Copyright Gerhard Hess / im Hohen Maien 2020
 
Das Runen-ODING, der gallogermanische Sakralkalender-Kreis
 
 
ODING, nicht FUÞARK,
 
lautet die ursprüngliche Bezeichnung des 24er Ur-Runen-Ringes.
 
Die Urgöttin in gesamter indogermanischen Mystik ist immer eine Spinnerin. Die Welt („Allheim“) ist als Gespinst, als etwas Gewobenes, zu schauen. Die drei weiblichen Urwesenheiten - die Nornen, Moiren, Parzen, Matres - sind die drei Erscheinungsformen der weiblich-mütterlichen Urgebärerin, der Göttin Frija (Herrin) im Gemeingermanischen. Die Este der Drei spinnt den Lebensfaden, die Zweite misst ihn, gestaltet ihn und die Dritte schneidet ihn wieder ab, beendet also die jeweilige Lebensform. Es handelt sich hierbei um so etwas wie ein religiöses Urandachtkonzept aus den Jahrtausenden des Mutterrechts, des Matriachats. Mindestens seit den ersten Bauern, den sog. „Bandkeramikern“, galt die Mutter-Erde als die Fruchbringende, die zu ehren sei und der Opfer dargebracht werden müssten. Die nord- bis mitteleuropäische Volkwerdung vollzog sich jedoch nicht allein durch die vom Mündungsgebiet der Donau, also dem Schwarzmeerwestufer, nach Norden vorstoßenden und ihre landwirtschaftlichen Erfahrungen an Einheimische weitergebenden matriarchalischen Bauernsippen, sondern ebenso durch die von den Nord- und Ostseeküsten in die Flussläufe nach Süden rudernden männerrechtlichen Bootsmannschaften von Küstenjägern der „Ertebölle-Leute“. Man vergleiche dazu das Werk meines sehr achtenswerten Forscherfreundes Carl-Heinz Boettcher, „Der Ursprung Europas: Die Wiege des Westens vor 6000 Jahren“, 2000. Aus den südlichen Ostseeanrainern, den bis an die Nordküsten des Schwarzen Meeres und die russischen Steppen ausgreifenden, in der Frühbronzezeit schließlich als herdenbesitzende Streitaxtmänner oder Schnurkeramiker, aus brandenburgischen bis baltischen Zentren auftretend, kam der männerrechtlich-martialische Impuls, welcher sich harmonisch mit den bedächtigen Ackerbauern, zum deutschen Volkstum verschmolz, das sich aus den beiden Kulturgruppen, Kelten und Germanen, zusammensetzte. Die bekannten keltischen Festcharaktere finden sich auch prinzipiell im Runenfestkalender, deshalb müsste er als „gallogermanisch“ klassifiziert werden. In der urdeutschen Runen-Lehre, wie sie sich bei aufmerksamer Lesung der 24- Sinnzeichen darstellt, spiegelt sich sowohl das weiblich Numinose, wie der gleichstarke Aspekt des zahlenbezogenen männlichen Intellekts. Frauenfeste und Männerfestzeiten wechseln einander ab, wobei es sich zeigt, dass die Schwarz- bzw. Neumondphasen überwiegend den weiblichen, während die des Vollmondes den männlichen Heilsmächten zugeordnet wurden, so wie es auch der altrömische Sakralkalender der Auguren regelte. Die germanische Runenreihe, richtiger der Runenkreis, als godisch-mythische Spiegelgestaltung der Wirklichkeiten, können nicht anders, als mit dem Symbol einer Fadenschlinge zu beginnen. Sie starten - rechts-richtig anfangend - mit der Odal-Rune, einem Schlingenzeichen und dem Leitbegriff aus den ersten drei Runen: „O-D-iNG“. Sie enden mit dem germ. und altnord. Begriff „fuða“, für Hintern. Wer demgemäß das Runensystem mit „Fuðark“-Folge beginnen lässt, um daraus seine aberwitzigen Weisheiten herauszulesen, betreibt nichts weniger als im stimmigsten Wortsinne, aber augenzwinkernd-spaßhaft gemeint, eine Art Afterwissenschaft.
 
Im eddischen Hávamál, den Sprüchen des Hohen, gibt es die Strophe 144 mit den Fragen, die uns Hinweise liefern auf Verfahren der positiven und negativen Runenmagie:
 
„Weißt du zu ritzen ?
Weißt du zu raten ?
Weißt du zu finden ?
Weißt du zu forschen ?
Weißt du zu bitten ?
Weißt du zu opfern ?
Weißt du zu senden ?
Weißt du zu tilgen ?“
 
Die Spákona („Seherin“) oder Völva („Stabträgerin“)
könnte ihre willigen Schülerinnen, die Galster-Mägde auch belehrend befragen:
 
WEISST DU ?
 
