Gesamtheit des Artikels: Copyright © Gerhard Hess, Februar 2014
Erlaubnis nach Anfrage !
 
 
 
Ornament in der Mitte des SS-Obergruppenführersaales der Wewelsburg
 
 
„Schwarze Sonne“
- Klärung durch den ODING-Schlüssel -
 
 
Das urgermanische Kredo war nie ganz erloschen und unwiederbringlich untergegangen, es lebte vielmehr - wenn auch ins Unterbewusste abgetaucht - durch das gesamte christlich terrorisierte Mittelalter weiter, beispielsweise in den Denkkategorien vieler verteufelter Sekten und auch der Alchimie, deren Zentralsymbolismus sich um den doppelgeschlechtlichen Mercurius rankte: Der war ja nach der „interpretatio romano“ kein anderer als Woden/Wodin, der Geist-Seelengott der deutsch-germanischen Völkerfamilie. Aus dem röm. „dies mercurii“ und dem germ. „Wodenstag / Gudenstag“ machte christlicher Umerziehungwille den begrifflich unverfänglich erscheinenden „Mittichen / Mittwoch“. Aber der „Tag der Mitte“ blieb selbst in dieser Übertragung seiner eigentlichen Bedeutung treu. So wie der germ. Gottesgeist inmitten aller deutsch-germ. Dinge, d.h. inmitten unserer seelisch-geistigen Strukturen lebt und wirkt, so steht auch der Wodenstag / Mittwoch genau in der Wochenmitte, wenn die Woche mit dem sonnenhaften Aufgang, eben dem Sonntag, beginnt.

 
Aller urgermanisch-deutscher Symbolismus beginnt mit der Sonne und dreht sich, gleich der Erde selbst, um dieses so sehnsüchtig angestrebte, gesuchte, geheiligte Gottesgleichnis. Licht lenkt alle menschlichen Steuerungsmechanismen über Hypophyse, Hypothalamus, Epiphyse usw. Licht steuert den Hormonhaushalt, das Immunsystem unseres Stoffwechsels -; unsere Zellen kommunizieren mit Licht. Der Mensch ist also wahrhaftig ein sonnenhungriger Lichtsäuger. Viele Beispiele können belegen, dass der Sinnbildschatz unserer Ahnen die Zeiten durchträumt, zuweilen erwacht und wieder weiterschlummert, aber immer lebendig bleibt. Das Sonnenschweifkreuz/Swastika, als ein ureuropäisches Zeichen, ist bei Ausgrabungen in Siebenbürgen aus Zeiten gefunden worden, die ca. 1.000 Jahre älter sind als die ältesten derartigen Funde in Mesopotamien. Beispielsweise zieren auch tiefsinnige Hakenkreuz-Kerbschnittmuster das älteste gefundene deutsche Möbelstück, den Erlenholz-Klotzstsuhl („Thron aus der Marsch“) aus einen Warftfund bei Wremen/Cuxhaven -; heute zu bestaunen im Museum von Bederkesa.

 
Die graphische Struktur dieses Sonnenschweifkreuzes baut sich aus 9 Punkten auf. Das 9. Zeichen des germanischen Buchstabensystems (ODiNG-FUÞARK) ist die Sonnensieg-Rune  (sowilo); ihr kalendarischer Platz liegt auf dem Siegfest (sigrblod), das Ende April den Sommerbeginn einläutete. Die 9 muss als potenzierte 3 (3x3) - jene kleinste aussagestärkste Gotteszahl - begriffen werden. Die 9, Zahlenmetapher der sonnenhaften Gotteswelt, wird auch in der Edda (Völuspa 2,3) als solche benannt. Zwei zahlenmythische Erweiterungen der 3 - innerhalb des 24er ODING-Runenkanons - sind vorhanden: 12 und 21 (beide besitzen die Quersumme 3). 12 steht für die Eiben-Weltbaum-Rune (-Rune) und 21 für die Asen-Wodin-Geistgott-Rune (-Rune). In der Addition ergeben diese solar-runischen Gotteszahlen: 3+9+12+21 die Summe 45 (Quersumme 9) - ebenso wie die Aufsummierung von 9 wieder 45 ergibt. 3 und 9 sind als runische Haupt-Lichtmetaphern erkannt !

