17.07.2023
Vitrine im Hünfelder „Konrad-Zuse-Museum“ mit der rekonstruierten jungen Frau. Das Gesicht ist meine fototechnische Rekonstruktion. Die Originalfunde werden im „Hessischen Landesmuseum“ zu Kassel aufbewahrt.
Das „Mädchen von Molzbach“ aus der hessischen Röhn fand man in einer reichen Mädchengrablege (Grab Nr. 8) aus der Hügelgräberbronzezeit, also etwa 1.300 v.0. Man schätzt das Alter der Person auf ungefähr 20 Jahre. Im Jahr 2022 bekamen die Fuldaer Stadt- und Kreisarchäologin Milena Wingenfeld und der Radiologe Dr. M. Fokko Zilles die Knochen als Leihgabe aus Kassel zur Verfügung gestellt. Die genaue radiologische Untersuchung ergab, dass „das Mädchen“ tatsächlich eine junge Frau war, nach der Analyse der teils noch im Kiefer befindlichen Zähne war sie 21,8 Jahre.
Die junge Frau im Fund, mit ihren Schmucksachen, wie den solaren Radkreuznadeln und den Ewigkeitszeichen der Doppelspiralen.
Gefunden wurde sie unter einem ehemaligen, eingeebneten bronzezeitlichen Grabhügel nordöstlich von Molzbach, am Bomberg. Der zur Entstehungszeit gewaltige Hügel maß 13 m im Durchmesser und 17 m in der Höhe. Schon im Jahre 1931 wurde er wissenschaftlich untersucht und zwar von Gero von Merhart-Bernegg, einem deutschen Professor für Vor und Frühgeschichte. Als einziger Grabhügel im Fuldaer Land ist er mit Kalksteinen errichtet worden, wodurch die Skelette noch gut erhalten blieben. Während sich in anderen Grabhügeln ein oder zwei Skelette finden lassen, barg dieser 10, 17, nach anderer Quelle 24 Tote. Die Mehrzahl davon gehören der osthessischen Hügelgräberbronzezeit, der sog. „Werra-Fulda-Gruppe“ an. Die Archäologen glauben zur Erkenntnis gekommen zu sein, dass dieser Hügel ursprünglich für einen Mann angelegt wurde und dass es sich bei die Frauen-Grablege um eine Nachbestattung handele. Der Grabhügel ist in seiner Kombination von Größe, Anzahl der Bestattungen, Belegungszeitraum und reicher Frauenbestattung einzigartig im Umkreis der Rhön. Die Beerdigungsstätte wurde über mehrere Generationen genutzt. Weitere Gräber stammen aus der Späthallsattzeit und eines aus Frühlaténezeit.
Der jungen Frau wurden etliche Schmuckstücke beigegeben, die in „körpergerechter“ Lage gefunden wurden, d. h. dort, wo sie getragen bzw. befestigt worden waren. Kleinere Beigaben waren eine kleine Klammer, ein Pferdezahn, ein Kuhzahn sowie zwei Scherben. Um den Hals trug sie einen vierspiraligen Reif, mit gegenläufigen Endspiralen, mit Dreieckverzierung. Solche Schmuckreifen gibt es vereinzelt im östlichen Bereich Hessens bis zum oberen Main. Den Großteil des rechten Arms bedeckte eine Spirale am Unterarm mit 17 Windungen, am linken Unterarm befand sich ein Gegenstück mit 19 Windungen. Den rechten Oberarm zierte ein breitbandiges Armband, dessen Enden in Spiralen auslaufen. Dieses im osthessischen Bereich übliche Schmuckstück lässt auf ein kurzärmeliges Gewand schließen. Am linken Fußgelenk trug das Mädchen zweispiraligen Schmuck. Solche Formen kennt man auch am oberen Main wie im Werragebiet Dünndrahtige Spiralringe an der linken Kopfseite sowie zwei Spiralringe beim linken Oberarm werden dem Haarschmuck oder einer tuchartigen Kopfbedeckung zugerechnet.