Weißt Du zu weihen, weißt Du zu wesen,
weißt Du zu reiten auf einem Besen ?
Weißt Du zu raunen, weißt Du zu reimen,
weißt Du Lieder und Leiber zu leimen ?
 
Weißt Du zu rechten, weißt Du zu reiten,
weißt Du ein Thing zu bereiten beizeiten,
Weißt Du die Listen mit Lanze und Leier,
weißt Du zu seren die Spötter und Speier ?
 
Weißt Du Waldwesens Winke zu warten,
weißt Du Asen, Alfen und Alberichs Arten ?
Weißt Du die Götter, Gnome, Giganten,
weißt Du vom Unheil des Unbekannten ?
 
Weißt Du die Macht der Mistel zu mehren,
weißt Du von Luna und Lauka zu lehren ?
Weißt Du der Mutter Mondtau zu melken,
weißt Du zu wehren der Wesen Verwelken ?
 
Weißt Du‘s Volk vor Verderben zu wahren,
weißt Du schändlicher Schratte Scharen,
weißt Du die Taten der Thursen und Trolle,
weißt Du der rächenden Rat-Runen Rolle ?
 
Wie Du das weißt und das Wohlsein willst,
so Du sicher die Seuchen des Satans stillst.
 
 
Im altisländischen „Galdrabok“ (Zauberbuch) wird beispielsweise die Anleitung gegeben, wie man starke Magenprobleme bei einem Feind hervorrufen kann: „Schreibe diese Runen mit deinem eigenen Blut auf weißes Kalbsleder. Nimm das Blut aus deinen Oberschenkeln und sag dabei:Ich ritze dir 8 Asen [Rune 21], 9 Nöte [Rune 15], 13 Thursen [Rune 22].“ Im Lied „Sigrdrífumál“ (Erweckung der Walküre) in der „Älteren Edda“, lehrt die Walküre Sigrdrífa den jungen Siegfried wohin man Runen ritzen soll und welche Arten von Runen es gibt; in 13:6 heißt es: „Siegrunen musst du kennen, wenn du Sieg haben willst, und auf den Griff des Schwerts ritzen, einige auf die Spitze, einige auf das Schwertblatt und rufen musst du zweimal Tyr.“ Welche Runen mit dem Binden und Lösen von Fesseln in Verbindung gebracht wurden, wie es im 1. „Merseburger Zauberspruch“ heißt, blieb unbekannt. Der Spruch lautet: „Einst saßen da Idisen [idisi = ehrenwerte, heilige Frauen], saßen hier und dort, einige woben Bande, einige lösten Bande der Krieger, einige zerklaubten die Fesseln. Entspringe den Fesseln und entfliehe den Feinden !“ Die Zauber- und Heilkunst lag stark in den Händen der germanischen Frauen. Cornelius Tacitus schreibt dazu in Kapitel 8 seinerGermania: „Wir haben es unter dem seligen Vespasian [röm. Kaiser] erlebt, dass Veleda bei vielen lange einen göttlichen Platz einnahm; aber auch schon lange vorher wurden Albruna und einige andere verehrt, aber nicht durch Kriecherei oder als ob sie sie etwa erst zu Göttinnen machten.“ Veleda und die anderen altdeutschen Seherinnen wie Waluburg, Albruna, Thiota und Gambara haben gemeinsam, dass sie sowohl von den einheimischen als auch von den römischen Herrschern mit Respekt behandelt wurden. Den Disen, den Göttinnen mit ihrem Frauengefolge, den heiligen weiblichen Schutzwesen in Wald und Feld, den Frauenbergen und Quellen, hielt man im germanisch-runischen-Festkalender jeweils eine ehrende Frühlingsopfer- und eine Herbstopferfeier, das sog. „Disablot“, sowie die erste Jahresnacht zur Wintersonnwende, „Modranecht“ geheißen. Als ein Gutteil Kalenderverständnis entschlüsselnd taugen die Informationen über die mittelalterlichen „Kalenderheiligen“. Als „Heilige“ der tiefsten Jahresnacht galt „Santa Lucia“, die Lichtbringerin, in Schweden als „Lussibrud“ (Lichtbraut) gefeiert. Aufgrund schlauer Rücksichtnahmen auf den Volksglauben der breiten Masse stellten kirchliche Kalenderstrategen sie auf den 13. Julmond (Dezember), welcher vor der gregorianischen Kalenderreform im 16. Jh. als Tag der Wintersonnenwende galt. Ebenso fügte man diesem Zeitpunkt des kosmischen Jahresbeginnes, der germanischen „Mütternacht“, die zu einer Äbtissin umgemodelte „heilige Odilia“ zu und hängte ihr die Ehre einer „Schutzpatronin des Augenlichtes“ um. Im Tor des beginnenden germanischen ODING-Jahres strahlt die mütterliche Dise „Odilia“ (Erbgutschützerin). Wer da nicht sehend wird, dem ist kaum noch zu helfen !
 
