Die Steinmetzzeichen Böhmens nach Karl Schefczik
 
STEINMETZ-ZEICHEN
DES BÖHMERWALDES
 
Es gibt etwas, so steinzeit-alt,
so „älter wie der Böhmerwald“.
Ein alter Spruch aus Bayernland
will sagen: „Alter unbekannt !“
 
So alt sind unsere Runen auch,
seit der Steinzeit im Gebrauch;
als heilige Zeichen hoch geehrt,
mit der Meister Sinn beschwert.
 
Böhmerwald, du Heimat-Horst,
die Wilde Jagd geht um im Forst.
Karlsburg thront bei Reichenstein,
Ödschlössel will beachtet sein.
 
Markomannen wohnten hier,
das war germanisches Revier.
Kannten die schon Runenschrift,
oder nur das römische Gift ?
 
Nutzten sie als Schrift die Runen,
wussten außer Wut und Wuhnen,
viel Geheimes drüber her ?
Leider wissen wir‘s nicht mehr.
 
Nur, dass Zeichen sie besessen,
blieb bis heute unvergessen;
Markomannen waren Sueben,
nordische Germanen eben.
 
Sie nutzten starke Sinnbild-Marken,
träumten von den Sonnen-Barken,
doch als die Pfaffenmacht begann,
geriet ihr Glaubensgut in Bann.
 
Da ging es in den Untergrund
und blieb allein den Kennern kund.
Auch die Runen wurden kryptisch,
noch kryptischer als Altägyptisch.
 
Sie wollten nicht von dannen weichen,
bargen sich in Steinmetzzeichen,
sie lebten im Geheimen fort,
an diesem und an jenem Ort.
 
Die Zeichen am „Markomanischen Turm“
zu Klingenberg in Böhmen nach Gustav Thormod Legis
 
Gustav Thormod Legis bespricht in seinem Buch „Fundgruben des alten Nordens“, 1829 ab Seite 113 „Die Steinzeichen auf dem sogenannten Markomanischen Turm zu Klingenberg in Böhmen“ und führt beginnend aus: „Beinahe zehn Jahre sind es, seit man der, nunmehr gänzlich in Ruinen liegenden Veste Klingenberg (…) eine nähere Aufmerksamkeit schenkt. Die nächste Veranlassung hierzu gaben mehrere, daselbst in die Quadern des alten Thurmes eingehauene Zeichen, deren theilweise Aehnlichkeit mit den Schriftzügen einiger alter Völker allsogleich die regste Theilnahme einheimischerund auswärtiger Alterthumsforscher erweckte. Man sah darin bald griechische Buchstaben, bald Keilschrift; endlich sogar, und zwar ganz deutlich - Runen. Die letztere Meinung gewann hauptsächlich desshalb zahlreiche Anhänger, weil derselbe Thurm, auf welchem die gedachten Schriftzüge sich finden, noch ein Uiberrest der Markomanischen Baukunst sein, d.i. mindestens aus dem fünften Jahrhunderte, dem Zeitalter der Markomanen in Böhmen, herrühren soll. …. Um denn endlich vor dem völligen Einsturz des allmälich morschenden Klingenberger Thurmes die Sache mit der Inschrift noch mehr in‘s Reine zu bringen, entschloss ich mich im Frühlinge des Jahres 1828 selbst dahin zu reisen, und habe sofort an Ort und Stelle mit der grössten Treue und Genauigkeit die Abzeichnung aller noch einigermassen sichtbaren Zeichen vorgenommen. … Es sind Steinmetzzeichen.“
 
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Ein Herr Karl Schefczik aus Krummau im Böhmerwald fertigte die obige Sammlung von Steinmetzzeichen und bot sie dem Väterkunde-Museum zu Bremen an. Dieses schickte sie mit obigem Schreiben vom 19.12.1933 an Prof. Dr. Herman Wirth weiter.
 
