SEELEN-VOGEL - ODAL-SCHLINGE

12.02.2022
Abb. 1 - Odal-Seelenvogel-Schmuck der germ. Vendel-Zeit (500-800 n.0)
 

DER SEELEN-VOGEL

Wenn die Körperhüllen sterben,
wachsen ihren Seelen Flügel,
schweben auf ins weite Blaue,
über Wälder, Wiesen, Hügel.

Dort verweilen sie eine Weile,
wie es gern die Lerchen machen,
die im hohen Sommerglanze
beseligt mit den Flügeln lachen.

Schau‘n hinab zur Körperheimat,
auf die lang‘ vertraute Hütte,
fühlen sich bald hochgezogen,
zur grandiosen Glückes-Schütte.

Steigen nach Walhall in Wolken,
zu Wodin hin in seinem Glanze,
der in Kosmos-Weisheit waltet,
mit den Insignien Ring und Lanze.

Die Odal-Seele lebt in Träumen,
vom Liebhaben, Kämpfen, Siegen
und wartet auf die Neugeburten,
zum Erdenkreis zurück zu fliegen.

Dieses Mysterium der Seelen,
umfasst das Odal-Runen-Zeichen,
damit Vogel-Schlingen-Schlangen,
den geheimen Lehren gleichen.

Sie Seelen dachte sich die nordisch-germanische Religion als vogelähnliche geflügelte Schlangen oder Vögel, wie sie in vielen Abbildungen und Kleinkunstwerken auf uns gekommen sind. Auch auf den mittelalterlichen Goldbrakteaten, deren Fundus der Mediävist und Skandinavist Karl Hauck (1916-2007) als Zeugnisse der „Brakteatenreligion“ verstand, sind sie häufig zu finden, nämlich Vögel und Schlangen mit Odal-Schlingen.
 
Abb. 2 - Germane vom Portonaccio-Sarkophag mit rechtsseitigem Haarknoten. Links unten im Bild: Markomannenbüste von Muschau/Mušov/Südmähren
 
Die vielen germanischen Haarknotendarstellungen, beispielsweise auf dem Relief des Cantabersteins, wo ein röm. Soldat über den abgetrennten Germanenkopf hinwegreitet, oder der Germane vom Portonaccio-Sarkophag (Abb.2), oder dem Bronzekessel des markomannischen Königsgrabes von Muschau/Mušov (Abb. 2) in Südmähren, mit seinen vier Germanenbüsten an den Henkelringen (170-180 n.0), oder die Originalfunde (Moorleiche von Osterby/Eckernförde) und die ikonographischen Zeugnisse der Goldbrakteaten -, lassen nur einen Schluss zu, das Odalschlingenzeichen, in kursiven und eckigen Runenformen, waren religiöse Symbole bzw. Bekenntnis-Zeichen zur germanischen Od-Religion. (Karl Reinhard Krierer, „Antike Germanenbilder. Archäologische Forschungen 11, Hrsg. J. Borchardt, F. Kinzinger, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2004) Die Odalschlinge bringt eine ganz bestimmte Denk- und Glaubenswelt zum Ausdruck, das ist sicher. Das Haar galt als Synonym und als Sitz der Seele. Auch in landläufig simpler Gleichung: helles, schlichtes Haar = heller, gerader Sinn und dunkles Kraushaar = düsteres, krauses Gemüt; heute noch: „Krause Haare, krauser Sinn !“ Die Odal-Haarschlinge (Schlingenschlag ist die erste Handlung zum Knotenzug) muss im innigen Bezug zur Odal-Rune gestanden haben, welche sich in runden wie eckigen Versionen überliefert findet und - das ist hervorzuheben - im ursprünglich-linksläufigen (rechtsbeginnenden) 24er „Oding“-Runen-System auf die 1. Stelle platziert wurde. Zusammen mit dem 2. Runenbuchstaben, dem „d“, ergibt sich der germ. Begriff „Od“ an. Óðr für „Geist/Weißtum/Seele/Sinn“. Die germ. Haarschlinge wird als Erkennungszeichen für den Od-Gott Wodan/Wodin/Odin und vorweg für die Walküren zu deuten sein, dass sie auf den Schlachtfeldern die gefallenen Od-Krieger, ihre Auslese leichter zu treffen wissen würden, wer nach Walhall zu holen sei und wer - als fremder/feindlicher Soldat - „zur Hölle“ oder sonstwohin gehen möge. Die dahinterstehende Logik ist zu durchschauen: Wer mit der „Seelen-Materie Haar“ das Seelen-Zeichen demonstriert, zeigt seine Treue zum Glauben an Wodin-Odin, dem Psychopompos, also Seelengeleiter und darf auf des Gottes Gegentreue in der Anderswelt hoffen. Im ähnlichen, möglicherweise exakt gleichen Sinne, gilt den Mosaischen Juden die Vorhautbeschneidung ihres Penis als Zeichen des Vertrages mit ihrem Stammensgott Jahwe. Diese jüdische Idee erhielt wohl aus alter Pharaonenzeit ihre Anregung, als den toten Soldaten nach Kriegen, um sie zahlenmäßig zu erfassen, einfach der Penis abgeschnitten und auf einen Haufen geworfen wurde. Am Penis waren demnach die Geisteshaltung, repektive Religion und Rasse ablesbar. Siehe dazu die Reliefs der Nekropole Medînet-Hâbu von Pharao Ramses III.. 
 
Laut C. Tacitus in seiner „Germania“ kämmten sich die Krieger des germanischen Stammes der Sueben die Haare seitwärts und banden sie auf dem Scheitel zu einem Knoten hoch. Der Sinn des Knotens habe darin bestanden, in der Schlacht größer und furchteinflößender zu erscheinen. Das ist natürlich völliger Unsinn, kein Mann erscheint größer durch den seitlichen Haarknoten. Tacitus schrieb: „Jetzt habe ich von den Sueben zu berichten...; sie bewohnen nämlich den größten Teil Germaniens …Ein Kennzeichen des Stammes ist es, das Haar seitwärts zu streichen und in einem Knoten hochzubinden…. die Vornehmen tragen es noch kunstvoller. Das ist Schönheitspflege, aber von harmloser Art; denn nicht um zu lieben oder geliebt zu werden, richten sie sich her, sondern um recht groß und furchtbar zu erscheinen, wenn sie in den Krieg ziehen: für das Auge des Feindes ist der Putz bestimmt.“ Das Binden eines Suebenknotens setzt lange Haupthaare voraus. Die Haare werden am Hinterkopf in zwei gleichmäßige Stränge aufgeteilt, glattgekämmt und gegenläufig um den Kopf gelegt. Auf einer Kopfseite, meist in der Schläfenregion, werden die beiden Stränge einzeln fest in gleicher Richtung gedreht. Die beiden Stränge werden dann gegeneinander verzwirnt, wobei sich die Drehung der beiden einzelnen Stränge wieder etwas auflockert. Zum Abschluss wird aus dem entstandenen Zopf eine Schlinge gebildet und das überstehende Zopfende in einer Schleife durch die Schlinge gelegt. Durch die Verzwirnung zieht sich der so entstandene Knoten fest und hält ohne weitere Hilfsmittel.