 
Aus der schon steinzeitlichen Großen Mutter bastelte christenkirchliche Dreistigkeit die Christus-Mutter aus der Historie einer jüdischen Dienstmagd namens Mariam/Maria und manipulierte sie in den im Verlauf des 4. Jhs. geformten kirchlichen Festkalender-Zyklus ein. Die deutsch-germanischen Landeskinder sahen in der neu erfundenen Christheiligen nichts weiter als ihre alte Muttergöttin, die zu allen Zeiten in Form einer heiligen Dreiheit geschaut wurde. Über 400 Gedenkmäler, sog. Matronen-Steine, aus Heidenzeiten fanden sich im gallogermanischen Südwesten. Ob die Kirche sie nun als die „drei Marien“ (siehe Bildnis im Wormser Dom), als die „drei Bethen“, oder als „drei fromme Königstöchter“ an die Gläubigen bringen wollte, ganz gleich. Im Kern blieb sie die weise griechische, oder auch gemeingermanische Göttin Frija („Herrin“), die auch in den Namensformen Freya, Frigg, Fröja überliefert ist. Immer trat sie in ihren drei Erscheinungsformen auf, entweder in Gestalt der drei Schicksalsspinnerinnen, den Nornen Urd, Werdandi und Skult, oder in den drei Hypostasen der Frau als Freya (jugendliche, lustvolle Geliebte), Frigg (eheliche, mütterliche Frau, Herrin des Hauses, des Herdes) und Hel (die würdige Alte, Zauberin und allwissende Weise). Auch die eddische Göttinnen-Triade Freya, Frigg und Idun bieten sich als Deutungsmodelle an. Eines ist sicher, unter der Betrachtung heidnisch alter und kirchlich jüngerer Metaphern, wer sich der weiblich-mütterlichen Ermahnungen, aus jahrtausendealten Welterfahrungen versagt, wird auf dieser unserer Erde kläglich scheitern !
 
 
Im eddischen „Grógalðr“, dem „Zauberlied der Groa“, bittet der junge Held Swipdag seine verstorbene Mutter im Grabhügel um Hilfe: „Erwache, Groa ! Erwache, du Gute ! Ich rufe dich durch des Todes Tor. Entsinne dich, dass du deinem Sohn gestattet hast, an deinem Hügel um Hilfe zu bitten.“ Groa: „Was ängstigt dich, mein einziger Sohn. Welche Trübsal ist es die dich traf, da du nach der Mutter rufst, die mit dem Staube vermählt ist, die die Stätten der Lebenden verließ ? Swipdag: „Hebe ein heilsames Lied an, starke Mutter. Dein Kind fürchtet unterwegs den Untergang zu finden, allzu jung erachte ich mich.“ Nun singt die Groa („Wachsende“) dem Sohn neun Schutzzauberlieder, deren erster Rat lautet: „Hinter die Schulter wirf was du beschwerlich wähnst, vertraue dir selbst am meisten.“ Im 13. Vers singt die Mutter ihren Schutzzaubervers gegen tote Christenweiber, die als böswillige Unheilbringerinnen sehr gefürchtet waren: „Überfällt dich die Nacht auf nebeligem Wege, trotzdem kann dir nicht schaden, ein getauftes totes Weib.“ Groa endet ihren Schutzzauber: „Nun fahre getrost der Gefahr entgegen, dich mag kein Hindernis hemmen … Nimm mit dir, Sohn, der Mutter Worte und behalte sie im Herzen: Heils genug hast du allezeit so lange du meiner Worte gedenkst.“
 