Die Kleinstadt Krummau („Krumme Aue“) liegt an einer Flussschleife der Moldau, etwas westlich der Hauptstraße Linz - Prag. Die besondere Lage der allseits vom Wasser umflossenen Altstadt macht den besonderen Reiz des Ortes aus. 1253 wurde Krummau erstmals urkundlich erwähnt, bereits 1309 wird die Siedlung als Stadt bezeichnet. Als Gründer wird ein Wittigo von Krummau genannt, wenig später ging der Besitz an das Adelsgeschlecht der Rosenberger über. Mit einem Zunftbrief von 03.08.1497 ernannte Peter von Rosenberg den Steinmetz Hans Genzinger zum Obersteinmetz und verlieh ihm das Recht in Krummau eine Steinmetzzeche nach dem Muster der Passauer Bauhütte zu gründen. Nach dem Aussterben der Witigonen und Rosenberger wurde diese Zunftordnung am 30.04.1614 durch Kaiser Mathias (1557-1619) in Linz bestätigt, an den die Rosenberger Besitzungen gefallen waren. Unter den Habsburgern wechselte der Besitz der Stadt zum Geschlecht der Eggenberger und schließlich dem der Schwarzenberger. All diese Adeligen haben ihre Spuren in der Stadt hinterlassen. Bis zum 2. Weltkrieg war die Stadt und das Umland von deutschstämmigen Menschen besiedelt, nach 1945 wurden sie aufgrund der sog. „Beneš-Dekrete“ (Aufforderung und Legitimierung zum Massenmord an Deutschen) mit Einwilligung und Duldung der alliierten „Befreier Deutschlands“ für vogelfrei erklärt, ermordet (um 270.000) und vertrieben (um 3 Millionen). Nach tschechischen Berichten wurden nach dem 8. Mai 1945 innerhalb von nur 14 Tagen 27.000 »Selbstmorde« von Sudetendeutschen »amtlich« gemeldet.
 
