03.11.2023

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Grabungsleiter Immo Heske zeigt das Modell der entdeckten Bronzezeit-Halle in der Prignitz. Hier versammelte wohl „König Hinz“ seine frühgermanischen Schwertbrüder und Gefolgsleute. In der Nähe von Seddin befindet sich die bedeutendste Grabanlage des 9. Jh. v.0 im nördlichen Mitteleuropa. Dort machten Archäologen nun den bemerkenswerten Fund.

In der Nähe des „Königsgrabs“ von Seddin (Landkreis Prignitz) nordwestlich von Berlin ist bei Grabungen eine riesige Halle aus der Bronzezeit entdeckt worden. Wie das Brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege am Mittwoch in Wünsdorf mitteilte, handelt es sich um das größte Bauwerk dieser Art aus der nordischen Bronzezeit (ca. 2200-800 v.0). Vermutlich sei mit dem 31 mal 10 Meter großen Grundriss die Versammlungshalle des sagenumwobenen „Königs Hinz“ ausgegraben worden, hieß es.

Laut Landesarchäologe Franz Schopper handelt es sich um einen „ganz dicken spektakulären Fund“. Die Wände des Baus bestanden aus Holzbohlen und einem Flechtwerk mit Lehmverputz. Das Dach war mit Reet oder Stroh gedeckt. Aufgrund der geschätzten Gebäudehöhe von sieben Metern wird angenommen, dass noch weitere Geschosse zum Wohnen und zur Lagerung existierten. Im Inneren der westlichen Gebäudehälfte befand sich zentral gelegen eine Feuerstelle. An der nördlichen Längswand wurde ein Miniaturgefäß geborgen, welches als rituelle Opferung gedeutet wird.

Der Archäologe Immo Heske von der Georg-August-Universität Göttingen, der die Grabungen seiteinigen Jahren wissenschaftlich begleitet, datiert das Gebäude zwischen dem 10. und 9. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Aufgrund der enormen Größe dürfte es sich um einen Herrschersitz gehandelt haben. Im Zeitraum von 1800 bis 800 vor 0 gebe es lediglich zwei weitere Gebäude dieser Art zwischen Dänemark und Süddeutschland, sagte Heske. Die Arbeiten rund um das „Königsgrab“ seien vor allem durch eine gute Zusammenarbeit auf allen Ebenen, insbesondere auch mit dem Landkreis Prignitz und der Gemeinde Groß Pankow, möglich gewesen. Im vergangenen Jahr hatte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) eine Förderung von 300.000 Euro für weitere Grabungen zugesagt. Laut Schopper sollen die Forschungsergebnisse auch der Öffentlichkeit präsentiert werden. Neben einer umfangreichen Publikation seien vor Ort Informationstafeln und eventuell ein Modell der Halle geplant. In Absprache mit den Kommunen solle dies in einem Zeitraum von zwei bis drei Jahren realisiert werden, sagte Schopper, der eue Chef im Denkmalamt: „Ich wünsche mir mehr Stolz auf Potsdam“

Der Hügel von Seddin war beeindruckend groß, auch wenn er heute erst auf den zweiten Blick diesen Eindruck macht. 9.000 Kubikmeter Sand - woher er stammte ist bis heute unklar - und unzählige Steine sind dafür mit einfachsten Hilfsmitteln transportiert und aufgeschichtet worden. Eine gigantische, fast unvorstellbare Masse. Ein riesiger Grabhügel im Nordwesten Brandenburgs gibt den Wissenschaftlern noch immer Rätsel auf. Wenig ist bekannt über den „König von Seddin“. Neue Grabungen zeigen nun, mit welchem Aufwand seine letzte Ruhestätte entstand und wie gigantisch seine Herrscherhalle war.

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Präsentation des Innenraumes, mit dem 3.000 Jahre alten Gesamtfundus vom Königsgrab von Seddin, im Staatlichen Museum zu Berlin, für Vor- und Frühgeschichte. Die heute zugängliche Grabkammer ist aus Findlingen gebaut und war ursprünglich innen mit Lehm verputzt und farblich ausgestaltet. Die Ausgrabungsfunde gelangten nach Berlin an das Märkische Museum und waren dort, mit einer längeren Unterbrechung nach dem Zweiten Weltkrieg, Jahrzehnte lang Teil der archäologischen Sammlung und ein Höhepunkt der Dauerausstellung. Nach WK II.  sind Teile des Inventars durch Russen geklaut worden und sind nur noch als Kopien erhalten. Das wichtigste Stück, eine Urne aus Bronze, in der die verbrannten Reste eines bronzezeitlichen Herrschers aufgebahrt waren, blieb erhalten.Nicht nur im Grabbau, sondern auch im Formenspektrum der sehr zahlreichen Beigaben des Seddiner Grabes spiegelt sich die Bedeutung des germanischen „Königs von Seddin“ wieder. Als Urne der Hauptbestattung diente die genannte bronzene Amphore, deren in Reihen und Gruppen angeordnete Buckel als Kalendarium gedeutet werden. Hanno Taufenbach schrieb darüber die Arbeit „Ein Kalender aus der Bronzezeit“.