 
Als lohnende oder strafende Spinnerin behielt die germ. Göttin Frija als „Frau Bertha“ (Pertha/Peratha bzw. germ. w. Perðo) oder „Frau Hulda/Holle“ in deutschen Volkssagen ihre traditionelle Beliebtheitsnorm. Zahllose Sagen berichten von ihr. Nach der Leibrock-Sammlung „Sagen des Harzes“ spinnt eine prächtig gewandete Jungfrau nie endendes Garn und harrt dabei auf Erlösung. Diese Erlösung können wir uns allein in der Vorstellung deutbar machen, dass unsere altwahren Göttinnen aus ihrer kirchenchristlichen Verbannung erlöst werden, um ihre einstige ungeschmälerte Würde wieder zu erlangen. Wenn die schöne Frau auf dem Stellauer Schloss die goldene Spindel dreht, wird im Nu eine große Stadt mit vielen Menschen sichtbar, berichtet Bechsteins „Sagenschatz des Frankenlandes“. Die kirchlich verwünschten Jungfrauen sind gewöhnlich blond und sie kämmen ihre „goldenen Haare“, weil es sich dabei um den altgläubigen Gestus der Seelenpflege handelt. Das schlichte (glatte) Blondhaar galt als das rechte, als Anzeichen der guten Seele, während das dunkle Kraushaar bedenklich („krauses Haar gleich krauser Sinn“) erschien. Göttin Hulda (Huldreiche) wandelt, rosig wie die reine Morgenröte, mit ihren Dienerinnen, den saligen Fräuleins, zur Zeit der Flachsblüte durch die Felder. Ihr seidiges Silberkleid umspannt ein goldener Gürtel, ihr schweres Haar trägt sie zierlich, einer Krone gleich, zu goldenen Zöpfen geschanzt, ihre Augen sind so blau wie die Flachsblüten, über die ihre segnenden Hände streifen. Nach der Legende verdanken die Tiroler ihr das Wissen um den Flachsanbau. Ganz innige Beziehungen bestehen zwischen der Göttin und dem Flachs, einem der wichtigen Flechtpflanzen. Das „Marienkäferchen“ (schwed. Friggekühlein) ist Frau Huldas Tierlein, das Kornreichtum oder Mangel verkündet. Seine 7 schwarzen Pünktlein ließen es zu dieser Ehe gelangen, denn die Göttin wird durch die Siebenzahl gekennzeichnet, so wie die Birken-Mutter im Runen-ODING auf siebenter Stelle steht. Auch Volksmutter Holdas Lebens-Born, aus dem die Kindlein gehoben werden, findet sich im Runen-Jahreskreis an 11. Stelle (auch frühjährliche Fruchtbarkeitszahl des Faselfestes bzw. Gedeihfeiertage; kirchliche Zahl sündhafter Wollust), im Hohen Maien. 
 
 
  
 
Gerhards Runen-Lied
 
ANRUFUNG DER 24 RUNENKRÄFTE
 
Zur Neumondnacht all-erster Stund‘
wird mir die Macht der Runen kund.
Ich trete unter das Mondlicht raus
und rufe an, meiner Stäbe Strauß.
 
Hinauf zum Nordstern geht der Blick,
um ihn zirkelt das Weltgeschick.
Er ist Bewusstseins-Mittelpunkt,
um den der Sternenkreislauf funkt.
 
Alle Runkraft beginnt mit odil-odal,
mit Seelenkraft aus dem Heimattal.
Göttliche Urkraft startet den Kreis,
der ich gleiche und einig mich weiß.
Ich rufe Odala !
 
Die zweite Rune den Morgen erfleht,
Tag-Vater werde, dass Licht entsteht !
Seine Ordnung von Unrecht und Recht
belehrt allein, was gut, was schlecht.
Ich rufe Dagaz !
 
Ein Drittes betrifft des Himmels Herz,
die Drei versöhnt zum frohen Scherz.
Frō-Ingwi macht das Herz uns weit,
er rüstet die Zeit ins sonnige Kleid.
Ich rufe Ingwaz !
 
Viertes gemahnet auch zum Brauch
reinen Wassers mit heilendem Lauch.
Sie seien der wissenden Weisen Nutz,
allem zehrenden Siechtum zum Trutz.
Ich rufe Lagu-Lauka !
 
Fünf ist der Menschen Hochzeitszahl,
vom Mann und der Männin allemal.
Die Rune ruft uns: „Vermehret Euch,
wie das Getier, Geäst und Gesträuch !“
Ich rufe Mannaz !
 
Die sechste Rune die Weltzahl weist,
in den Dimensionen der Kosmos kreist.
Und Rösser mit ihrem sechsten Sinn,
lenken das Ahnen zum Höchsten hin.
Ich rufe Ehwaz !
 
