06.01.2022
 
Unter dem Motto „Frisch, fromm, fröhlich, frei“ eröffnete Friedrich Ludwig Jahn im Jahre 1811 den ersten deutschen Turnplatz. Die vier „F“ wurden zum Zeichen des „Deutschen Turnerbundes“.
 
HEILBRINGER „TURNVATER JAHN“
 
Der Mensch hockt jahrlang im Haus
und geht nur zum Büro hinaus
und kehrt dann abends wieder heim,
so geht des Lebens trauter Reim.
 
Tagein, tagaus hockt er am Tisch,
das ist doch nicht gesundheitlich !
Sein Körper baute lang‘ sich auf,
beim Wald- sowie Savannen-Lauf.
 
Um zu ersteh‘n sein täglich‘ Brot,
war er geprägt durch Schaffensnot.
Ein jeder quälende Schritt und Tritt,
erhielt des Menschen Körper fit.
 
Und war er endlich abgenutzt,
hat die Natur ihn weggeputzt.
Doch glaubt jetzt in moderner Zeit
sich jeder Mensch übergescheit.
 
Für jeden Schaff, von früh bis spät,
erfand er sich ein Hilfsgerät.
Es wird, damit sein Ofen raucht,
leibliche Kraft kaum mehr gebraucht.
 
Was er benötigt ist nur Köpfchen,
er dreht allein an bunten Knöpfchen.
Kein Wunder, er wird „zuckerkrank“,
bis er dann ins Delirium sank.
 
So körperschwach und muskelarm,
dass geradezu „es Gott erbarm‘“.
Der Mensch ist krank; man fragt warum ?
Hilfstechnik bringt den Menschen um !
 
Ein Staat, der Volksgesundheit liebt,
dem Volke Zwang zum Turnen gibt.
So wie schon einst „Turnvater Jahn“,
in der Erkenntnis ging voran !
 
Der Brandenburger Johann Friedrich Ludwig Christoph Jahn, bekannt als „Turnvater Jahn“ (1778-1852) war ein Lehrer, volkstreuer Autor und Politiker. Er gründete die deutsche Turnerbewegung, die mit der identitären Besinnung verknüpft war, um die vielerorts schlafende deutsche Jugend zum Befreiungskampf gegen die französisch-napoleonische Unterjochung anzuregen. Aus dem von Jahn zur Körperertüchtigung begründeten Bewegungsübungen ging u. a. die heutige Sportart des Geräteturnens hervor. Zahlreiche Turngeräte wie beispielsweise das Reck und der Barren wurden von „Turnvater Jahn“ eingeführt. 1848 wurde Jahn Mitglied der „Frankfurter Nationalversammlung“. Jahn war einer der Ideengeber für die Gründung von „Urburschenschaften“, den landsmannschaftlichen Zusammenschlüssen der volksbewussten Schülern und Studenten an den Universitäten. Auch diese schöne Idee sollte helfen, die fürchterliche deutsche Kleinstaaterei zu überwinden. Unterstützer waren auch Ernst Moritz Arndt, Johann Gottfried Fichte, Jakob Fridrich Fries und der Jenaer Historiker Heinrich Luden, welcher dringend die Volkssouveränitet einforderte.
 