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Wir ersehen daran den hohen Stand der frühgermanischen Metallurgie und Kalenderwissenschaft. Zwei Prignitzer Amphoren, die aus dem Königsgrab von Seddin und die aus einer Fundstätte in Herzberg (OPR = OstPrignitz, Ruppin) stammen vermutlich aus der gleichen Werkstatt und wahrscheinlich von gleicher Meisterhand. Es handelt sich hier um Ursiedlungsräume des germanischen Volkstums, aus denen heraus, in Gestalt der Allamannenstürme des  3. Jh. n. 0 gegen Rom, die Renordisierung des deutschen Bodens vollzogen wurde. Welch hohe Bedeutung die Kalenderberechung für die Menschen des europäischen Nordens seit frühesten Zeiten bis hin zum Beginn unserer Zeitrechnung einnahmen, ersehen wir an den stichbandkeramischen Kalenderringbauten von Meisternthal und Goseck und schließlich an dem von mir wiederentdeckten runischen ODING-FUÞARK Kalenderwerk (siehe „ODING-Wizzod - Gottesgesetz und Botschaft der Runen“, Verlag Droemer-Knaur, 1993.

In der Amphore befand sich der Leichenbrand eines Mannes. Sie stand in einem eigens angefertigten Tonfass, das mit Tonnägeln verschlossen war. Kleinere Keramikgefäße enthielten die Reste von zwei weiteren Bestattungen, wahrscheinlich junger Frauen. Die zahlreichen, wertvollen Beigaben, die weiblichen Mitbestattungen, der gewaltige Grabhügel und nicht zuletzt die einzigartige Grabkammer deuten auf den außerordentlich hohen sozialen Status des Mannes zu Lebzeiten hin. Die Grabanlage erfüllte den gelungenen Zweck, den Führer-Status des geliebten Herrschers über seinen Tod hinaus - bis auf unsere Tage - zu bewahren.

Die uralte Sage vom König Hinz

In grauer Vorzeit gab es in der Prignitz einen König, der hieß Hinz. Er war gut und gerecht zu jedermann und überaus beliebt bei seinen Untertanen wie nie ein Herrscher zuvor. Doch niemand lebt ewig und so starb auch der König eines Tages. Jedoch sein Volk beschloss, wenigstens die Erinnerung an diesen treuen Führer auf alle Zeiten lebendig zu halten; so errichtete man dem Toten ein wahrhaft königliches Grabmal, welches einzig in seiner Art sein sollte: In drei verschiedenen Särgen, wovon der wertvollste in Gold getrieben war, bestattete man den Edlen sowie seine Gemahlin und eine treue Dienerin, die ihm voller Schmerz in den Tod gefolgt waren. Auf dass niemand fürderhin die Ruhe des Herrschers stören könne, wurde ein mächtiger Hügel um das Grab aufgeschüttet - so entstand der „Hinzberg“.

Durch die Jahrtausende hinweg wurde nun die Geschichte von König Hinz von Generation zu Generation weitergegeben, so, wie es einst der Wille der Menschen gewesen war. Im vorigen Jahrhundert jedoch machte sich ein Bauer, in dessen Besitz der Hügel lag, an das Aufgraben. Ruhelos verbrachte er die Tage mit Wühlen und förderte doch nichts als Steine zutage. Da er darüber vergaß, seinen täglichen Pflichten nachzugehen, stand er bald arm und mittellos dar. Vielleicht ist es aber auch die Strafe des Königs gewesen, die ihn für seine Habgier traf.

Den Berg jedoch hat man nicht wieder in Ruhe gelassen. Im Jahre 1899 legten Archäologen die Grabkammer frei und bargen bronzezeitliche Gefäße mit den Resten dreier Personen, darunter eines Mannes in einem Bronzegefäß von einzigartiger Form - dem „goldenen“ Sarg, wohlbeschützt von den beiden äußeren Umhüllungen, der Steinkammer und der Erdaufschüttung. Es gibt aber in der Nähe noch zwei weitere Hügel, in denen der Fingerring des Königs und andere Habseligkeiten liegen sollen.