Siebente Run ist der Göttin Symbol,
weißhäutige Birke vertritt sie wohl.
Mutter Frija mit ihrem Gemahl, dem Od
gaben Germanen ihr Gottesgebot.
Ich rufe Berkana !
 
Der achte Stab von Tiwaz spricht,
er führt den Vorsitz in jedem Gericht.
Er band den Wolf, er verlor die Hand,
hart ist Kampf gegen Lüge und Schand‘.
Ich rufe Tiwaz !
 
Dreimaldrei wird zur Sonnen-Neun,
ist es vorbei, dass Dämonen dräu’n ?
die Sonne erklomm den seligen Stauf,
spiralte sich hoch zum Norden hinauf.
Ich rufe Sowilo !
 
Der Wachstumsgeist, der Herr Baldur,
ein Inbegriff des Sommers Natur,
er leitet die bessere Jahrhälfte ein,
zweier Hirschbrüder Glorienschein.
Ich rufe Algiz !
 
Jetzt folgt die Maien-Göttin, die Elf.
„In Liebesdingen, Pertho so helf‘ !“
Aus ihrem geöffneten Erden-Schoß,
wächst aller wählige Wohlstand groß.
Ich rufe Pertho !
 
Was zwölfte Rune beschreiben will,
den Welt-Baum, die Eibe Iggdrasill.
Sie einigt des Lebens fülligen Kranz,
Urd-Werdandi-Skuld im ewigen Tanz.
Ich rufe Eihwaz !
 
Die Dreizehn ist jene Zahl vom Jahr,
so viele Mondläufe machen es wahr.
Sein Zeitlauf eilt im rasenden Schritt,
nimm mich nicht ohne Segen mit !
Ich rufe Jera !
 
Jedes Leben einmal ein Eispfeil trifft,
so steht‘s in sterniger Himmelschrift.
Nach jedem Wellenberg folgt das Tal,
ein Hexenschuss bedeutet Qual.
Ich rufe Isa !
 
Fünfzehnte Rune spricht von Naud,
Not und Notwendigkeit aus ihr schaut.
Sie mag behüten vor Gift und Groll,
beschwöre, dass sie beschützen soll.
Ich rufe Nauthiz !
 
Sechzehnter Stab heißt Hagel und Heil,
der Algiz-Hirschbrüder düsterer Teil.
Einer schützt und der andere schlägt,
ich bitte, dass Ihr mir Hilfe erwägt.
Ich rufe Hagalaz !
 
Die Siebzehn gleicht der Hohen Acht,
die Himmels wonnige Fülle gebracht.
Jede Ernte ist unser glückliches Fest,
wir tragen sie froh ins heimische Nest.
Ich rufe Wunjo !
 
Geben und Nehmen, so muss es sein,
allein der Dank hält die Rechnung rein.
Treu‘ gegen Treue im trauten Vertrag,
treulos finde mich nimmer ein Tag !
Ich rufe Gebo !
 
Wenn Licht vergeht, der Kien erglimmt,
bleib‘ stark mein Herz, sei nie verstimmt,
ob Tag, ob Nacht, ob Freud‘, ob Leid,
halt gleichen Schritt, zu jeder Zeit !
Ich rufe Kenaz !
 
Das Buchenstäbchen, zweimal die Zehn,
raunt, mit dem Wagen auf Reisen geh’n.
Und sei es des Toten-Kärrners Gefährt,
bis zum Ende bleibe ich unbeschwert.
Ich rufe Raidho !
 
Der Einundzwanziger ein Magier ist,
im Diesseits und Jenseits, zu jeder Frist,
zeigt Ase Wodin seine Meisterschaft,
schenke des Geistes vollendete Kraft.
Ich rufe Ansuz !
 
Vom Göttlichen hausen Gnome nie fern,
das Niedere lästert dem Hohen gern.
Dem thursischen Troll, dem Antigott,
unterlasse tunlichst gefährdeten Spott.
Ich rufe Thurisaz !
 
Der dreiundzwanzigste Rätsel-Stab,
orakelt vom Opfer, von Tod und Grab.
Aus dem Urstier wurde das Gute neuer,
der Bessere Mensch ist ein Opferfeuer.
Ich rufe Uruz !
 
Nach Geistesgaben gewähre mir Gold,
doch sei es nie eines Unholdes Sold.
Gut sei mir das Vieh, wie ich ihm bin,
drum werde mir Segen, sowie Gewinn.
Ich rufe Fehu !