09.04.2024

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Zeichnung von „Alten Oetingen“ von 1627

Anfänge einer Siedlung lassen sich durch Funde in die Zeit der Urnenfelderkultur (ca. 1.250 bis 750 v.0) einordnen, wobei für die Anlage der Siedlung das umliegende Weidegebiet, die fischreichen Gewässer und der angrenzende Wald mit seinen Jagdmöglichkeiten die wichtigsten Voraussetzungen bildeten. Die Grabfunde der Urnenfelderzeit im Norden der Stadt und die bajuwarischen Reihengräber im Süden begrenzen einen Platz, der sich im Laufe eines Jahrtausends weniger durch seine Siedlungskontinuität als vielmehr durch seine Bedeutung als Kultort auszeichnet. Die fast quadratische Form des alten Kapellplatzes mit seiner hölzernen Umfriedung und die in der Mitte stehende Linde verweisen entweder auf eine Keltenschanze mit Kultbedeutung oder auf einen altgermanischen Dingplatz als Versammlungsort und Gerichtsstätte.

Diese Kultgewichtigkeit war sicher auch bedingt durch die wirtschaftliche Bedeutung mit dem Ausbau der Salzausfuhr aus Hallein und Reichenhall in der Keltenzeit und der späteren Anlage eines Kunststraßennetzes durch die eindringenden Römer. Die Nähe zum alten Innübergang bei Ehring-Töging und zum dortigen Kreuzungspunkt der Verbindungsstraßen Juvavum (Salzburg) – Castra Regina (Regensburg) und Augusta Vindelicum (Augsburg) Ovilava (Wels) bzw. Batavis (Passau) rückte den alten Kultort mit seiner bescheidenen Siedlung auch immer mehr in das Blickfeld strategisch-militärischer Überlegungen. Diese Entwicklung, verbunden mit der geographischen Lage genau in der Mitte des sich ausbildenden agilolfingischen Herzogtums in Altbayern, führte zur ersten urkundlichen Erwähnung von Ötting als „villa publica“ im Jahre 748 mit der Bezeichnung „Autingas“ bzw. Oding.

Im frühen Mittelalter erschien „Autingas“ als Bezeichnung für die heutige Stadt. Erst seit der Gründung Neuöttings (wohl im Jahr 1224), verwendet man die Bezeichnung Altötting. Bereits 748 war der Ort eine Pfalz der Agilolfinger, Herzöge von Bayern. Vierzig Jahre später wurde Altötting karolingische Königspfalz. Aus dieser Zeit stammt vermutlich auch der älteste Bau der heutigen Wallfahrtskirche. In den Jahren 876/877 stiftete König Karlmann ein Kloster in Altötting, in dem er auch begraben wurde. 907 wurde Ort und Pfalz, Stift und Basilika durch den Ungarnsturm verwüstet. Nur das Oktogon der Taufkapelle überstand die Zerstörung. Im Jahr 1228 wurde das Chorherrenstift durch den Wittelsbacher-Herzog Ludwig der Kelheimer wieder errichtet, das spätere Kollegiatstift Altötting. Als Anfang des 13. Jahrhunderts die Salzstraße von Venedig nach Nürnberg und stetig immer mehr an den Inn verlegt wurde, verliehen die Wittelsbacher Neuötting Stadt- und Münzrechte. 1489 gibt es Berichte von zwei Aufsehen erregenden Heilungswundern, die die Wallfahrt nach Altötting begründeten. Zwischen 1499 und 1511 entstand an der Stelle der romanischen die heutige gotische Stiftkirche. Altötting wurde zu einem der bedeutendsten Pilgerziele seiner Zeit. Politisch war der Ort Hofmark des Stifts ohne eigenständige Selbstverwaltung. Sitz des wittelsbachischen Pfleggerichts war Neuötting.

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Seit über 1250 Jahren ist Altötting geistliches Zentrum Bayerns. Im Jahr 1489 bricht, durch die Berichte von zwei Aufsehen erregenden Heilungswundern veranlasst, die Wallfahrt nach Altötting auf. Ziel dieser Wallfahrt, zu der bald Pilger aus ganz Europa strömen, ist ein um 1300 am Oberrhein oder im Burgund entstandenes, aus Lindenholz geschnitztes Marienbild im Oktogon der ehemaligen Taufkapelle, das um 1330 nach Altötting gekommen sein dürfte. Heute ist Altötting Deutschlands bedeutendster Marienwallfahrtsort mit vielen kirchlichen und historischen Sehenswürdigkeiten.

Ziel der jährlich mehr als eine Million Pilger und Besucher ist die „Schwarze Madonna“, in dem vermutlich um 700 als Taufhaus errichteten Oktogon der Gnadenkapelle. Der kleine Kirchenbau liegt inmitten des weiten, von Barockgebäuden gesäumten Kapellplatzes. Über Altötting schrieb Benedikt XVI.: „Ich habe das Glück, ganz in der Nähe von Altötting geboren zu sein. So gehören die gemeinsamen Wallfahrten mit meinen Eltern und Geschwistern an den Gnadenort zu meinen frühesten und schönsten Erinnerungen“. Erleben Sie die Sehenswürdigkeiten Altöttings, den Zauber dieses Kleinods und lassen Sie sich von dem spirituellen und doch fröhlichen Umfeld begeistern.

