DER UNAUSGEGORENE

Hermann Hesse weckt Interesse
und bleibt doch nur Petitesse.
Wer Antwort suchte bei dem Mann
hat die Zeit umsonst vertan.

Hermann Hesse war ein Sucher,
seelenkranker All-Verflucher -;
im tiefsten Wesen arg zerrissen,
auch gesundheitlich zerschlissen.

Kranke bringen keine Heilung -,
sinnlos wird dort die Verweilung;
wer sich nicht zu retten weiß,
verdiente weder Lob noch Preis.

Herrmann las und las und schrieb,
nichts war ihm wie Schreiben lieb;
er versank im Büchermeer -,
bald sah er sich selbst nicht mehr.

Er fand keine eigenen Wurzeln,
musste in den Weltraum purzeln,
ganz ohne Boden, ohne Halt -,
für Heimat-Liebe blieb er kalt.

Rundum erkannt’ er Heuchelei,
doch welcher Glaube machte frei ?
Der Pietismus ließ ihn hassen,
aber wonach sollt’ er fassen ?

Er fand kein Glück und keinen Sinn,
drum lief er weg nach Indien hin,
ernüchtert reiste er zurück
und leistete kein Meisterstück.

Unfertig blieb was er erdachte,
unausgegoren was er machte -,
„Glasperlenspieler“ blieb er nur,
von echter Tiefe keine Spur !

Für den Krieg war er zu kränklich,
den hielt er erst für unbedenklich,
erst später war er dann vergrätzt
hat gegen Waffendienst gehetzt.

Was an Hesse wär’ beständig ?
Nichts ist eigentlich notwendig !
Schenkt er manchen Kleingenuss,
  ist der größte Teil doch Stuss.
 
Hermann Karl Hesse (1877-1962), war der Enkel eines aus Lübeck nach Estland ausgewandeten Kaufmanns und also Sohn eines baltischen bzw. russischen Missionars, der auch unter dem Pseudonym Emil Sinclair schrieb. Er wurde in Württemberg geboren, besaß auch die schweizerische Staatsbürgerschaft, empfand eine Affinität zur buddhistisch-indischen Geisteshaltung und pendelte so im weiten Empfindungsarchipel ohne je einen Ankerplatz und Ruhe gefunden zu haben. Er blieb, ebenso wie sein Vater, überall ein Fremder, ein unverstandener, nicht zu verstehender Gast. Der protestantisch-pietistischen Enge des Elternhauses versuche er zu entkommen, aber auch im Buddhismus kam er nie an. Die Bibliothek seines gelehrten Großvaters stand ihm zur Verfügung. Hesse arbeitete einige Jahre in der Buchhandlung und dem Antiquariat Heckenhauer in Tübingen. Ich stand vor Jahren in dem Laden und versuchte mir den jungen Mann darin vorzumalen. Angesichts der Literaturmasse sind die Eindrücke so vielfältig, dass sich automatisch eigene Gedankengänge einstellen --, und Hesse wollte schreiben, er fing früh damit an -, doch eine neue Lehre, eine bedeutende Aussage wusste er nicht zu machen. Er hat viel geschrieben aber alles ist so unfertig so bruchstückhaft, so fremd und verworren. Er war ja selbst ein widersprüchlicher zutiefst zerrissener, kranker Mensch. Schon in Maulbronn zeigte sich 1892 der rebellische Charakter des Schülers; er flüchtete aus dem Seminar und wurde erst einen Tag später auf freiem Feld aufgegriffen. Er vermochte nicht seine Depressionen in den Griff zu bekommen und äußerte 1892 in einem Brief 1892 Selbstmordgedanken. Tatsächlich versuchte er sich mit einem Revolver umzubringen. Seine Eltern gaben ihn in eine Nervenheilanstalt. Sein Sarkasmus, aggressiver Trotz, Welt- u. Religionshass nahmen weiter zu. In Briefen gab er seinem Vater die Schuld, an allen künftig von ihm zu begehenden Verbrechen. Das Gymnasium brach er ab. Seiner ersten Buchhändlerlehre entlief er nach drei Tagen, dann begann er eine nur 14 Monate dauernde Mechanikerlehre. Beim Ausbruch des Krieges 1914 meldete Hesse sich als Freiwilliger bei der deutschen Botschaft. Er wurde jedoch für untauglich befunden. Er spricht sich mitten im Überlebensringen Deutschands gegen patriotische Kriegsdichtungen aus und wird folglich von patriotischen Publizisten zum Vaterlandsverräter erklärt. Sein Augenleiden sowie Nerven- und Kopfschmerzen verstärkten sich. Auch in seiner Ehe vermehrten sich nun die Streitigkeiten, so dass er schließlich nach Ostindien weglief. Die erhoffte spirituell-religiösen Inspiration fand er dort aber auch nicht. Nach seiner enttäuschten Rückkehr vermehrten sich seine Eheprobleme bis zum Bruch. Wieder musste er sich in nervenärztliche Behandlung begeben. Im „Bund der Aussteiger“, mit Gusto Gräser u. dessen Frau, also der Gescheiterten, fühle er sich erstmals wohler. Aus einem Kriegsfreiwilligen wurde der Kriegsdienstverweigerer. Seine eigene deutsch-baltisch-europäische Kultur vermochte er nicht zu finden, so ergab er sich wie ein Fahnenflüchtiger der Fernöstlichen. Hermann Hesse litt lange an Leukämie u. verstarb schließlich an einem Gehirnschlag. Kritiker schrieben: „Dass Hesse so vernichtend viele völlig niveaulose Verse veröffentlicht hat, ist eine bedauerliche Disziplinlosigkeit, eine literarische Barbarei“. Sie kamen auch in Bezug auf die Prosa zu keinem günstigeren Urteil, bis in den USA aus tendenziösen Motiven ein Hesse-Boom losgetreten wurde, war doch aus ihm - dem antinationalen Glasperlenspieler -. ein in politische Münze zu schlagender Vorzeige- und Propaganda-Deutscher zu stilisieren. So wurde er wegen seiner antideutsch-nationalen Weltbürgerhaltung auch von den 68ern als Aushängeschild aufgegriffen und bewusst überschätzt. Wer ihn aber aufmerksam liest, kommt sehr bald zu dem Schluss, dass Hesse zu keinen tragfähigen, belastbaren Aussagen imstande.
 
Hesses Roman „Der Steppenwolf“, ist die Geschichte seines eigenen seelischen Leidens in heilloser Zerrissenheit, in Gestalt der Figur eines „Harry Haller“. Sein einziger „Ausweg“ ist das Lachen über sich selbst, was freilich als Lebenskonzept als zu mager bewertet werden muss. Im zweiten Drittel des Textes verliert der Roman jedes innere Gefüge und lässt den Leser in der erzeugten Verwirrung allein. Hesses „Das Glasperlenspiel“ wurde 1946 - nach dem verlorenen Krieg - zwar bis zum politisch motivierten „Nobelpreis“ hochgelobt. Aber mit der Hauptfigur „Josef Knecht“ („Josefs Knecht“ ?! Josef = Sohn Jakobs) scheint ein damals zeitgemäßes Theaterstück thematisiert worden zu sein. Es geht um einen zeitweise ungetreuen Jünger, der am Ende reuig zu seinem Meister zurückkehrt, so wie Josef-Knecht-Deutschland nach dem zwölfjährigen Fluchtversuch der „Nazis“ wieder zum „Weltmeister“ reuig zurückfinden sollte. Gewidmet ist das Buch bezeichnenderweise „Den Morgenlandfahrern“, also denjenigen die der Rettung des Abendlandes adieu gesagt haben.