MUTTER NATUR
Alle Lehrer können irren,
Scharlatane schreiben Bücher,
Eulenspiegel gründen Lehren,
Blinde schwingen Fahnentücher.
Kranke Köpfe auf den Kanzeln,
auf Lehr-Stühlen eitle Geister,
Falschmünzer gibt es und Verwirrer
und wenig ehrenwerte Meister.
In der Welt von Trug und Täuschung,
steh’n die Schüler und sie schauen,
welchen Wegen, welchen Worten,
darf ein junger Mensch vertrauen ?
Eine Richtschnur ist zu raten,
einen Maßstab kann man nennen,
prüft die Flut der Menschenlehren,
an der Wahrheit die wir kennen.
Ihre große Welten-Wahrheit
schenkt die Göttin der Natur -;
wer es ernst meint mit der Suche,
folgt beharrlich ihrer Spur !
Vergleicht Gesetze unserer Mutter,
mit der Menschen Rat und Tat,
steh‘n sie nicht in gutem Einklang,
wächst daraus der Menschen Schad‘.
Die Natur siegt stets am Ende !
Wer sich ihr entgegenstemmt,
wer sich unklug ihr zum Feind macht,
wird zermalmt und weggeschwemmt.
Manchmal dauert‘s tausend Jahre,
dass ein Irrtum leben darf,
Mutters Schüttel-Siebe dreh‘n sich,
scheiden langsam aber scharf.
Ein Grundsatz-Ratschlag müsste lauten:
Flieht Ideen und Religionen,
die nicht in Mutters Erden-Haus
liebend gern und dienend wohnen !
Bild: Der Forscher sucht die Spuren der Göttin Natura. Aus: Michael Maier, Atalanta Fugiens. 1618. Emblem XLII. S. 177; vgl. Michael Maier, Chymisches Cabinet, 1708, S. 124