14.12.2013 / 23.12.2024

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DAS TOTEN-HEER

Wachsen die Nächte, wachsen die Schatten,
den Lebenden trauten Besuch abzustatten;
Schemen- und Schattenseelen aufsteigen,
es stampfen die Stolzen die stummen Reigen.

Sie laden sich selbst in Hütte und Haus,
sie fordern den schuldigen Totenschmaus;
sie ersehnen der Sippen Ehrung und Dank,
sie finden nach Hause zu Speise und Trank.

Vom Fensterbord lockt sie ein Kerzenschein,
der leitet den Ahn und die Ahnin hinein.
Zwischen Vater und Mutter am Küchentisch
stehen Tassen und Tiegel allabendlich.

Die Geister lieben den fetten Schmant,
Messerchen, Löffelchen liegen zuhand,
bei Seelensuppe und gebrockeltem Brot -;
hier leiden die Toten nimmermehr Not !

Wie die Regenflut in die Traufen tropft,
wie der Nachtwind an lockeren Läden klopft,
da zieht es die Kalten wieder hinaus,
da ruft sie der Herr in sein Sturmgebraus.

Jetzt haben die Nachtscharen große Zeit,
jetzt weist sie der Herr ins Wilde Gejaid.
Wenn sich der Himmel in Wolken hüllt,
Sturmwind durch wankende Wipfel brüllt,

dann singt der Totenwächter, der Wode,
die schauerlich-schreckliche Sterbeode.
Dann gehen die Hügel, die Gräber auf,
und die müdesten Matten zieht es hinauf.

Sie wirbeln in Windesgewalten mit,
weit übers Land geht der rasende Ritt.
Voran hetzt die mächtige Totenmähre,
der Reiter darauf mit blinkendem Speere,

vom wallenden Mantel wechelnd umzückt,
den breiten Hut in die Stirne gedrückt -;
und hinter dem fahlen, achtfüßigen Ross
der große, der grause Gespenster-Tross.
 

PS: So wie im Volks- und Naturglauben eines jeden Tages Mitternacht als Stunde der Geister gilt, so ist die Jahresmitternacht - die Jul-Zeit - ebenso eine Geisterumzugsphase, in der unsere eigengesetzlichen noch nicht verchristlichten Ahnen die Nähe der Totengeister in Gestalt von himmlischen Umzügen unter Führung der Geist- und Seelengottheit Wodin/Oden und dessen weiblich-göttlichem Mitwesen (Frau Holle/Perchta) zu spüren glaubten -; im Volksmythos als „Wilde Jagd“, „Wildes Heer“, „Wütiges Heer“ bezeichnet. Da in vorchristlicher Zeit der germanische Kalender zwei Jul-Monate kannte, einen vor und einen nach der Wintersonnen¬wende, erwartete man die Geisterumzüge innerhalb der gesamten Jul-Spanne, während in nachfolgender christlicher Zeit das Volk sie nur noch in den zwölf Weihnachtstagen, den 12 Rauhnächten (25. Dez. bis 6. Jan.) vermutete.

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Von Christa aus der Steiermark - https://www.der-steirische-brauch.at/


Die Zeit der Wilden Jagd beginnt mit den Herbst- und Winterstürmen. Wenn die „Wilde Jagd“ herannaht, klingt es, als würden alle Wipfel der Bäume brechen. Eine alte Bäuerin aus Salzburg beschrieb das Nahen der Wilden Jagd als zunächst liebliche Musik aus der Ferne, hell und schwingend, als würde auf gläsernen Instrumenten gespielt. Plötzlich setzte jedoch ein lautes Rasseln ein, ähnlich dem Geräusch, als würden riesige Hunde an Ketten zerren und eiserne Waffen zusammenschlagen. Am Morgen sah man im Wald einen breiten Streifen niedergerissener Bäume, obwohl es die ganze Nacht windstill gewesen war.

Zu den seltsamsten Naturerscheinungen gehören die sogenannten Luftstimmen. Schon in den ältesten Zeiten wurden in verschiedenen Gegenden sonderbare Töne gehört, welche die Luft erfüllten. Dieselben scheinen in verschiedenen Richtungen die Luft zu durchfliegen, oft von der Höhe herabzukommen, zuweilen aber auch von dem Erdboden aufwärts zu steigen. Diese seltsamen Luftstimmen werden gewöhnlich mit dem Namen „die Wilde Jagd“ bezeichnet.

Unsere heidnischen Vorfahren verbanden die wilde Jagd mit ihren heerführenden Göttern. Nach dem Volksglauben handelt es sich jedoch um die Geister von früheren, grausamen Jägern, die zu Lebzeiten Menschen und Tiere misshandelt haben. Diese Geister müssen nun lange Zeit zwischen Himmel und Erde umherirren, bevor sie in ihre ewige Heimat eingehen dürfen. Als Strafe für ihre Taten werden sie vom Teufel mit Geschrei und rastloser, stürmischer Unruhe in der Luft getrieben.

Das Phänomen, das regionale Unterschiede aufweist, ist in Skandinavien als „Odins Jagd“, Oskorei, Aaskereia oder Åsgårdsrei („der asgardische Zug“, „Fahrt nach Asgard“) bekannt und eng mit der Julzeit verbunden. Die norwegische Tradition rund um Åskoreia ist vielschichtig und enthält verschiedene Interpretationen. Ein gemeinsamer Aspekt ist die Vorstellung eines lauten und lärmenden Gefolges gefährlicher Wiedergänger, das vor allem nachts auftritt und besonders während der Weihnachtszeit (Julereia) eine Bedrohung für die Menschen darstellt. Der Name Åskoreia setzt sich aus zwei Teilen zusammen: „rei“, was „Reitbegleiter“ bedeutet und vom nordischen Wort „reið“ für „reiten“ abstammt. Die Form „åsgårdsrei“ bezieht sich auf Åsgard, die Burg der Æsen in der nordischen Mythologie. „Åsgårdsrei“ ist in Teilen von Trøndelag bezeugt. Es ist auch als „Odins jakt“ und „Vilda jakten“ auf Schwedisch bekannt, was "die Wilde Jagd auf" bedeutet. In Schweden jagt Odin manchmal als Anführer eine mythische „Waldfrau“ (schwedisch Skogsrå, norwegisch Huldra). Es wird angenommen, dass die Åskoreia Menschen während seiner wilden Reise mit sich zieht. In vielen Legenden wird von Menschen berichtet, die plötzlich weit entfernt von ihrem Zuhause auftauchen, nachdem sie auf einer Luftreise mitgenommen und an einem fremden Ort abgesetzt wurden. Es wird auch erzählt, dass Pferde von Åskoreia entführt und in einer Senke geritten wurden. Am nächsten Tag wurden sie schwitzend und zitternd im Stall gefunden. Als Schutzmaßnahme empfiehlt man, ein Stück scharfen Stahl über die Türen zu legen und ein Kreuz mit Kreide oder Teer zu zeichnen. Das Gefolge übernatürlicher Wesen, die man nachts hört, ist besonders im Spätherbst und zu Weihnachten unterwegs. In Schweden glaubte man, dass es der Asa-Gott Odin war, der sich auf die Suche nach dem Waldhirsch durch Wälder und über den Himmel machte.