entsprach er einem Bedürfnis der Zeit. Der von Aurelian reichsweit eingeführte Feiertag - der Geburtstag des Sonnengottes am 25. Dezember - erwies sich als so stark im Volk verwurzelt, dass er sogar die Umdatierung des christlichen Weihnachtsfestes erzwang. Daneben war damals im Reich der Kult des solaren Mithras in Militärkreisen weit verbreitet. Sowohl die Mithras-Anhänger, ebenso wie die Elagabal-Anhänger, nannten ihren Gott auch Sol Invictus („unbesiegbarer Sonnengott“). Die Sonne bringt mit ihrem Licht alles an den Tag, und so bleibt dem Sonnengott nichts verborgen. Helios ist „allerschauend“, daher allwissend und Zeuge von Freveltaten. Diese Eigenschaft zeichnete auch Sol aus, und so erhielt er im 1. Jahrhundert n.0 eine neue und sehr wichtige Aufgabe, nämlich den Kaiser vor Gefahren zu schützen. Kaiser Vespasian weihte dem Gott 75 n.0 eine riesige Statue. So entwickelte sich Sol zum Schutzgott der Herrscher. Unter den Kaisern Trajan und Hadrian erschien Sol auf Münzen. Als Beiname des Mithras kam der Begriff „Sol Invictus Mithras“ schon im 1.Jh. n.0. vor, während „Sol Invictus“ für den röm. Staatsgott inschriftlich erstmals 158 auf einem Altar bezeugt ist („Soli Invicto Deo“). Auch Kaiser „Konstantin der Große“, der den Christianismus aus Staatsraison zur Staatsreligion erhob, verehrte ihn lange Zeit, ließ ihm in Konstantiopel eine hohe Säule errichten und ließ sich erst auf dem Sterbebett christlich taufen.
 
Als Geburtstag des Invictus („dies natalis Invicti“) galt im 3. Jh. der 25. Dezember. Auf dieses Datum hatte Julius Cäsar bei seiner Kalenderreform den kürzesten Tag des Jahres festgelegt, den Tag der verfügten Wintersonnenwende, obwohl es eigentlich der 21. Dezember war. Der älteste Beleg für den Geburtstag ist die Notiz in einem ägyptischen Kalender, wohl aus dem 3. Jh., wo vermerkt wurde: „Geburtstag der Sonne; das Licht nimmt zu“. Ein anderer Eintrag im selben Kalender verzeichnet die Wintersonnenwende für den 22. Dezember, denn dort war sie zur Entstehungszeit des Eintrags angekommen. Der Widerspruch ergibt sich daraus, dass der eine Eintrag den tatsächlichen astronomischen Sachverhalt wiedergibt, der andere das traditionelle kalendarische Datum.
 
 
Sonnenmotive auf dem ca. 3.500 Jahre alten Goldreif
(Fund von Gessel / Bremen)
 
 
Sonnenkult-Kalendersystematik
 
 
Von Rom aus bedurfte es keiner Beeinflussung der Germanen zur Sonnen-Religion, sie war im Norden allgemein und fest verankert, wie es die Sonnensymbolismen der germ. Kleinkunst verraten. Auch im ODING Gefüge besitzt die Sonne einige eigene Stäbe. Da ist zuerst die Sonnen-Rune „sowilo“, die aussagestark an 9. Stelle steht, zudem befindet sich an 3. Position der Sonnengott Ingo-Frō, der altnord. Ingvi-Freyr. Aber auch der Ahnen-Seelengeist-Gott Wodin-Odin selbst hatte zur Zeit der Runen-Schöpfung bereits solare Züge angenommen. Dass der kürzeste Tag, die Wintersonnenwende (WSW), gewissermaßen der Null-Punkt des Jahres und damit auch der Kalender-Berechnung ist, war seit Jahrtausenden bekannt, wie die stichbandkeramischen Sonnen-Observatorien unter Beweis stellen. So zeigt beispielsweise der über 7.000 Jahre alte Sonnen-Tempel von Goseck (bei Naumburg/Saale), dass dort „Weihnachtsfeiern“, einhergehend mit Stieropfern, vollzogen worden sind. Den Zeitraum der Wintersonnenwende selbst nannten die aus dem deutschen Norden stammenden Angelsachsen, wie es der mönchische Historiker Beda Venerabilis beschreibt, „modraneht“ (Mutternächte), wohl weil es die Mutternächte sind aus denen das neue Jahr geboren wird. Aber diese Zeitphase der modraneht, mit ihrer Odal-Geburts-Rune ist selbst wieder geboren aus der Großen Mutter die durch die 7. Rune, die B-Rune () markiert wurde. Denn die „Mutter der 7“ ist ebenso als eine Art Uranfang zu sehen. 7 ist die Weltzahl, die Frauenzahl, was sich auch aus ihrer Theosophischen Addition ableiten lässt (1+2+3+4+5+6+7 = 28), entsteht doch aus 28, durch QS-Ziehung, wieder der Uranfang, nämlich 1. Die Ur-Mutter, die weißhäutige Birken-Göttin steht genau 9 synodische Mond-Werdeschritte vor der Odal-Rune, in der Frühlingsgleiche (FG), der Lichtsiegestation über die Winterdunkelheit. Hier findet die Muttergöttin, mit allen ihren „7 Sachen“, die Kraft zur Empfängnis und der 9 Monate später erfolgenden Jahres-Geburt.  
 