 
Ob aus solchem Ur-Erinnerungsschatz jenes heute oft erwähnte Symbol der „Schwarzen Sonne“ als Steinboden-Ornamentik im „Gruppenführersaal“ des Nordturmes der westfälischen Wewelsburg bewusst herrührt, ist ungewiss. Vielleicht ist ein höherer Zufall im Spiel. Die Burg sollte Kultstätte, Schatzkammer, Totengruft, Weihestätte des Ordens der deutschen „Schutz-Staffel“ sein, der sich nach außen hin unter dem Zeichen der beiden Sonnensieg-Runen „SS“ kenntlich machte. Das Emblem zeigt 12 dunkle Sonnenrunen auf hellem Grund. Hier ist nicht der Ort, auf das weite Feld politischer und moralischer Beachtungen einzugehen, das diesem Orden im „Dritten-Reich“ im positiven Sinne und nach Kriegsende im negativen Sinne eingeräumt wurde und wird.  

 
Wewelsburg / Wifilisburg (Frauenburg) bei Büren / Krs. Paderborn im 17. Jh.
 
Wir beschäftigen uns hier ausschließlich mit dem symbolischen Aspekt dieser Chiffre. Wie lautet - so fragen sich viele Sinnsucher - ihre konkrete symbolsprachliche Aussage ? 12 ist das Zahlensinnbild des urgermanischen Todes- / Lebens- / Weltenbaumes, der geheimnisvoll düsteren Eibe - ein Sinnbild dauerhafter Lebenskraft und im weitesten Verständnis auch der kosmischen Gesamtheit. Folgerichtig ergibt eine Aufsummierung der 12 (Addition von 1 bis 12) die Zahl 78, die im runischen Sinne auch so betrachtet werden darf: 7 (-Rune = Berkana / Erdmutter) + 8 (-Rune = Tiu / Himmelsvater). Somit ist die 12 - auch 3X4 (Geist/Sonne X Materie/Erde) - auch ein stimmiges Gleichnis für die große Weltpolarität des sich gegenseitig ergänzenden Männlichen und Weiblichen bzw. Yin und Yang. Das Wewelsburger Sonnenrad, bestehend aus 12 -Runen (Einzelwertigkeit 9), impliziert die Rechnung: 12 X 9 =108. Diese mythische Zahl 108 besitzt eine besonders weitreichende Aussagekraft. Sie ist 3 mal in die Symbolornamentierung des schönsten der erhaltenen Sakralwerke aus germ. Vorzeit eingearbeitet, dem bronzezeitlichen Sonnenwagen von Trundholm, ca.1500 v.0 (siehe „Entschlüsselung der Sonnenwagen-Symbolik“, G. Hess). Auch in anderen Religionskulturen kommt der Zahl höchste Bedeutung zu: 108 Perlen besitzt der buddhistische Gebetskranz, die „Kette der Welten“; 108 Heilige („Arhads“) kennt dieser Glauben. Der hinduistische Krishna tanzt seinen Zeitenreigen im Kreise von 108 „Gopis“. 108 Glockenschläge erfolgen zum japanischen Neujahrsfest, gegen die 108 Übel des vergangenen und die 108 Freuden des kommenden Jahres. 108 Weihestätten muss der Lamapriester auf seinen Meditationsreisen aufsuchen usw.

 
Für unseren deutsch-germanischen Kulturkreis ist aber von höchster Bedeutung, dass die germ. Buchstabenreihe, das ODiNG-FUÞARK, 108 Urstammsilben beinhaltet, nämlich 6 Urlautrunen und 18 Mitlautrunen. Die erste der sich ergebenden Stammsilben heißt „od“, was gleichzeitig die Zentralsilbe des germ. Gottesbegriffes ist. Multiplizieren wir die Anzahl der 24 Runen mit den 108 Urstammsilben, so ergibt sich die Zahl 2592(0), also die Jahreszahl des Äons, des Weltenjahres - eine Zahl, die sich durch die astronomische Präzession des Frühlingspunktes ergibt, der in 72 Jahren um 1 Grad rückläufig ist (360 Grad x 72 = 25920). Sowohl diese Zahl des „Gottesjahres“ wie auch die hl. Zahl 108 weisen in Gestalt ihrer Quersummen 9 wieder auf die Sonne bzw. die Sonnenrune (-Rune) hin.