Wun­der über Wun­der ereig­ne­te sich in den Jah­ren des aus­ge­hen­den 15. Jahr­hun­derts durch die mild­tä­ti­gen Gna­dener­wei­se Unse­rer Lie­ben Frau von Alt­öt­ting. Es wur­de viel­fach von plötz­li­chen, natur­wis­sen­schaft­lich nicht erklär­ba­ren und dau­er­haf­ten Hei­lun­gen berich­tet. Ein paar Jahr­zehn­te zuvor hat­te der Gold­schmied Johan­nes Guten­berg mit der Erfin­dung der Dru­cker­pres­se eine bahn­bre­chen­de Zeit­wen­de ein­ge­lei­tet. Es ent­sprach dem moder­nen Zeit­geist, dass bald dar­auf die Wun­der­be­rich­te in Mira­kel­büch­lein abge­druckt wur­den. Die bekann­tes­te und umfang­reichs­te Samm­lung ließ der Alt­öt­tin­ger Chor­herr Jaco­bus Issi­cken­ner 1497 in Nürn­berg dru­cken. Die Mel­dung der Wun­der durch das gedruck­te Wort ver­brei­te­te sich rasant: „Item Joerg Eis­pain von Pech­le­rin ist gesto­chen wor­den am Pfinz­tag nach Ste­pha­ni im 93. nächt­li­cher­weil mit einem Brot­mes­ser bis an das Heft in den Bauch neben dem Nabel. In dem hat er ange­ru­fen die Mut­ter aller Gna­den um Barm­her­zig­keit zu alten Ötting. Nach dem Gelüb­de am 10. Tag nichts mehr emp­fun­den. Ist hie gewe­sen des abends nach Nati­vi­ta­tis Mariae im 93. Jahr.” Augsburger Mirakelschrift (ältester Druck aus 1494/95) - Wunder Nr. 9.

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Die Altöttinger Kirche, um das Jahr 700 erbaut, ist wohl der älteste bestehende Kirchenbau im rechtsrheinischen Deutschland. Die Legende sagt, hier habe der fränkische Christenagent, Bischof Rupert, den ersten christlichen Bayernherzog namens Theodo (Regierungszeit 696-718) getauft, woraus ablesbar ist, dass schon der altgläubige Kult jener Stätte eine hohe Bedeutung zumaß. Ein kirchenpolitisch so wichtiger Akt wie eine Herrscher-Taufe wurde ja nicht an ixbeliebigen Orten vorgenommen, sondern an traditionellen Kultplätzen, um diese im gleichen Zuge zu „entdämonisieren“ und kirchenrechtlich zu vereinnahmen. Urkundlich tritt Altötting 748 ins Licht der Geschichte, unter dem Namen Autingas, der latinisierten Form von Ötting bzw. Oetingen, einer Pfalz der agilolfingischen Bayern-Herzöge.

„Aud/t-“ ist die gotische Form des „od / ot / oð“. Johann Georg Turmair, genannt Aventinus (1477-1534), ein deutscher Historiker und Hofhistoriograph, schuf die Altöttinger Chronik, die „Historia Otingae, Munich, 1528“. Er schrieb in der deutschen Version 1519 von dem „hochwirdigen und weit berumten Stifft Alten Oting …“. Ihre größte Zeit erlebte die Karolingerpfalz, als König Karlmann, der Urenkel „Karls des Großen“, 865 seinen kompletten Regierungssitz von Regensburg nach Oting verlegte und von hier aus bis zu seinem Tode 880 als König über Bayern und Italien herrschte. Der politische Glanz von Alt-Oting bzw. Altötting währte nicht lange, beim Ungarnsturm 907 wurde der gesamte Ort mit Pfalz, Stift und Basilika verwüstet. - Hinter dem bayerischen Altötting wird Deutschlands zweit­größte chris­tenkirchlich organisierte „Fuß­wallfahrt“ durchgeführt, von der altgläubigen Asenhochburg Osna­brück ausgehend, über Oesede (einem alten Klost­er­standort) und dem Rit­tergut Oeding­ber­ge, zur Wallfahrts­ka­pelle der „Schmerzhaften Mutter“ in Telgte, das eine deutsche Meile vor Mün­ster in West­falen liegt. An der Klause Oeding­ber­ge wird die erste Rast mit „Wort­got­tes­dienst und Predigt“ ein­ge­legt. Nur allzu naheliegend wäre die Vermutung, dass diese „Burg des Od­ing“ einstmals ein alt­heiliger Sitz eines priesterlichen Vorstandes und Lehrkörpers gewesen ist.

Aus den Zwischenstationen dieser Wallfahrt, von Od-Ort zu Od-Ort, geht hervor, dass sie offenbar einer religiösen Tradition aus bereits altgermanischer Zeit folgt.