http://www.rathay-biographien.de/Vertreibung-Massaker/sudetenland.htm
 
Bei der Tafel des Böhmerwälders Karl Schefczik aus Krummau lag ein dreiseitiger Brief in dessen Verlauf er interessante Informationen zu den Steinmetzzeichen lieferte. Daraus gebe ich wieder: Die Zeichen 1-4 stammen vom Haupttore links der von Peter v. Rosenberg 1330 gegründeten Kirche zu Krummau. Die Steinmetzbruderschaft hatte hier den eigenen Leonhardi-Altar, der 1508 gestiftet wurde. Vom Haupttore rechts stammen die Zeichen 5-10. Vom Gewölbe außen rechts: 11-17, an Säulen: 18, 21, 22, am Tor der Nordsakristei: 19, 20. Die Zeichen 23, 24, 25 erscheinen auf einer marmornen Grabtafel an der Außenseite der Kirche. „Von Privathäusern der Stadt seien das Haus Miko Rro 129 in der Rathausgasse mit Zeichen 26, 27 am gotischen Tore, Eingang Fleischgasse und 28, 29 auf einem der 6 Vorbaugewölbeträger in der Rathausgasse, sowie 30-34 an Vorbauträgern der am Rückteile des sog. Goldenkronerhause erwähnt. Dieses Haus wurde vom Goldenkroner Kloster im Jahre 1309 erbaut, dem Jahre in welchem Krummau zur Stadt erhoben wurde. Das Zeichen 35 stammt von einem Umbau der Präfektur. Als Kreibenzahl nach meiner Deutung 1555, was mit der aus Bauakten ersichtlichen Bauperiode übereinstimmt. Der Baumeister T.R. ist bis heute unbekannt geblieben. Der Ort Gojau, zum erstenmale erwähnt 1253, ist mit den Zeichen 36-51 vertreten. Auf den Friedhofstoren 36, 37, 38. Auf dem Kirchenhaupttor links 39. 40 u. 41 auf dem zweiten Kirchtor. 42-50 auf den herrlichen Säulen dieser gotischen Kirche, welche in den Jahren 1474 bis 1485 unter Pfarrer Pils erbaut wurde. 51 vom Pfarrgebäude. Die nachfolgenden Zeichen 52-56 stammen aus Polletitz. Das germanische Radkreuz vom Kirchturm, 52. 53, 54, 55 von der Sakristeitüre, 56 von den Gewölberippen des gotifizierten Presbyteriums. Diese Kirche war eine der ersten der Gegend. Schiff und Presbyterium wurden gleichzeitig mit dem Bau der Sakristei um 1480 umgebaut. Der Turm steht in seiner ursprünglichen Gestalt in romanischem, besser altdeutschen Stil. Kopf und Fuß der Fenstersäulen zieren eine Zusammenstellung von Lilie als Dreiflamm und germanischer Wendelkreis, nebst dem Wirtel am Schaft. Die gotische Sakristei gehört mit einem vollendeten Netzgewölbe und 15 herrlichen Kragsteinen zu dem Edelsten, was die Gotik im Böhmerwalde hervorgebracht hat. Der Ort Lagau ist mit den Zeichen 57 und 58 am Sakramentenhäuschen vertreten. Die kleine Kirche wurde 1313 von Ritter Busko von Harrach  neben seinem Rittergut erbaut. Czernitz weist in der Kirche, welche auf romanischer Basis um 1500 gotisch umgebaut wurde, an dem einen der beiden Triumphbögen, welche den Turm tragen, das Zeichen 59 auf.  In dem von Kloster Goldenkron um 1397 errichteten Hof ist auf einer Brunneneinfassung das Zeichen 60, eine Kreibenzahl, mit der Bedeutung von 1455, auf einem gotischen Meisterschild. Eine auf einer gemeisselten Fahne ersichtliche Zahl 1000 gab Anlass, dem Hof die Bedeutung eines Ritterhofes aus dem Jahre 1000 beizumessen, während uns der gotische Steinmetz nur seine 1000. Erzeugung mitteilt. / „1000 auf der Fahne“ / Ottau zeigt die Zeichen 61 bis 78. Die heutige Kirche wurde um 1409 erbaut. 61, 63, 64, 65, 66 von den Kirchtoren, 192, 193 u. 194 ober der Kanzel, 195 vom Sakramenthäuschen, 62, 67 bis einschließlich 78 von den Eckständern an der äußeren Kirche. Das alte Kloster Goldenkron ist mit den Zeichen 79 bis 143 vertreten. […] 79, 80 u. 81 vom Tor der Stiftskirche. 82 bis 108 sind sogenannte Steinhauerzeichen von den Quadersteinen der Stiftskirche außen. 109 und 110 sehen wir an den  ältesten Ecksäulen der Stiftskirche beim Abschluß des Presbyteriums zum Querschiff. 111 bis 129 von den Säulen im Schiff. Nach alter Klosterregel nahmen sich die ersten Mönche aus Heiligenkreuz ein Tor mit. Dieses Tor in der ehemaligen Schutzengelkirche mit den buddhaähnlichen Traggestalten und den Eichblattsäulenköpfen, stellt eine frühgotische Arbeit aus dem Jahre 1225 dar und ist aus Badener Kalkstein angefertigt. Die Zeichen 130 bis 135 sind von diesem Tor. Ein altes Tor im Kreuzgang hat die Zeichen 136, 137, 139, 140, 141, das erst z. T. freigelegte gotische Tor im Kreuzgang 138. Das gotische Tor, durch welches man vom Bahnhof her in den Ort gelangt und das ehemals die aufgelassene Pfarrkirche St. Margareth mit der Pfarrerwohnung verband, zeigt die Zeichen: 142 bis 145. Im heutigen Klostermuseum liegt ein Torteil mit den Zeichen 146, eine Kreibenzahl 1422. Das heutige Pfarrgebäude, ehemals Abtwohnung im 16. Jhdt., zeigt eine verblichene Skraffitomalerei und das Zeichen 137, das wir bereits unter Nro 35 kennen lernten. Hier sagt es die Jahreszahl 1553. Das Tor dieses Pfarrhofes im gotischen Flamboyantstil, zeigt das Zeichen 148. Darüber ist ein sogenanntes „redendes Haupt“ eingemauert. Das Koster Hohenfurth im südlichen Böhmen entstand um 1255. Von der St. Annakirche stammt das Zeichen 149, von der Sakristeitüre die Zeichen 150-154, vom Kapitelsaalfenster 155, vom Kreuzgang, innen, 156 bis 158, außen 159 bis 170, Diese Zeichen ähneln den Steinhauerzeichen an der Stiftskirche Goldenkron. Die herrliche gotische Kirche in Unterhaib, dem Geburtsort Hans Watzliks, zeigt am Südtor das Zeichen 171, am Tore links 172, 173, 174. Am 6. Pfeiler 175, am 1. Pfeiler 176 und dir Turmstiege die Zeichen 178 bis 187. Am zweiten Fenster ist das Zeichen 177. Die 1489 vollendete gotische Kirche in Kalsching zeigt am Nordtor die beiden Zeichen 188 u. 189. Die äußere Sakristeitüre der Kirche in Berlau zeigt das Zeichen 190. Es dürfte aus der Zeit der Kircherweiterung von 1702 stammen, die ursprüngliche Kirche wurde um 1340 gebaut. Das Tor der Kirche in Reichenau a.d. Maltsch zeigt das Zeichen 191. Das herrliche Tor stammt aus der Zeit der schönsten gotischen Bauwerke im Böhmerwalde, also um 1480 bis 1500."
 