Zwei flächige, runde Nadeln hielten das Gewand an den Schultern des Mädchens zusammen. Die sog. Radnadeln wurden paarig getragen. Es sind jungbronzezeitliche Formen, zweischalig gegossen und durch eine aufgesetzte Krone selten. Spitze Hütchen mit Löchern zum Annähen, sog. „Tutuli“, waren offensichtlich Schmuckbesatz eines Mieders im Brustbereich. Weitere Tutuli, 43 aus Bronze und drei aus Weißmetall, fanden sich auf Oberschenkelhöhe und lassen auf ein geschmücktes Kleidungsstück schließen. Vermutlich waren die Hütchen in mehreren Reihen aufgenäht. Derart geformte Besatzstücke sind besonders am oberen Main, in der Gegend von Coburg, üblich. Eine Seltenheit ist das Gürtelblech aus offensichtlich heimischem Handwerk. Es umschloss die Hüfte, ist 45,5 cm lang, 9,6 cm breit und hat eine Punkt- oder Buckelverzierung.
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Die Radkreuznadel, ein praktisches Sonnenschutz-Amulett, das im gesamten deutschen Großraum als Sonnen-Heilszeichen uralt-religiöse Tradition hatte. Die paulinisch-kirchenchristliche Übertölpelung der Menschen zum jüdischen Stammesgötzen (Jahwe) als Weltengott, wird damit ein Stück verständlicher. Die Missionare verknüpften im Bekehrungs-Einstieg ihr Kunstprodukt geschickt mit dem völkischen Sonnenglauben, um dann, über das biblische Dogma, die gewonnenen Schäflein zu orientalisieren, zu entseelen und schließlich zu scheren.
Als „Frau von Brill“ wird ein Grabfund aus der mittleren Bronzezeit auf dem Gebiet der Gemeinde Dunum in Ostfriesland bezeichnet. Erstmals wurden dort Grabbeilagen aus Metall entdeckt, die ansonsten in der Region aus dieser Periode bisher fehlten. Die Frau von Brill wurde während der mittleren Bronzezeit auf einer Kuppe der heutigen Briller Gaste bestattet, die offenbar schon seit der Steinzeit als Begräbnisstätte genutzt wurde. Vor der Beerdigung wurde sie in einen Baumsarg, der aus einem gespaltenen und ausgehöhlten Stamm gefertigt worden war, gebettet, von dem sich nur noch Spuren fanden. Im Unterschied zu anderen Funden, die in diese Periode datiert werden, war ihr Grab reich ausgestattet. Gefunden wurden Locken- oder Schläfenringe, ein Halsreif aus Bronze, mehrere kleine Bronzehütchen, die vermutlich zu einer Kette gehörten, eine Perlenkette aus Bernstein, eine Radnadel mit doppelter Felge, die vermutlich einen Umhang oder einen Mantel auf der Brust schloss, sowie ein längsgeripptes bronzenes Armband. Es ist zu vermuten, dass die Frau zu Lebzeiten hohes Ansehen genoss, da sie mit ihrem kompletten Schmuck bestattet wurde. Die reiche Ausstattung deutet darauf hin, dass schon unsere germanischen Vorfahren dieser Zeit das Leben im Jenseits als Fortsetzung des Lebens auf der Erde ansahen und alles, was als wichtig angesehen wurde, mit ins Grab legten. Vergleiche mit ähnlichen Funden wie dem des „Mädchen von Egtved“ oder der „Prinzessin von Fallingbostel“ in der Lüneburger Heide lassen vermuten, dass die Frau mit einem Kittel, einem Rock und einem Mantel aus gewebter Schafwolle bekleidet war.
Radnadeln finden sich in der mittleren Bronzezeit, also ungefähr zwischen 1.600 und 1.300 v.0, in Mitteleuropa und sind bislang nur als Grabbeigaben aus Hügelgräbern bekannt. Sie dienten als Teil der Frauentracht zum Verschließen von Gewändern. In Hessen und in Südthüringen sind Radnadeln sehr typische Grabbeigaben. Weiter nördlich, auch in Westfalen, tauchen sie weniger häufig auf. Bislang gibt es Radnadelfunde in diesem Raum nur in Bad Driburg, Paderborn, Borchen-Etteln, Werther und Münster. Die Verbreitung nach Nordwestdeutschland fand vermutlich über Einflüsse aus der hessischen Hügelgräberkultur statt. Hierbei ist allerdings noch unklar, ob die Radnadeln nur dort, oder auch lokal gefertigt wurden. Bisher finden sich Radnadeln nur in Frauengräbern. Die Art und Weise, wie die Damen die Nadeln trugen, variierte zwischen den verschiedenen Regionen. Während sich in Osthessen und in Norddeutschland stets eine Radnadel mittig fand, weisen die Befunde im Rhein-Main Gebiet zwei Radnadeln auf, je eine unterhalb des Schlüsselbeins.