Unter dem Eindruck des Terrors der andauernden französischen Kriege gedieh Jahn zum deutschen Nationalisten. Im Jahr 1800 veröffentlichte er eine Schrift zur „Beförderung des Patriotismus im Preußischen Reiche“. In seiner 1808 verfassten Schrift „Deutsches Volksthum“ befürwortete er einen entschiedenen Nationalismus. Sein Begriff des „Volkstums“ enthielt die Binsenweisheiten von den ähnlich gearteten (den Ahnen gemäßen) allgemeinen - von anderen Nationen unterscheidbaren - Wesenszügen einer intakten Nation. Anders wären eine typische Nationalliteratur, Bauweisen, soziales Verhalten und Religionscharakteristiken nicht erklärbar. Höchst verständlich richtete sich Jahns Zorn gegen die französischen Zwingherren. So schrieb er: „Unglückliches Deutschland ! Die Verachtung deiner Muttersprache hat sich fürchterlich gerächt. Du warst schon länger dir unwissend durch eine fremde Sprache besiegt, durch Fremdsucht ohnmächtig, durch Götzendienst des Auslandes entwürdigt. Nie hätte dein Überwinder so vielfach in einem andern Lande gesiegt, wo die Vergötterung seiner Sprache nicht mitgefochten […] Diese Sprache hat deine Männer betört, deine Jünglinge verführt, deine Weiber entehrt. – – – Deutsche, fühlt wieder mit männlichem Hochsinn den Wert eurer edeln lebendigen Sprache, schöpft aus ihrem nieversiegenden Urborn, grabet die alten Quellen auf, und lasset Lutetiens stehende Lache in Ruhe !“ Unter „Lutentien/Lutetia“ ist der antike Name der gallo-römischen Stadt Paris zu verstehen. Aus diesem historischen Impuls versteht sich in echtdeutschen Kreisen, die Ablehnung der französischen Sprache, als anbiedernde „Verwelschung“. Jahn hielt den Zorn gegen jegliche Verfremdung der Deutschen für eine nationale Überlebenspflicht: „Haß alles Fremden ist des Deutschen Pflicht“. So musste er folgerichtig gegen „Völkermischung“ sein. Er sprach dabei von „Blendlingsvölkern“, denen er jegliches gesunde „volkstümliche Fortleben“ absprach. Jahn vertrat die Ansicht, Deutschland sei allen anderen Nationen in seiner lauteren Gesamtwesenheit überlegen, weshalb es seine Aufgabe sei, „die Erde als Heiland zu segnen und den Völkern Menschlichwerdungskeime einzupflanzen“. Deutschland müsse und könne eine größere Rolle in Europa einnehmen, wenn man sich auf die Einheit der „Deutschen“ besinne. Ihm schwebte ein Großgermanien vor - ähnlich des modernen Gedankens einer Nord-EU - zu dem die Schweiz, Holland, Dänemark gehören könnten. Hauptstadt solle die neue Stadt „Teutona“ werden, die in Thüringen gegründet werden solle, wo sich die Fernstraßen aus den dann „deutschen“ Grenzstädten Genf, Memel, Fiume, Kopenhagen, Dünkirchen und dem südpolnischen Sandomir treffen würden.
 
Jahn gründete mit elf Freunden am 13. November 1810 auf der Hasenheide bei Berlin den geheimen „Deutschen Bund“ zur Befreiung und Einigung Deutschlands. Er stand ausschließlich Männern „deutscher Abstammung“ offen, die orientalisch-rassischen Juden galten, auch wenn sie von ihrem Mosaischen-Glauben zum Christentum konvertiert wären, von der Mitgliedschaft ausgeschlossen. Aus den ausgedehnten Wanderungen, die der offensichtlich höchst charismatische Jahn mit seinen Schülern unternahm, entwickelte sich sein regelmäßiges Turnen. Am 19. Juni 1811 begann er am Treffpunkt der Schüler- und Freundesgruppe mit dem öffentlichen Turnen. Dies gilt als Geburtsstunde der Turnbewegung. Die Hasenheide war der erste deutsche Turnplatz, der mit Geräten nach dem Vorbild des Lehrers Johann Christoph Friedrich Gutsmuths, ausgestattet wurde. Jahn verstand unter „Turnen“ die Gesamtheit aller Leibesübungen; die Geräteübungen wurden durch Spiele, Schwimmen, Fechten, Wandern ergänzt. 1811 gründete Jahn den „Berliner Turnverein“, der bis 1815 auf 778 Mitglieder anwuchs. Auf dieses Beispiel hin wurden Turnvereine in 150 Städten Deutschlands gegründet, die 1818 insgesamt 12.000 Turner vereinigten. Einige Ansichten Jahns gelten heute zurecht als unzeitgemäß, aber die Vitalität und das ansteckende geistige Feuer von „Turnvater Jahn“ waren, darf man wohl sagen, phänomenal.