An seinem Ende schreibt er:  „Zusammenfassend kann man über die gebrachten Zeichen sagen, daß sie zum größten Teil der gotischen Bauperiode angehören. Ihre Zeit hört mit der Wiedergeburt der welschen Bauperiode auf. Zum Teile sind diese Zeichen aus germanischen Runen entstanden. Dies gilt zusammengefaßt insbesondere für die Zeichen: 3, 16, 20, 22,24, 25, 26, 35, 39, 40, 41 bis 50, 58 bis 60, 63 bis 36, 73, 74, 75, 78, 84, 90, 91, 94, 96, 97, 98, 99, 105, 107, 112, 124 bis 128, 139, 140, 146, 147, 149, 152, 158, 168, 172 bis 176, 178, bis 184, 187 bis 189. Ein altgermanisches Zeichen sehen wir in 52. Es ist wohl das älteste von allen. Meisterzeichen als schreiende oder meldende Zahlzeichen, sogenannte Kreibenzahlen sehen wir in den Zeichen 35, /1555, /60, /1455, /99, /1410, /146, /1422, /147, /1553, /156, /1455, // Was noch jeder Forscher herauslesen mag, bleibe jedem vorbehalten. Sicher ist ihr kulturhistorischer Wert und es ist zu beklagen, daß nicht deren mehrere sind.
 
Der Unverstand steinmetzlicher Schönheit des behauenen Steins, ließ manche edle gotische Steinmetzarbeit im Laufe der Jahre unter dickem Mörtel verschwinden. Selbst noch vor nicht zu langer Zeit, hatten unverständige Pfarrherren ihre steinernen Kirchtore und andere Steinarbeiten mit Kalk übertünchen lassen. Dadurch wurde manches Kunstwerk gotischer Zeit entwertet und ihr Meisterzeichen verschwand. So erklärt es sich, daß in den 88 Kirchen des Böhmerwaldes, die ich in den letzten zwei Jahren besuchte, nur von 12 Kirchen Steinmetzzeichen bringe. Erst in neuester Zeit, wo sich das Landesdenkmalamt um sie Erneuerung der Kirchen und Bauwerke im Böhmerwalde annimmt, zeigt wieder manche Kirche des Böhmerwaldes dem Freund der gotischen, deutschen Baukunst seine einstige Schönheit.“ 
 
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Ein Steinmetzzeichen und Töpfermarken sind schon aus der ägyptischen, griechischen und römischen Antike bekannt. Die meisten der Steinmarkierungen wurden aus einfachsten geometrischen Formen gebildet, aus Zahlen, Buchstaben, Runen, die mit der Reihenfolge beim Versetzen der Steine zu tun hatten und sich in Gestalt und Systematik von den echten sog. Steinmetzzeichen unterschieden. Der heutige Forschungsstand kann abschließend nicht klären, ob Steinmetzzeichen formal von Versatzzeichen zu unterscheiden sind und ob eine sichtbare oder im Steinverband verborgene Anbringung zu einer Unterscheidung beiträgt. Im Mittelalter waren Steinmetzzeichen die üblichen Markierungen, die Steinmetze auf ihrer Arbeit als Signatur anbrachten. Sie gehören ebenso wie Meisterpunzen, zu den Zeichen, mit denen Handwerker ein Objekt als ihr eigenes Werk kennzeichneten. Die Zunftzeichen stehen für einen Berufszweig. An vielen alten Profanbauten, vor allem an verputzfreien Burgen und Kirchen sind heute noch die Steinmetzzeichen zu finden. Die heutige Steinmetzzeichenforschung stimmt überein, dass diese meist geometrischen, auch monogrammartigen Zeichen als Gütezeichen zu Abrechnungszwecken Verwendung fanden. Ein nicht geklärter Widerspruch verbleibt, denn an manchen Werksteinen sind offenbar mehrere Steinmetzzeichen angebracht. Werkmeister-, Baumeister- oder Meisterzeichen wurden an betonten Stellen in Wappenschilden oder an Baumeisterbildnissen selbst angebracht. Der Beginn der Entwicklung des Steinmetzzeichen wird als Künstlersignatur bereits im 12. Jahrhundert angesehen: Funde an der Kathedrale von Lyon aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts zeigen charakteristische Profile der Steinmetzen. Die erste bekannte „Künstlersignatur“ des wohl langobardischen Gislebertus taucht als Inschrift zwischen 1130 und 1140 am Westportal der Kathedrale von Autun auf. Meisterzeichen der Gotik sind teilweise von einem Wappenschild umschlossen.Bisher wurden um 7.000 verschiedene Steinmetzzeichen in Mitteleuropa registriert. Man nimmt an, dass jedem Steinmetz von seiner Bauhütte nach seiner Ausbildung ein Zeichen auf Lebenszeit verliehen worden ist.
 