 
 
Sonnenmotiv auf Boden einer bronzezeitlichen Goldschale (ca. 3.500 v.0)
vom Mus. Stralsund - von eigenem Foto, 1994
 
 
Die Erscheinung der Sonne erfolgt erst ca. Mitte Januar, erst zu dieser „Mittwinter“-Zeit - wie man im Norden sagte - ist ein erneutes Sonnenbogenwachstum festzustellen. Hier steht die Ingo-Frō-Rune (  - ) des alten germ. Sonnen- und Fruchtbarkeits-Gottes. Hier, zur Mittwinter-Frō-Feier wurde das Ende der beiden Jul-Monde namens „giuli“ erreicht. Das Jul-Fest war also die End-Feier der zweimondigen Sonnenstillstands- und Jul-Phase. Der Feiertag lag - den Mondschwankungen entsprechend - im Idealjahr aber etwa auf dem 20. Januar. Nach 9 Werdeschritten wird aus dem Ingo-Frō, der 3. Rune, der Ase Wodin-Odin auf 21. ODING-Position () -, analog des mythischen Prozesses wie der altägyptische Horus zum Osiris reift. Natürlich ist die 21 in ihrer QS wieder als Gotts-Drei erkennbar, aber die Zahl 21 hat eine eigene hohe solare Aussagefähigkeit, wie sie sich aus einigen Funden erweist. Da die 7 eine Weltzahl ist, wäre die 3x7=21 die vergeistigte 7. Schon der arioindische Veda sagt: „Die Sonne ist gleich 21“ (Cankhayanacrauta-Sutra 16,3,9). Eine frühgerm. bronzezeitliche Goldschale, die im Museum von Stralsund aufbewahrt wird, zeigt auf der Bodenplatte das Vierflammenkreuz, umgeben von einem 17-Flammen-Kranz, also 21 Sonnen-Flammen (vgl. Abb.). Die solaren Flammen-Symbole stellen ersichtlich die Kursivformen der 9. Rune, dem Sonnen-Zeichen ( S_klein.JPG ) dar. Der geglaubte solare Charakter des Wodin-Odin wird daraus ersichtlich. Aber jetzt erst nochmals die Erklärung, was es mit den „Werdeschritten“ auf sich hat: Eine menschliche biologische Mutterschaft währt 265 Tage und 9 Stunden, das sind 9 synodische Lichtmonde. Der Runen-Schöpfer verwendete die Zeitenschritte von 9 Monden, um damit eine mythische Metamorphose auszudrücken. Die Christenkirche hat aus missionstechnischen Übertölpelungsgründen immer Ersatzspieler - sog. „Heilige“ - für die germ. Götter angeboten. Im Zeitraum des Ingo-Fō, dem das Attribut des Sonnen-Ebers „Gullinbursti“ zugedacht war, platzierte sie den hl. Anton mit dem Schwein (17. Januar), den der Volksmund den „Swine-Tüns / Ferkes-Tünn“ (Schweine-Anton) nannte. Die anbiedernde Nachäfferei der Kirche ging so weit, dass sie an diesem Tag an die Armen ein Art Schweine-Opfer verteilte. Und in den Zeitraum der schwankenden mondabhängigen Feste für den Asen Wodin legte die Kirche den Erzengel Michael und den „Aller-Engel-Tag“ auf den 29. September. Der 14. Oktober gilt traditionell im Norden als „1. Wintertag“. Auch den Wodin-Stellvertreter hl. Gallus (Gallus = Wut = Wodan) gab man auf den 16. Oktober. Und den hl. Martin, mit seinem wodinischen blauen Himmelsmantel, sicherheitshalber noch auf den 11. November, denn die altgläubige Asa-Alfa-Feier konnte bis dorthin schwanken.
 
 
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Odal-Rune gebiert das Sonnenjahr:
 
Und die Odal-Rune, das erste Zeichen im ODING-System gebiert das Sonnenjahr in Gestalt der 4 astronomischen Eckpunkte des Jahres, nämlich den beiden Sonnen-Wenden und der beiden Sonnen-Gleichen. Denn von der Wintersonnenwende (21.12.) der O-Rune führen 9 Geburtsschritte zur Herbstgleiche (23.09.) der K-Rune, von dort führen 9 weitere Werdeschritte zur Sommersonnenwende (21.06.) der geteilten Jahr-Rune und von dort nach 9 Schritten zur Frühlingsgleiche (21.03.) der B-Rune und diese mündet wieder nach 9 Schritten zur Wintersonnenwende (21.12.) der O-Rune zurück.