 
Zwar ist die 9 das runische Zahlensymbol für die voll erblühte lichte Sonnenkraft, doch das Wewelsburger Sonnenrad weist bewusst 12 Sonnenspeichen (s-Runen) auf. 12 ist als die Zahl der Götter, der nächtlichen Ekliptik-Sternbilder bekannt, also jener aus dem eher Verborgenen wirkenden Mächte. Die runenmythologische Zahl 12 - ebenso deren Umkehrung 21 (gespiegelte 12) - meinen nicht die strahlende, mit Augen sichtbare, lachende Himmelssonne des Sommerhimmels, sondern die unsichtbare „dunkle“, immer vorhandene, aber nur den Eingeweihten ge(be)wusste Sonnenenergie, die unserer Welt Antrieb und Leben schenkt. Aus diesem ursprünglichen Verständnishorizont erklärt sich die dunkle immergrüne Weltenbaum-Eibe (12. Rune) geradeso wie die All-Gottheit Wodan/Wodin, die germanische Geistsonne (21. Rune), die im Seelengrunde eines jeden alteuropäisch-germanischen Menschen kreist. Identisch mit diesem Gott ist der Hermes oder „Mercurius Trismegistos“, der den antiken Gnostikern und mittelalterlichen Alchimisten als „Urvater aller Erkenntnis“, „Vater aller Vollkommenheit“, „spiritus vitae“, „anima mundi“ und „spiritus igneus“ galt. In diesem Sinne besitzt die deutsch-völkische Geisteswelt an der Wewelsburger „Schwarzen Sonne“ ein beredtes Zeugnis für mehrtausendjährige Symbolkontinuität sowie ein tiefsinniges Gottessinnbild, welches die Notsprengung der Burg am 31. März 1945 merkwürdigerweise unbeschädigt überdauerte.
 
SCHWARZE SONNE
 
Wenn das Westmeer winkt,
wenn die Sonne versinkt,
dann tanzen die Ungeheuer
und die Sonne geht in die Feuer.
 
Sie harrt in der Nacht,
in der Flammenwacht,
und spendet zu blinkenden Sternen
die Lichtkraft in nächtige Fernen.
 
Einmal doch stirbt die Glut,
schweigt aller Flammen Wut -,
die Feuerkraft formt sich gelinde,
dann geht sie hinein in die Winde.
 
Der Wind trägt sie fort,
kennt jeglichen Ort,
er zündet tief in den Herzen,
Sonnen und Sterne und Kerzen.
 
Wenn Dämonen droh’n,
mit düsterem Hohn,
dann wird unser Wissen zur Wonne:
Nie stirbt uns die nachtschwarze Sonne !
 
Der altarische „Weda / Veda“ (Wissens-Buch) sagt: „Wenn die Sonne [Suraya] sinkt, geht sie in die Feuer [Agni], wenn die Feuer erlöschen, gehen sie hinein in den ewigen Wind [Vayu]. Der Wind aber ist Odem [Prana], ist das Urselbst [Atman] der Menschenseele und Atman ist identisch mit dem Urgod [Brahman].“
 
 
Vorbildgebend für die „Schwarze Sonne“ waren allamanische Schmuckscheiben des 4.-7. Jhs. mit zentralen Sonnensymbolen (Schweifkreuz oder Ring), von denen unterschiedlich viele Sonnen-Runen strahlenförmig ausgehen (Mus. München).
 
 
Goldene Sonnen-Schmuckscheibe aus langobardischem Grab von Castel Trosino / Italien. Um den zentralen roten Granatstein legen sich 12 Strahlenzacken um einen Kranz von 12 Sonnenspiralsymbolen.