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Die Zeichen der Dresdener Heide
 
 
Ebenso in den Unterlagen, die ich von Herman Wirth erhielt, findet sich ein Brief vom 20.12.1929 des Franz Thumser aus Bonn. Er informierte den Professor über die Walddistriktzeichen der Dresdener Heide und gab ihm eine kleine Probe von 18 im Brief gezeichneten Symbolen. - Die Symbole sind unter dem Titel „Aufzeichnungen der Walddistriktzeichen in der Dresdener Heide vom Jahr 1734“ in den „Mitteilungen des Vereins für sächsische Volkskunde“ bzw. von E. Mogth, Bd. I. 1897-99, Heft 10, S. 10ff u. Heft 11, S. 6ff festgehalten.
 
Im Zusammenhang mit den deutschen Steinmetzzeichen sind die vielen weiteren kaum beachteten Sinnzeichen-Traditionen interessant. So gibt es beispielsweise Aufzeichnungen über die Walddistriktbenennungen der Dresdener Heide - einem großen Waldgebiet im Nordosten der sächsischen Landeshauptstadt gelegen - vom Jahre 1734. Bis heute hat sich in der Heide ein historisches Wegzeichennetz erhalten, dessen eigenartige Symbolik sich sehr von heutigen Wanderwegzeichen unterscheidet. Dazu entrindeten Ortskundige stückweise die Bäume, schnitten Symbole ein und malten diese rot aus. Dies geschah wahrscheinlich erstmals im 12. oder 13. Jahrhundert und daraus entwickelte sich der Beruf des Waldzeichenschneiders. Aus den amtlich-kursächsischen Vermessungsunterlagen, deren Erstellung Kurfürst August im 16. Jahrhundert anordnete, geht ein Waldzeichenwesen hervor, das sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Zenit seiner Entwicklung befand. Die mittelalterlichen Netze wurden später kartografiert und zu forstwirtschaftlichen und jagdtechnischen Zwecken mittels spezieller neuer Zeichen teils ausgebaut, so im 18. Jahrhundert mit Hilfe des Radeberger Waldzeichenschneiders Gottfried Hanicke. Somit besaß die Dresdner Heide mit alleine 124 roten Zeichen das größte Zeichennetz in der gesamten Umgebung. Während im Friedewald, in der Laußnitzer Heide, um Königstein und im Tharandter Wald Alphabete und Spiegelalphabete als Wegezeichen dominierten, waren die Zeichen in der Dresdner Heide überwiegend sehr symbolhaft, offenbar aus sehr alten deutschen Sinnzeichen entwickelt. Bis ins späte 18. Jahrhundert existierten außerdem rund 270 schwarze Symbole zur Kennzeichnung spezieller Orte. Dazu zählten Furten, Brücken, Hügel, Brüche, Quellen, markante Bäume, Weggabelungen sowie Bildstöcke und Kreuze. Die schwarzen Zeichen gab es nur jeweils einmal. Sie halfen wegen ihrer Ortskonstanz bei der Definition rechtlicher Dinge wie der Größe von Revieren und Waldhutungen anliegender Dörfer. Das Zusammenspiel roter und schwarzer Zeichen brachte mit seiner gewissen Systematik in einer Zeit ohne Landkarten trotzdem einen hohen Orientierungswert. Im Laufe der Jahrhunderte erfolgten volksetymologische Deutungsversuche dieser Symbole. Dadurch entstanden die teilweise seltsamen Wegenamen in der Heide, wie zum Beispiel Anker, Brille, Gänsefuß, Hütchen, Kreuzringel, Ochsenkopf, Reichsapfel, Schere, Türmchen und Zirkel. Im 19. Jahrhundert endete der Gebrauch der Zeichen vorerst. Um 1980 wurden die Zeichen jedoch in einem kulturzerstörerischen linksideologischen Akt von offizieller Seite des DDR-Regimes durch Übermalen oder Auskratzen ausgelöscht. Dagegen erhob die 1985 gegründete „Interessengemeinschaft Dresdner Heide“ Einspruch und bemühte sich um Wiederherstellung der Wegezeichen.